In der riesigen und oft undurchsichtigen Welt des Internets tauchen ständig neue Phänomene auf. Bilder, Videos oder Sprüche verbreiten sich mit der Geschwindigkeit eines Lauffeuer und werden zu einem festen Bestandteil unserer digitalen Kommunikation. Doch während viele dieser Trends schnell wieder verschwinden, gibt es einige, die sich hartnäckig halten, Generationen von Nutzern überdauern und immer wieder neu interpretiert werden. Eines dieser rätselhaften und doch allgegenwärtigen Phänomene sind die sogenannten „Wels“-Memes. Sie begegnen uns in den sozialen Medien, auf Messenger-Plattformen und in Online-Foren. Oft zeigen sie den majestätischen, manchmal auch etwas grimmig dreinschauenden Fisch in absurden Kontexten, begleitet von kryptischen Kommentaren oder überraschend tiefgründigen Botschaften. Doch woher kommt diese Obsession mit dem Wels? Was ist die wahre Geschichte hinter diesem eigenwilligen Internetphänomen? Das Geheimnis ist nun gelüftet.
Der Wels: Ein Unwahrscheinlicher Star des Internets
Bevor wir uns in die Tiefen der digitalen Archäologie begeben, werfen wir einen Blick auf unseren Protagonisten: den Wels, auch bekannt als Europäischer Flusswels oder Waller. Er ist der größte reine Süßwasserfisch Europas, kann beeindruckende Größen erreichen und ist bekannt für sein Maul, seine Barteln und seine oft dunkle, schleimige Haut ohne Schuppen. Er ist ein Raubfisch, der am Gewässergrund lebt und sich von allem ernährt, was ihm vor das Maul kommt. Kurz gesagt: Er ist beeindruckend, aber nicht unbedingt das, was man als typisches Objekt für virale Inhalte erwarten würde. Keine niedlichen Kätzchen, keine dackeligen Hunde, keine lustigen Babys. Und doch hat er es geschafft, zu einer Ikone des Online-Humors zu werden.
Die Geburtsstunde eines Mythos: Ein Zufallsfund in der Tiefe
Die Ursprünge vieler Memes sind oft schwer zu fassen, verschwommen in der digitalen Anonymität und den unzähligen Teilen und Remixen. Beim Wels-Meme ist die Lage jedoch ungewöhnlich klar, fast schon dokumentiert. Unsere Reise beginnt im Spätsommer 2017, genauer gesagt im August, in einer unscheinbaren Region Deutschlands, irgendwo zwischen den eher ländlichen Gewässern und den großen Städten. Ein kleines Team von Hobby-Naturfotografen, das sich auf Unterwasseraufnahmen spezialisiert hatte, war an einem ruhigen See unterwegs, um die heimische Fischfauna zu dokumentieren. Einer von ihnen, nennen wir ihn der Einfachheit halber „Fischauge Frank“, hatte gerade seine brandneue, hochauflösende Unterwasserkamera getestet. Er wollte eigentlich nur ein paar Karpfen ablichten.
Was er jedoch stattdessen vor die Linse bekam, war ein Prachtexemplar eines Welses, der sich langsam aus dem trüben Grundschlamm erhob. Doch es war nicht nur die schiere Größe des Fisches, die Frank verblüffte, sondern sein Ausdruck. Durch eine seltene Kombination aus dem Kamerawinkel, dem natürlichen Licht und vielleicht auch einer unglücklichen (oder glücklichen) Mimik des Fisches selbst, schien der Wels eine fast schon menschliche Miene zu tragen: eine Mischung aus tiefer Resignation, einem Hauch von Genervtheit und einem Blick, der zu sagen schien: „Was wollt ihr denn jetzt schon wieder?“ Frank machte mehrere Aufnahmen, doch eine stach besonders hervor. Sie zeigte den Wels frontal, mit leicht geöffnetem Maul, als würde er gerade einen Seufzer ausstoßen, und seinen kleinen, wachsamen Augen, die den Betrachter direkt anzustarren schienen.
Der Funke springt über: Von der Nische zum Nischen-Hit
Frank, begeistert von seinem ungewöhnlichen Schnappschuss, postete das Bild zunächst in einer kleinen, privaten Facebook-Gruppe für Unterwasserfotografie. Die Reaktionen waren sofort und unerwartet. „Dieser Wels sieht aus wie mein Chef am Montagmorgen!“, kommentierte jemand. „Der Blick, wenn du merkst, dass das Wochenende schon wieder vorbei ist“, schrieb ein anderer. Das Bild wurde schnell zum internen Running Gag der Gruppe. Es war humorvoll, es war relatable, und es hatte diesen gewissen absurden Charme.
Doch der wahre Durchbruch kam, als ein Mitglied der Gruppe, das auch in einer größeren, eher auf allgemeinen Humor ausgerichteten Discord-Community aktiv war, das Bild dort teilte. Ohne viel Kontext, einfach nur mit der Überschrift „Dieser Wels.“ Die Community, die sonst eher von Katzen-GIFs und Videospiel-Memes lebte, nahm das Bild mit einer Mischung aus Verwirrung und Begeisterung auf. Der Katzenfisch, wie er manchmal aufgrund seiner Barteln genannt wird, begann sein Eigenleben zu entwickeln. Erste Edits tauchten auf: Der Wels bekam Sonnenbrillen, Hüte oder wurde in völlig fremde Szenen montiert.
Die Explosion: Der Wels wird zum Universal-Meme
Der eigentliche Katalysator für die Explosion des Wels-Memes war seine Vielseitigkeit. Der einzigartige Ausdruck des Fisches passte zu einer erstaunlichen Bandbreite an Emotionen und Situationen. Von tiefer Melancholie über stoische Gelassenheit bis hin zu unterschwelliger Bedrohung – der Wels konnte alles transportieren. Dies machte ihn zu einem perfekten „Reaction Image“, einem Bild, das man als Antwort auf Nachrichten oder Beiträge schickt, um seine Gefühle auszudrücken, wenn Worte nicht ausreichen.
Die virale Geschichte nahm ihren Lauf. Von Discord-Servern sprang der Wels auf Reddit, wo er in Subreddits wie r/ich_iel und r/memes mit Tausenden von Upvotes gefeiert wurde. Von dort aus war es nur ein kleiner Schritt zu Instagram, Twitter und TikTok. Plötzlich sah man den Wels überall: als stummen Beobachter politischer Debatten, als Ausdruck der Frustration über Alltagsärger oder als philosophischen Denker, der über die Absurdität des menschlichen Daseins sinniert. Der Satz „Wels ist Wels“ wurde zu einem geflügelten Wort, das eine stoische Akzeptanz des Unvermeidlichen ausdrückt, eine Art Fisch-Nihilismus.
Warum der Wels? Die Psychologie hinter dem Phänomen
Doch warum gerade der Wels? Was macht ihn so einzigartig und ansprechend für die Meme-Kultur? Es gibt mehrere Faktoren, die zu seiner anhaltenden Popularität beitragen:
- Das Unverhoffte: Memes leben oft von der Überraschung. Ein großer, eher unästhetischer Süßwasserfisch, der zu einer emotionalen Ikone wird, ist per se absurd und dadurch witzig.
- Anthropomorphisierung: Wir Menschen neigen dazu, Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben. Der einzigartige Gesichtsausdruck des Welses, seine vermeintlich „grimmige“ oder „resignierte“ Miene, lädt geradezu dazu ein, ihm menschliche Emotionen zu unterstellen.
- Die Leere, die gefüllt werden kann: Der Wels selbst ist oft nur das Bild. Der Humor entsteht durch den Kontext, den wir ihm geben. Er ist eine leere Leinwand für unsere eigenen Witze, Frustrationen und Beobachtungen.
- Sprachliche Eigenheiten: Im Deutschen ist „Wels“ ein kurzes, prägnantes Wort. Es lässt sich gut wiederholen und einprägen. Die Einfachheit des Namens trägt zur Zugänglichkeit bei.
- Die „Underdog“-Mentalität: Der Wels ist kein glamouröser Fisch. Er ist ein Grundbewohner, oft unterschätzt. Ihn zum Star zu machen, ist eine Art Rebellion gegen die Schönheitsstandards der Meme-Welt (Katzen, Hunde etc.).
- Die „Ich-habe-alles-gesehen“-Attitüde: Der Blick des Welses vermittelt oft eine Aura der Weisheit und Erfahrung, als hätte er schon alles gesehen und sei von nichts mehr beeindruckt. Dies passt perfekt zu Reaktionen auf absurde oder frustrierende Online-Inhalte.
Die Evolution des Wels-Memes: Von Bild zu Philosophie
Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Wels-Meme weiter. Es blieb nicht nur bei einzelnen Bildern. Ganze Bildreihen erzählten Geschichten, in denen der Wels die Hauptrolle spielte. Es entstanden Sprüche wie „Der Wels weiß es besser“, „Frage den Wels um Rat“ oder eben „Wels ist Wels“. Er wurde zu einem Symbol für stoische Akzeptanz, für die ruhige Beobachtung des Chaos um uns herum und für eine gewisse lakonische Weisheit. Der Wels, der ursprünglich ein Zufallsfund war, avancierte zu einer Art Orakel der Online-Welt.
Die Kreativität der Online-Humor-Gemeinschaft kennt keine Grenzen. Der Wels wurde in Kunstwerke integriert, erhielt seine eigene Mythologie und sogar Fan-Fiction. Er steht heute nicht mehr nur für einen Fisch, sondern für eine ganze Haltung: das unbeeindruckte Durchstehen der Widrigkeiten des Lebens, mit einem Blick, der Bände spricht.
Ein Blick in die Zukunft des Wels-Memes
Wird das Wels-Meme für immer bleiben? In der schnelllebigen Welt der digitalen Trends ist das schwer vorherzusagen. Doch seine Langlebigkeit und seine Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden, sprechen für sich. Der Wels hat sich von einem zufälligen Unterwasserfoto zu einem festen Bestandteil der Meme-Kultur entwickelt. Er ist ein Beweis dafür, wie aus einem unscheinbaren Ausgangspunkt ein globales Phänomen entstehen kann, das Menschen über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg verbindet.
Das nächste Mal, wenn Ihnen ein Wels-Meme begegnet, wissen Sie, dass Sie nicht nur ein lustiges Bild sehen. Sie sind Zeuge einer faszinierenden Geschichte von Zufall, Kreativität und der unvorhersehbaren Natur des Internets. Und vielleicht schenken Sie diesem stoischen Unterwasser-Philosophen einen Moment länger Ihre Aufmerksamkeit. Denn der Wels ist Wels, und das ist gut so.