Das Internet, ein schier unendliches Universum an Informationen und Interaktion, birgt nicht nur Chancen, sondern auch tiefe Abgründe. Einer dieser Abgründe ist die Plattform 8chan (später umbenannt in 8kun), ein Ort, der für seine unzensierte Natur bekannt ist, aber auch für die Verbreitung von Hassreden, extremistischen Inhalten und die Förderung realer Gewalt kritisiert wird. Dieser Artikel beleuchtet die Geschichte, die Funktionsweise und die Kontroversen rund um 8chan/8kun und versucht, ein umfassendes Bild dieser umstrittenen Online-Plattform zu zeichnen.
Die Entstehung von 8chan: Ein Refugium der Meinungsfreiheit?
8chan wurde im Jahr 2013 von Frederick Brennan als Alternative zu anderen Imageboards wie 4chan gegründet. Brennan, der ursprünglich eine Plattform für Anime- und Manga-Diskussionen schaffen wollte, bemerkte schnell, dass die Community sich in andere Richtungen entwickelte. Das Kernprinzip von 8chan war die nahezu vollständige Meinungsfreiheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Online-Plattformen, die Richtlinien zur Moderation von Inhalten haben, verfolgte 8chan einen äußerst laxen Ansatz. Es gab zwar Richtlinien, die illegale Inhalte betrafen, aber die Moderation war minimal und oft ineffektiv.
Diese unzensierte Natur zog schnell Nutzer an, die von anderen Plattformen verbannt worden waren oder sich dort zensiert fühlten. So entwickelten sich auf 8chan Subkulturen, die sich mit Themen wie Politik, Verschwörungstheorien und auch mit extremeren und teils gewaltverherrlichenden Inhalten beschäftigten. Insbesondere der Board „/pol/” (politically incorrect) entwickelte sich zu einem Sammelbecken für rechtsextreme Ideologien, Antisemitismus, Rassismus und Hassreden.
Von 8chan zu 8kun: Ein Namenswechsel und die Kontinuität der Probleme
Nachdem 8chan im Zusammenhang mit mehreren massiven Gewalttaten und Attentaten in die Kritik geraten war, wurde die Plattform im Jahr 2019 von Jim Watkins übernommen und in 8kun umbenannt. Watkins, ein Betreiber einer philippinischen Farm, der bereits zuvor Hosting-Dienste für 8chan angeboten hatte, versprach, die Plattform weiterzuführen und die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Der Namenswechsel sollte offenbar einen Neuanfang signalisieren, doch an der grundlegenden Problematik – der Verbreitung von Hass und Extremismus – änderte sich wenig.
Die Struktur von 8kun ähnelt der von 8chan. Es gibt verschiedene Boards, die sich unterschiedlichen Themen widmen. Die Nutzer können anonym posten, was die Hemmschwelle für Hassreden und Beleidigungen weiter senkt. Die Moderation bleibt weiterhin minimal, was dazu führt, dass sich extremistisches Gedankengut ungehindert verbreiten kann. Die Plattform wird von Kritikern oft als „digitaler Sumpf” bezeichnet.
Die Verbindung zu Gewalt: Eine Chronik des Schreckens
Der Ruf von 8chan/8kun ist untrennbar mit realer Gewalt verbunden. Mehrere Attentäter und Massenmörder haben die Plattform genutzt, um ihre Manifeste zu veröffentlichen, ihre Taten anzukündigen oder sich zu ihren Motiven zu bekennen. Zu den bekanntesten Fällen gehören:
- Der Attentäter von Christchurch (Neuseeland, 2019), der seinen Livestream des Angriffs auf Moscheen auf Facebook veröffentlichte, aber sein Manifest auf 8chan postete.
- Der Attentäter von El Paso (Texas, 2019), der ebenfalls ein rassistisches Manifest auf 8chan veröffentlichte, bevor er in einem Walmart um sich schoss.
- Der mutmaßliche Attentäter der Synagoge in Poway (Kalifornien, 2019), der ebenfalls vor seiner Tat auf 8chan aktiv war.
Diese Fälle haben die Frage aufgeworfen, inwieweit Plattformen wie 8chan/8kun eine Mitverantwortung für solche Taten tragen. Kritiker argumentieren, dass die unzensierte Verbreitung von Hassreden und extremistischen Inhalten ein Klima der Gewalt fördert und dass Attentäter durch die Plattform radikalisiert und ermutigt werden.
Die Debatte um Meinungsfreiheit vs. Verantwortung: Ein schwieriger Balanceakt
Die Befürworter von 8chan/8kun argumentieren, dass die Plattform ein wichtiger Ort für Meinungsfreiheit ist und dass Zensur niemals die Antwort sein kann. Sie betonen, dass jeder das Recht haben sollte, seine Meinung zu äußern, auch wenn diese Meinung kontrovers oder unangenehm ist. Sie argumentieren, dass die Plattform selbst nicht für die Taten Einzelner verantwortlich gemacht werden kann. Die Frage ist jedoch, wo die Grenze zwischen Meinungsfreiheit und der Verantwortung für die Sicherheit der Gesellschaft liegt.
Die Gegner von 8chan/8kun argumentieren, dass die Plattform nicht nur ein Ort für freie Meinungsäußerung ist, sondern auch ein Verbreitungsmedium für Hassreden, Rassismus und Extremismus. Sie betonen, dass die Plattform aktiv zur Radikalisierung von Menschen beiträgt und dass die Betreiber eine moralische Verantwortung haben, gegen die Verbreitung von Gewalt auf ihrer Plattform vorzugehen. Die Schwierigkeit besteht darin, einen Weg zu finden, wie man die Meinungsfreiheit schützen und gleichzeitig die Verbreitung von Inhalten verhindern kann, die zu Gewalt aufrufen oder andere Menschen gefährden.
Die Zukunft von 8chan/8kun: Ein endloser Kampf gegen den Hass?
Die Zukunft von 8chan/8kun ist ungewiss. Die Plattform steht weiterhin unter starkem Druck, ihre Praktiken zu ändern und gegen die Verbreitung von Hassreden und Extremismus vorzugehen. Allerdings zeigen die Betreiber wenig Bereitschaft, substanzielle Änderungen vorzunehmen. Die Plattform wechselt regelmäßig ihren Hoster, um dem Druck von Unternehmen zu entgehen, die sich von derartigen Inhalten distanzieren wollen. Die Frage ist, ob es möglich ist, eine Plattform wie 8chan/8kun zu reformieren, oder ob sie aufgrund ihrer inhärenten Probleme immer ein Risiko für die Gesellschaft darstellen wird.
Die Auseinandersetzung mit 8chan/8kun ist ein Spiegelbild der Herausforderungen, vor denen wir im digitalen Zeitalter stehen. Wie können wir die Meinungsfreiheit schützen und gleichzeitig die Verbreitung von Hass und Extremismus verhindern? Wie können wir die Verantwortung von Online-Plattformen stärken? Diese Fragen sind komplex und erfordern eine umfassende gesellschaftliche Debatte.
Unabhängig davon, wie die Zukunft von 8chan/8kun aussehen mag, ist es wichtig, sich der Gefahren bewusst zu sein, die von solchen Plattformen ausgehen. Nur durch eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema und durch die Förderung von Medienkompetenz können wir dazu beitragen, die Ausbreitung von Hassreden und Extremismus im Internet einzudämmen.