Die Frage, ob man im deutschen Gefängnissystem ausreichend zu essen bekommt, ist komplexer als man auf den ersten Blick vermuten mag. Während die Vorstellung von kargen Rationen und hungrigen Insassen in Filmen und Serien weit verbreitet ist, sieht die Realität oft differenzierter aus. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Gefängnisverpflegung in Deutschland, von den rechtlichen Grundlagen über die tatsächliche Umsetzung bis hin zu den subjektiven Erfahrungen der Gefangenen.
Die rechtlichen Grundlagen: Was das Gesetz vorschreibt
Das Strafvollzugsgesetz (StVollzG) bildet die Grundlage für die Behandlung von Gefangenen in Deutschland. § 20 StVollzG regelt die Verpflegung und stellt klar, dass Gefangene „ausreichend und vollwertig” zu ernähren sind. Die Verpflegung muss den Erfordernissen einer gesunden Ernährung entsprechen, altersgemäß sein und auf religiöse und weltanschauliche Bedürfnisse Rücksicht nehmen, soweit dies mit den Notwendigkeiten der Anstalt vereinbar ist. Diese Formulierung lässt jedoch Interpretationsspielraum und eröffnet Raum für unterschiedliche Auslegungen in den einzelnen Bundesländern und Anstalten.
Konkret bedeutet dies, dass die Verpflegungspläne der einzelnen Justizvollzugsanstalten (JVA) von Ernährungsexperten erstellt werden und sich an den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) orientieren sollen. Diese Richtlinien geben Empfehlungen für die tägliche Nährstoffzufuhr und sollen sicherstellen, dass die Gefangenen alle notwendigen Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente erhalten.
Die Realität in der JVA: Was auf den Teller kommt
Die tatsächliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben variiert stark. In den meisten JVAs erhalten die Gefangenen drei Mahlzeiten täglich: Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Das Frühstück besteht in der Regel aus Brot, Brötchen, Margarine, Marmelade oder Honig, Wurst oder Käse sowie Kaffee oder Tee. Das Mittagessen ist die Hauptmahlzeit und besteht meist aus einer warmen Speise mit Beilagen wie Kartoffeln, Reis oder Nudeln sowie Gemüse oder Salat. Das Abendessen ähnelt dem Frühstück und kann zusätzlich Joghurt oder Quark enthalten.
Die Qualität und Quantität der Speisen sind jedoch oft Gegenstand von Kritik. Viele Gefangene bemängeln die mangelnde Abwechslung, die geringe Menge an frischem Obst und Gemüse sowie die oft minderwertige Qualität der Zutaten. Insbesondere die Verwendung von Convenience-Produkten und Fertiggerichten ist weit verbreitet, was sich negativ auf den Geschmack und die Nährstoffdichte auswirken kann. Auch die Portionsgrößen sind oft nicht ausreichend, um den individuellen Bedarf zu decken, insbesondere bei körperlich aktiven Gefangenen.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Berücksichtigung von individuellen Bedürfnissen. Obwohl das Gesetz religiöse und weltanschauliche Bedürfnisse berücksichtigt, gestaltet sich die Umsetzung in der Praxis oft schwierig. Vegetarische oder vegane Optionen sind zwar in den meisten JVAs vorhanden, entsprechen aber nicht immer den Erwartungen der Gefangenen. Auch Allergien oder Unverträglichkeiten werden nicht immer ausreichend berücksichtigt.
Erfahrungsberichte: Was Gefangene berichten
Die Erfahrungen der Gefangenen mit der Gefängniskost sind vielfältig und oft subjektiv gefärbt. Viele berichten von einem Gefühl des ständigen Hungers, insbesondere in den ersten Wochen der Haft. Die eintönige Ernährung und die geringe Menge an frischen Lebensmitteln führen oft zu Mangelerscheinungen und gesundheitlichen Problemen. Viele Gefangene versuchen, den Mangel durch den Kauf von Lebensmitteln im Anstaltsladen auszugleichen.
Einige Gefangene berichten jedoch auch von positiven Erfahrungen. In einigen JVAs gibt es Initiativen zur Verbesserung der Verpflegung, beispielsweise durch die Einführung von Bio-Produkten oder die Beteiligung der Gefangenen an der Zubereitung der Speisen. Auch die Möglichkeit, selbst zu kochen, kann die Situation verbessern, ist aber in den meisten JVAs nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.
Es ist wichtig zu betonen, dass die subjektive Wahrnehmung der Gefängniskost stark von den individuellen Umständen abhängt. Faktoren wie die persönliche Vorliebe für bestimmte Speisen, der Gesundheitszustand, die körperliche Aktivität und die finanzielle Situation spielen eine Rolle. Auch die Art der JVA, in der man untergebracht ist, hat einen Einfluss auf die Qualität und Quantität der Verpflegung.
Alternativen zur Anstaltsverpflegung: Der Anstaltsladen
Der Anstaltsladen bietet den Gefangenen die Möglichkeit, zusätzliche Lebensmittel und Hygieneartikel zu kaufen. Das Sortiment umfasst in der Regel Konserven, Süßigkeiten, Knabbereien, Getränke, Kaffee, Tee, Tabakwaren und Hygieneartikel. Die Preise sind jedoch oft höher als im Einzelhandel, was dazu führt, dass sich viele Gefangene nur eingeschränkt Lebensmittel kaufen können. Die Höhe des Geldbetrags, den ein Gefangener im Anstaltsladen ausgeben darf, ist begrenzt und hängt von der Art der Haft und der individuellen finanziellen Situation ab.
Der Anstaltsladen spielt eine wichtige Rolle bei der Deckung des Grundbedarfs der Gefangenen. Er ermöglicht es ihnen, die eintönige Anstaltsverpflegung aufzubessern und sich mit Dingen zu versorgen, die ihnen im Alltag fehlen. Allerdings kann er auch zu Problemen führen, insbesondere bei Gefangenen mit geringem Einkommen. Die Abhängigkeit vom Anstaltsladen kann zu sozialer Ungleichheit und zu Konflikten zwischen den Gefangenen führen.
Fazit: Satt werden ist nicht gleich satt sein
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage, ob man in deutschen Gefängnissen satt wird, nicht pauschal beantwortet werden kann. Zwar sind die JVAs gesetzlich verpflichtet, eine ausreichende und vollwertige Ernährung zu gewährleisten, doch die Realität sieht oft anders aus. Viele Gefangene bemängeln die mangelnde Abwechslung, die geringe Qualität und Quantität der Speisen sowie die unzureichende Berücksichtigung individueller Bedürfnisse.
Der Anstaltsladen bietet eine Möglichkeit, die Anstaltsverpflegung aufzubessern, ist aber für viele Gefangene aufgrund der hohen Preise und der begrenzten finanziellen Mittel nur eingeschränkt zugänglich. Um die Situation zu verbessern, sind Initiativen zur Steigerung der Qualität und Vielfalt der Gefängniskost, zur besseren Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und zur Förderung der Eigenverantwortung der Gefangenen erforderlich. Nur so kann sichergestellt werden, dass Gefangene nicht nur satt werden, sondern auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung erhalten, die zu ihrer Resozialisierung beiträgt.
Letztendlich geht es nicht nur darum, den Hunger zu stillen, sondern auch um die Würde und das Wohlbefinden der Gefangenen. Eine angemessene Verpflegung ist ein wichtiger Baustein für eine humane Strafvollzugspolitik, die auf Resozialisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft abzielt.
