Kultur-Clash im Glas: Was Deutsche am italienischen Alkoholkonsum so komisch finden
Deutschland und Italien – zwei Länder, die geografisch relativ nah beieinander liegen, kulinarisch aber Welten trennen. Und das gilt nicht nur für Pizza und Sauerkraut, sondern auch für den Umgang mit Alkohol. Wer als Deutscher in Italien unterwegs ist, oder umgekehrt, wird schnell feststellen, dass die Trinkgewohnheiten sich deutlich unterscheiden. Was für den einen selbstverständlich ist, wirkt auf den anderen oft befremdlich, ja sogar komisch. In diesem Artikel beleuchten wir die häufigsten Punkte, die deutsche Urlauber oder Wahlitaliener am italienischen Alkoholkonsum amüsieren, irritieren oder einfach nur verwundern.
1. Wein zum Mittagessen: Alltag statt Ausnahme
Einer der größten Unterschiede ist die Selbstverständlichkeit, mit der Wein in Italien zum Mittagessen getrunken wird. Während in Deutschland ein Glas Wein mittags eher die Ausnahme darstellt und oft mit einem besonderen Anlass verbunden ist, gehört es in Italien für viele zum Alltag. Ob im Büro, in der Werkstatt oder im Restaurant – ein Viertel Liter vino della casa ist keine Seltenheit. Deutsche hingegen assoziieren Alkohol am Mittag oft mit einem mangelnden Durchhaltevermögen oder gar einem Alkoholproblem. Diese Sichtweise ist in Italien deutlich weniger verbreitet. Dort betrachtet man Wein eher als Teil der Mahlzeit, als Genussmittel, das den Geschmack des Essens unterstreicht und die Verdauung fördert.
Der Fokus liegt hier auf der Menge und der Art des Konsums. Es geht nicht darum, sich zu betrinken, sondern darum, den Wein in Maßen zu genießen. Der Alkoholgehalt spielt dabei oft eine untergeordnete Rolle. Ein leichter, fruchtiger Tischwein wird bevorzugt. Die Devise lautet: Genuss statt Rausch.
2. Aperitivo: Mehr als nur ein Drink
Der Aperitivo ist in Italien eine Institution. Es ist mehr als nur ein Drink vor dem Abendessen; es ist ein soziales Ritual, eine Gelegenheit, den Tag ausklingen zu lassen und sich mit Freunden zu treffen. In Deutschland kennt man zwar auch Happy Hours, aber die sind oft auf das Trinken von möglichst viel Alkohol in kurzer Zeit ausgelegt. Beim Aperitivo hingegen geht es um Genuss, Konversation und kleine Snacks. Viele Bars bieten ein umfangreiches Buffet an, das im Preis des Drinks inbegriffen ist. Von Oliven über Pizza-Stücke bis hin zu Pasta-Salaten – die Auswahl ist riesig.
Deutsche empfinden diese Kombination aus Alkohol und Essen oft als ungewöhnlich. Sie sind es gewohnt, Alkohol eher isoliert zu trinken oder ihn gezielt zu Mahlzeiten zu genießen. Die freie Verfügbarkeit von Essen zum Drink kann zu Irritationen führen. „Ist das jetzt schon Abendessen?” ist eine Frage, die deutsche Touristen sich oft stellen. Und die Antwort ist: Irgendwie schon, irgendwie nicht. Der Aperitivo ist ein fließender Übergang vom Tag zum Abend, ein lockerer Einstieg in den Abend.
3. Grappa: Das Mysterium nach dem Essen
Nach dem Essen kommt in Italien oft der Grappa. Dieser Tresterbrand, hergestellt aus den Rückständen der Weinproduktion, ist für viele Deutsche ein Mysterium. Der hohe Alkoholgehalt und der oft intensive Geschmack sind nicht jedermanns Sache. Während in Deutschland eher Digestifs wie Kräuterliköre getrunken werden, schwören die Italiener auf die verdauungsfördernde Wirkung des Grappa. Ob das nun wissenschaftlich belegt ist oder nicht, sei dahingestellt. Fakt ist, dass der Grappa in Italien fest zur Esskultur gehört.
Deutsche empfinden den Grappa oft als „zu stark” oder „zu brennend”. Sie sind es gewohnt, nach dem Essen etwas Süßes oder Mildes zu trinken. Der Grappa hingegen ist herb, intensiv und fordert den Gaumen heraus. Viele Deutsche lehnen ihn daher kategorisch ab oder trinken ihn nur aus Höflichkeit. In Italien hingegen wird er oft als Zeichen der Gastfreundschaft angeboten und als Krönung eines gelungenen Essens betrachtet.
4. Die Rolle der Familie: Alkohol als selbstverständlicher Bestandteil des Lebens
In italienischen Familien ist Alkohol oft ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens. Kinder wachsen damit auf, dass Wein zum Essen getrunken wird, und lernen frühzeitig, damit umzugehen. Während in Deutschland der Alkoholkonsum von Jugendlichen oft tabuisiert wird und mit Verboten einhergeht, ist er in Italien oft entspannter. Die Eltern fungieren als Vorbilder und zeigen ihren Kindern, wie man Alkohol verantwortungsvoll genießt.
Diese entspannte Haltung kann für Deutsche befremdlich wirken. Sie sind es gewohnt, dass Alkohol in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird und dass der Jugendschutz eine hohe Priorität hat. Die Vorstellung, dass Kinder bereits in jungen Jahren Wein trinken, mag für viele Deutsche schockierend sein. In Italien hingegen wird dies oft als Teil der Erziehung betrachtet. Es geht darum, den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol beizubringen, anstatt ihn zu verteufeln.
5. Trinkkultur vs. Besäufniskultur: Ein grundlegender Unterschied
Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen der deutschen und der italienischen Alkoholkultur ist die Einstellung zum Rausch. In Deutschland ist das „Besäufnis” oft ein Ziel für sich. Es geht darum, möglichst viel Alkohol in kurzer Zeit zu konsumieren und sich in einen Rauschzustand zu versetzen. In Italien hingegen steht der Genuss im Vordergrund. Es geht darum, den Wein oder den Aperitivo in Maßen zu genießen und die Gesellschaft zu pflegen. Der Rausch ist unerwünscht und wird oft als peinlich empfunden.
Diese unterschiedliche Einstellung zum Rausch spiegelt sich auch in den Trinkgewohnheiten wider. Während in Deutschland oft Bier in großen Mengen getrunken wird, bevorzugen die Italiener Wein oder Aperitifs in kleineren Mengen. Der Fokus liegt auf dem Geschmack, der Qualität und der sozialen Interaktion. Der Alkohol ist Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst.
Fazit: Kulturelle Unterschiede respektieren und voneinander lernen
Die Unterschiede im Umgang mit Alkohol zwischen Deutschland und Italien sind vielfältig und oft auf kulturelle Unterschiede zurückzuführen. Was für den einen selbstverständlich ist, wirkt auf den anderen oft befremdlich. Anstatt diese Unterschiede zu verurteilen, sollten wir sie respektieren und voneinander lernen. Die deutsche Besäufniskultur könnte von der italienischen Genusskultur profitieren, und die italienische Gelassenheit im Umgang mit Alkohol könnte den Deutschen etwas von ihrer Strenge nehmen. Letztendlich geht es darum, Alkohol verantwortungsvoll zu genießen und die kulturelle Vielfalt zu schätzen.