Lange Wartezeiten und hohe Preise: Worauf Sie bei einer Auto-Bestellung heute unbedingt achten müssen

Der Traum vom neuen Auto ist für viele Menschen ein besonderes Ereignis. Doch wer heute ein neues Fahrzeug bestellen möchte, sieht sich mit einer Realität konfrontiert, die noch vor wenigen Jahren undenkbar schien: Extreme Wartezeiten, kaum Verhandlungsspielraum bei den Preisen und eine eingeschränkte Auswahl. Die globalen Krisen der letzten Jahre haben den Automarkt nachhaltig verändert. Doch keine Sorge, mit der richtigen Vorbereitung und Strategie können Sie auch in dieser herausfordernden Zeit zu Ihrem Wunschfahrzeug kommen. Dieser umfassende Leitfaden zeigt Ihnen, worauf Sie bei einer Auto-Bestellung im aktuellen Marktumfeld unbedingt achten müssen.

Warum sind die Zeiten so herausfordernd? Die Ursachen im Detail

Um zu verstehen, warum der Autokauf heute so komplex ist, muss man die Ursachen der aktuellen Situation kennen. Mehrere Faktoren spielen dabei eine Rolle:

• Der globale Chipmangel: Dies ist der wohl prominenteste und hartnäckigste Engpass. Moderne Fahrzeuge sind rollende Computer, vollgepackt mit Mikrochips für Motorsteuerung, Infotainment, Assistenzsysteme und vieles mehr. Die Coronapandemie führte zu Produktionsausfällen und einer Verschiebung der Nachfrage in andere Sektoren (z.B. Unterhaltungselektronik), was zu einer drastischen Verknappung führte. Die Autohersteller können ihre Produktionskapazitäten nicht voll auslasten.
• Gestörte Lieferketten: Abgesehen von Chips gibt es Engpässe bei vielen anderen Komponenten – von Kabelbäumen über bestimmte Kunststoffe bis hin zu speziellen Metallen. Transportwege sind überlastet oder unterbrochen, und Lieferungen verzögern sich.
• Gestiegene Rohstoffpreise: Die Preise für Stahl, Aluminium, Lithium und andere für die Autoproduktion essenzielle Rohstoffe sind in den letzten Jahren teils drastisch gestiegen. Dies treibt die Produktionskosten und somit die Endpreise für den Verbraucher in die Höhe.
• Hohe Nachfrage nach Elektromobilität: Die Transformation hin zur Elektromobilität hat die Nachfrage nach bestimmten Komponenten (z.B. Batteriezellen) und Materialien zusätzlich angeheizt, was ebenfalls zu Engpässen und Preisanstiegen führt.
• Energiekrise und Inflation: Gestiegene Energiekosten und eine allgemeine Inflation wirken sich auf alle Bereiche der Produktion und Logistik aus und werden an den Endkunden weitergegeben.

All diese Faktoren führen dazu, dass die Wartezeiten Neuwagen für viele Modelle sechs Monate bis zu anderthalb Jahre betragen können und die Möglichkeit, Rabatte auszuhandeln, stark eingeschränkt ist.

Die neue Realität: Längere Wartezeiten und kaum Rabatte

Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass Sie beim Autokauf noch hohe Rabatte aushandeln können. Die Zeiten, in denen Händler mit üppigen Margen kalkulierten und zum Jahresende aggressive Verkaufsaktionen starteten, sind vorbei. Aktuell sind Händler froh, überhaupt Fahrzeuge zu bekommen, die sie zum Listenpreis oder mit nur geringen Nachlässen verkaufen können. Dies bedeutet für Sie: Der Preis, den Sie im Konfigurator sehen, ist wahrscheinlich der Preis, den Sie auch zahlen werden. Planen Sie daher Ihr Budget entsprechend ein und suchen Sie nicht primär nach „Schnäppchen”. Stattdessen sollten Sie sich auf andere Aspekte konzentrieren, um einen erfolgreichen Autokauf zu gewährleisten.

Strategie 1: Flexibilität ist der neue Luxus

In der aktuellen Marktlage ist Flexibilität Ihr größter Trumpf. Wer starr an einer bestimmten Konfiguration festhält, wird wahrscheinlich sehr lange warten müssen.

• Modellwahl überdenken: Wenn Ihr Wunschmodell sehr gefragt ist und lange Lieferzeiten Auto hat, schauen Sie sich Alternativen an. Gibt es weniger gefragte Modelle des gleichen Herstellers, die Ihren Bedürfnissen ebenfalls entsprechen? Manchmal sind auch Lagerfahrzeuge oder kurzfristig verfügbare Bestellungen anderer Kunden eine Option.
• Ausstattung: Fokus auf das Wesentliche: Jedes optionale Feature, das einen seltenen Chip oder eine schwer verfügbare Komponente benötigt, kann die Lieferzeit verlängern. Überlegen Sie genau, welche Ausstattungsmerkmale Sie wirklich benötigen und auf welche „Nice-to-haves” Sie im Zweifel verzichten können. Einfachere Ausstattungen sind oft schneller verfügbar.
• Farben und Materialien: Manche Sonderfarben oder spezielle Innenraummaterialien können zu Verzögerungen führen, wenn die Zulieferer Schwierigkeiten haben. Standardfarben und gängige Stoffe sind in der Regel leichter zu beschaffen.
• Antriebsart prüfen: Während die Nachfrage nach Elektroautos hoch ist, können bei manchen Modellen auch Verbrenner oder Hybride schneller lieferbar sein, je nach Produktionsplanung des Herstellers. Bleiben Sie offen für verschiedene Antriebsarten, wenn dies für Sie in Frage kommt.

Strategie 2: Der Bestellprozess – Achtung Kleingedrucktes!

Der Kaufvertrag Auto ist in dieser Zeit wichtiger denn je. Nehmen Sie sich Zeit und lesen Sie ihn sehr genau durch.

• Lieferfristen und Preisanpassungsklauseln: Viele Hersteller und Händler behalten sich heute das Recht vor, den Preis bis zur Auslieferung anzupassen, wenn sich die Produktionskosten erhöhen. Achten Sie darauf, ob und in welchem Umfang solche Preisanpassungsklauseln im Vertrag enthalten sind. Ein Festpreis ist ideal, aber selten. Wenn es eine Klausel gibt, prüfen Sie, ob diese fair ist (z.B. eine prozentuale Obergrenze).
• Rücktrittsrechte: Klären Sie explizit, unter welchen Bedingungen Sie vom Kaufvertrag zurücktreten können. Was passiert, wenn die Lieferzeit extrem überschritten wird? Gibt es eine maximale Lieferfrist, nach der Sie kostenfrei stornieren können? Dies sollte klar im Vertrag geregelt sein.
• Anzahlung: Eine Anzahlung ist heute üblich. Klären Sie, wie hoch diese sein darf und ob sie im Falle eines Rücktritts von Ihrer Seite (oder durch den Händler) vollständig erstattet wird. Eine zu hohe Anzahlung sollte Sie skeptisch machen.
• Verbindlicher Liefertermin: Viele Händler geben nur unverbindliche Liefertermine an. Versuchen Sie, so viel Verbindlichkeit wie möglich zu vereinbaren. Eine Pönale (Vertragsstrafe) bei Überschreitung des Termins ist selten durchsetzbar, aber eine klar formulierte Rücktrittsmöglichkeit bei starker Verzögerung ist essenziell.
• Kommunikation mit dem Händler: Ihr Händler ist Ihr wichtigster Ansprechpartner. Fragen Sie aktiv nach regelmäßigen Updates zum Produktionsstatus und zur voraussichtlichen Lieferung. Ein guter Händler hält Sie proaktiv auf dem Laufenden.

Strategie 3: Finanzierung und Kosten im Blick behalten

Die hohe Preise für Neuwagen machen eine sorgfältige Finanzierungsplanung unerlässlich.

• Zinsen: Die Zinsen für Autokredite sind in den letzten Monaten gestiegen. Vergleichen Sie Angebote von Ihrer Hausbank, Online-Banken und der Herstellerbank. Manchmal bieten Herstellerbanken attraktive Konditionen, um den Absatz zu fördern.
• Leasing vs. Kauf: Gerade bei Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung des Marktes oder bei schnellem Wertverlust durch neue Modelle oder Technologien (z.B. bei E-Autos) kann Leasing eine interessante Alternative zum Kauf sein. Klären Sie die Vor- und Nachteile für Ihre persönliche Situation. Bedenken Sie auch, dass hohe Restwerte bei Leasingverträgen ein Indiz dafür sein können, dass der Händler einen hohen Wiederverkaufswert des Fahrzeugs erwartet.
• Gesamtkosten betrachten: Neben Kaufpreis und Finanzierung fallen weitere Kosten an: Versicherung, Wartung, Kraftstoff/Strom und der Wertverlust. Gerade bei langen Lieferzeiten können sich die Rahmenbedingungen (z.B. Kraftstoffpreise, Versicherungsprämien) bis zur Auslieferung ändern.

Strategie 4: Der Gebrauchtwagenmarkt – Eine echte Alternative?

Angesichts der langen Wartezeiten für Neuwagen ist der Gebrauchtwagen-Markt attraktiver geworden. Aber auch hier sind die Preise gestiegen.

• Vorteile: Ein Gebrauchtwagen ist in der Regel sofort verfügbar. Sie umgehen die Wartezeiten und den anfänglichen, hohen Wertverlust, den ein Neuwagen erleidet. Auch die Auswahl an Modellen ist breiter.
• Nachteile: Die Preise für Gebrauchtwagen sind aufgrund der Neuwagenknappheit ebenfalls stark gestiegen. Ein gutes, junges Gebrauchtfahrzeug ist kaum günstiger als ein gleichwertiger Neuwagen nach Abzug der damaligen Rabatte. Die Auswahl an Modellen und Ausstattungen kann eingeschränkt sein, und Sie müssen unter Umständen Kompromisse eingehen.
• Worauf achten beim Gebrauchtwagenkauf:
  • Zustand: Nehmen Sie eine Probefahrt und lassen Sie das Fahrzeug idealerweise von einem unabhängigen Gutachter (z.B. ADAC) überprüfen.
  • Historie: Lassen Sie sich Serviceheft und alle Reparaturbelege zeigen. Ein unfallfreies Fahrzeug mit vollständiger Wartungshistorie ist Gold wert.
  • Garantie: Kaufen Sie möglichst bei einem Händler, der eine Gebrauchtwagengarantie anbietet. Bei Privatkäufen ist die Gewährleistung oft ausgeschlossen.
  • Preisvergleich: Vergleichen Sie die Preise ähnlicher Modelle auf verschiedenen Plattformen.

Strategie 5: Digitale Möglichkeiten clever nutzen

Die Digitalisierung bietet auch im Autokauf neue Möglichkeiten, die Sie nutzen sollten.

• Online-Konfiguratoren: Nutzen Sie die Konfiguratoren der Hersteller, um Ihre Wunschmodelle vorab zu planen und erste Preisindikationen zu erhalten.
• Virtuelle Besichtigungen: Einige Händler bieten virtuelle Besichtigungen von Lagerfahrzeugen oder Showroom-Modellen an.
• Online-Vergleichsportale: Prüfen Sie Angebote auf verschiedenen Plattformen. Manchmal finden sich hier Lagerfahrzeuge oder kurzfristige Liefermöglichkeiten, die nicht direkt auf der Herstellerseite beworben werden. Seien Sie jedoch vorsichtig bei unrealistisch günstigen Angeboten.
• Informationsaustausch in Foren: In Online-Foren tauschen sich Kunden über ihre Erfahrungen mit Lieferzeiten und Händlern aus. Dies kann wertvolle Hinweise liefern.

Kommunikation ist der Schlüssel: Ihr Händler als Partner

In Zeiten wie diesen ist eine gute Beziehung zu Ihrem Autohändler Gold wert. Er ist Ihr direkter Draht zum Hersteller und kann oft die besten Informationen über Produktions- und Lieferzeiten geben.

• Transparenz einfordern: Bitten Sie Ihren Händler um größtmögliche Transparenz bezüglich des Bestellstatus und potenzieller Verzögerungen. Ein guter Händler wird proaktiv kommunizieren, auch wenn es schlechte Nachrichten gibt.
• Regelmäßige Updates: Vereinbaren Sie, in welchen Abständen Sie Status-Updates erhalten möchten. So bleiben Sie informiert und können ggf. frühzeitig auf Änderungen reagieren.
• Vertrauensbasis aufbauen: Auch wenn es frustrierend ist, wenn sich Lieferungen verzögern – bleiben Sie fair und höflich. Der Händler kann meist nichts für die globalen Probleme. Eine gute Zusammenarbeit kommt beiden Seiten zugute.

Fazit: Geduld, Wissen und Weitsicht zahlen sich aus

Der Kauf eines Neuwagens erfordert heute mehr denn je Geduld, umfassendes Wissen und eine weitsichtige Planung. Die Zeiten der spontanen Schnäppchenjagd sind vorbei. Wer sich jedoch intensiv mit der Materie beschäftigt, flexibel bleibt und den Bestellprozess akribisch verfolgt, wird am Ende dennoch das passende Fahrzeug finden. Seien Sie auf lange Wartezeiten und hohe Preise eingestellt, aber lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Mit den hier genannten Strategien sind Sie bestens gerüstet, um die Herausforderungen des aktuellen Automarktes erfolgreich zu meistern und zu Ihrem Wunschauto zu gelangen.