Das Leben ist ein Weg voller unerwarteter Wendungen, das wissen wir alle. Aber manchmal nimmt es eine Kehrtwende, die so überraschend ist, dass man sich fragt, ob man träumt. Meine Geschichte ist genau so eine: Sie handelt von Krebs, vom Überleben und von einer Berufung, die ich nie erwartet hätte – der Arbeit mit Kindern mit Hör- und Sprachbehinderungen in einem Kindergarten und einer Grundschule.
Bevor ich ins Detail gehe, lasst mich euch ein wenig über mein Leben vor der Diagnose erzählen. Ich war eine ehrgeizige Marketingmanagerin, karriereorientiert und getrieben vom Wunsch nach Erfolg. Mein Leben drehte sich um Meetings, Präsentationen und das Erreichen von Quartalszielen. Kinder waren in meiner Planung, aber eher in ferner Zukunft. Dann kam der Anruf, der alles veränderte: Krebs.
Die nächsten Monate waren ein Albtraum. Operationen, Chemotherapie, Bestrahlung – die volle Breitseite. Ich erinnere mich an die endlose Müdigkeit, die Übelkeit und die Angst. Angst vor dem Sterben, Angst vor dem, was die Krankheit mit meinem Körper und meinem Leben anrichtete. Aber inmitten dieser Dunkelheit gab es auch Lichtblicke: Die unglaubliche Unterstützung meiner Familie und Freunde, die Professionalität und Empathie der Ärzte und Krankenschwestern und, vielleicht am wichtigsten, die Entdeckung einer inneren Stärke, von der ich nicht wusste, dass ich sie besaß.
Nach einer langen und harten Behandlung galt ich als geheilt. Aber die Heilung war nicht das Ende der Geschichte. Der Krebs hatte mich verändert, nicht nur körperlich, sondern auch seelisch. Ich spürte ein tiefes Bedürfnis, etwas Sinnvolles zu tun, etwas, das über den reinen Profit hinausging. Ich konnte nicht einfach wieder in mein altes Leben zurückkehren, so sehr ich es mir auch manchmal wünschte.
Die Suche nach meiner neuen Bestimmung war nicht einfach. Ich probierte verschiedene Dinge aus: Freiwilligenarbeit in einem Tierheim, Malerei, Yoga. Nichts schien wirklich zu passen. Eines Tages, während eines Besuchs bei meiner Schwester, die Sonderschulpädagogin ist, lernte ich einige ihrer Schüler kennen. Es waren Kinder mit Hör- und Sprachbehinderungen, die in einem speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Kindergarten und einer Grundschule betreut wurden. Ich war sofort fasziniert.
Ich erinnere mich an die kleine Lena, die mir mit strahlenden Augen und einem breiten Grinsen ein selbstgemaltes Bild schenkte. Lena war fast taub, aber ihre Freude war so ansteckend, dass sie mich tief berührte. Ich beobachtete, wie meine Schwester mit den Kindern interagierte, wie sie ihnen mit Geduld und Kreativität half, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu entwickeln. Ich sah, wie sie aufblühten, wie sie lernten, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken, trotz ihrer Herausforderungen.
In diesem Moment wusste ich es: Das war es, was ich tun wollte. Ich wollte Teil dieser Welt sein, Teil dieser Gemeinschaft. Ich wollte den Kindern helfen, ihre Stimme zu finden, ihre Fähigkeiten zu entfalten und ihre Träume zu verwirklichen. Aber wie sollte ich das anstellen? Ich hatte keine pädagogische Ausbildung, keine Erfahrung im Umgang mit Kindern mit Behinderungen. Der Weg schien steinig und lang.
Ich sprach mit meiner Schwester, die mich ermutigte und mir half, einen Plan zu entwickeln. Zunächst begann ich mit ehrenamtlicher Arbeit in dem Kindergarten und der Grundschule. Ich half den Erziehern und Lehrern bei ihren täglichen Aufgaben, las den Kindern vor, spielte mit ihnen und lernte die Grundlagen der Gebärdensprache. Es war harte Arbeit, aber ich liebte jede Minute davon.
Nach einigen Monaten ehrenamtlicher Arbeit entschloss ich mich, eine Ausbildung zur pädagogischen Fachkraft zu beginnen. Es war ein anstrengendes Programm, das viel Zeit und Engagement erforderte. Aber ich war motiviert und entschlossen, mein Ziel zu erreichen. Ich lernte alles über die verschiedenen Arten von Hör- und Sprachbehinderungen, über die speziellen pädagogischen Methoden und über die Bedeutung der Inklusion.
Die Ausbildung war nicht nur theoretisch, sondern auch sehr praktisch. Ich absolvierte mehrere Praktika in verschiedenen Einrichtungen, darunter in dem Kindergarten und der Grundschule, in dem ich angefangen hatte. Ich hatte die Möglichkeit, mein Wissen und meine Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen und von erfahrenen Pädagogen zu lernen. Es war eine unglaublich wertvolle Erfahrung.
Nachdem ich meine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde mir eine Stelle als pädagogische Fachkraft in dem Kindergarten und der Grundschule angeboten. Ich war überglücklich. Endlich hatte ich meinen Platz gefunden, meine Berufung. Ich war nun offiziell Teil des Teams und konnte aktiv dazu beitragen, das Leben der Kinder positiv zu beeinflussen.
Meine Arbeit ist anspruchsvoll, aber auch unglaublich erfüllend. Ich helfe den Kindern, ihre Kommunikationsfähigkeiten zu entwickeln, ihre Sprache zu verbessern und ihre sozialen Kompetenzen zu stärken. Ich arbeite eng mit den Eltern zusammen, um sicherzustellen, dass die Kinder die bestmögliche Unterstützung erhalten. Und ich feiere ihre Erfolge, egal wie klein sie auch sein mögen.
Ich habe gelernt, dass Kommunikation so viel mehr ist als nur Worte. Es geht um Augenkontakt, Mimik, Gestik, Gebärdensprache und vor allem um Empathie. Es geht darum, die Kinder zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und ihnen das Gefühl zu geben, gehört und wertgeschätzt zu werden.
Manchmal werde ich gefragt, ob ich meinen alten Job vermisse. Die Antwort ist ehrlich gesagt: Ja und Nein. Ich vermisse das Prestige, das hohe Gehalt und die Anerkennung. Aber ich vermisse nicht den Stress, den Druck und die Sinnlosigkeit. Meine Arbeit mit den Kindern gibt mir so viel mehr zurück als jeder Job in der Wirtschaft es jemals könnte. Sie gibt mir Sinn, Freude und das Gefühl, etwas wirklich Wichtiges zu tun.
Meine Krebserkrankung war eine traumatische Erfahrung, die mein Leben für immer verändert hat. Aber sie hat mir auch eine neue Perspektive gegeben, eine neue Richtung. Sie hat mich zu meiner wahren Berufung geführt. Ich bin dankbar für die Lektionen, die ich gelernt habe, für die Menschen, die ich getroffen habe, und für die Möglichkeit, einen positiven Beitrag zu leisten. Und ich bin stolz darauf, ein Teil der Gemeinschaft von Erziehern, Lehrern und Eltern zu sein, die sich jeden Tag für das Wohl der Kinder mit Hör- und Sprachbehinderungen einsetzen.
Meine Geschichte ist ein Beweis dafür, dass das Leben manchmal unerwartete Wege einschlägt. Aber es ist auch ein Beweis dafür, dass aus jeder Krise etwas Gutes entstehen kann. Manchmal muss man erst ganz unten sein, um seine wahre Bestimmung zu finden. Und manchmal ist der unerwartete Weg genau der richtige.