Die Welt der künstlichen Intelligenz entwickelt sich rasend schnell, und Werkzeuge wie Midjourney stehen an vorderster Front dieser Revolution. Was einst wie Science-Fiction klang, ist heute Realität: Mit wenigen Worten lassen sich atemberaubende Bilder erschaffen. Doch für den wahren Experten, der nicht nur „nette” Bilder, sondern hyperrealistische, fotografisch anmutende Meisterwerke generieren möchte, bedarf es mehr als nur grundlegender Prompts. Dieser Guide taucht tief in die fortgeschrittenen Techniken ein, die Sie benötigen, um die Grenzen des Fotorealismus in Midjourney zu sprengen.
Die Jagd nach der Perfektion: Warum Fotorealismus?
Midjourney kann unzählige Stile emulieren, von Gemälden im Stil alter Meister bis hin zu abstrakter Kunst. Aber die Fähigkeit, ein Bild zu erzeugen, das von einer echten Fotografie kaum zu unterscheiden ist, ist eine der Königsdisziplinen. Sie erfordert ein tiefes Verständnis dafür, wie Licht, Schatten, Texturen und Kameratechnik in der realen Welt funktionieren und wie man diese Konzepte präzise in Worten ausdrückt. Für Experten bedeutet das, über die reine Beschreibung des Motivs hinauszugehen und die „Psychologie” des Prompts zu verstehen.
Jenseits der Oberfläche: Die Psychologie des Prompts
Stellen Sie sich vor, Sie instruieren einen Top-Fotografen. Sie würden ihm nicht nur sagen: „Mach ein Bild von einem Baum.” Sie würden Kontext, Stimmung, Tageszeit, gewünschte Details und technische Spezifikationen liefern. Genau so sollten Sie Midjourney behandeln. Die KI ist keine Gedankenleserin, aber sie ist unglaublich gut darin, Muster und Konzepte zu assoziieren, die aus Milliarden von Bildern gelernt wurden. Ihr Ziel ist es, diese Assoziationen so präzise wie möglich zu steuern.
Der Schlüssel liegt darin, in Schichten zu denken: Was ist das Motiv? In welcher Umgebung befindet es sich? Wie ist es beleuchtet? Mit welcher Ausrüstung würde man es fotografieren? Welche Stimmung soll vermittelt werden? Und am wichtigsten: Welche Eigenschaften machen ein Bild „fotorealistisch”? Es sind die feinen Details, die subtilen Unvollkommenheiten, die genaue Lichtwiedergabe und die naturgetreue Darstellung von Materialien und Texturen.
Die Schlüsselkomponenten für überragenden Fotorealismus
Um Midjourney dazu zu bringen, Bilder zu generieren, die von echten Fotos kaum zu unterscheiden sind, müssen Sie spezifische und detaillierte Anweisungen in den folgenden Bereichen geben:
1. Das Subjekt und seine Spezifikation
Vermeiden Sie allgemeine Begriffe. Seien Sie so spezifisch wie möglich. Beschreiben Sie nicht nur „einen Hund”, sondern „einen Golden Retriever Welpen mit leuchtend blauen Augen, der spielerisch seinen Kopf zur Seite neigt, seine Zunge hängt leicht heraus, mit feuchter Nase und glänzendem Fell”. Fügen Sie Details hinzu, die Lebendigkeit und Authentizität verleihen:
- Zustand: „verwittert”, „abgenutzt”, „glänzend”, „makellos”, „zerbrechlich”
- Emotion (bei Personen/Tieren): „nachdenklich”, „fröhlich lachend”, „angespannt”, „müde”
- Aktion: „im Sprung”, „leise atmend”, „im Wind wehend”
Beispiel: Ein 70-jähriger Fischer mit sonnengegerbter Haut und tiefen Lachfalten um die Augen, sein Bart ist vom Salzwasser verkrustet, trägt einen abgenutzten gelben Regenmantel, blickt nachdenklich auf das stürmische Meer.
2. Kameratechnik und Objektivparameter
Dies ist einer der wichtigsten Hebel für Fotorealismus. Das Hinzufügen von Kameradetails simuliert echte Fotografie:
- Kameramarke/Modell:
Canon EOS R5,Sony Alpha 7 III,Nikon Z9,Leica M10,Hasselblad X2D. - Objektiv (Brennweite):
Weitwinkelobjektiv 24mm(weite Sicht, leicht verzerrt),Normalobjektiv 50mm(natürliche Perspektive),Teleobjektiv 200mm(komprimierte Tiefe, unscharfer Hintergrund),Makro-Objektiv(extreme Nahaufnahmen). - Blende (Aperture): Steuert die Schärfentiefe (Depth of Field, DoF).
f/1.4,f/1.8,f/2.0: Geringe Schärfentiefe, unscharfer Hintergrund (Bokeh), ideal für Porträts.f/8,f/11,f/16: Große Schärfentiefe, Vorder- und Hintergrund sind scharf, ideal für Landschaften.
- Verschlusszeit (Shutter Speed): Beeinflusst die Bewegung.
1/1000s(oder schneller): Friert schnelle Bewegungen ein.1/30s(oder langsamer): Erzeugt Bewegungsunschärfe (Motion Blur) für Dynamik oder weiche Wasserfälle.
- ISO: Beeinflusst das Rauschen (Grain).
ISO 100(sauber),ISO 3200(körnig, Low Light Look). - Fokus:
Scharf auf das Auge,Vordergrund ist scharf.
Beispiel: Porträt eines alten Seebären, aufgenommen mit einer Leica M10, 85mm Objektiv, Blende f/1.8, geringe Schärfentiefe, sanftes Bokeh im Hintergrund, scharf auf die Augen fokussiert.
3. Beleuchtungstechniken und Lichtstimmung
Licht ist der wichtigste Faktor für Fotorealismus. Beschreiben Sie nicht nur die Quelle, sondern auch die Qualität und Richtung des Lichts:
- Natürliches Licht:
Goldene Stunde(warmes, weiches Licht am Morgen/Abend),Blaue Stunde(kühles, diffuses Licht nach Sonnenuntergang/vor Sonnenaufgang),Mittagssonne(hartes, direktes Licht, starke Schatten),Bewölkter Himmel(diffuses, weiches Licht),Mondlicht(kühles, schwaches Licht). - Künstliches Licht:
Studiolicht,Ringlicht,Neonlicht,Kerzenlicht,Scheinwerferlicht,Blitzlicht(On-Kamera, Off-Kamera). - Lichtrichtung:
Gegenlicht(Silhouetten, helle Kanten),Seitenlicht(Modellierung, Tiefe, dramatische Schatten),Frontallicht(flach, gleichmäßig),Top-Down-Licht(harte Schatten unter Augen/Nase). - Lichtqualität:
Hartes Licht,Weiches Licht,Schimmerndes Licht,Glitzerndes Licht.
Beispiel: Ein einsamer Wanderer auf einem Bergpfad im Gegenlicht der Goldenen Stunde, lange Schatten werfend, das Sonnenlicht schimmert durch die umliegenden Bäume.
4. Materialität und Texturen
Beschreiben Sie die Oberflächen der Objekte detailliert, um sie greifbar zu machen:
Glänzendes Chrom,Mattes Holz,Rauer Beton,Samtige Oberfläche,Abblätternde Farbe,Rostiges Metall,Feuchte Haut,Transparenter Kunststoff,Spiegelnde Pfütze.- Denken Sie an die Reflexionen und Lichtbrechung.
Beispiel: Nahaufnahme einer Regentropfen, die auf einer verrosteten Metalloberfläche tanzen, die Textur des Metalls und die Glanz des Wassers sind hyperrealistisch.
5. Komposition und Perspektive
Wie ein Bild aufgebaut ist, beeinflusst die Wahrnehmung von Realismus erheblich:
- Kompositionsregeln:
Regel der Drittel,Goldener Schnitt,Führende Linien,Symmetrische Komposition,Asymmetrische Komposition. - Perspektive:
Froschperspektive(von unten, macht Objekte groß),Vogelperspektive(von oben, Übersicht),Augenhöhe(neutral, natürlich),Niederländischer Winkel(gekippt, desorientierend),Sehr niedriger Winkel. - Bildausschnitt:
Totale(Wide Shot),Halbtotale(Medium Shot),Nahaufnahme(Close-up),Extremer Nahaufnahme(Extreme Close-up).
Beispiel: Eine belebte Straße in Tokio, von einer Vogelperspektive aufgenommen, die die schiere Menge der Fußgänger und die Leuchtreklamen der Gebäude betont, perfekte Symmetrie in der Anordnung der Gebäude.
6. Umgebung und Atmosphäre
Der Kontext ist entscheidend. Die Umgebung sollte die Stimmung und den Realismus unterstützen:
- Wetter/Umgebung:
Nebel,Regen,Schnee,Staub,Dunst,Hagel,Wind,Sturm,Klarer Himmel. - Umgebungsdetails:
Stadtlandschaft,Wildnis,Verlassenes Industriegebiet,Gemütliches Café,Dunkler Wald. - Zustand der Umgebung:
Nasser Asphalt,Schimmernde Regentropfen auf Fensterscheiben,Blätter fallen,Verschwommener Hintergrund. - Stimmung:
Melancholisch,Lebhaft,Bedrohlich,Friedlich,Chaotisch.
Beispiel: Eine verlassene Berghütte, eingehüllt in dichten Nebel, der die Umrisse der umliegenden Kiefernwälder verschwimmen lässt, leichter Nieselregen auf dem Dach, kalte, feuchte Atmosphäre.
7. Post-Processing und Farbabstufung
Beschreiben Sie Effekte, die üblicherweise in der Nachbearbeitung angewendet werden:
Realistische Farbkorrektur,Cinematische Farbpalette,HDR-Effekt,Selektive Entsättigung,Hoher Kontrast,Niedriger Kontrast,Schwarz-Weiß-Fotografie,Sepia-Tonung.Film Grain(Korn),Vignette(dunkle Ecken),Chromatische Aberration(Farbsäume),Schärfe,Sättigung.
Beispiel: Ein dramatisches Porträt eines alten Mannes, Schwarz-Weiß-Fotografie, hoher Kontrast, tiefe Schatten, leichtes Film Grain, subtile Vignette, ausdrucksstark.
Die ultimative Geheimwaffe: Midjourney-Parameter für Fotorealismus
Abgesehen von den beschreibenden Worten sind bestimmte Parameter entscheidend:
--style raw: Dies ist der Game-Changer für V6 und neuere Versionen. Es reduziert die „künstlerische” Interpretation von Midjourney und liefert eine rohere, unverfälschtere Ausgabe, die näher an einem Foto ist. Ohne diesen Parameter neigt Midjourney dazu, ästhetisch ansprechende, aber oft nicht „fotorealistische” Bilder zu generieren.--ar [Breiten:Höhen](Seitenverhältnis): Verwenden Sie gängige Foto- und Filmformate wie--ar 3:2,--ar 4:3,--ar 16:9oder--ar 21:9. Dies gibt dem Bild einen authentischen Look.--s [0-1000](Stylize): Ein niedrigerer Wert, z.B.--s 50bis--s 150, führt oft zu realistischeren Ergebnissen, da die KI weniger künstlerische Freiheit nimmt. Bei sehr hohen Werten neigt Midjourney zu stark stilisierten Outputs.--v [Version]: Stellen Sie sicher, dass Sie die neueste Version verwenden (aktuell V6), da diese für Fotorealismus optimiert ist.--no [Elemente](Negative Prompt): Geben Sie an, was Sie NICHT im Bild haben möchten. Dies ist unglaublich nützlich, um unerwünschte Stilelemente zu entfernen:--no cartoon, illustration, painting, blurry, low quality, distorted, abstract.--iw [0-2](Image Weight): Wenn Sie ein Referenzbild verwenden, können Sie mit--iwdessen Einfluss steuern. Für Fotorealismus ist es oft besser, ohne Referenzbild zu beginnen oder--iwniedrig zu halten, um die volle Kontrolle über den Prompt zu behalten.
Kombiniertes Meister-Prompt-Beispiel:
Ein realistisches Porträt einer alten Fischerin mit wettergegerbtem Gesicht und einem milden Lächeln, ihre grauen Haare sind zu einem Knoten gebunden, umgeben von einem feinen Netz aus Lachfalten. Sie trägt einen traditionellen blau-grauen Wollpullover, der die Textur von handgestrickter Wolle zeigt. Sanftes, diffuses Tageslicht fällt von links auf ihr Gesicht, wodurch subtile Schatten unter ihren Augen entstehen, die Tiefe und Charakter verleihen. Der Hintergrund ist leicht unscharf (sanftes Bokeh), zeigt aber angedeutet die raue, felsige Küste und das dunkle, stürmische Meer. Aufgenommen mit einer Hasselblad X2D, 100mm Objektiv, Blende f/2.2, Verschlusszeit 1/125s, ISO 200. Feine Details der Hautporen und einzelnen Haarsträhnen sind sichtbar. Das Bild hat eine leicht kühle Farbkorrektur und eine subtile Vignette an den Rändern, die den Fokus auf das Gesicht der Fischerin lenkt. Hyperdetailliert, ultrarealistisch, fotografisch. --ar 3:2 --style raw --v 6 --s 75 --no cartoon, painterly, drawing, CGI, blurry, low resolution, unnatural
Der iterative Prozess: Verfeinern und Testen
Auch mit dem besten Prompt ist der erste Versuch selten perfekt. Midjourney ist ein iteratives Werkzeug. Starten Sie mit einem umfassenden Prompt, generieren Sie mehrere Varianten (verwenden Sie die ‘V’-Buttons unter den Bildern), und verfeinern Sie dann. Ändern Sie nur einen Parameter oder eine Beschreibung nach dem anderen, um die Auswirkungen genau zu verstehen. Upscalen Sie die vielversprechendsten Ergebnisse und prüfen Sie die Details.
Häufige Fehler, die den Fotorealismus verhindern
- Zu viele widersprüchliche Anweisungen: Midjourney wird verwirrt. Bleiben Sie kohärent.
- Vage oder allgemeine Beschreibungen: „Schönes Bild” bringt Sie nicht weit.
- Verzicht auf technische Parameter: Ohne Kamera- und Lichtdetails fehlt die Essenz der Fotografie.
- Ignorieren von
--style raw: Ohne diesen Parameter tendiert Midjourney dazu, künstlerischer und weniger fotografisch zu sein. - Übermäßige Nutzung von
--s: Zu hohe Stylize-Werte können den Realismus verringern. - Keine negativen Prompts: Ohne
--nokönnen sich unerwünschte Stile einschleichen.
Fazit: Die Kunst der präzisen Anweisung
Das Erreichen von fotorealistischen Ergebnissen in Midjourney ist eine Kunst, die Präzision, Geduld und ein tiefes Verständnis sowohl der fotografischen Prinzipien als auch der Funktionsweise der KI erfordert. Es geht darum, nicht nur zu sagen, was im Bild sein soll, sondern wie es aussehen, sich anfühlen und fotografiert worden sein soll. Indem Sie die Macht von detaillierten Subjektbeschreibungen, akkuraten Kamera- und Beleuchtungsparametern, Texturen, Kompositionsregeln und den entscheidenden Midjourney-Parametern nutzen, können Sie Bilder generieren, die verblüffend real wirken.
Der Weg zum Meister der Prompts ist ein Weg des Experimentierens. Tauchen Sie ein, spielen Sie mit den Parametern, lernen Sie von jedem generierten Bild und lassen Sie sich nicht entmutigen. Die Zukunft der KI-Bildgenerierung gehört denen, die bereit sind, die Grenzen zu verschieben und das Unsichtbare sichtbar zu machen.