Stehen Sie auch regelmäßig vor dem Supermarktregal und fragen sich, was Sie eigentlich kaufen sollen? Die bunte Nutri-Score-Ampel, die auf immer mehr Produkten prangt, soll eigentlich Orientierung bieten. Doch hilft sie wirklich, oder sorgt sie eher für Verwirrung? Wir nehmen den Nutri-Score genauer unter die Lupe und beleuchten seine Vor- und Nachteile.
Was ist der Nutri-Score überhaupt?
Der Nutri-Score ist ein Lebensmittelkennzeichnungssystem, das in Frankreich entwickelt wurde und sich seitdem in vielen europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, immer größerer Beliebtheit erfreut. Er bewertet den Nährwert eines Lebensmittels und weist ihm einen Buchstaben von A (günstig) bis E (ungünstig) sowie eine entsprechende Farbe (dunkelgrün bis rot) zu. Die Bewertung basiert auf einer komplexen Formel, die sowohl positiv bewertete Inhaltsstoffe (wie Ballaststoffe, Proteine, Obst und Gemüse) als auch negativ bewertete Inhaltsstoffe (wie Zucker, Fett und Salz) berücksichtigt.
Das Ziel des Nutri-Score ist es, Konsumenten auf einen Blick zu zeigen, welche Produkte innerhalb einer Produktkategorie die gesündere Wahl darstellen. So soll es einfacher werden, gesunde Ernährung in den Alltag zu integrieren und ungesunde Lebensmittel zu vermeiden.
Wie funktioniert die Berechnung?
Die Berechnung des Nutri-Scores ist komplex und basiert auf einem Punktesystem. Für 100 Gramm oder 100 Milliliter eines Produkts werden Punkte für „ungünstige” Nährstoffe (Kalorien, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz) vergeben und davon Punkte für „günstige” Nährstoffe (Eiweiß, Ballaststoffe, Obst, Gemüse und Nüsse) abgezogen. Die resultierende Punktzahl ordnet das Produkt dann einer der fünf Klassen (A bis E) zu.
Es ist wichtig zu verstehen, dass der Nutri-Score sich immer auf 100 Gramm oder 100 Milliliter bezieht. Das bedeutet, dass ein Produkt mit einem „schlechten” Nutri-Score in kleinen Mengen trotzdem in eine ausgewogene Ernährung passen kann.
Die Vorteile des Nutri-Score:
- Einfache Orientierung: Der Nutri-Score bietet eine schnelle und leicht verständliche Möglichkeit, den Nährwert von Lebensmitteln zu vergleichen.
- Förderung gesünderer Entscheidungen: Er kann dazu beitragen, dass Konsumenten bewusster einkaufen und gesündere Alternativen wählen.
- Transparenz: Er macht die Nährwertzusammensetzung von Lebensmitteln transparenter und hilft, versteckte Zucker- oder Fettfallen zu erkennen.
- Anreiz für Hersteller: Er kann Hersteller dazu anregen, ihre Produkte zu optimieren, um einen besseren Nutri-Score zu erhalten.
Die Nachteile und Kritik am Nutri-Score:
Trotz seiner Vorteile ist der Nutri-Score nicht unumstritten. Es gibt einige Kritikpunkte, die beachtet werden sollten:
- Vereinfachung: Der Nutri-Score ist eine Vereinfachung, die nicht alle Aspekte einer ausgewogenen Ernährung berücksichtigt. Er bewertet beispielsweise nicht den Grad der Verarbeitung oder die Herkunft der Zutaten.
- Verzerrungen: Die Berechnung kann zu Verzerrungen führen. So können beispielsweise zuckerhaltige Getränke mit Süßstoffen besser abschneiden als natürliche Säfte, obwohl sie ernährungsphysiologisch nicht unbedingt vorteilhafter sind.
- Kategorisierung: Der Nutri-Score vergleicht Produkte innerhalb einer Kategorie. Das bedeutet, dass ein Produkt mit einem „A” im Vergleich zu anderen Produkten seiner Kategorie immer noch relativ ungesund sein kann.
- Fehlende Differenzierung: Er differenziert nicht ausreichend zwischen verschiedenen Arten von Fetten (z.B. gesättigte vs. ungesättigte Fettsäuren) oder Zucker (z.B. zugesetzter Zucker vs. natürlich vorkommender Zucker).
- Freiwilligkeit: Die Verwendung des Nutri-Scores ist in den meisten Ländern freiwillig. Das bedeutet, dass viele Produkte ohne Kennzeichnung im Regal stehen, was den Vergleich erschwert.
- Fokus auf 100g/100ml: Die Bewertung pro 100g/100ml berücksichtigt nicht die übliche Portionsgröße. Ein Produkt, das man nur in kleinen Mengen verzehrt, kann trotz schlechtem Nutri-Score Teil einer gesunden Ernährung sein.
Beispiele für Kritik und mögliche Fehlinterpretationen:
Um die Kritik am Nutri-Score besser zu verstehen, hier einige Beispiele:
- Käse: Viele Käsesorten haben aufgrund ihres hohen Fettgehalts einen schlechten Nutri-Score (D oder E). Das bedeutet aber nicht, dass Käse grundsätzlich ungesund ist. Er ist eine wichtige Quelle für Kalzium und Proteine und kann in Maßen Teil einer ausgewogenen Ernährung sein.
- Olivenöl: Obwohl Olivenöl viele gesunde Fette enthält, kann es aufgrund seines hohen Fettgehalts einen relativ schlechten Nutri-Score (C oder D) erhalten. Im Vergleich dazu könnte ein fettarmes Salatdressing mit viel Zucker besser abschneiden, obwohl es ernährungsphysiologisch weniger wertvoll ist.
- Fertiggerichte: Oftmals werden Fertiggerichte mit einem guten Nutri-Score beworben, obwohl sie hochverarbeitet sind und wenig Nährstoffe enthalten. Hier ist es wichtig, auch auf die Zutatenliste zu achten.
Der Nutri-Score und die Zukunft der Lebensmittelkennzeichnung:
Trotz der Kritik ist der Nutri-Score ein wichtiger Schritt in Richtung einer transparenteren Lebensmittelkennzeichnung. Er kann Verbrauchern helfen, bewusster einzukaufen und sich gesünder zu ernähren. Allerdings sollte er nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage dienen. Es ist wichtig, sich auch mit den Inhaltsstoffen, Portionsgrößen und dem Grad der Verarbeitung auseinanderzusetzen.
Die Entwicklung des Nutri-Scores ist noch nicht abgeschlossen. Es wird laufend an Verbesserungen gearbeitet, um die Berechnung genauer und aussagekräftiger zu machen. Auch andere Modelle der Lebensmittelkennzeichnung werden diskutiert. Wichtig ist, dass die Kennzeichnung für Verbraucher verständlich und hilfreich ist, um eine gesunde und ausgewogene Ernährung zu fördern.
Fazit: Sinnvoll mit Vorsicht zu genießen
Der Nutri-Score ist ein nützliches Werkzeug, um den Nährwert von Lebensmitteln schnell zu erfassen und innerhalb einer Produktkategorie zu vergleichen. Er sollte jedoch nicht blindlings vertraut werden. Es ist wichtig, sich bewusst zu sein, dass er eine Vereinfachung darstellt und nicht alle Aspekte einer gesunden Ernährung berücksichtigt. Achten Sie weiterhin auf die Zutatenliste, Portionsgrößen und den Grad der Verarbeitung und nutzen Sie den Nutri-Score als einen von mehreren Faktoren bei Ihrer Kaufentscheidung. Eine ausgewogene Ernährung basiert auf einer vielfältigen Auswahl an frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln und sollte nicht allein von einer Ampel auf der Verpackung bestimmt werden.
Letztendlich ist der Nutri-Score ein Hilfsmittel, kein Allheilmittel. Er kann uns dabei helfen, bewusstere Entscheidungen zu treffen, aber er ersetzt nicht das eigene Nachdenken und Wissen über gesunde Ernährung.