Das TIA Portal (Totally Integrated Automation Portal) von Siemens ist eine mächtige und weit verbreitete Plattform für die Automatisierungstechnik. Es ermöglicht die integrierte Entwicklung von Steuerungen (SPS), Visualisierungen (HMI), Antriebstechnik und vielem mehr. Doch was, wenn Sie Komponenten von anderen Herstellern in Ihr Projekt integrieren müssen? Keine Sorge, es ist durchaus möglich, auch wenn es eine gewisse Herausforderung darstellt. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie Fremdhersteller-Bauteile erfolgreich im TIA Portal programmieren können.
Die Herausforderung verstehen: Warum ist es nicht so einfach?
Das TIA Portal ist primär auf Siemens-Hardware und -Software ausgelegt. Das bedeutet, dass die nahtlose Integration und der volle Funktionsumfang in erster Linie für Siemens-Komponenten gewährleistet sind. Die Kommunikation und Datenübertragung mit Fremdhersteller-Bauteilen erfordert daher in der Regel zusätzliche Konfiguration und Programmierung.
Die Hauptgründe für die Schwierigkeiten liegen in:
- Unterschiedlichen Kommunikationsprotokollen: Jeder Hersteller verwendet möglicherweise sein eigenes proprietäres Protokoll oder einen Standard in einer bestimmten Ausprägung.
- Fehlenden Gerätebeschreibungsdateien: Das TIA Portal benötigt Gerätebeschreibungsdateien (z.B. GSDML-Dateien für Profinet), um die Funktionen und Parameter eines Geräts zu verstehen. Diese Dateien sind in der Regel nur für die eigenen Geräte verfügbar.
- Inkompatibilitäten in der Datenstruktur: Die Art und Weise, wie Daten von einem Gerät zum anderen übertragen werden, kann unterschiedlich sein.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Integration von Fremdhersteller-Bauteilen
Trotz dieser Herausforderungen gibt es verschiedene Strategien, um Fremdhersteller-Bauteile erfolgreich in Ihr TIA Portal Projekt zu integrieren. Hier ist eine Schritt-für-Schritt-Anleitung:
1. Identifizieren Sie die Kommunikationsmöglichkeiten
Der erste Schritt besteht darin, die verfügbaren Kommunikationsprotokolle des Fremdhersteller-Bauteils zu identifizieren. Häufig verwendete Industriestandards sind:
- Profinet: Ein weit verbreitetes Industrial Ethernet Protokoll. Wenn Ihr Gerät Profinet unterstützt, ist die Integration in das TIA Portal in der Regel am einfachsten.
- Profibus DP: Ein älterer, aber immer noch weit verbreiteter Feldbusstandard.
- Modbus TCP: Ein offenes und weit verbreitetes Protokoll, das auf TCP/IP basiert.
- Modbus RTU: Eine serielle Version von Modbus.
- Ethernet/IP: Ein weiteres Industrial Ethernet Protokoll.
- OPC UA: Ein herstellerunabhängiger Standard für den Datenaustausch in der Automatisierung.
Die Dokumentation des Fremdhersteller-Bauteils sollte detaillierte Informationen über die unterstützten Protokolle und deren Konfiguration enthalten.
2. Beschaffen Sie die benötigten Gerätebeschreibungsdateien
Wenn Ihr Fremdhersteller-Bauteil ein standardisiertes Protokoll wie Profinet oder Profibus DP verwendet, suchen Sie nach der entsprechenden Gerätebeschreibungsdatei (GSDML für Profinet, GSD für Profibus DP). Diese Dateien werden in der Regel vom Hersteller des Geräts bereitgestellt und können von dessen Website heruntergeladen werden. Importieren Sie die GSDML-Datei in das TIA Portal über den Hardware-Katalog.
Sollte keine GSDML oder GSD-Datei verfügbar sein, wird die Integration aufwendiger und erfordert in der Regel die Verwendung von generischen Kommunikationsbausteinen.
3. Konfigurieren Sie die Hardware im TIA Portal
Nachdem Sie die Gerätebeschreibungsdatei importiert haben, können Sie das Fremdhersteller-Bauteil in Ihrem TIA Portal Projekt hinzufügen. Konfigurieren Sie die IP-Adresse (bei Ethernet-basierten Protokollen) und andere relevante Parameter entsprechend der Dokumentation des Geräts.
Bei Profinet-Geräten sollten Sie die Gerätebezeichnung (Device Name) und die IP-Adresse korrekt einstellen, um Kommunikationsfehler zu vermeiden.
4. Programmieren Sie die Kommunikation mit Funktionsbausteinen
Die Kommunikation mit dem Fremdhersteller-Bauteil erfolgt in der Regel über Funktionsbausteine (FB) oder Funktionsblöcke (FC). Das TIA Portal bietet eine Reihe von Standard-Kommunikationsbausteinen für verschiedene Protokolle, z.B. „TCON”, „TSEND”, „TRCV” für TCP/IP-Kommunikation oder Bausteine für Modbus TCP.
Wenn keine passenden Standardbausteine verfügbar sind, müssen Sie möglicherweise eigene Kommunikationsbausteine entwickeln. Dies erfordert ein tiefes Verständnis des verwendeten Protokolls und der Datenstruktur.
Einige wichtige Überlegungen bei der Programmierung:
- Datenformate: Stellen Sie sicher, dass die Datenformate zwischen der SPS und dem Fremdhersteller-Bauteil übereinstimmen. Konvertieren Sie gegebenenfalls die Daten mit entsprechenden Funktionen (z.B. „REAL_TO_INT”, „INT_TO_REAL”).
- Fehlerbehandlung: Implementieren Sie eine robuste Fehlerbehandlung, um Kommunikationsfehler zu erkennen und zu behandeln. Überprüfen Sie die Statusmeldungen der Kommunikationsbausteine und protokollieren Sie Fehler, um die Diagnose zu erleichtern.
- Zykluszeiten: Achten Sie auf die Zykluszeiten der Kommunikationsbausteine. Eine zu hohe Kommunikationslast kann die Performance der SPS beeinträchtigen.
5. Testen und Debuggen
Nach der Konfiguration und Programmierung ist es wichtig, die Kommunikation sorgfältig zu testen und zu debuggen. Verwenden Sie die Online-Überwachungsfunktionen des TIA Portal, um die Datenübertragung zu überwachen und Fehler zu identifizieren. Tools wie Wireshark können hilfreich sein, um den Netzwerkverkehr zu analysieren.
Stellen Sie sicher, dass die Daten korrekt übertragen werden und dass die SPS die erwarteten Werte vom Fremdhersteller-Bauteil empfängt und umgekehrt.
Spezielle Fälle und fortgeschrittene Techniken
In einigen Fällen kann die Integration von Fremdhersteller-Bauteilen komplexer sein. Hier sind einige spezielle Fälle und fortgeschrittene Techniken:
- Geräte ohne Gerätebeschreibungsdatei: Wenn keine GSDML- oder GSD-Datei verfügbar ist, müssen Sie die Datenpunkte manuell definieren und die Kommunikation über generische Kommunikationsbausteine (z.B. TCP/IP) realisieren. Dies erfordert detaillierte Kenntnisse des Kommunikationsprotokolls.
- Verwendung von Gateways: In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, ein Gateway zu verwenden, das das proprietäre Protokoll des Fremdhersteller-Bauteils in ein Standardprotokoll wie Modbus TCP oder Profinet übersetzt.
- OPC UA als Schnittstelle: OPC UA bietet eine herstellerunabhängige Schnittstelle für den Datenaustausch. Wenn sowohl die SPS als auch das Fremdhersteller-Bauteil OPC UA unterstützen, kann dies eine elegante Lösung für die Integration sein.
- Verwendung von Bibliotheken: Einige Hersteller von Fremdhersteller-Bauteilen bieten eigene Bibliotheken für das TIA Portal an, die die Integration erleichtern.
Best Practices für die Integration von Fremdhersteller-Bauteilen
Um die Integration von Fremdhersteller-Bauteilen im TIA Portal so reibungslos wie möglich zu gestalten, sollten Sie folgende Best Practices beachten:
- Detaillierte Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Schritte der Integration, einschließlich der Konfiguration, Programmierung und getesteten Funktionen. Dies erleichtert die Wartung und Fehlersuche.
- Standardisierte Namenskonventionen: Verwenden Sie standardisierte Namenskonventionen für Variablen und Funktionsbausteine, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen.
- Modulare Programmierung: Strukturieren Sie Ihr Programm modular, um die Wiederverwendbarkeit von Code zu fördern.
- Versionskontrolle: Verwenden Sie ein Versionskontrollsystem, um Änderungen an Ihrem Projekt zu verfolgen und bei Bedarf auf frühere Versionen zurückzugreifen.
- Regelmäßige Backups: Sichern Sie Ihr Projekt regelmäßig, um Datenverluste zu vermeiden.
Fazit
Die Integration von Fremdhersteller-Bauteilen im TIA Portal kann eine Herausforderung sein, aber mit den richtigen Strategien und Werkzeugen ist sie durchaus machbar. Durch die Identifizierung der Kommunikationsmöglichkeiten, die Beschaffung der benötigten Gerätebeschreibungsdateien, die sorgfältige Konfiguration und Programmierung sowie das gründliche Testen und Debuggen können Sie Ihre Automatisierungslösung erfolgreich erweitern und von den Vorteilen der verschiedenen Hersteller profitieren. Denken Sie daran, die Dokumentation des Fremdhersteller-Bauteils sorgfältig zu studieren und die Best Practices für die Programmierung zu beachten. Viel Erfolg!