Dating ist schon aufregend genug. Neue Menschen kennenlernen, sich verletzlich zeigen, hoffen, dass es „klickt”. Aber was passiert, wenn ein unsichtbarer Gast bei jedem Date dabei ist: eine Essstörung? Die Situation, wenn Betroffene eigenes Essen zu Dates mitbringen, ist ein Tabuthema, das im Schatten von Scham und Angst verborgen liegt. Es ist Zeit, dieses Schweigen zu brechen und Licht auf die Realität vieler Menschen zu werfen, die mit diesem Kampf konfrontiert sind.
Die verborgene Realität: Warum Essen zum Date mitkommt
Stell dir vor, du bist aufgeregt für ein Date. Du hast dich schick gemacht, deine Witze vorbereitet, aber unter dieser Vorfreude liegt eine nagende Angst. Die Angst vor dem Essen. Die Angst vor dem Unbekannten. Die Angst, die Kontrolle zu verlieren. Für Menschen mit Essstörungen kann ein Restaurantbesuch oder ein gemeinsames Kochen eine überwältigende Herausforderung darstellen. Aus diesem Grund greifen manche zu dem, was ihnen Kontrolle und Sicherheit gibt: das Mitbringen des eigenen Essens.
Die Gründe dafür sind vielfältig und komplex:
- Kontrolle: Essstörungen drehen sich oft um den Wunsch nach Kontrolle. Das Mitbringen des eigenen Essens ermöglicht es Betroffenen, genau zu wissen, was sie essen, wie viel sie essen und wann sie essen. Dies kann ein Gefühl der Sicherheit in einer ansonsten unberechenbaren Situation geben.
- Angst vor Kalorien: Die Angst vor einer ungewollten Gewichtszunahme oder der Aufnahme „verbotener” Lebensmittel kann immens sein. Das eigene Essen garantiert, dass die Kalorienaufnahme im Rahmen der eigenen Regeln bleibt.
- Angst vor sozialer Bewertung: Betroffene fürchten oft, von ihrem Date oder anderen Gästen im Restaurant für ihre Essgewohnheiten beurteilt zu werden. Das eigene Essen ermöglicht es ihnen, unauffällig zu bleiben und sich nicht erklären zu müssen.
- Spezifische Ernährungsbedürfnisse: Manchmal liegt der Grund nicht in einer Essstörung, sondern in medizinischen oder allergischen Gründen. Allerdings kann auch hier eine Essstörung dahinterstecken, die diese vermeintlichen Bedürfnisse instrumentalisiert.
- Rituale: Essstörungen sind oft von rigiden Ritualen geprägt. Das Mitbringen des eigenen Essens kann Teil eines solchen Rituals sein, das ein Gefühl der Sicherheit und Ordnung vermittelt.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Mitbringen von Essen zu Dates ein Symptom einer tieferliegenden Problematik ist. Es ist kein Ausdruck von Unhöflichkeit oder Respektlosigkeit gegenüber dem Date, sondern ein Hilferuf einer Person, die mit einer schweren psychischen Erkrankung kämpft.
Die Auswirkungen auf das Dating-Leben
Das Mitbringen des eigenen Essens zu Dates ist natürlich nicht ohne Konsequenzen für das Dating-Leben. Es kann zu Missverständnissen, Irritationen und sogar Ablehnung führen. Der Partner mag sich vor den Kopf gestoßen fühlen, weil er denkt, dass er oder sie nicht gut genug ist. Es kann schwierig sein, eine romantische Atmosphäre zu schaffen, wenn ein Teil des Dates offensichtlich anders behandelt wird.
Die Betroffenen selbst leiden oft unter Schuldgefühlen und Scham. Sie wissen, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist und fürchten, ihren Partner zu verletzen oder abzustoßen. Dieser Konflikt zwischen dem Wunsch nach Nähe und der Angst vor Kontrollverlust kann zu großem Leid führen.
Wie man mit der Situation umgeht: Ein Leitfaden für Betroffene und Partner
Die Situation, wenn eigenes Essen zum Date mitgebracht wird, ist komplex und erfordert viel Fingerspitzengefühl. Hier sind einige Tipps für Betroffene und ihre Partner:
Für Betroffene:
- Offene Kommunikation: Der erste Schritt ist, mit dem Date offen und ehrlich über die Situation zu sprechen. Erkläre, dass du mit einer Essstörung kämpfst und dass das Mitbringen des eigenen Essens ein Weg ist, mit der Angst umzugehen. Dies erfordert Mut und Verletzlichkeit, kann aber zu mehr Verständnis und Akzeptanz führen.
- Therapie: Eine professionelle Therapie ist unerlässlich, um die Ursachen der Essstörung zu bearbeiten und gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
- Selbstmitgefühl: Sei geduldig und nachsichtig mit dir selbst. Die Genesung von einer Essstörung ist ein langer und schwieriger Prozess.
- Schrittweise Annäherung: Versuche, dich schrittweise an neue Essenserfahrungen heranzutasten. Vielleicht beginnst du damit, ein kleines Gericht im Restaurant zu bestellen oder ein Gericht mit deinem Date zu teilen.
- Unterstützung suchen: Sprich mit Freunden, Familie oder einer Selbsthilfegruppe über deine Probleme. Es ist wichtig zu wissen, dass du nicht allein bist.
Für Partner:
- Empathie und Verständnis: Versuche, dich in die Lage deines Dates hineinzuversetzen. Verstehe, dass das Mitbringen des eigenen Essens ein Zeichen von Angst und Kontrollverlust ist, nicht von Unhöflichkeit.
- Geduld: Die Genesung von einer Essstörung braucht Zeit. Sei geduldig und unterstütze deinen Partner auf seinem Weg.
- Kein Druck: Übe keinen Druck aus, dass dein Partner „normal” essen soll. Dies kann die Angst und den Stress nur noch verstärken.
- Gemeinsame Aktivitäten: Konzentriere dich auf Aktivitäten, die nichts mit Essen zu tun haben. Geht spazieren, ins Kino oder besucht ein Museum.
- Professionelle Hilfe: Ermutige deinen Partner, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Du kannst auch selbst eine Beratung in Anspruch nehmen, um zu lernen, wie du deinen Partner am besten unterstützen kannst.
- Grenzen setzen: Auch wenn du unterstützend sein möchtest, ist es wichtig, deine eigenen Grenzen zu kennen. Es ist nicht deine Aufgabe, die Essstörung deines Partners zu heilen. Achte auf dein eigenes Wohlbefinden.
Ein Tabu brechen: Aufklärung und Akzeptanz
Das Mitbringen von Essen zu Dates aufgrund einer Essstörung ist ein Tabuthema, weil es unangenehm ist, weil es mit Scham behaftet ist und weil es uns an die Komplexität psychischer Erkrankungen erinnert. Aber genau deshalb müssen wir darüber sprechen. Durch Aufklärung und Akzeptanz können wir dazu beitragen, dass sich Betroffene weniger allein fühlen und den Mut finden, sich Hilfe zu suchen.
Es ist wichtig, die Stigmatisierung von Essstörungen abzubauen und ein Umfeld zu schaffen, in dem Betroffene offen über ihre Probleme sprechen können, ohne Angst vor Verurteilung oder Ablehnung. Nur so können wir dazu beitragen, dass sie die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, um ein gesundes und erfülltes Leben zu führen – auch im Dating-Leben.
Letztendlich geht es beim Dating darum, eine Verbindung zu einem anderen Menschen aufzubauen. Authentizität und Ehrlichkeit sind dabei entscheidend. Auch wenn der Weg dorthin steinig sein mag, kann das Teilen der eigenen Verletzlichkeit zu einer tieferen und bedeutungsvolleren Beziehung führen.