Der Nutri-Score, diese farbige Nährwertkennzeichnung auf Lebensmitteln, polarisiert. Von manchen als hilfreiche Orientierungshilfe im Dschungel der Inhaltsstoffe gefeiert, sehen andere darin eine irreführende Vereinfachung, die den Blick auf eine ausgewogene Ernährung verstellt. Doch was halten die Verbraucher wirklich davon? Ist der Nutri-Score ein nützliches Werkzeug, um gesündere Entscheidungen zu treffen, oder stiftet er mehr Verwirrung als Nutzen? Dieser Frage wollen wir in diesem Artikel auf den Grund gehen.
Was ist der Nutri-Score überhaupt?
Bevor wir uns mit der Meinung der Verbraucher auseinandersetzen, ist es wichtig, das System hinter dem Nutri-Score zu verstehen. Der Nutri-Score ist eine fünfstufige Farbskala von A (dunkelgrün, beste Bewertung) bis E (rot, schlechteste Bewertung). Er bewertet den Nährwert eines Lebensmittels anhand einer komplexen Formel, die sowohl „günstige” als auch „ungünstige” Inhaltsstoffe berücksichtigt. Zu den „günstigen” Inhaltsstoffen zählen beispielsweise Ballaststoffe, Proteine, Obst und Gemüse. „Ungünstige” Inhaltsstoffe sind hingegen Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz. Das Ergebnis dieser Berechnung wird dann in eine der fünf Farben und Buchstaben übersetzt.
Der Nutri-Score wurde in Frankreich entwickelt und wird mittlerweile in vielen europäischen Ländern, darunter Deutschland, Belgien und die Schweiz, freiwillig von Herstellern eingesetzt. Das Ziel ist, Verbrauchern eine einfache und verständliche Möglichkeit zu bieten, Lebensmittel direkt miteinander zu vergleichen und so gesündere Kaufentscheidungen zu treffen.
Die Vorteile des Nutri-Score aus Verbrauchersicht
Viele Verbraucher begrüßen den Nutri-Score als eine willkommene Orientierungshilfe. Besonders positiv wird hervorgehoben:
- Einfache Verständlichkeit: Das Farbsystem ist intuitiv und leicht zu erfassen, auch für Menschen ohne detaillierte Kenntnisse über Nährwerte.
- Schneller Vergleich: Der Nutri-Score ermöglicht einen schnellen und direkten Vergleich verschiedener Produkte derselben Kategorie. So kann man beispielsweise leichter zwischen zwei Müslisorten oder Fertiggerichten wählen.
- Bewusstseinsschärfung: Der Nutri-Score kann dazu beitragen, das Bewusstsein für den Nährwert von Lebensmitteln zu schärfen und zu einer gesünderen Ernährung zu motivieren.
- Transparenz: Der Nutri-Score kann den Druck auf Hersteller erhöhen, ihre Produkte gesünder zu gestalten, um eine bessere Bewertung zu erzielen.
Eine Studie der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) aus dem Jahr 2020 ergab beispielsweise, dass 78 Prozent der Befragten den Nutri-Score als hilfreich empfinden, um eine ausgewogene Ernährung zu unterstützen. Viele Verbraucher gaben an, aufgrund des Nutri-Scores bereits bewusstere Kaufentscheidungen getroffen zu haben.
Die Kritik am Nutri-Score und die Verwirrung der Verbraucher
Trotz der genannten Vorteile gibt es auch Kritik am Nutri-Score, die zu Verwirrung bei den Verbrauchern führen kann. Einige der häufigsten Kritikpunkte sind:
- Vereinfachung: Der Nutri-Score reduziert die Komplexität einer ausgewogenen Ernährung auf eine einzige Zahl bzw. Farbe. Dies kann dazu führen, dass wichtige Aspekte wie die Portionsgröße, die Häufigkeit des Konsums und die individuellen Bedürfnisse außer Acht gelassen werden.
- Irreführende Bewertungen: Bestimmte Lebensmittel, die im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung durchaus ihren Platz haben können, erhalten aufgrund ihrer Zusammensetzung eine schlechte Bewertung. Beispielsweise können Olivenöl oder bestimmte Käsesorten schlechter abschneiden als stark verarbeitete Produkte mit weniger gesättigten Fettsäuren.
- Mangelnde Differenzierung: Der Nutri-Score differenziert nicht ausreichend zwischen verschiedenen Arten von Zucker oder Fetten. So werden beispielsweise zugesetzter Zucker und natürlicher Zucker in Früchten gleich behandelt.
- Manipulation durch Hersteller: Hersteller können versuchen, den Nutri-Score ihrer Produkte zu verbessern, indem sie beispielsweise Zucker durch Süßstoffe ersetzen, ohne dass sich der eigentliche Nährwert verbessert.
- Regionale Unterschiede: Der Nutri-Score berücksichtigt nicht die regionalen Ernährungsgewohnheiten und Vorlieben.
Diese Kritikpunkte können dazu führen, dass Verbraucher den Nutri-Score als irreführend empfinden und ihm misstrauen. Einige Studien haben gezeigt, dass der Nutri-Score bei manchen Verbrauchern sogar zu einer verringerten Motivation führen kann, sich gesund zu ernähren, wenn sie feststellen, dass viele ihrer Lieblingsprodukte eine schlechte Bewertung erhalten.
Was Verbraucher wirklich vom Nutri-Score erwarten
Um den Nutri-Score zu einem wirklich hilfreichen Werkzeug für Verbraucher zu machen, ist es wichtig, auf ihre Bedürfnisse und Erwartungen einzugehen. Verbraucher wünschen sich:
- Eine transparente und nachvollziehbare Berechnungsgrundlage: Die Formel hinter dem Nutri-Score sollte für Verbraucher verständlich sein, damit sie nachvollziehen können, warum ein bestimmtes Produkt eine bestimmte Bewertung erhält.
- Eine differenziertere Bewertung: Der Nutri-Score sollte besser zwischen verschiedenen Arten von Inhaltsstoffen unterscheiden und die Portionsgröße sowie die Häufigkeit des Konsums berücksichtigen.
- Ergänzende Informationen: Der Nutri-Score sollte nicht als alleinige Informationsquelle dienen, sondern durch zusätzliche Angaben zu den Inhaltsstoffen und Nährwerten ergänzt werden.
- Aufklärung und Bildung: Verbraucher benötigen eine umfassende Aufklärung über den Nutri-Score, seine Stärken und Schwächen, damit sie ihn richtig interpretieren und in ihre Ernährung einordnen können.
- Eine unabhängige Kontrolle: Die Einhaltung der Regeln für die Verwendung des Nutri-Scores sollte von unabhängigen Stellen kontrolliert werden, um Manipulationen durch Hersteller zu verhindern.
Fazit: Nutri-Score – Ein Hilfsmittel, aber keine Allzwecklösung
Der Nutri-Score kann ein nützliches Hilfsmittel sein, um Verbrauchern eine schnelle Orientierung im Supermarkt zu bieten und sie zu bewussteren Kaufentscheidungen zu bewegen. Allerdings ist er keine Allzwecklösung und sollte nicht als alleiniges Kriterium für eine gesunde Ernährung betrachtet werden. Die Komplexität einer ausgewogenen Ernährung lässt sich nicht auf eine einzige Zahl oder Farbe reduzieren. Es ist wichtig, den Nutri-Score im Kontext einer gesamtheitlichen Ernährungsumstellung zu betrachten und sich zusätzlich über die Inhaltsstoffe, die Portionsgröße und die individuellen Bedürfnisse zu informieren.
Die Zukunft des Nutri-Scores hängt davon ab, ob es gelingt, die bestehenden Kritikpunkte auszuräumen und das System transparenter und differenzierter zu gestalten. Nur so kann das Vertrauen der Verbraucher gestärkt und der Nutri-Score zu einem wirklich hilfreichen Werkzeug für eine gesündere Ernährung werden.