Du möchtest Bildschirmaufnahmen unter Linux erstellen, aber bestimmte Fenster während der Aufnahme komplett ausblenden? Vielleicht möchtest du einen Screencast erstellen, bei dem ein Terminalfenster mit sensiblen Informationen nicht sichtbar ist, oder du möchtest einfach nur deine Zuschauer nicht mit unnötigen Fenstern ablenken. Mit OBS Studio und einigen cleveren Tricks ist das unter Linux kein Problem. In diesem Artikel zeigen wir dir, wie du das bewerkstelligen kannst – und zwar so, dass die Fenster für dich weiterhin sichtbar und bedienbar bleiben, während sie in der Aufnahme unsichtbar sind.
Warum Fenster unsichtbar machen?
Es gibt viele Gründe, warum man Fenster während der Aufnahme ausblenden möchte:
- Datenschutz: Vermeidung der Anzeige sensibler Informationen (Passwörter, E-Mail-Adressen, etc.)
- Fokus: Lenkung der Aufmerksamkeit des Zuschauers auf den relevanten Teil des Bildschirms.
- Ästhetik: Entfernung störender Elemente für eine professionellere Aufnahme.
- Flexibilität: Ermöglicht die Bearbeitung im Hintergrund, ohne dass diese in der Aufnahme sichtbar ist.
Die Herausforderung: Was OBS Studio standardmäßig kann und was nicht
OBS Studio ist ein leistungsstarkes und kostenloses Open-Source-Tool für Bildschirmaufnahmen und Live-Streaming. Es bietet zahlreiche Funktionen, darunter die Aufnahme von Fenstern, Bildschirmen und sogar einzelnen Anwendungen. Allerdings kann OBS Studio standardmäßig nur Fenster oder Bildschirme *komplett* aufnehmen oder *gar nicht*. Es gibt keine integrierte Funktion, um ein Fenster während der Aufnahme dynamisch auszublenden, während es für den Benutzer weiterhin sichtbar ist.
Hier kommen kreative Lösungen ins Spiel, die auf den flexiblen Möglichkeiten von Linux basieren.
Lösung 1: Virtuelle Desktops und Szenen in OBS Studio
Eine elegante Lösung ist die Verwendung von virtuellen Desktops in Kombination mit Szenen in OBS Studio. Der Trick besteht darin, das Fenster, das du ausblenden möchtest, auf einen separaten virtuellen Desktop zu verschieben und dann in OBS Studio nur den Desktop aufzunehmen, auf dem das Fenster *nicht* sichtbar ist. Du kannst das Fenster weiterhin auf dem anderen Desktop bedienen, ohne dass es in der Aufnahme erscheint.
Schritt-für-Schritt-Anleitung:
- Virtuelle Desktops einrichten: Die meisten Linux-Distributionen unterstützen virtuelle Desktops. In GNOME kannst du beispielsweise mit `Super + Page Up/Down` zwischen Desktops wechseln. Stelle sicher, dass du mindestens zwei virtuelle Desktops hast.
- Fenster verschieben: Verschiebe das Fenster, das du ausblenden möchtest, auf einen separaten virtuellen Desktop.
- OBS Studio konfigurieren:
- Erstelle eine neue Szene in OBS Studio.
- Füge eine Quelle hinzu, die den Desktop aufnimmt, auf dem das Fenster *nicht* sichtbar ist. Wähle als Quelle „Bildschirmaufnahme (XSHM)” oder „Fensteraufnahme (Xcomposite)”. „Bildschirmaufnahme (XSHM)” ist meist die zuverlässigere Option, wenn du den gesamten Desktop aufnehmen möchtest. Wenn du nur ein bestimmtes Fenster aufnehmen möchtest, das auf dem sichtbaren Desktop liegt, ist „Fensteraufnahme (Xcomposite)” die bessere Wahl.
- Stelle sicher, dass die Quelle den richtigen Desktop erfasst.
- Aufnahme starten: Starte die Aufnahme in OBS Studio.
- Fenster bedienen: Wechsle zum virtuellen Desktop, auf dem sich das ausgeblendete Fenster befindet, und bediene es nach Bedarf. Die Änderungen werden *nicht* in der Aufnahme sichtbar sein.
Vorteile:
- Einfach einzurichten und zu verwenden.
- Funktioniert mit allen Fenstern und Anwendungen.
- Keine zusätzlichen Tools erforderlich.
Nachteile:
- Erfordert die Verwendung von virtuellen Desktops, was für manche Benutzer ungewohnt sein kann.
- Nicht optimal, wenn du das ausgeblendete Fenster *gleichzeitig* mit dem sichtbaren Desktop interagieren musst.
Lösung 2: Workspaces (ähnlich virtuellen Desktops, aber mit spezifischen Einstellungen)
Diese Lösung ähnelt der vorherigen, nutzt aber möglicherweise die Funktionalitäten deines Window Managers (wie z.B. i3, Awesome, oder Xmonad) noch effektiver. Viele Window Manager bieten die Möglichkeit, Fenstern bestimmte Workspaces zuzuweisen und Regeln zu definieren, wie sich Fenster auf bestimmten Workspaces verhalten sollen. Dies kann die Bedienung im Vergleich zu reinen virtuellen Desktops vereinfachen.
Schritt-für-Schritt-Anleitung (Beispiel für i3):
- i3 konfigurieren: Füge in deiner i3-Konfigurationsdatei (normalerweise `~/.config/i3/config`) Regeln hinzu, um bestimmte Fenster auf bestimmte Workspaces zu verschieben. Beispiel:
assign [class="Gedit"] 2Diese Regel verschiebt alle Fenster der Klasse „Gedit” (z.B. Texteditor Gedit) auf Workspace 2.
- Workspaces einrichten: Definiere in deiner i3-Konfiguration die Anzahl der Workspaces, die du verwenden möchtest.
- Fenster zuweisen: Starte die Anwendungen, die du ausblenden möchtest, und stelle sicher, dass sie gemäß deinen i3-Regeln auf den zugewiesenen Workspaces landen.
- OBS Studio konfigurieren: Wie in Lösung 1, nimm in OBS Studio den Workspace auf, auf dem die ausgeblendeten Fenster *nicht* sind.
- Aufnahme starten: Starte die Aufnahme.
- Fenster bedienen: Wechsle zum Workspace, auf dem sich das ausgeblendete Fenster befindet, und bediene es.
Vorteile:
- Sehr flexibel und anpassbar an deine individuellen Bedürfnisse.
- Ermöglicht eine präzise Steuerung, welche Fenster auf welchen Workspaces sichtbar sind.
- Ideal für fortgeschrittene Linux-Benutzer, die ihren Window Manager gut kennen.
Nachteile:
- Erfordert eine gewisse Einarbeitung in die Konfiguration deines Window Managers.
- Nicht für alle Linux-Distributionen und Window Manager gleichermaßen geeignet.
Lösung 3: Fenster mit speziellen X11-Eigenschaften ausblenden (Fortgeschritten)
Diese Lösung ist deutlich komplexer und erfordert ein tieferes Verständnis von X11, dem Fenstersystem unter Linux. Der Grundgedanke ist, die X11-Eigenschaften eines Fensters so zu verändern, dass es für OBS Studio unsichtbar wird, während es für dich weiterhin sichtbar und bedienbar bleibt. Dies kann durch das Setzen bestimmter _NET_WM_STATE-Eigenschaften erreicht werden.
Warnung: Diese Methode ist fortgeschritten und kann zu Problemen führen, wenn sie nicht korrekt angewendet wird. Sicher dir deine Arbeit, bevor du mit dieser Methode experimentierst!
Schritt-für-Schritt-Anleitung (generell, da die genaue Implementierung stark vom Window Manager abhängt):
- Benötigte Tools installieren: Installiere Tools wie `xprop` (zum Anzeigen von Fenster-Eigenschaften) und `xdotool` (zum Ändern von Fenster-Eigenschaften).
- Fenster-Eigenschaften ermitteln: Verwende `xprop` um die Eigenschaften des Fensters zu ermitteln, das du ausblenden möchtest. Achte besonders auf die `_NET_WM_STATE`-Eigenschaft.
- _NET_WM_STATE bearbeiten: Verwende `xdotool` um die `_NET_WM_STATE`-Eigenschaft des Fensters zu ändern. Ziel ist es, eine Eigenschaft zu setzen, die OBS Studio dazu bringt, das Fenster zu ignorieren. Das genaue Vorgehen hängt von deinem Window Manager und der Konfiguration von OBS Studio ab. Einige Möglichkeiten sind das Hinzufügen von `_NET_WM_STATE_SKIP_TASKBAR` oder ähnlichen Eigenschaften.
- OBS Studio konfigurieren: Konfiguriere OBS Studio, um den Bildschirm oder das Fenster aufzunehmen, das *nicht* das veränderte Fenster enthält.
- Aufnahme starten: Starte die Aufnahme.
- Fenster bedienen: Bediene das ausgeblendete Fenster wie gewohnt.
Vorteile:
- Potenziell die eleganteste Lösung, da sie keine virtuellen Desktops erfordert.
- Ermöglicht eine sehr feingranulare Steuerung der Fenster-Sichtbarkeit.
Nachteile:
- Sehr komplex und erfordert ein tiefes Verständnis von X11.
- Die genaue Implementierung ist stark vom Window Manager abhängig.
- Kann zu unerwarteten Problemen führen.
Fazit
Das Ausblenden von Fenstern während der Aufnahme mit OBS Studio unter Linux ist möglich, erfordert aber kreative Lösungen. Die einfachste und zugänglichste Methode ist die Verwendung von virtuellen Desktops. Für fortgeschrittene Benutzer bieten die Konfiguration des Window Managers oder die Manipulation von X11-Eigenschaften weitere Möglichkeiten. Wähle die Methode, die am besten zu deinen Bedürfnissen und deinem Kenntnisstand passt. Experimentiere und finde heraus, was für dich am besten funktioniert! Denk daran, immer zuerst deine Arbeit zu sichern, bevor du mit fortgeschrittenen Techniken experimentierst.
Mit den richtigen Techniken kannst du professionelle Screencasts erstellen und sensible Informationen schützen, während du deine Fenster weiterhin komfortabel bedienen kannst.