Der Wehrdienst, eine Pflicht, die viele junge Männer (und in einigen Ländern auch Frauen) einst vor große Entscheidungen stellte, ist in Deutschland seit 2011 ausgesetzt. Dennoch bleibt das Wissen um die Kriterien, die jemanden von dieser Pflicht befreiten, relevant – sei es aus historischem Interesse, für den Fall einer Wiedereinführung oder zur Information über ähnliche Pflichten im In- und Ausland. Dieser Artikel beleuchtet die offiziellen Gründe, aus denen man früher ausgemustert wurde und somit vom Wehrdienst befreit war.
Was bedeutet „Ausgemustert”?
Bevor wir uns den Gründen widmen, ist es wichtig zu verstehen, was „ausgemustert” eigentlich bedeutet. Im Kontext des Wehrdienstes bezeichnete die Ausmusterung den Prozess, bei dem festgestellt wurde, dass eine Person aufgrund bestimmter körperlicher oder psychischer Einschränkungen nicht wehrdiensttauglich ist. Dieser Prozess fand im Rahmen der sogenannten Musterung statt, bei der die Eignung für den Militärdienst geprüft wurde. Die Ausmusterung bedeutete somit die dauerhafte Befreiung vom Wehrdienst.
Die Grundlage: Die Wehrpflichtgesetze
Die Grundlage für die Ausmusterung bildeten die jeweiligen Wehrpflichtgesetze und die dazugehörigen Verordnungen. Diese Gesetze definierten, welche Kriterien erfüllt sein mussten, um als wehrdiensttauglich zu gelten. Die Beurteilung erfolgte durch Ärzte und Psychologen, die im Auftrag der Bundeswehr tätig waren. Ihre Entscheidung basierte auf medizinischen Untersuchungen und psychologischen Tests.
Die wichtigsten Gründe für die Ausmusterung
Die Gründe für die Ausmusterung waren vielfältig und umfassten sowohl körperliche als auch psychische Einschränkungen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kategorien und Beispiele detailliert erläutert:
1. Körperliche Einschränkungen
Körperliche Einschränkungen stellten einen der häufigsten Gründe für die Ausmusterung dar. Sie umfassten eine breite Palette von Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die die Fähigkeit zur Ausübung des Wehrdienstes erheblich einschränkten.
- Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems: Herzfehler, Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck, tiefe Beinvenenthrombose und andere Herzkreislauferkrankungen konnten zur Ausmusterung führen. Die Belastung durch den Wehrdienst hätte diese Erkrankungen verschlimmern und das Leben der betroffenen Person gefährden können.
- Erkrankungen der Atemwege: Asthma, chronische Bronchitis, COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) und andere Atemwegserkrankungen konnten ebenfalls zur Ausmusterung führen. Die körperliche Anstrengung und die potenziell staubige Umgebung im Wehrdienst hätten die Symptome dieser Erkrankungen verschlimmern können.
- Erkrankungen des Bewegungsapparates: Schwere Skoliose, Bandscheibenvorfälle, Arthrose, Gelenkinstabilitäten und andere Erkrankungen des Bewegungsapparates konnten die körperliche Belastbarkeit erheblich einschränken und somit zur Ausmusterung führen.
- Seh- und Hörbeeinträchtigungen: Stark ausgeprägte Sehschwächen (auch mit Korrektur) und Hörverluste konnten die Ausübung des Wehrdienstes erheblich erschweren und somit zur Ausmusterung führen.
- Stoffwechselerkrankungen: Diabetes mellitus, Schilddrüsenerkrankungen und andere Stoffwechselerkrankungen, die eine regelmäßige medizinische Behandlung erforderten, konnten ebenfalls zur Ausmusterung führen.
- Neurologische Erkrankungen: Epilepsie, Multiple Sklerose und andere neurologische Erkrankungen stellten in der Regel einen Grund für die Ausmusterung dar.
- Übergewicht und Untergewicht: Starkes Über- oder Untergewicht, das gesundheitliche Risiken birgt, konnte ebenfalls zur Ausmusterung führen.
- Chronische Hauterkrankungen: Schwere Formen von Neurodermitis oder Psoriasis, die durch die Bedingungen im Wehrdienst verschlimmert werden könnten, konnten ebenfalls einen Grund für die Ausmusterung darstellen.
2. Psychische Erkrankungen
Psychische Erkrankungen spielten eine immer größere Rolle bei der Ausmusterung. Die Erkenntnis, dass psychische Belastungen im Wehrdienst schwerwiegende Folgen haben können, führte zu einer sensibleren Beurteilung der psychischen Gesundheit der Wehrpflichtigen.
- Depressionen: Schwere Depressionen, die eine intensive Behandlung erforderten, stellten einen klaren Grund für die Ausmusterung dar.
- Angststörungen: Panikattacken, soziale Phobien und andere Angststörungen konnten die Fähigkeit zur Teilnahme am Wehrdienst erheblich einschränken.
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS): Eine PTBS, die beispielsweise durch traumatische Erlebnisse in der Kindheit oder durch Unfälle verursacht wurde, konnte ebenfalls zur Ausmusterung führen.
- Persönlichkeitsstörungen: Bestimmte Persönlichkeitsstörungen, die die soziale Interaktion und die Anpassungsfähigkeit beeinträchtigten, konnten ebenfalls einen Grund für die Ausmusterung darstellen.
- Essstörungen: Anorexie und Bulimie, die mit schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken verbunden sind, konnten ebenfalls zur Ausmusterung führen.
3. Weitere Gründe
Neben körperlichen und psychischen Erkrankungen gab es noch weitere Gründe, die zur Ausmusterung führen konnten:
- Vorliegen einer schwerwiegenden Suchterkrankung: Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabhängigkeit stellten einen klaren Grund für die Ausmusterung dar.
- Schwere Straftaten: Verurteilungen wegen schwerer Straftaten konnten ebenfalls zur Ausmusterung führen, da die Vertrauenswürdigkeit und die Eignung für den Militärdienst in Frage gestellt wurden.
- Gewissensgründe (Kriegsdienstverweigerung): Obwohl dies nicht direkt eine Ausmusterung im medizinischen Sinne war, konnte man aufgrund von Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern und wurde dann als Zivildienstleistender eingesetzt. Dies war ein Sonderfall, der eine gesonderte Prüfung erforderte.
Der Ablauf der Musterung
Um ausgemustert zu werden, musste man sich zunächst der Musterung stellen. Dieser Prozess umfasste mehrere Schritte:
- Einladung zur Musterung: Junge Männer im wehrpflichtigen Alter erhielten eine Einladung zur Musterung.
- Ärztliche Untersuchung: Bei der Musterung wurde eine umfassende ärztliche Untersuchung durchgeführt, um den körperlichen Zustand zu beurteilen.
- Psychologische Tests: Je nach Bedarf wurden psychologische Tests durchgeführt, um die psychische Gesundheit zu beurteilen.
- Gespräch mit dem Musterungsarzt: Im Gespräch mit dem Musterungsarzt wurden die Ergebnisse der Untersuchungen und Tests besprochen.
- Entscheidung über die Wehrdiensttauglichkeit: Auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchungen und des Gesprächs wurde entschieden, ob die Person wehrdiensttauglich ist oder nicht.
Was tun bei Zweifel an der Entscheidung?
Wenn man mit der Entscheidung des Musterungsarztes nicht einverstanden war, hatte man die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Dieser Widerspruch musste schriftlich innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens wurde die Entscheidung des Musterungsarztes nochmals überprüft. Unter Umständen wurden weitere Untersuchungen durchgeführt oder Gutachten eingeholt.
Fazit
Die Ausmusterung vom Wehrdienst war ein komplexer Prozess, der auf klaren gesetzlichen Grundlagen und medizinischen Kriterien basierte. Sie diente dazu, sicherzustellen, dass nur Personen zum Wehrdienst herangezogen werden, die körperlich und psychisch dazu in der Lage sind. Auch wenn der Wehrdienst in Deutschland derzeit ausgesetzt ist, ist das Wissen um die Ausmusterungskriterien relevant, um die historischen Hintergründe zu verstehen und sich über die Voraussetzungen für ähnliche Pflichten zu informieren.