In der komplexen Welt der Lohn- und Gehaltsabrechnung gibt es immer wieder Konstellationen, die selbst erfahrene Personaler und Steuerberater ins Grübeln bringen. Eine solche Situation betrifft den Geschäftsführer (GGF) einer GmbH, der freiwillig gesetzlich krankenversichert ist und von seinem Unternehmen einen Arbeitgeberzuschuss (AG-Zuschuss) erhält. Das vermeintliche Rätsel: Welcher Personengruppenschlüssel (PGS) ist in DATEV Lohn und Gehalt korrekt zu hinterlegen? Die intuitive Antwort, oft verleitet durch das Wort „freiwillig”, weicht hier überraschend von der tatsächlich richtigen Lösung ab. Spoiler: Es ist der Personengruppenschlüssel 101.
Einleitung: Das große DATEV-Rätsel um den Geschäftsführer und die Krankenversicherung
Jeder, der mit der Lohnbuchhaltung zu tun hat, weiß: Korrekte Schlüsselungen sind das A und O. Eine falsche Angabe kann nicht nur zu Rückfragen bei Betriebsprüfungen führen, sondern auch teure Nachzahlungen oder gar Strafen nach sich ziehen. Besonders heikel wird es, wenn es um die Sozialversicherung von Geschäftsführern geht. Der Status eines Geschäftsführers ist sozialversicherungsrechtlich oft eine Grauzone. Ist er Arbeitnehmer oder Selbstständiger? Pflichtversichert, freiwillig gesetzlich oder privat? Diese Fragen führen zu Unsicherheiten bei der Vergabe des korrekten Personengruppenschlüssels.
Im Zentrum unseres heutigen Rätsels steht die Konstellation, bei der ein Geschäftsführer, der sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer gilt (typischerweise ein Minderheits-GGF oder ein Fremd-GGF), nicht pflichtversichert ist, sondern sich bewusst für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung entschieden hat und sein Arbeitgeber ihm hierfür einen gesetzlich vorgeschriebenen Zuschuss leistet. Viele fragen sich: Wenn „freiwillig”, warum dann nicht ein spezieller Schlüssel, der diese Besonderheit abbildet? Die Antwort liegt in den Tiefen des Sozialversicherungsrechts und der Logik der DEÜV-Meldungen (Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung).
Der Kern des Problems: Freiwillig gesetzlich – und doch Personengruppe 101?
Die Verwirrung entsteht, weil der Begriff „freiwillig” oft mit einer gewissen Abgrenzung zum klassischen Arbeitnehmer assoziiert wird. Ein „normaler” Arbeitnehmer ist in der Regel pflichtversichert in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Für diese Gruppe ist der Personengruppenschlüssel 101 („Arbeitnehmer mit allgemeiner Beitragspflicht”) unumstritten. Wenn nun ein Geschäftsführer freiwillig gesetzlich versichert ist, könnte man meinen, dass er eine Sonderrolle einnimmt, die einen anderen Schlüssel erfordert. Häufig wird dann über Alternativen wie 109 („Geringfügig entlohnte Beschäftigte” – offensichtlich falsch hier) oder andere Nischenschlüssel nachgedacht. Doch diese Denkweise führt in die Irre.
Wer ist der Geschäftsführer aus Sicht der Sozialversicherung? Eine Differenzierung
Bevor wir uns dem Personengruppenschlüssel widmen, ist es essenziell zu verstehen, wann ein Geschäftsführer überhaupt als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer gilt. Hier unterscheidet man primär:
- Beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF): Besitzt er mehr als 50% der Geschäftsanteile oder kann er aufgrund anderer Stimmrechtsvereinbarungen alle Entscheidungen blockieren oder bestimmen, so gilt er in der Regel nicht als abhängig beschäftigt im Sinne der Sozialversicherung. Er ist dann meist nicht sozialversicherungspflichtig (mit Ausnahmen, z.B. wenn er im Rahmen einer GmbH & Co. KG als Komplementär-GmbH-GGF agiert).
- Minderheits-GGF oder Fremd-GGF: Besitzt der Geschäftsführer weniger als 50% der Anteile oder ist er gar kein Gesellschafter, so wird sein Status in der Regel wie der eines „normalen” Angestellten bewertet, wenn er weisungsgebunden in die betriebliche Organisation eingegliedert ist. Für ihn besteht grundsätzlich Sozialversicherungspflicht.
Unser „Rätsel”-Geschäftsführer fällt in die zweite Kategorie: Er wird sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer behandelt, ist also grundsätzlich abhängig beschäftigt. Die „freiwillige” Krankenversicherung resultiert in der Regel daraus, dass sein Einkommen die Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAEG) überschreitet. Hat er diese Grenze für ein Kalenderjahr überschritten, wird er zum Jahreswechsel versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung und kann sich entweder privat oder eben freiwillig gesetzlich versichern. Wichtig ist: Die Arbeitnehmereigenschaft an sich bleibt bestehen, auch wenn keine Pflichtversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung mehr besteht.
Die freiwillig gesetzliche Krankenversicherung: Mehr als nur eine Option
Wenn ein Arbeitnehmer (oder eben ein GGF mit Arbeitnehmerstatus) die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreitet, endet seine Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Er kann dann entscheiden, ob er weiterhin Mitglied in einer gesetzlichen Krankenkasse bleiben möchte (als freiwilliges Mitglied) oder ob er zu einer privaten Krankenversicherung wechselt. Viele entscheiden sich für die freiwillige gesetzliche Krankenversicherung, um weiterhin die Vorteile des Solidarsystems zu nutzen oder weil sie für Familienversicherungen attraktiv ist.
Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass die freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung das Arbeitnehmerverhältnis nicht aufhebt. Auch ein freiwillig gesetzlich versicherter Arbeitnehmer bleibt ein Arbeitnehmer im Sinne des Sozialversicherungsrechts, sofern die abhängige Beschäftigung weiterhin vorliegt.
Der entscheidende Schlüssel: Der Arbeitgeberzuschuss (AG-Zuschuss)
Hier kommt der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Fragestellung ins Spiel: der Arbeitgeberzuschuss. Nach § 257 Abs. 1 SGB V ist der Arbeitgeber verpflichtet, zum Beitrag eines freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Arbeitnehmers einen Zuschuss zu leisten. Dieser Zuschuss bemisst sich nach dem halben Beitragssatz der Krankenkasse auf das beitragspflichtige Arbeitsentgelt, maximal jedoch in Höhe des Arbeitgeberanteils, der bei einer Pflichtversicherung zu zahlen wäre. Gleiches gilt für die Pflegeversicherung nach § 61 SGB XI.
Die Zahlung dieses AG-Zuschusses ist nicht optional, sondern eine gesetzliche Pflicht, sobald ein Arbeitnehmer freiwillig gesetzlich versichert ist und ein entsprechendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Die Tatsache, dass der Arbeitgeber diesen Zuschuss leistet, ist ein klares Indiz dafür, dass aus Sicht der Sozialversicherung ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis existiert, das den allgemeinen Melde- und Beitragspflichten unterliegt.
Personengruppenschlüssel 101: Das Missverständnis auflösen
Der Personengruppenschlüssel 101 steht für „Arbeitnehmer mit allgemeiner Beitragspflicht”. Dieser Schlüssel wird immer dann verwendet, wenn ein Arbeitnehmer den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung unterliegt, auch wenn er in einzelnen Zweigen (wie hier der Kranken- und Pflegeversicherung) versicherungsfrei ist und sich freiwillig versichert hat.
Die Logik dahinter ist simpel, aber oft missverstanden: Der Personengruppenschlüssel beschreibt primär den Status des Beschäftigten im Verhältnis zum Sozialversicherungssystem, nicht seinen Versicherungsstatus in jedem einzelnen Versicherungszweig. Wenn der GGF als Arbeitnehmer zu betrachten ist und grundsätzlich der allgemeinen Systematik unterliegt (d.h. Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt werden, oder zumindest die Beitragspflicht hierfür besteht), dann ist der Schlüssel 101 der korrekte. Die Tatsache, dass er freiwillig krankenversichert ist und einen AG-Zuschuss erhält, untermauert gerade seine Position als „normaler” Arbeitnehmer im sozialversicherungsrechtlichen Sinne, nur eben mit einer Sonderform der Krankenversicherung.
Andere Schlüssel, wie der PGS 109 (für geringfügig entlohnte Beschäftigte), sind hier kategorisch falsch, da der Geschäftsführer ja gerade nicht geringfügig beschäftigt ist. Die Existenz des AG-Zuschusses ist der entscheidende Indikator, der diese Abgrenzung vornimmt und die Anwendung des Personengruppenschlüssels 101 zwingend macht.
Die Rechtsgrundlagen: Was das Sozialgesetzbuch dazu sagt
Die korrekte Einordnung basiert auf mehreren Paragraphen des Sozialgesetzbuches:
- § 7 SGB IV (Begriff der Beschäftigung): Definiert die Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Hierunter fallen GGFs, die nicht beherrschend sind.
- § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (Versicherungspflicht): Legt fest, wer in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert ist. Wenn diese Pflichtversicherung durch Überschreiten der JAEG entfällt, folgt die Option der freiwilligen Versicherung.
- § 9 SGB V (Freiwillige Versicherung): Ermöglicht die Fortsetzung der Mitgliedschaft in der GKV als freiwilliges Mitglied.
- § 257 SGB V (Zuschüsse des Arbeitgebers): Dieser Paragraph ist der Kern der Lösung! Er regelt ausdrücklich den Anspruch von freiwillig versicherten Arbeitnehmern auf einen Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Existenz dieses Paragraphen beweist, dass der Gesetzgeber die Konstellation „freiwillig versicherter Arbeitnehmer mit Arbeitgeberzuschuss” klar vorsieht und diese Personen nach wie vor als „Arbeitnehmer” im melderelevanten Sinne betrachtet.
Die Gemeinsamen Grundsätze für die Datenerfassung und Datenübermittlung zur Sozialversicherung, herausgegeben von der GKV-Spitzenverband, bestätigen diese Auslegung explizit. Sie definieren den Personengruppenschlüssel 101 für „Arbeitnehmer, die der allgemeinen Beitragspflicht unterliegen”. Und dazu gehören auch jene, die aufgrund ihres Einkommens versicherungsfrei sind und sich freiwillig gesetzlich versichert haben, sofern der Arbeitgeber den gesetzlichen Zuschuss leistet.
Praktische Umsetzung in DATEV Lohn und Gehalt: Fehler vermeiden
Die korrekte Einstellung in DATEV Lohn und Gehalt ist entscheidend, um die Sozialversicherungsbeiträge und Meldungen fehlerfrei abzuwickeln. So gehen Sie vor:
- Mitarbeiter anlegen / Stammdaten bearbeiten: Navigieren Sie zu den Sozialversicherungsdaten des Geschäftsführers.
- Versicherungsstatus: Wählen Sie bei der Krankenversicherung die Option „freiwillig versichert”. Dies ist der Indikator für DATEV, den AG-Zuschuss zu berechnen und zu verbuchen.
- Personengruppenschlüssel: Hier hinterlegen Sie den Schlüssel 101. DATEV berechnet auf Basis dieser Einstellung die korrekten Beiträge und den AG-Zuschuss.
- Beitragsgruppenschlüssel: Prüfen Sie auch den Beitragsgruppenschlüssel. Für einen freiwillig gesetzlich Krankenversicherten mit AG-Zuschuss ist er in der Regel „0100” (0 für KV, 1 für PV, 0 für RV, 0 für AV – unter der Annahme, dass in RV und AV keine Beitragszahlung erfolgt oder eine Befreiung vorliegt). Wenn Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht besteht, wäre es entsprechend „0111” oder „0110”. Entscheidend ist, dass die 0 für die Krankenversicherung steht, da der Arbeitnehmer in der KV freiwillig versichert ist und Beiträge direkt an die Kasse zahlt, der AG aber seinen Zuschuss meldet.
Häufiger Fehler: Die Annahme, dass eine „0” im Beitragsgruppenschlüssel für die Krankenversicherung bedeutet, dass kein Personengruppenschlüssel 101 verwendet werden darf. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die „0” signalisiert, dass der Beitrag *nicht* über die Gehaltsabrechnung der Einzugsstelle direkt zugeführt wird (da der Arbeitnehmer selbst zahlt), aber der AG-Zuschuss trotzdem zu melden ist und der Arbeitnehmer *grundsätzlich* der allgemeinen Arbeitnehmergruppe angehört.
Abgrenzung und häufige Fehlerquellen: Wann es anders ist
Um die Logik des Personengruppenschlüssels 101 noch klarer zu machen, betrachten wir Fälle, in denen er *nicht* zutreffend wäre:
- Privat krankenversicherter GGF ohne AG-Zuschuss: Wenn der Geschäftsführer privat versichert ist und das Unternehmen ihm *keinen* gesetzlichen Zuschuss leistet (z.B. weil er kein Arbeitnehmer im Sinne des SGB ist, oder er einen steuerpflichtigen Gehaltsbestandteil erhält, der als Zuschuss tituliert wird, aber keine sozialversicherungsrechtliche Relevanz hat), dann würde der Schlüssel 101 nicht passen. Je nach individuellem Fall können hier andere Schlüssel (z.B. 190 für „Sonstige Arbeitnehmer“) zum Tragen kommen, oder gar keine Meldung, wenn keine Sozialversicherungspflicht besteht.
- Beherrschender GGF ohne Sozialversicherungspflicht: Dieser Fall wurde bereits angesprochen. Da keine abhängige Beschäftigung im Sinne des SGB vorliegt, gibt es auch keine Sozialversicherungspflicht und somit keinen Personengruppenschlüssel oder eine Meldepflicht über DATEV Lohn und Gehalt für die Sozialversicherung.
- GGF mit Pflichtversicherung: In diesem Fall wäre der Personengruppenschlüssel 101 ebenfalls korrekt, aber die Beitragsgruppenschlüssel würden sich ändern (z.B. 1111), da alle Beiträge direkt über die Gehaltsabrechnung abgeführt würden.
Warum Präzision zählt: Risiken und Konsequenzen falscher Schlüsselung
Die korrekte Schlüsselung ist nicht nur eine Frage der Bürokratie, sondern hat weitreichende Auswirkungen:
- Betriebsprüfungen: Falsche Personengruppenschlüssel sind ein sofortiger Ankerpunkt für Prüfer der Rentenversicherung. Dies führt zu Nachfragen, aufwändiger Korrekturarbeit und schlimmstenfalls zu Nachzahlungen und Säumniszuschlägen.
- Meldungen an die Sozialversicherung: Die DEÜV-Meldungen müssen fehlerfrei sein. Ein falscher PGS kann dazu führen, dass Meldungen nicht korrekt verarbeitet werden oder vom System abgelehnt werden.
- Leistungsansprüche: Obwohl der GGF freiwillig versichert ist, wirken sich falsche Schlüsselungen auf die korrekte Dokumentation seiner Beschäftigung und damit indirekt auch auf seine späteren Rentenansprüche aus.
- Haftungsrisiken: Sowohl der Arbeitgeber als auch der abrechnende Dienstleister (Steuerberater, Lohnbüro) können bei groben Fehlern in die Haftung genommen werden.
Die Sorgfalt bei der Vergabe des Personengruppenschlüssels stellt sicher, dass alle Beteiligten – der Geschäftsführer, das Unternehmen und die Sozialversicherungsträger – auf der sicheren Seite sind und keine unerwarteten Probleme entstehen.
Fazit: Die Lösung ist klar – und logisch
Das vermeintliche DATEV-Rätsel um den Personengruppenschlüssel für den freiwillig gesetzlich versicherten Geschäftsführer mit AG-Zuschuss ist bei genauer Betrachtung der sozialversicherungsrechtlichen Grundlagen und der Definition des Personengruppenschlüssels 101 schnell gelöst. Der Schlüssel 101 steht für alle Arbeitnehmer mit allgemeiner Beitragspflicht, unabhängig davon, ob sie pflicht- oder freiwillig versichert sind, solange ein Arbeitgeberzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt wird. Er signalisiert den Sozialversicherungsträgern, dass es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt, das den üblichen Meldeverfahren unterliegt.
Für Unternehmen und Lohnabrechner bedeutet dies: Bleiben Sie bei der einfachen, aber korrekten Lösung. Vertrauen Sie auf die Systematik des SGB und die Vorgaben der GKV-Spitzenverbände. Der Personengruppenschlüssel 101 ist in dieser Konstellation die einzig korrekte und rechtssichere Wahl, um alle Anforderungen der Lohnabrechnung und der Sozialversicherung zu erfüllen.