Das Abitur – die Eintrittskarte zu Studium und beruflicher Zukunft. Für viele Schülerinnen und Schüler ist es ein steiniger Weg, der von Klausuren, Präsentationen und dem ständigen Druck, gute Noten zu erzielen, geprägt ist. Immer wieder flammt die Diskussion auf, wie man das Abitur gerechter und effizienter gestalten kann. Ein besonders kontrovers diskutierter Punkt ist die Frage, ob man das Fach Kunst aus der Abiturwertung ausklammern dürfen sollte, um den Abiturschnitt zu verbessern. Ist das wirklich eine sinnvolle Option, oder würde man damit einen wichtigen Teil der Bildung vernachlässigen? Dieser Frage wollen wir in diesem Artikel auf den Grund gehen.
Die Ausgangslage: Kunst im Abitur
In den meisten Bundesländern ist Kunst ein Pflichtfach in der Sekundarstufe I und kann in der gymnasialen Oberstufe (Sekundarstufe II) als Wahlpflichtfach belegt werden. In einigen Bundesländern ist es sogar möglich, Kunst als Abiturfach zu wählen – entweder als schriftliches oder mündliches Prüfungsfach. Hier liegt auch der Knackpunkt der Debatte. Während manche Schülerinnen und Schüler eine Leidenschaft für Kunst haben und darin glänzen, sehen andere es als notwendiges Übel, das ihren Notendurchschnitt nach unten zieht.
Argumente für die Ausklammerung von Kunst
Befürworter der Ausklammerung von Kunst argumentieren vor allem mit der vermeintlichen Subjektivität der Bewertung. Im Gegensatz zu Fächern wie Mathematik oder Physik, in denen es klare Regeln und richtige Antworten gibt, sei die Beurteilung von künstlerischen Leistungen oft vom persönlichen Geschmack des Lehrers abhängig. Das kann dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler, die sich in anderen Fächern leichter tun, in Kunst benachteiligt werden und ihr Abiturschnitt unnötig leidet.
Ein weiterer Punkt ist die unterschiedliche Begabungslage. Nicht jeder Mensch ist von Natur aus künstlerisch begabt. Während manche mühelos beeindruckende Bilder malen oder Skulpturen gestalten, fällt es anderen schwer, überhaupt einen geraden Strich zu ziehen. Die Ausklammerung von Kunst würde diesen Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich auf ihre Stärken zu konzentrieren und in ihren Kernfächern bessere Leistungen zu erbringen. Dies könnte insbesondere für diejenigen von Vorteil sein, die ein Studium in einem naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich anstreben, in dem künstlerische Fähigkeiten weniger relevant sind.
Darüber hinaus wird argumentiert, dass die Zeit, die für den Kunstunterricht aufgewendet wird, in anderen Fächern sinnvoller genutzt werden könnte. Gerade in der Oberstufe, in der die Vorbereitung auf das Abitur im Vordergrund steht, sei es wichtiger, sich auf die Kernfächer zu konzentrieren, um den Abiturschnitt zu maximieren und die Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen. Die Ausklammerung von Kunst würde somit zu einer effizienteren Nutzung der Lernzeit führen.
Argumente gegen die Ausklammerung von Kunst
Die Gegner der Ausklammerung von Kunst betonen die Bedeutung des Faches für die allgemeine Bildung und die Entwicklung der Persönlichkeit. Kunst fördert die Kreativität, die Fantasie und die Fähigkeit, Probleme auf unkonventionelle Weise zu lösen. Diese Fähigkeiten sind nicht nur im künstlerischen Bereich von Bedeutung, sondern auch in vielen anderen Lebensbereichen, sei es im Beruf oder im Privatleben.
Darüber hinaus vermittelt Kunstunterricht ein Verständnis für kulturelle und historische Zusammenhänge. Die Auseinandersetzung mit Kunstwerken aus verschiedenen Epochen und Kulturen erweitert den Horizont und trägt zur Bildung eines differenzierten Weltbildes bei. Kunst ist somit ein wichtiger Bestandteil der Allgemeinbildung und sollte nicht zugunsten einer reinen Notenoptimierung geopfert werden.
Ein weiteres Argument ist, dass die Ausklammerung von Kunst zu einer Abwertung des Faches führen würde. Wenn Kunst nicht mehr für den Abiturschnitt relevant ist, würden viele Schülerinnen und Schüler es abwählen oder weniger ernst nehmen. Dies hätte negative Auswirkungen auf die Qualität des Kunstunterrichts und die Wertschätzung künstlerischer Leistungen in der Gesellschaft.
Zudem wird kritisiert, dass die Argumentation der Befürworter oft von einem verkürzten Verständnis von Bildung ausgeht. Bildung sollte nicht nur darauf abzielen, gute Noten zu erzielen und einen Studienplatz zu ergattern, sondern auch die Persönlichkeit zu entwickeln und die Fähigkeit zu fördern, sich kritisch mit der Welt auseinanderzusetzen. Kunst kann hier einen wichtigen Beitrag leisten.
Alternative Lösungsansätze
Anstatt Kunst komplett aus der Abiturwertung auszuklammern, gibt es auch alternative Lösungsansätze, die eine faire und sinnvolle Gestaltung des Faches im Abitur ermöglichen könnten:
- Differenzierte Bewertung: Die Bewertungskriterien im Kunstunterricht sollten transparenter und nachvollziehbarer gestaltet werden. Es sollte weniger um den persönlichen Geschmack des Lehrers gehen, sondern um die Fähigkeit des Schülers, sich mit künstlerischen Fragestellungen auseinanderzusetzen, kreative Lösungen zu finden und seine Ideen überzeugend zu präsentieren.
- Förderung individueller Stärken: Der Kunstunterricht sollte stärker auf die individuellen Stärken und Interessen der Schülerinnen und Schüler eingehen. Anstatt alle über den gleichen Kamm zu scheren, sollte es Raum für unterschiedliche Schwerpunkte und künstlerische Ausdrucksformen geben.
- Projektorientierter Unterricht: Statt traditioneller Klausuren könnten verstärkt Projekte in die Bewertung einfließen, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Fähigkeiten und Kenntnisse praktisch anwenden können. Dies würde den Kunstunterricht praxisnäher und motivierender gestalten.
- Wahlmöglichkeiten: Anstatt Kunst als Pflichtfach in der Oberstufe beizubehalten, könnte man den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, zwischen verschiedenen künstlerischen und musischen Fächern zu wählen. So könnten sie sich auf diejenigen Bereiche konzentrieren, die ihnen am meisten liegen und in denen sie ihre Stärken entfalten können.
Fazit: Eine Frage der Prioritäten
Die Debatte um die Ausklammerung von Kunst im Abitur ist komplex und vielschichtig. Es gibt gute Argumente sowohl für als auch gegen diese Maßnahme. Letztendlich ist es eine Frage der Prioritäten: Was ist uns wichtiger – ein möglichst hoher Abiturschnitt oder eine umfassende Bildung, die auch künstlerische und kreative Fähigkeiten einschließt?
Die pauschale Ausklammerung von Kunst erscheint wenig zielführend, da sie die Bedeutung des Faches für die Persönlichkeitsentwicklung und die Allgemeinbildung unterschätzt. Stattdessen sollten alternative Lösungsansätze in Betracht gezogen werden, die eine faire und sinnvolle Gestaltung des Kunstunterrichts im Abitur ermöglichen. Dies könnte dazu beitragen, die Motivation der Schülerinnen und Schüler zu steigern, ihre individuellen Stärken zu fördern und die Wertschätzung künstlerischer Leistungen in der Gesellschaft zu erhöhen.
Die Entscheidung, ob Kunst im Abitur relevant bleibt oder nicht, sollte daher nicht nur von der Frage nach dem optimalen Abiturschnitt abhängen, sondern auch von einer umfassenden Reflexion über die Ziele und Werte unserer Bildung.