Die Fettammer. Ein Name, der in Feinschmeckerkreisen Ehrfurcht, Neugier und auch moralische Bedenken hervorruft. Dieser kleine Singvogel, einst eine begehrte Delikatesse, ist heute aufgrund von Überjagung und dem daraus resultierenden Populationsrückgang streng geschützt. Doch die Faszination, die dieser verbotenen Frucht – oder besser gesagt, diesem verbotenen Vogel – umgibt, ist ungebrochen. Was macht den Reiz der Fettammer aus? Und vor allem: Wie schmeckt sie wirklich?
Die Geschichte einer kulinarischen Tradition
Die Tradition des Fettammer-Verzehrs reicht weit zurück, vor allem in Frankreich und Teilen Südeuropas. Der Vogel, wissenschaftlich als Emberiza hortulana bekannt, wurde traditionell im Herbst gefangen, gemästet und dann auf eine ganz spezielle Art zubereitet. Die Praxis des Fangs und der Mast basierte auf der Annahme, dass die Vögel im Herbst, vor ihrer langen Reise in die Winterquartiere, besonders fett und schmackhaft sind.
Historisch gesehen galt die Fettammer als Statussymbol, ein Zeichen von Reichtum und Exklusivität. Nur die wohlhabendsten Schichten der Gesellschaft konnten sich dieses seltene und teure Gericht leisten. Berühmte Persönlichkeiten wie der ehemalige französische Präsident François Mitterrand waren bekennende Liebhaber der Fettammer, was die Popularität und den Mythos um diese Delikatesse noch weiter verstärkte.
Die Zubereitung: Ein grausames Ritual
Die Zubereitung der Fettammer ist ein Prozess, der heutzutage viele Menschen abstößt. Nach dem Fang wurden die Vögel in dunklen Käfigen gehalten und intensiv mit Hirse, Feigen und anderen fetthaltigen Nahrungsmitteln gefüttert. Diese Dunkelheit und das reichhaltige Futter sollten die Vögel dazu bringen, sich maximal zu mästen. Innerhalb weniger Wochen nahmen sie erheblich an Gewicht zu, hauptsächlich in Form von Fett.
Vor der Zubereitung wurden die Vögel traditionell in Armagnac ertränkt – ein grausamer Schritt, der angeblich dazu diente, das Fleisch zu aromatisieren. Anschließend wurden sie gerupft, ausgenommen und gebraten oder geschmort. Oft wurden sie im Ganzen verzehrt, einschließlich der Knochen, da diese durch das lange Kochen weich und essbar wurden.
Der Geschmack: Eine subjektive Erfahrung
Die Frage aller Fragen: Wie schmeckt die Fettammer wirklich? Die Meinungen gehen auseinander, aber einige wiederkehrende Beschreibungen tauchen immer wieder auf. Viele beschreiben den Geschmack als reichhaltig, intensiv und nussig, mit einem deutlichen Aroma von Wildgeflügel. Das Fett, das den Großteil des Vogels ausmacht, soll dem Gericht eine besondere Cremigkeit und Saftigkeit verleihen.
Einige Feinschmecker vergleichen den Geschmack mit dem einer Fasan, nur intensiver und komplexer. Andere heben die subtilen Aromen von Kräutern und Gewürzen hervor, die durch die natürliche Ernährung der Vögel entstehen. Und wieder andere betonen den Hauch von Armagnac, der dem Fleisch eine besondere Tiefe verleihen soll.
Es ist wichtig zu betonen, dass der Geschmack von der Qualität des Vogels, der Zubereitung und natürlich den individuellen Geschmacksvorlieben abhängt. Ein frisch gefangener und fachgerecht zubereiteter Fettammer mag ein unvergleichliches Geschmackserlebnis bieten, während ein schlecht zubereiteter Vogel enttäuschend oder sogar abstoßend sein kann.
Darüber hinaus spielt auch die psychologische Komponente eine Rolle. Der Reiz des Verbotenen, die Exklusivität und der Hauch von dekadenter Verschwendung können das Geschmackserlebnis subjektiv beeinflussen. Man isst vielleicht nicht nur den Vogel, sondern auch die Geschichte und den Mythos, die ihn umgeben.
Die moralische Kehrseite: Artenschutz versus kulinarische Tradition
Der Genuss der Fettammer hat jedoch eine dunkle Seite. Die intensive Bejagung hat dazu geführt, dass die Populationen der Vögel in den letzten Jahrzehnten dramatisch eingebrochen sind. Die Europäische Union hat den Fang und den Handel mit Fettammern daher verboten. Trotzdem gibt es immer noch illegale Jagd und Handel, insbesondere in Frankreich und Italien.
Der Konflikt zwischen dem Schutz der Art und der Aufrechterhaltung einer kulinarischen Tradition ist komplex und emotional aufgeladen. Befürworter des Verbots argumentieren, dass der Artenschutz Vorrang haben muss und dass der Genuss einer Delikatesse nicht die Ausrottung einer Tierart rechtfertigen kann. Befürworter der Tradition argumentieren, dass der Fang und die Mast von Fettammern Teil des kulturellen Erbes sind und dass eine nachhaltige Bewirtschaftung der Populationen möglich wäre.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Die illegale Jagd und der Handel mit Fettammern sind schwer zu kontrollieren, und die Populationen erholen sich nur langsam. Viele Naturschützer befürchten, dass die Fettammer in naher Zukunft aussterben könnte, wenn nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen werden.
Die Zukunft der Fettammer: Ein hoffnungsvolles Zeichen?
Trotz der düsteren Aussichten gibt es auch hoffnungsvolle Zeichen. Naturschutzorganisationen arbeiten daran, die Lebensräume der Fettammer zu schützen und die illegale Jagd zu bekämpfen. Einige Restaurants und Köche haben sich öffentlich von der Fettammer distanziert und setzen sich für den Schutz der Art ein.
Darüber hinaus gibt es Bemühungen, alternative kulinarische Traditionen zu fördern, die den Artenschutz berücksichtigen. Anstatt die Fettammer zu verzehren, könnten Feinschmecker sich auf andere Wildgeflügelarten oder auf pflanzliche Alternativen konzentrieren.
Ob die Fettammer jemals wieder eine weitverbreitete Delikatesse sein wird, ist fraglich. Aber eines ist sicher: Der Mythos und die Faszination, die diesen kleinen Vogel umgeben, werden so schnell nicht verschwinden. Die Geschichte der Fettammer ist eine Mahnung daran, dass kulinarische Genüsse nicht auf Kosten der Artenvielfalt gehen dürfen.
Fazit: Mehr als nur ein Geschmack
Die Frage, wie die Fettammer wirklich schmeckt, lässt sich nicht einfach beantworten. Es ist ein komplexes Zusammenspiel von Geschmack, Textur, Tradition und Moral. Der Genuss dieser verbotenen Delikatesse ist untrennbar mit der Geschichte ihrer Zubereitung, der ökologischen Auswirkungen und den ethischen Fragen verbunden, die sie aufwirft. Letztendlich ist es an jedem Einzelnen, zu entscheiden, ob der Geschmack einer verbotenen Frucht den Preis wert ist.