Die Schulsozialarbeit leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum Wohlbefinden von Schülerinnen und Schülern. Sie ist oft die Brücke zwischen Lernenden, Eltern, Lehrkräften und dem Schulsystem. Doch was passiert, wenn ein essenzieller Pfeiler dieser Brücke – die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften – ins Stocken gerät? Insbesondere dann, wenn Lehrkräfte sich als wenig kritikfähig erweisen?
Die Herausforderung: Kritikresistenz im Kollegium
Die Arbeit als Schulsozialarbeiter:in kann frustrierend sein, wenn man auf Kolleg:innen trifft, die scheinbar immun gegen konstruktive Rückmeldungen sind. Diese Kritikresistenz kann sich auf verschiedene Weisen äußern: Defensive Reaktionen, Ablehnung von Verbesserungsvorschlägen, Schuldzuweisungen an andere oder sogar offene Aggression. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von persönlicher Unsicherheit über festgefahrene Überzeugungen bis hin zu institutionellen Faktoren wie hoher Arbeitsbelastung und mangelnder Unterstützung.
Diese Situation stellt eine besondere Herausforderung dar, denn eine erfolgreiche Schulsozialarbeit ist auf eine vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit mit dem Lehrerkollegium angewiesen. Wenn diese Zusammenarbeit durch mangelnde Kritikfähigkeit einer Lehrkraft beeinträchtigt wird, leiden letztendlich die Schülerinnen und Schüler.
Strategien aus der Praxis: Ein Werkzeugkoffer für Schulsozialarbeitende
Es gibt jedoch Wege, mit dieser schwierigen Situation umzugehen. Hier sind einige Strategien, die sich in der Praxis bewährt haben:
1. Empathie und Verständnis zeigen
Bevor man in den Angriffsmodus übergeht (was ohnehin kontraproduktiv wäre), ist es wichtig, Empathie zu zeigen und zu versuchen, die Perspektive der Lehrkraft zu verstehen. Warum reagiert sie so ablehnend? Welche Ängste oder Unsicherheiten stecken dahinter? Oftmals sind Lehrkräfte selbst mit einem hohen Leistungsdruck und ständigen Veränderungen konfrontiert. Ein offenes Ohr und das Signal, dass man als Schulsozialarbeiter:in als Unterstützung und nicht als Kontrolleur fungiert, kann Wunder wirken.
2. Die „Ich-Botschaft” nutzen
Statt vorwurfsvoller „Du”-Botschaften („Du bist immer so unflexibel!”) sollte man auf „Ich”-Botschaften setzen. Diese drücken die eigenen Gefühle und Beobachtungen aus, ohne den Gesprächspartner zu beschuldigen. Ein Beispiel: „Ich mache mir Sorgen, dass wir Schüler:in X nicht optimal unterstützen können, wenn wir unterschiedliche Herangehensweisen verfolgen.”
3. Konkrete Beobachtungen statt allgemeiner Kritik
Vage Kritikpunkte sind schwer anzunehmen und führen oft zu Abwehrreaktionen. Stattdessen sollte man sich auf konkrete Beobachtungen und Fakten konzentrieren. Anstatt zu sagen: „Dein Unterricht ist langweilig!”, könnte man sagen: „Ich habe beobachtet, dass Schüler:in Y während der letzten Stunde häufig abgelenkt war. Vielleicht könnten wir gemeinsam überlegen, wie wir die Aufmerksamkeit der Schüler:innen besser aufrechterhalten können.”
4. Den richtigen Zeitpunkt und Rahmen wählen
Kritik sollte niemals in der Öffentlichkeit oder unter Zeitdruck geäußert werden. Ein ruhiges Vier-Augen-Gespräch in einem geschützten Rahmen ist deutlich effektiver. Es ist auch wichtig, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten. Wenn die Lehrkraft gerade gestresst oder überfordert ist, ist sie wahrscheinlich weniger empfänglich für konstruktive Rückmeldungen.
5. Stärken hervorheben und Wertschätzung zeigen
Kritik sollte immer im Kontext von Wertschätzung und Anerkennung erfolgen. Bevor man auf Verbesserungspotenziale hinweist, sollte man die Stärken der Lehrkraft hervorheben und ihre bisherigen Leistungen anerkennen. Dies schafft eine positive Gesprächsatmosphäre und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Kritik angenommen wird.
6. Gemeinsam nach Lösungen suchen
Das Ziel sollte nicht sein, die Lehrkraft zu kritisieren, sondern gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die den Schülerinnen und Schülern zugutekommen. Anstatt die Lehrkraft zu verurteilen, sollte man sie in den Problemlösungsprozess einbeziehen und ihre Expertise wertschätzen. „Wie könnten wir gemeinsam die Situation verbessern?” ist eine Frage, die Wunder wirken kann.
7. Das Gespräch mit der Schulleitung suchen
Wenn alle Stricke reißen und die Kritikresistenz der Lehrkraft unüberwindbar erscheint, sollte man das Gespräch mit der Schulleitung suchen. Die Schulleitung hat die Aufgabe, für ein konstruktives Arbeitsklima zu sorgen und Konflikte zu lösen. Es ist wichtig, die Situation sachlich und objektiv darzustellen und die eigenen Bemühungen zur Konfliktlösung zu dokumentieren.
8. Fortbildungen und Supervision nutzen
Schulsozialarbeitende sollten regelmäßig an Fortbildungen und Supervisionen teilnehmen, um ihre eigenen Kompetenzen zu erweitern und sich mit anderen Fachkräften auszutauschen. Dies kann helfen, neue Perspektiven zu gewinnen und alternative Strategien für den Umgang mit schwierigen Situationen zu entwickeln.
9. Die eigenen Grenzen erkennen und wahren
Es ist wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich nicht von der Kritikresistenz einer Lehrkraft entmutigen oder frustrieren zu lassen. Nicht jede Situation ist lösbar, und nicht jede Lehrkraft ist bereit, sich zu verändern. In solchen Fällen ist es wichtig, sich auf die eigenen Aufgaben zu konzentrieren und die Energie dort einzusetzen, wo sie am meisten bewirkt.
Fazit: Geduld, Beharrlichkeit und professionelle Distanz
Der Umgang mit Lehrkräften, die sich als wenig kritikfähig erweisen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für Schulsozialarbeitende. Es erfordert Geduld, Beharrlichkeit, Empathie und professionelle Distanz. Durch den Einsatz der oben genannten Strategien kann es gelingen, Brücken zu bauen und eine konstruktive Zusammenarbeit zu fördern, die letztendlich den Schülerinnen und Schülern zugutekommt. Es ist ein Marathon, kein Sprint – aber die Mühe lohnt sich, wenn dadurch das Wohlbefinden und die Entwicklung der Schüler:innen gefördert werden kann.