Jeder kennt es: Man dreht den Wasserhahn auf und schon fließt es – klares, scheinbar unberührtes Leitungswasser. Oft greifen wir ganz selbstverständlich zum Glas und füllen es, ohne uns groß Gedanken zu machen. Aber ist dieses Vertrauen in unser Trinkwasser wirklich gerechtfertigt? Können wir unser Leitungswasser bedenkenlos genießen oder lauern im Verborgenen Risiken?
Leitungswasser in Deutschland: Ein Qualitätsprodukt?
Deutschland rühmt sich mit einer hervorragenden Trinkwasserqualität. Und tatsächlich: Die Trinkwasserverordnung, eines der strengsten Regelwerke Europas, setzt hohe Maßstäbe für die Beschaffenheit unseres Leitungswassers. Regelmäßige Kontrollen, durchgeführt von den Wasserversorgern, stellen sicher, dass die Grenzwerte für eine Vielzahl von Stoffen eingehalten werden. Dazu gehören:
- Bakterien und Viren: Diese werden durch Desinfektionsverfahren wie Chlorung oder UV-Bestrahlung abgetötet.
- Schwermetalle: Blei, Kupfer, Nickel und andere Metalle können in zu hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich sein.
- Nitrat: Stammt oft aus der Landwirtschaft und kann vor allem für Säuglinge gefährlich werden.
- Pestizide: Rückstände von Pflanzenschutzmitteln dürfen nur in minimalen Mengen vorhanden sein.
- Arzneimittelrückstände: Auch diese gelangen zunehmend ins Grundwasser und somit ins Trinkwasser.
Die Wasserversorger investieren beträchtliche Summen in die Aufbereitung des Wassers, um diese Schadstoffe zu entfernen oder zumindest auf unbedenkliche Werte zu reduzieren. Vom Wasserwerk bis zum Hausanschluss ist die Wasserqualität also in der Regel exzellent.
Die Tücken der Hausinstallation
Das Problem liegt oft nicht im Wasserwerk, sondern in den eigenen vier Wänden. Denn auf dem Weg vom Hausanschluss bis zum Wasserhahn kann das Leitungswasser durch die Hausinstallation verunreinigt werden. Hier einige Beispiele:
- Alte Bleileitungen: In Altbauten sind oft noch Bleileitungen verbaut. Blei ist hochgiftig und kann sich im Körper anreichern. Die Trinkwasserverordnung schreibt vor, dass Bleileitungen ausgetauscht werden müssen, doch in vielen Gebäuden sind sie noch vorhanden.
- Kupferleitungen: Auch Kupfer kann in zu hohen Konzentrationen gesundheitsschädlich sein, insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern. Stehendes Wasser in Kupferleitungen kann Kupfer lösen.
- Nickel: Ähnlich wie Kupfer kann auch Nickel aus Armaturen und Leitungen ins Wasser gelangen.
- Verkeimung: Stehendes Wasser in den Leitungen, insbesondere in selten genutzten Leitungen, kann zur Vermehrung von Bakterien wie Legionellen führen. Legionellen können die Legionärskrankheit (eine schwere Lungenentzündung) verursachen.
- Armaturen: Minderwertige Armaturen können Schadstoffe wie Nickel, Blei oder organische Verbindungen ans Wasser abgeben.
Wie kann ich die Wasserqualität in meinem Zuhause überprüfen?
Um sicherzustellen, dass Ihr Leitungswasser tatsächlich bedenkenlos trinkbar ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Sichtprüfung: Achten Sie auf Verfärbungen, Trübungen oder einen ungewöhnlichen Geruch des Wassers.
- Stagnationswasser ablaufen lassen: Lassen Sie das Wasser ablaufen, bis es kühl und frisch aus dem Hahn kommt. Das beseitigt das Wasser, das lange in den Leitungen gestanden hat.
- Regelmäßige Reinigung der Perlatoren: In den Perlatoren (Strahlreglern) am Wasserhahn können sich Ablagerungen und Bakterien ansammeln.
- Informationen beim Wasserversorger einholen: Ihr Wasserversorger ist verpflichtet, Ihnen Informationen über die Wasserqualität bis zum Hausanschluss zu geben.
- Professionelle Wasseranalyse: Wenn Sie Bedenken haben, können Sie eine professionelle Wasseranalyse in Auftrag geben. Dabei werden Proben Ihres Leitungswassers im Labor auf verschiedene Schadstoffe untersucht. Es gibt verschiedene Anbieter, die solche Analysen anbieten. Achten Sie auf seriöse Labore, die akkreditiert sind.
- Überprüfung der Hausinstallation: Lassen Sie Ihre Hausinstallation von einem Fachmann überprüfen, um mögliche Probleme mit alten Leitungen oder Armaturen zu erkennen.
Leitungswasser vs. Mineralwasser: Was ist besser?
Viele Menschen greifen lieber zu Mineralwasser aus Flaschen, weil sie es für sauberer oder gesünder halten. Aber ist das wirklich gerechtfertigt? Leitungswasser hat einige Vorteile gegenüber Mineralwasser:
- Umweltfreundlicher: Leitungswasser verursacht keine Plastikmüllberge und spart Transportwege.
- Günstiger: Leitungswasser ist deutlich günstiger als Mineralwasser.
- Kontrollierter: Die Trinkwasserverordnung ist oft strenger als die Vorschriften für Mineralwasser.
Mineralwasser kann jedoch sinnvoll sein, wenn Sie bestimmte Mineralstoffe gezielt zu sich nehmen möchten. Achten Sie jedoch auf die Zusammensetzung und den Natriumgehalt, insbesondere wenn Sie unter Bluthochdruck leiden.
Fazit: Leitungswasser – grundsätzlich bedenkenlos, aber Vorsicht ist geboten
Unser Leitungswasser ist in Deutschland grundsätzlich von sehr guter Qualität und in den meisten Fällen bedenkenlos trinkbar. Die Trinkwasserverordnung und die regelmäßigen Kontrollen der Wasserversorger gewährleisten eine hohe Wasserqualität bis zum Hausanschluss. Dennoch sollte man sich der potenziellen Risiken durch die Hausinstallation bewusst sein und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um die Wasserqualität im eigenen Zuhause zu überprüfen und zu verbessern. Durch einfache Maßnahmen wie das Ablaufenlassen von Stagnationswasser und die regelmäßige Reinigung der Perlatoren kann man bereits viel erreichen. Eine professionelle Wasseranalyse gibt zusätzliche Sicherheit. So können Sie Ihr Leitungswasser beruhigt genießen und gleichzeitig die Umwelt schonen.