Ware storniert und Erstattung bekommen, aber nichts zurückgeschickt? Das musst du jetzt rechtlich wissen

Stellen Sie sich vor: Sie haben online etwas bestellt, sich dann umentschieden und die Bestellung storniert oder widerrufen. Das Geld kam schnell zurück auf Ihr Konto – doch die Ware ist nach wie vor bei Ihnen. Vielleicht haben Sie sie noch gar nicht zurückgeschickt, oder der Händler hat Sie nicht zur Rücksendung aufgefordert. Was nun? Ist das ein Geschenk? Dürfen Sie die Ware behalten? Oder lauern hier rechtliche Fallstricke, die Sie lieber vermeiden sollten? Dieser Artikel bringt Licht ins Dunkel und erklärt Ihnen umfassend, welche rechtlichen Aspekte Sie in dieser Situation beachten müssen und wie Sie sich korrekt verhalten.

Der klassische Fall: Wie es dazu kommt

Dieses Szenario ist gar nicht so selten, wie man vielleicht meinen mag. Es kann auf verschiedene Weisen entstehen:

• Technischer Fehler des Händlers: Oftmals ist die vorzeitige Erstattung ein automatischer Prozess, der ausgelöst wird, sobald eine Stornierung oder ein Widerruf im System verbucht wird. Die Logistikabteilung, die für die Rücksendung zuständig ist, wird möglicherweise erst später aktiv oder übersieht einen Schritt.
• Kommunikationslücke: Manchmal werden die Erstattung und die Aufforderung zur Rücksendung von verschiedenen Abteilungen bearbeitet, und es gibt eine Verzögerung oder einen Fehler in der internen Kommunikation.
• Händler verzichtet bewusst: In seltenen Fällen, insbesondere bei Artikeln mit geringem Wert, sperrigen Gütern oder im Rahmen von Kulanz, kann es vorkommen, dass ein Händler bewusst auf die Rücksendung verzichtet, weil der Aufwand (Versandkosten, Bearbeitung) den Warenwert übersteigt.
• Vergesslichkeit oder Untätigkeit des Kunden: Manchmal erhalten Kunden die Erstattung und vergessen schlichtweg, die Ware zurückzuschicken, oder sind sich unsicher, ob dies noch nötig ist.

Unabhängig davon, wie es zu dieser Situation kam, ist es wichtig zu verstehen, dass die Rechtslage in Deutschland hier relativ eindeutig ist und Sie unter Umständen Pflichten haben, denen Sie nachkommen müssen.

Die Rechtslage: Unrechtmäßige Bereicherung (§ 812 BGB)

Der zentrale Rechtsgrundsatz, der hier zum Tragen kommt, ist die sogenannte ungerechtfertigte Bereicherung. Im deutschen Zivilrecht ist dieser Grundsatz in § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Dort heißt es vereinfacht ausgedrückt: Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist zur Herausgabe verpflichtet.

Was bedeutet das konkret für Sie?

• Leistung ohne Rechtsgrund: Sie haben die Ware (und eventuell auch das Geld) vom Händler erhalten. Die Erstattung des Kaufpreises vor Rücksendung der Ware führt dazu, dass Sie sowohl die Ware als auch den Kaufpreis besitzen. Dies stellt eine „Leistung ohne rechtlichen Grund“ dar, da der Kaufvertrag (oder der Vertrag über die Nutzung der Ware) durch die Stornierung oder den Widerruf rückabgewickelt wurde und Sie somit keinen Anspruch mehr auf die Ware haben, nachdem der Kaufpreis erstattet wurde. Der Händler hat Ihnen das Geld für die Ware zurückerstattet, unter der Annahme, dass er die Ware zurückerhält oder sie zumindest nicht mehr Ihnen gehört.
• Herausgabepflicht: Sie sind in diesem Fall grundsätzlich zur Herausgabe der Ware verpflichtet. Das bedeutet, Sie müssen die Ware an den Händler zurückschicken. Oder, falls Sie die Ware bereits verbraucht oder veräußert haben, müssen Sie den Wert der Ware ersetzen.

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum zu glauben, dass die Ware „geschenkt” ist, nur weil der Händler einen Fehler gemacht hat oder sich nicht sofort meldet. Dieser Irrtum kann teuer werden.

Was sind die möglichen Konsequenzen für Sie?

Das Ignorieren der Situation oder das absichtliche Behalten der Ware kann verschiedene rechtliche Folgen haben:

• Rückzahlungsforderung des Händlers: Der Händler kann von Ihnen die Rücksendung der Ware oder, falls dies nicht mehr möglich ist, die erneute Zahlung des Kaufpreises fordern. Dies geschieht in der Regel zunächst durch Mahnungen, die per E-Mail oder Post verschickt werden.
• Mahnverfahren und gerichtliche Klage: Sollten Sie auf die Mahnungen nicht reagieren, kann der Händler ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten. Das kann in einem Vollstreckungsbescheid münden, der die Basis für eine Zwangsvollstreckung bildet. Im schlimmsten Fall kann der Händler auch eine Zivilklage gegen Sie einreichen, um die Herausgabe der Ware oder die Zahlung des Kaufpreises durchzusetzen. Dies ist mit zusätzlichen Kosten (Gerichts- und Anwaltskosten) verbunden, die Sie im Falle des Unterliegens tragen müssten.
• Verzug: Wenn Sie die Ware nicht zurücksenden, obwohl Sie dazu verpflichtet wären, geraten Sie in Verzug. Das bedeutet, dass der Händler neben der Ware auch Anspruch auf Verzugszinsen und den Ersatz von Mahnkosten haben kann.
• Betrugsvorwurf? (Strafrechtliche Aspekte): Hier wird es kritisch. Wenn der Händler Ihnen aus Versehen den Kaufpreis erstattet hat und Sie die Ware absichtlich behalten und dies auch gar nicht mitteilen wollen, könnte unter Umständen der Tatbestand des Betruges nach § 263 StGB (Strafgesetzbuch) erfüllt sein. Das ist dann der Fall, wenn Sie von Anfang an die Absicht hatten, die Ware zu behalten, obwohl Sie wissen, dass Sie dazu nicht berechtigt sind, und dies dem Händler gegenüber nicht offenlegen, um sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
  • Wichtiger Unterschied: Ein einfacher Fehler des Händlers und Ihre (anfängliche) Unwissenheit darüber, dass Sie die Ware zurücksenden müssen, ist noch kein Betrug. Wenn Sie jedoch die Situation erkennen, sich die Erstattung zunutze machen und die Ware nicht zurückgeben, obwohl Sie wissen, dass Sie dazu verpflichtet wären, und dies auch absichtlich verschweigen, dann kann die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges einleiten. Hier kommt es auf die Betrugsabsicht an.
• Verjährung: Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung verjähren grundsätzlich nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger (also der Händler) von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§ 199 BGB). Für Ansprüche aus Betrug gelten längere Verjährungsfristen (meist 5 Jahre). Das bedeutet, selbst nach längerer Zeit kann der Händler noch seine Ansprüche geltend machen.

Die verschiedenen Szenarien und wie damit umgehen

Szenario 1: Händler hat einen Fehler gemacht (häufigster Fall)

Dies ist die häufigste Situation. Sie haben eine Erstattung erhalten, obwohl die Ware noch bei Ihnen ist und der Händler eigentlich eine Rücksendung erwartet.

• Ihre Pflichten: Sie sind verpflichtet, die Ware zurückzugeben. Rechtlich gesehen haben Sie keinen Anspruch auf die Ware mehr, da der Kaufpreis bereits erstattet wurde. Ignorieren ist hier keine Option und kann Sie in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.
• Der richtige Weg: Kontakt aufnehmen: Sobald Sie bemerken, dass Ihnen Geld erstattet wurde, die Ware aber noch bei Ihnen ist, sollten Sie den Händler unverzüglich kontaktieren. Informieren Sie ihn über den Fehler. Bitten Sie um ein Rücksendeetikett oder Anweisungen zur Rücksendung. In der Regel trägt der Händler die Kosten für die Rücksendung im Rahmen eines Widerrufs.
• Dokumentation: Halten Sie die Kommunikation fest (E-Mails, Chat-Verläufe, Notizen zu Telefonaten). Wenn Sie die Ware zurücksenden, bewahren Sie den Versandbeleg mit der Sendungsnummer auf.

Szenario 2: Händler verzichtet bewusst auf Rücksendung (z.B. bei Kleinbeträgen oder als Kulanz)

Manchmal kommt es vor, dass ein Händler, insbesondere bei geringwertigen Artikeln (z.B. unter 10 oder 20 Euro), bewusst auf eine Rücksendung verzichtet, weil die Bearbeitungs- und Versandkosten den Warenwert übersteigen würden. Auch bei besonders sperrigen oder schwer zu transportierenden Artikeln kann dies der Fall sein.

• Wie erkenne ich das? Ein bewusster Verzicht wird in der Regel vom Händler aktiv kommuniziert. Das kann in der Erstattungsbestätigung stehen („Sie müssen die Ware nicht zurücksenden”) oder in einer separaten E-Mail.
• Was mache ich, wenn keine Aufforderung kommt? Sollten Sie die Erstattung erhalten haben und über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) keine Aufforderung zur Rücksendung erhalten, obwohl der Händler sonst keine Mitteilung gemacht hat, sollten Sie dennoch vorsichtshalber Kontakt aufnehmen. Fragen Sie direkt nach, ob eine Rücksendung der Ware gewünscht wird oder ob der Händler darauf verzichtet. Nur mit einer klaren, idealerweise schriftlichen, Bestätigung des Händlers können Sie sicher sein, dass Sie die Ware behalten dürfen. Ohne eine solche Bestätigung sind Sie weiterhin zur Rücksendung verpflichtet.
• Vorsicht bei mündlicher Zusage: Wenn ein Händler telefonisch auf die Rücksendung verzichtet, bitten Sie um eine schriftliche Bestätigung per E-Mail, um im Zweifelsfall einen Nachweis zu haben.

Szenario 3: Absichtliches Nichtzurücksenden (Betrugsabsicht)

Dieses Szenario liegt vor, wenn Sie die Situation ausnutzen und die Ware bewusst behalten, obwohl Ihnen klar ist, dass Sie dazu nicht berechtigt sind. Das kann der Fall sein, wenn Sie die Erstattung sehen und sich dann entscheiden, die Ware nicht zurückzusenden, obwohl Sie wissen, dass dies Ihre Pflicht wäre, und dies auch vor dem Händler verheimlichen möchten.

• Strafrechtliche Konsequenzen: Wie bereits erwähnt, kann dies als Betrug gewertet werden und strafrechtliche Folgen haben. Die Staatsanwaltschaft könnte ein Verfahren einleiten. Ein Betrug kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe geahndet werden.
• Unterschied zu ehrlicher Irrtum: Es ist wichtig zu betonen, dass ein bloßer Irrtum oder ein Versehen Ihrerseits, wenn Sie erst im Nachhinein bemerken, dass Sie zur Rücksendung verpflichtet gewesen wären, nicht automatisch als Betrug gewertet wird. Die entscheidende Rolle spielt hier die Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern.

Ihre Handlungsempfehlungen: Was Sie jetzt tun sollten

Um rechtliche Schwierigkeiten zu vermeiden und fair zu handeln, sollten Sie in dieser Situation wie folgt vorgehen:

1. Nicht ignorieren: Das Wichtigste ist, die Situation nicht auszusitzen oder zu ignorieren. Die Annahme, dass der Händler es schon vergessen wird, ist ein Trugschluss und kann zu weitaus größeren Problemen führen.
2. Händler proaktiv kontaktieren: Nehmen Sie umgehend Kontakt mit dem Kundenservice des Händlers auf. Am besten schriftlich (E-Mail), damit Sie einen Nachweis haben. Erklären Sie die Situation freundlich und klar.
3. Rücksendeetikett anfordern: Bitten Sie den Händler um ein Rücksendeetikett oder genaue Anweisungen zur Rücksendung der Ware. Weisen Sie darauf hin, dass Sie bereit sind, die Ware zurückzuschicken.
4. Fristen beachten: Sollte der Händler Ihnen eine Frist zur Rücksendung setzen, halten Sie diese unbedingt ein.
5. Dokumentation ist alles: Bewahren Sie alle E-Mails, Chat-Verläufe und – ganz wichtig – den Versandbeleg mit der Sendungsnummer auf, sobald Sie die Ware zurückgeschickt haben. So können Sie im Zweifelsfall nachweisen, dass Sie Ihren Pflichten nachgekommen sind.
6. Rechtlichen Rat einholen: Sollten Sie unsicher sein, wie Sie vorgehen sollen, oder wenn der Händler bereits mit rechtlichen Schritten droht, ziehen Sie einen Anwalt für Verbraucherrecht zu Rate. Auch Verbraucherzentralen können oft erste Auskünfte geben.
7. Keine übereilten Entscheidungen: Versetzen Sie sich in die Lage des Händlers. Ein ehrliches und proaktives Vorgehen Ihrerseits wird in der Regel positiv aufgenommen und führt zu einer schnellen und unkomplizierten Lösung.

Vorsorge für die Zukunft: So vermeiden Sie Probleme

Um in Zukunft solche Situationen zu vermeiden, können Sie einige einfache Schritte beachten:

• Bestätigungen prüfen: Lesen Sie Erstattungs- und Stornierungsbestätigungen genau durch. Achten Sie auf Hinweise zur Rücksendung.
• Rücksendungen sofort erledigen: Senden Sie Artikel, die Sie nicht behalten möchten, zeitnah zurück, idealerweise bevor Sie eine Erstattung erwarten oder erhalten.
• Versandnachweise aufbewahren: Bewahren Sie immer den Einlieferungsbeleg mit der Sendungsverfolgung auf, bis die Rücksendung bestätigt und die Erstattung erfolgt ist.
• Bei Unklarheiten nachfragen: Zögern Sie nicht, den Kundenservice zu kontaktieren, wenn Sie sich unsicher sind, ob eine Rücksendung noch erforderlich ist.

Fazit: Ehrlichkeit zahlt sich aus

Die Situation, dass Sie eine Erstattung erhalten, obwohl die Ware noch bei Ihnen ist, mag im ersten Moment verlockend erscheinen. Doch der Schein trügt. Rechtlich gesehen sind Sie in der Regel zur Rückgabe der Ware verpflichtet. Das deutsche Recht schützt hier den Händler vor einer ungerechtfertigten Bereicherung Ihrerseits.

Ein proaktives, ehrliches und transparentes Vorgehen ist nicht nur die rechtlich korrekte, sondern auch die klügste Wahl. Es verhindert nicht nur mögliche zivilrechtliche Ansprüche und damit verbundene Kosten, sondern bewahrt Sie auch vor potenziellen strafrechtlichen Konsequenzen. Im Zweifelsfall gilt immer: Lieber einmal zu viel nachgefragt und zurückgeschickt, als sich später mit unangenehmen rechtlichen Folgen auseinandersetzen zu müssen. Ihre Ehrlichkeit und Sorgfalt sind der beste Schutz.