Es ist eine Frage, die sich schon so mancher Deutschlandreisende gestellt hat, der in Österreich oder der Schweiz vergeblich nach dem süßen, malzigen Getränk seiner Kindheit suchte: Warum ist Malzbier – ein fester Bestandteil deutscher Supermarktregale – in den Alpenländern praktisch nicht existent? Ein Rätsel, das wir hier lüften wollen.
Was ist Malzbier überhaupt?
Bevor wir uns der Frage nach seiner Abwesenheit in Österreich und der Schweiz widmen, klären wir zunächst, was Malzbier eigentlich ist. Im Kern ist es ein Getränk, das aus Wasser, Malz, Glukosesirup oder Zucker, Kohlensäure und Hopfenextrakt hergestellt wird. Es enthält im Vergleich zu Bier sehr wenig Alkohol, oft weniger als 0,5 % Vol. und wird daher häufig auch von Kindern und Jugendlichen getrunken. Der Geschmack ist süßlich und malzig, und viele Sorten werden durch die Zugabe von Zucker oder Süßstoffen noch verstärkt.
Malzbier ist in Deutschland ein Kulturgut. Es wird oft als Energiequelle, als Alternative zu Limonade oder einfach nur als süße Erfrischung genossen. Marken wie Karamalz sind in fast jedem Supermarkt zu finden und haben eine lange Tradition.
Die Alpenländer: Eine andere Getränkekultur
In Österreich und der Schweiz hingegen herrscht eine andere Getränkekultur vor. Hier dominieren andere Getränke die Regale und die Gaumen der Bevölkerung. Während Bier in beiden Ländern natürlich eine wichtige Rolle spielt (Österreich ist bekannt für seine Vielfalt an Lagerbieren, die Schweiz für ihre Craft-Bier-Szene), sind die Vorlieben für alkoholfreie Alternativen anders gelagert.
In Österreich werden traditionell Almdudler, eine Kräuterlimonade, sowie diverse Fruchtsäfte und Mineralwässer hoch geschätzt. Auch „G’spritzte” (mit Mineralwasser verdünnter Wein oder Apfelsaft) sind beliebte Getränke. In der Schweiz sind Rivella (Molkegetränk), Apfelschorle und ebenfalls Mineralwässer sehr verbreitet. Der süße, malzige Geschmack von Malzbier scheint hier weniger Anklang zu finden.
Marktanalysen und Konsumgewohnheiten
Um das Phänomen besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf Marktanalysen und Konsumgewohnheiten. Studien zeigen, dass die Nachfrage nach süßen, malzbasierten Getränken in Österreich und der Schweiz schlichtweg geringer ist als in Deutschland. Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Geschmacksvorlieben: Wie bereits erwähnt, bevorzugen die Menschen in Österreich und der Schweiz tendenziell andere Geschmacksrichtungen bei alkoholfreien Getränken. Kräuter, Früchte und Säure spielen eine größere Rolle als die Süße und Malzigkeit von Malzbier.
- Gesundheitsbewusstsein: In den letzten Jahren hat das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung zugenommen. Süße Getränke, insbesondere solche mit hohem Zuckergehalt, werden zunehmend kritisch betrachtet. Obwohl es auch Malzbier-Varianten mit reduziertem Zuckergehalt gibt, haftet dem Getränk oft das Image eines „ungesunden” Durstlöschers an.
- Marketing und Verfügbarkeit: Die Verfügbarkeit eines Produkts ist entscheidend für seinen Erfolg. Da Malzbier in Österreich und der Schweiz kaum beworben und nur selten in Supermärkten angeboten wird, fehlt es an Bekanntheit und somit an Nachfrage. Ein Teufelskreis.
- Konkurrenz durch lokale Produkte: Österreich und die Schweiz verfügen über eine große Auswahl an lokalen Getränkeprodukten, die fest in der Kultur verankert sind. Diese Produkte konkurrieren stark mit potenziellen Importen wie Malzbier.
Regionale Unterschiede und Ausnahmen
Obwohl Malzbier in Österreich und der Schweiz insgesamt selten ist, gibt es regionale Unterschiede und Ausnahmen. In einigen Grenzregionen zu Deutschland kann man das Getränk vereinzelt finden, insbesondere in Supermärkten, die sich an deutsche Touristen oder Expats richten. Auch in einigen speziellen Getränkehandlungen oder Online-Shops, die deutsche Produkte anbieten, ist Malzbier manchmal erhältlich. Diese Fälle sind jedoch eher die Ausnahme als die Regel.
Die Rolle der Brauereien
Ein weiterer Aspekt ist die Rolle der Brauereien. Während in Deutschland viele Brauereien Malzbier als Teil ihres Sortiments anbieten, konzentrieren sich die österreichischen und Schweizer Brauereien stärker auf die Produktion von Bier und anderen alkoholischen Getränken. Die Herstellung von Malzbier scheint für sie weniger attraktiv zu sein, möglicherweise aufgrund der geringeren Nachfrage und der höheren Gewinnmargen bei anderen Produkten.
Ein Blick in die Zukunft
Wird sich die Situation in Zukunft ändern? Es ist schwer zu sagen. Trends im Getränkemarkt sind oft unvorhersehbar. Es ist denkbar, dass Malzbier durch veränderte Konsumgewohnheiten oder gezieltes Marketing auch in Österreich und der Schweiz an Popularität gewinnt. Die Entwicklung hin zu zuckerreduzierten oder „gesünderen” Varianten könnte ebenfalls dazu beitragen, das Image des Getränks zu verbessern und neue Zielgruppen anzusprechen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Malzbier jemals die gleiche Verbreitung und Akzeptanz wie in Deutschland erreichen wird, da die Getränkekultur in den Alpenländern einfach anders ist.
Fazit: Ein kulturelles Phänomen
Die Abwesenheit von Malzbier in Österreich und der Schweiz ist also kein reiner Zufall, sondern das Ergebnis einer komplexen Mischung aus Faktoren, darunter Geschmacksvorlieben, Konsumgewohnheiten, Gesundheitsbewusstsein, Marketingstrategien und die Konkurrenz durch lokale Produkte. Es ist ein Beispiel dafür, wie stark Getränke mit der jeweiligen Kultur und Tradition eines Landes verbunden sein können.