Die Ausbildung ist eine wichtige Zeit. Sie legt den Grundstein für das spätere Berufsleben. Für Auszubildende, oft liebevoll Azubis genannt, ist es eine Phase des Lernens und der Entwicklung. Doch was passiert, wenn der Chef plötzlich Aufgaben zuweist, die so gar nichts mit dem eigentlichen Ausbildungsberuf zu tun haben? Darf er das überhaupt? Dieser Artikel beleuchtet die Rechte und Pflichten von Auszubildenden und geht der Frage nach, inwieweit ein Arbeitgeber Aufgaben übertragen darf, die außerhalb des Ausbildungsrahmenplans liegen.
Die Grundlage: Der Ausbildungsvertrag und der Ausbildungsrahmenplan
Das A und O ist der Ausbildungsvertrag. Er bildet die rechtliche Grundlage für das gesamte Ausbildungsverhältnis. Darin sind die Rechte und Pflichten beider Parteien – sowohl des Auszubildenden als auch des Ausbildungsbetriebs – klar definiert. Neben dem Vertrag ist der Ausbildungsrahmenplan von zentraler Bedeutung. Dieser Plan, der von der zuständigen Kammer (z.B. IHK oder Handwerkskammer) erstellt wird, legt fest, welche Kenntnisse und Fertigkeiten der Azubi während seiner Ausbildung erwerben soll. Er ist quasi die „Roadmap” für die Ausbildung und dient als Leitfaden für die praktische und theoretische Ausbildung.
Der Ausbildungsrahmenplan bestimmt somit, welche Tätigkeiten der Azubi im Laufe seiner Ausbildung ausüben soll, um die festgelegten Lernziele zu erreichen. Das bedeutet: Die Aufgaben, die der Azubi im Betrieb erledigt, müssen im Wesentlichen mit den Inhalten des Ausbildungsrahmenplans übereinstimmen.
Was sind ausbildungsfremde Tätigkeiten?
Ausbildungsfremde Tätigkeiten sind solche, die nicht dazu dienen, die im Ausbildungsrahmenplan definierten Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Dazu gehören beispielsweise:
- Reine Botengänge ohne Lerneffekt
- Längere Tätigkeiten im Privathaushalt des Chefs (z.B. Gartenarbeit, Babysitten)
- Putzarbeiten, die über die übliche Ordnung am eigenen Arbeitsplatz hinausgehen
- Arbeiten, die ausschließlich der Gewinnmaximierung des Unternehmens dienen, ohne dass der Azubi dabei etwas lernt
- Aufgaben, die die körperlichen oder psychischen Kräfte des Azubis übersteigen
Es ist wichtig zu betonen: Nicht jede Aufgabe, die dem Azubi vielleicht nicht sofort als „typisch für den Beruf” erscheint, ist automatisch ausbildungsfremd. Manchmal kann es auch darum gehen, den Blick über den Tellerrand zu schärfen und Zusammenhänge im Betrieb besser zu verstehen.
Darf der Chef ausbildungsfremde Tätigkeiten anordnen?
Grundsätzlich gilt: Nein, der Chef darf den Azubi nicht dauerhaft oder überwiegend mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigen. Der Fokus muss immer auf der Vermittlung der im Ausbildungsrahmenplan vorgesehenen Inhalte liegen. Die Ausbildungspflicht des Arbeitgebers steht hier im Vordergrund.
Allerdings gibt es Ausnahmen und Grauzonen:
- Kurzfristige Hilfeleistung: In Notfällen oder bei Personalengpässen kann es durchaus vorkommen, dass der Azubi kurzfristig ausbildungsfremde Aufgaben übernehmen muss. Hierbei sollte es sich aber um eine Ausnahme handeln und die eigentliche Ausbildung nicht beeinträchtigen. Der Azubi sollte verstehen, warum er diese Aufgabe übernehmen soll und dass sie nicht zum Regelfall wird.
- Betriebliche Übung: Manchmal kann es sinnvoll sein, dass der Azubi auch Tätigkeiten kennenlernt, die nicht direkt mit seinem Ausbildungsberuf zu tun haben, um einen besseren Überblick über den gesamten Betrieb zu bekommen. Diese „betrieblichen Übungen” sollten aber immer einen Bezug zur Ausbildung haben und nicht in reine Hilfsarbeiten ausarten.
- Freiwillige Tätigkeiten: Wenn der Azubi freiwillig bereit ist, bestimmte ausbildungsfremde Aufgaben zu übernehmen (z.B. bei einem Firmenevent mitzuhelfen), ist das grundsätzlich möglich. Hierbei sollte aber darauf geachtet werden, dass der Azubi nicht unter Druck gesetzt wird und die Tätigkeit nicht zu Lasten seiner Ausbildung geht.
Was kann der Azubi tun, wenn er ständig ausbildungsfremde Aufgaben erledigen muss?
Wenn der Azubi das Gefühl hat, dass er überwiegend mit ausbildungsfremden Tätigkeiten beschäftigt wird und seine Ausbildung darunter leidet, sollte er aktiv werden. Hier sind einige Schritte, die er unternehmen kann:
- Gespräch mit dem Ausbilder suchen: Der erste Schritt sollte immer das offene Gespräch mit dem Ausbilder sein. Schildern Sie Ihre Situation und erklären Sie, warum Sie die Aufgaben als ausbildungsfremd empfinden. Versuchen Sie, gemeinsam eine Lösung zu finden.
- Gespräch mit dem Betriebsrat: Wenn es im Unternehmen einen Betriebsrat gibt, können Sie sich auch an diesen wenden. Der Betriebsrat hat die Aufgabe, die Interessen der Arbeitnehmer (und damit auch der Auszubildenden) zu vertreten.
- Dokumentation: Führen Sie ein Protokoll, in dem Sie genau festhalten, welche ausbildungsfremden Aufgaben Sie wann und wie lange erledigt haben. Dies kann im Streitfall als Beweismittel dienen.
- Beratung bei der Kammer: Die zuständige Kammer (IHK oder Handwerkskammer) bietet in der Regel eine kostenlose Beratung für Auszubildende an. Dort können Sie sich über Ihre Rechte informieren und Unterstützung bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche erhalten.
- Anwaltliche Beratung: In besonders schwierigen Fällen kann es sinnvoll sein, einen Anwalt für Arbeitsrecht zu konsultieren. Dieser kann Sie rechtlich beraten und Ihre Interessen vertreten.
- Kündigung: Als letzte Möglichkeit bleibt dem Azubi die Kündigung des Ausbildungsvertrags. Dies sollte aber nur in Betracht gezogen werden, wenn alle anderen Versuche, die Situation zu verbessern, gescheitert sind. Eine Kündigung sollte immer gut überlegt und rechtlich abgesichert sein.
Wichtige Tipps für Azubis
- Kenne deine Rechte: Informiere dich über deine Rechte und Pflichten als Auszubildender. Der Ausbildungsvertrag und der Ausbildungsrahmenplan sind hierfür die wichtigsten Quellen.
- Sprich Probleme an: Scheue dich nicht, Probleme anzusprechen. Offene Kommunikation ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Ausbildung.
- Sei proaktiv: Zeige Eigeninitiative und engagiere dich in deiner Ausbildung. Frage nach, wenn du etwas nicht verstehst, und biete deine Hilfe an, wenn du siehst, dass etwas zu tun ist.
- Suche Unterstützung: Wenn du dich überfordert fühlst, suche dir Unterstützung. Das können deine Eltern, Freunde, Lehrer oder die Beratungsstellen der Kammern sein.
Fazit
Während es in Ordnung ist, dass Auszubildende gelegentlich bei Aufgaben helfen, die nicht direkt mit ihrer Ausbildung zusammenhängen, ist es wichtig, dass der Fokus auf der Vermittlung der im Ausbildungsrahmenplan festgelegten Inhalte liegt. Ausbildungsfremde Tätigkeiten dürfen nicht zur Regel werden und die Ausbildung gefährden. Azubis, die sich überfordert oder ausgenutzt fühlen, sollten sich nicht scheuen, ihre Rechte einzufordern und sich Unterstützung zu suchen. Eine gute und fundierte Ausbildung ist schließlich die beste Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Zukunft.