Lohnt sich Cubasis 3? Das mobile Tonstudio für iPad und iPhone im Härtetest

Die Vorstellung, ein komplettes Tonstudio in der Hosentasche oder zumindest im Rucksack zu haben, war lange Zeit ein Traum. Doch mit der rasanten Entwicklung von Smartphones und Tablets ist dieser Traum für Musiker, Produzenten und Kreative greifbarer denn je geworden. Eine App, die sich dabei als echter Schwergewichts-Kandidat im mobilen Musikproduktionsbereich etabliert hat, ist Cubasis 3 von Steinberg. Als iOS-Ableger der legendären Desktop-DAW Cubase verspricht sie professionelle Funktionalität auf iPad und iPhone. Doch hält sie, was sie verspricht? Lohnt sich die Investition in diese mobile Workstation? Wir haben Cubasis 3 einem intensiven Härtetest unterzogen und beleuchten Stärken, Schwächen und alles, was dazugehört.

Was ist Cubasis 3 überhaupt?

Im Kern ist Cubasis 3 eine Digital Audio Workstation (DAW), optimiert für Apples iOS-Ökosystem. Entwickelt von Steinberg, den Köpfen hinter dem Branchenstandard Cubase, bringt Cubasis viele Kernfunktionen seines großen Bruders auf mobile Geräte. Das bedeutet, Sie können Audio aufnehmen, MIDI-Daten erfassen, Spuren arrangieren, Effekte hinzufügen, mischen und das fertige Werk exportieren – alles direkt auf Ihrem iPad oder iPhone. Die App ist darauf ausgelegt, sowohl als eigenständiges Produktionswerkzeug zu dienen als auch als Skizzenbuch für Ideen, die später in einer Desktop-DAW finalisiert werden sollen. Es ist mehr als nur eine Spielerei; es ist ein ernstzunehmendes Tool für ernsthafte Musiker.

Die Benutzeroberfläche: Intuition trifft Funktionalität

Einer der kritischsten Punkte bei jeder mobilen Anwendung ist die Benutzeroberfläche. Wie lassen sich komplexe Funktionen auf einem begrenzten Bildschirm und mittels Touch-Gesten intuitiv bedienen? Cubasis 3 meistert diese Herausforderung beeindruckend. Die Oberfläche ist klar strukturiert, die wichtigsten Elemente sind schnell erreichbar und die Navigation fühlt sich nach kurzer Eingewöhnungszeit flüssig an. Besonders auf dem iPad, dank des größeren Bildschirms, entfaltet sich die volle Pracht der Arbeitsumgebung. Die Mehrfingergesten für Zoomen, Verschieben und Auswählen sind exzellent implementiert. Selbst auf dem kleineren iPhone-Bildschirm ist die App überraschend gut nutzbar, auch wenn hier natürlich Kompromisse in der Übersichtlichkeit gemacht werden müssen. Die Möglichkeit, das Layout anzupassen und einzelne Bereiche ein- oder auszublenden, trägt zusätzlich zur Benutzerfreundlichkeit bei. Steinberg hat hier ganze Arbeit geleistet, um eine professionelle Arbeitsumgebung für Touchscreens zu adaptieren, ohne dabei an Funktionalität einzubüßen.

Funktionsumfang im Detail: Was kann Cubasis 3 wirklich?

Hier zeigt sich, ob Cubasis 3 wirklich ein „Tonstudio” ist oder nur eine aufgeblasene Recorder-App. Und die Antwort ist eindeutig: Der Funktionsumfang ist erstaunlich umfassend.

Audio Recording & Editing

Cubasis 3 unterstützt unbegrenzte Audio- und MIDI-Spuren (begrenzt nur durch die Geräteleistung), Aufnahmen in hoher Qualität (bis zu 24-Bit/96 kHz) und bietet fortgeschrittene Bearbeitungsfunktionen. Sie können Audio schneiden, verschieben, loopen, fading anwenden und sogar mit Time-Stretching und Pitch-Shifting arbeiten. Die integrierte Möglichkeit, Audio via Inter-App Audio (IAA) oder Audio Units (AUv3) von anderen Apps einzubinden, erweitert die Möglichkeiten ins Unermessliche. Ob Gesang, Gitarre oder Field Recordings – die Audio-Engine ist robust und liefert professionelle Ergebnisse.

MIDI Recording & Editing

Für elektronische Musikproduzenten und Komponisten ist der MIDI-Bereich entscheidend. Cubasis 3 glänzt hier mit einem leistungsstarken MIDI-Editor, der Notenbearbeitung, Quantisierung, Velocity-Anpassung und sogar Automatisierung von Parametern ermöglicht. Der integrierte Keyboard- und Drumpad-Controller ist intuitiv, und die Unterstützung externer MIDI-Controller über USB oder Bluetooth ist nahtlos. Die Möglichkeit, Noten präzise zu platzieren und komplexe MIDI-Arrangements zu erstellen, macht Cubasis zu einem ernstzunehmenden Werkzeug für das Komponieren und Arrangieren.

Instrumente & Effekte

Die App kommt mit einer soliden Auswahl an internen Instrumenten und Effekten. Der MicroSonic-Synth bietet eine gute Bandbreite an Sounds, von Pianos und Bässen bis hin zu Pads und Leads. Für Gitarristen gibt es einen AmpSimulator mit verschiedenen Verstärkern und Cabinet-Modellen. Die Effektsuite umfasst essentielle Tools wie EQ, Kompressor, Reverb, Delay, Chorus, Flanger und mehr. Diese Effekte sind von hoher Qualität und reichen für die meisten Produktionsschritte völlig aus. Das eigentliche Highlight ist jedoch die umfassende Unterstützung für AUv3-Plugins. Das bedeutet, Sie können Tausende von professionellen Instrumenten und Effekten von Drittanbietern direkt in Cubasis 3 nutzen. Dies katapultiert die App auf ein ganz neues Level der musikalischen Gestaltungsmöglichkeiten und macht sie extrem flexibel.

Mixing & Automation

Der Mixer von Cubasis 3 ist übersichtlich gestaltet und bietet alle wichtigen Funktionen: Lautstärke, Panorama, Sends, Inserts und Solo/Mute für jede Spur. Sie können Gruppenspuren erstellen und sogar vollständige Automationen für Lautstärke, Pan und Effektparameter aufzeichnen oder einzeichnen. Die visuelle Darstellung der Automationen ist klar und die Bearbeitung präzise. Für ein mobiles Gerät ist die Mixing-Sektion hervorragend umgesetzt und erlaubt es, einen professionellen Mix direkt in der App zu erstellen.

Konnektivität & Export

Cubasis 3 ist ein Meister der Integration. Neben IAA und AUv3 unterstützt es Ableton Link für nahtlose Synchronisation mit anderen Link-fähigen Apps oder Desktop-DAWs. MIDI over Bluetooth ist ebenfalls an Bord. Exportmöglichkeiten sind vielfältig: Audioformate wie WAV, AIFF, OGG, FLAC oder M4A, MIDI-Dateien, oder sogar Projektdateien, die direkt in Cubase auf dem Desktop importiert werden können – ein riesiger Vorteil für Cubase-Nutzer. Cloud-Dienste wie Dropbox und iCloud werden ebenfalls unterstützt, was den Workflow und den Datenaustausch erheblich vereinfacht.

Der Härtetest: Performance und Stabilität

Ein mobiles Tonstudio ist nur so gut wie seine Performance. Wir haben Cubasis 3 auf verschiedenen Geräten getestet, vom älteren iPad Air 2 bis zum aktuellen iPad Pro und iPhone 14 Pro.

Auf neueren Geräten (ab A12 Bionic Chip oder vergleichbar) läuft Cubasis 3 extrem flüssig und stabil. Selbst bei vielen Spuren, zahlreichen AUv3-Plugins und komplexen Automationen sind Latenzzeiten minimal und die App bleibt reaktionsschnell. Hier fühlt sich Cubasis 3 wirklich wie eine vollwertige DAW an. Die CPU-Auslastung wird gut verwaltet, und Abstürze sind die absolute Ausnahme.

Auf älteren Geräten, wie dem iPad Air 2 oder iPhone 7/8, ist die Leistung erwartungsgemäß etwas eingeschränkter. Hier muss man bei der Anzahl der Spuren und vor allem bei der Nutzung CPU-intensiver AUv3-Plugins Kompromisse eingehen. Für einfache Aufnahmen und grundlegendes Sequencing ist es immer noch gut nutzbar, aber für komplexe Projekte stößt man schnell an die Grenzen der Hardware. Dies ist jedoch kein Mangel von Cubasis 3, sondern eine physikalische Limitierung der älteren Prozessoren.

Die Stabilität war über den gesamten Testzeitraum hinweg beeindruckend. Auch bei intensiver Nutzung und dem schnellen Wechsel zwischen Apps zeigte sich Cubasis 3 als äußerst robust. Das Speichern erfolgt zügig, und auch bei Stromausfällen (bzw. bei leeren Akkus) bleiben die Projekte in der Regel intakt.

Vorteile von Cubasis 3: Warum sollte man es nutzen?

• Unschlagbare Mobilität: Überall und jederzeit Musikideen festhalten, aufnehmen und produzieren. Die Flexibilität, die Cubasis 3 bietet, ist immens.
• Professioneller Funktionsumfang: Nahezu alle Kernfunktionen einer Desktop-DAW sind vorhanden, inklusive fortgeschrittener Editing-, Mixing- und Automationsmöglichkeiten.
• AUv3-Unterstützung: Zugang zu einem riesigen Ökosystem an externen Instrumenten und Effekten, die die kreativen Möglichkeiten vervielfachen. Dies ist ein Game-Changer.
• Nahtloser Cubase-Workflow: Für Nutzer der Desktop-Version von Cubase ist die Projektkompatibilität ein riesiger Vorteil. Ideen können mobil skizziert und später am großen Bildschirm fertiggestellt werden.
• Exzellente Benutzeroberfläche: Intuitiv, gut durchdacht und auch auf kleineren Bildschirmen überraschend gut bedienbar.
• Regelmäßige Updates & Support: Steinberg pflegt Cubasis 3 aktiv und liefert regelmäßig neue Funktionen und Verbesserungen.
• Hohe Audioqualität: Die interne Audio-Engine liefert Ergebnisse auf professionellem Niveau.

Nachteile und Einschränkungen: Wo stößt Cubasis 3 an seine Grenzen?

• Kostenmodell: Der Einstiegspreis für die App ist relativ hoch (im Vergleich zu anderen Apps), und viele Erweiterungen (wie zusätzliche Effekte oder Instrumente) müssen per In-App-Kauf erworben werden. Dies kann sich summieren.
• Abhängigkeit von Hardware: Ältere iOS-Geräte stoßen schnell an ihre Leistungsgrenzen, was die Komplexität der Projekte einschränkt. Für professionelle Nutzung ist ein aktuelles iPad Pro oder ein neueres iPhone fast schon Pflicht.
• Eingeschränkte Steuerung: Trotz der hervorragenden Touch-Bedienung kann ein Maus-Tastatur-Setup oder ein Hardware-Controller die Präzision und Geschwindigkeit einer Desktop-DAW nicht vollständig ersetzen. Für filigrane Editierungen kann dies frustrierend sein.
• Kein VST-Support: Obwohl AUv3 eine gute Alternative ist, fehlen natürlich die Tausenden von VST-Plugins, die es für Desktop-DAWs gibt. Man ist auf das AUv3-Angebot angewiesen.
• Lernkurve: Trotz der intuitiven Oberfläche ist der Funktionsumfang so groß, dass eine gewisse Einarbeitungszeit nötig ist, um alle Features optimal nutzen zu können.

Wem empfehle ich Cubasis 3? Die Zielgruppe

Cubasis 3 ist nicht für jeden die perfekte Lösung, aber für bestimmte Nutzergruppen ein absolutes Highlight:

• Mobile Musiker & Produzenten: Wer viel unterwegs ist und keine Kompromisse bei der Musikproduktion eingehen möchte, findet in Cubasis 3 ein vollwertiges Studio.
• Ideensammler: Für spontane musikalische Eingebungen ist Cubasis 3 das perfekte Skizzenbuch. Schneller geht es kaum, eine Idee von der Melodie bis zum vollständigen Arrangement zu bringen.
• Cubase-Nutzer: Die Kompatibilität mit der Desktop-Version macht Cubasis 3 zur idealen Ergänzung für alle, die bereits mit Cubase arbeiten.
• Einsteiger in die Musikproduktion: Ja, der Preis ist höher, aber dafür bekommt man ein professionelles Werkzeug, das mit den eigenen Fähigkeiten mitwachsen kann und eine hervorragende Basis für das Erlernen der Musikproduktion bietet.
• Content Creator: Auch für Podcaster, YouTuber oder Videomacher, die schnell Audio aufnehmen, bearbeiten und abmischen müssen, ist Cubasis 3 eine leistungsstarke und flexible Lösung.

Fazit: Lohnt sich Cubasis 3 wirklich?

Nach unserem ausführlichen Härtetest können wir festhalten: Ja, Cubasis 3 lohnt sich – allerdings mit Einschränkungen und für die richtige Zielgruppe. Es ist nicht nur ein nettes Gimmick, sondern ein überaus fähiges und professionelles mobiles Tonstudio, das die Grenzen der Musikproduktion auf Tablets und Smartphones neu definiert. Die Investition in die App und gegebenenfalls in In-App-Käufe ist gerechtfertigt, wenn man die gebotene Funktionalität, die Stabilität und die kontinuierliche Weiterentwicklung berücksichtigt.

Wenn Sie einen modernen iPad oder ein neueres iPhone besitzen und den Wunsch haben, jederzeit und überall Ihre musikalischen Ideen in hoher Qualität umzusetzen, dann ist Cubasis 3 eine klare Empfehlung. Es ist ein leistungsstarkes Werkzeug für ernsthafte Musikschaffende, die das volle Potenzial ihrer mobilen Geräte ausschöpfen möchten. Für Gelegenheitsnutzer mag der Preis und der Funktionsumfang überdimensioniert sein, doch wer nach einem echten mobilen Studio sucht, das den Vergleich mit Desktop-DAWs nicht scheuen muss, der wird in Cubasis 3 einen unverzichtbaren Begleiter finden.

Die mobile Zukunft der Musikproduktion ist längst keine ferne Vision mehr, und Cubasis 3 spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es ermöglicht kreative Freiheit, wo immer Sie sind, und das ist in der heutigen schnelllebigen Welt ein unbezahlbarer Vorteil.