Die Erfahrung, bedroht zu werden, ist zutiefst beunruhigend und kann ein Gefühl der Ohnmacht und Angst hinterlassen. Ob verbal, schriftlich, online oder indirekt – eine Drohung ist ein ernstzunehmender Angriff auf deine persönliche Sicherheit und dein Wohlbefinden. Es ist wichtig zu verstehen, dass niemand das Recht hat, dich zu bedrohen, und dass du in einer solchen Situation nicht allein bist. Dieser umfassende Leitfaden soll dir aufzeigen, wie du richtig reagierst, dich schützt und welche Schritte du unternehmen kannst, um deine Sicherheit wiederherzustellen.
Was ist eine Drohung und welche Formen gibt es?
Eine Drohung ist die Ankündigung eines Übels, das dem Bedrohten widerfahren soll, wenn er nicht bestimmte Forderungen erfüllt oder unterlässt. Im rechtlichen Sinne kann eine Drohung bereits dann vorliegen, wenn der Täter ein „Verbrechen“ (im deutschen Strafrecht eine Straftat mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe) ankündigt, um den Betroffenen in Angst zu versetzen oder ihn zu einer Handlung zu nötigen. Die Formen von Drohungen sind vielfältig:
- Verbale Drohungen: Dies sind direkte oder indirekte mündliche Äußerungen, die Angst oder Furcht hervorrufen sollen.
- Schriftliche Drohungen: Drohbriefe, E-Mails, SMS oder Nachrichten in sozialen Medien.
- Online-Drohungen (Cyber-Drohungen): Belästigung, Veröffentlichung persönlicher Daten (Doxing), Erpressung oder Androhung von Gewalt über digitale Kanäle.
- Implizite Drohungen: Handlungen oder Gesten, die eine Bedrohung andeuten, ohne explizit ausgesprochen zu werden, z.B. das Zeigen einer Waffe oder das Auflauern.
- Drohungen gegen Dritte: Wenn jemand deine Familie, Freunde oder Haustiere bedroht, um Druck auf dich auszuüben.
Unabhängig von der Form ist das Ziel oft dasselbe: Kontrolle auszuüben, Angst zu erzeugen oder Schaden zuzufügen. Nimm jede Drohung ernst, denn sie kann eine Vorstufe zu tatsächlicher Gewalt oder anderen negativen Konsequenzen sein.
Die erste Reaktion: Ruhig bleiben und Sicherheit priorisieren
Die unmittelbare Reaktion auf eine Bedrohung ist oft Schock, Angst oder Panik. Es ist völlig normal, diese Gefühle zu empfinden. Dennoch ist es entscheidend, in diesem Moment einen klaren Kopf zu bewahren, so schwer es auch fallen mag. Deine oberste Priorität muss deine Sicherheit sein.
- Entferne dich aus der Situation: Wenn die Bedrohung persönlich und unmittelbar ist, versuche, dich sicher von der Person zu entfernen. Gehe an einen öffentlichen Ort, zu Freunden oder in dein Zuhause, wo du dich sicher fühlst.
- Bleibe ruhig: Auch wenn dein Körper Alarm schlägt, versuche, tief durchzuatmen. Panik kann deine Urteilsfähigkeit trüben.
- Reagiere nicht impulsiv: Vermeide es, auf die Drohung zu reagieren, zu diskutieren, zu provozieren oder dich zu rächen. Dies könnte die Situation eskalieren lassen und dich in größere Gefahr bringen.
- Vertraue deinem Bauchgefühl: Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, folge deinem Instinkt und bringe dich in Sicherheit.
Beweise sammeln: Dein wichtigstes Werkzeug
Nachdem du dich in Sicherheit gebracht hast, ist der nächste entscheidende Schritt die Beweissicherung. Ohne handfeste Beweise ist es für die Polizei oder andere Behörden schwierig, Maßnahmen zu ergreifen. Denke daran: Je mehr Beweise du hast, desto stärker ist dein Fall.
- Dokumentiere alles sofort: Schreibe Datum, Uhrzeit, genauen Ort und die exakten Worte oder Handlungen der Drohung auf. Wenn möglich, notiere auch eine Beschreibung der Person.
- Sichere schriftliche/digitale Beweise:
- E-Mails, Nachrichten, Social-Media-Posts: Mache Screenshots. Achte darauf, dass Datum und Uhrzeit sichtbar sind. Speichere die Originaldateien.
- Anruf-Logs: Notiere unerwünschte Anrufe, Anrufzeiten und Rufnummern.
- Sprachnachrichten/Tonaufnahmen: Speichere oder sichere sie. In Deutschland ist das heimliche Aufnehmen eines Telefongesprächs oder eines nicht-öffentlichen Gesprächs strafbar (§ 201 StGB). Eine Drohung ist jedoch oft ein nicht-öffentliches Gespräch, daher Vorsicht. Wenn die Drohung über eine Voicemail eingeht, ist dies in der Regel unproblematisch. Erkundige dich bei Bedarf rechtlich.
- Zeugen: Wenn jemand die Drohung miterlebt hat, bitte ihn, dir eine schriftliche Aussage zu geben oder als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Notiere deren Kontaktdaten.
- Körperliche Beweise: Sollte es zu körperlicher Gewalt gekommen sein, dokumentiere Verletzungen (Fotos, ärztliches Attest).
Lege alle gesammelten Informationen systematisch ab, idealerweise digital und in einer physischen Kopie, an einem sicheren Ort, auf den nur du Zugriff hast.
Umgang mit verschiedenen Arten von Drohungen
Die Art der Drohung kann beeinflussen, wie du weiter vorgehst.
Online-Drohungen und Cyberstalking
Das Internet bietet Tätern eine vermeintliche Anonymität und weite Reichweite. Online-Drohungen sind jedoch ebenso ernst zu nehmen wie „echte”.
- Blockieren und Melden: Blockiere den Täter sofort auf allen Plattformen. Melde die Inhalte den Plattformbetreibern (Facebook, Instagram, Twitter, E-Mail-Provider etc.). Diese Plattformen haben Richtlinien gegen Belästigung und Drohungen.
- Privatsphäre-Einstellungen überprüfen: Stelle sicher, dass deine Social-Media-Profile auf „privat” gestellt sind und nur Personen, denen du vertraust, deine Beiträge sehen können. Lösche oder schränke öffentlich zugängliche persönliche Informationen ein.
- Passwörter ändern: Ändere Passwörter für alle deine Online-Konten, insbesondere wenn du den Verdacht hast, dass dein Konto gehackt wurde oder der Täter Zugriff darauf hat. Verwende starke, einzigartige Passwörter.
- Informiere Bekannte: Wenn die Drohungen öffentlich gepostet werden oder Bekannte involviert sind, informiere diese über die Situation.
Drohungen am Arbeitsplatz
Drohungen am Arbeitsplatz können von Kollegen, Vorgesetzten, Kunden oder Klienten ausgehen.
- Informiere deinen Arbeitgeber: Melde die Drohung umgehend deinem direkten Vorgesetzten, der Personalabteilung (HR) oder der Geschäftsleitung. Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter und müssen Maßnahmen ergreifen, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu gewährleisten.
- Kenne die Richtlinien: Informiere dich über die Unternehmensrichtlinien zum Umgang mit Bedrohungen, Belästigung oder Gewalt am Arbeitsplatz.
- Sicherheit am Arbeitsplatz: Frage nach Maßnahmen wie einer Änderung des Arbeitsplatzes, der Arbeitszeiten oder der Kommunikation mit der betreffenden Person.
- Protokoll führen: Auch hier ist es wichtig, alle Vorfälle schriftlich zu dokumentieren.
Persönliche Drohungen (Bekannte, Ex-Partner, Fremde)
Diese Art von Drohungen ist oft die beängstigendste, da sie eine direkte Verbindung zum Täter impliziert.
- Brich den Kontakt ab: Wenn möglich und sicher, brich jeglichen Kontakt zum Bedrohenden ab. Antworte nicht auf Anrufe, Nachrichten oder Versuche der Kontaktaufnahme.
- Informiere dein soziales Umfeld: Teile vertrauten Freunden, Familienmitgliedern oder Nachbarn mit, was passiert ist, und gib ihnen eine Beschreibung des Täters. Bitte sie, wachsam zu sein und dich bei verdächtigen Beobachtungen zu informieren.
- Ändere Gewohnheiten: Wenn die Drohung ernsthaft erscheint, erwäge, deine täglichen Routinen zu ändern, um nicht vorhersehbar zu sein. Vermeide es, allein an abgelegenen Orten unterwegs zu sein.
Wann du die Polizei einschalten solltest
Das ist oft der schwierigste, aber wichtigste Schritt. Zögere nicht, die Polizei zu kontaktieren, wenn du dich bedroht fühlst oder wenn die Drohung spezifisch und glaubhaft ist.
- Wann melden?
- Wenn eine direkte Drohung mit einem Verbrechen (z.B. Mord, Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung, Geiselnahme) vorliegt.
- Wenn du dich durch die Drohung ernsthaft in deiner Sicherheit gefährdet fühlst.
- Wenn Stalking vorliegt (wiederholte Belästigungen, Nachstellen, ungewollte Kontaktaufnahme).
- Wenn die Drohung mit Erpressung verbunden ist.
- Wenn die Drohung wiederholt auftritt und du dich verfolgt fühlst.
- Wie melden?
- Gehe zur nächsten Polizeidienststelle oder rufe den Notruf (110 in Deutschland) an, wenn die Gefahr unmittelbar ist.
- Bringe alle gesammelten Beweise mit (Notizen, Screenshots, Zeugenaussagen).
- Erzähle deine Geschichte ruhig und präzise. Die Beamten werden dich unterstützen und die nächsten Schritte einleiten.
- Stelle sicher, dass du eine Kopie des Polizeiberichts oder die Vorgangsnummer erhältst.
- Was erwartet dich?
Die Polizei wird deinen Fall aufnehmen, die Beweise prüfen und entscheiden, ob eine Straftat vorliegt (z.B. Bedrohung nach § 241 StGB, Nötigung nach § 240 StGB, Nachstellung/Stalking nach § 238 StGB). Sie kann Ermittlungen einleiten, den Täter kontaktieren und ihn zur Rede stellen oder sogar einen Platzverweis oder eine einstweilige Anordnung (Kontakt- und Annäherungsverbot) erwirken.
Rechtliche Schritte und Unterstützung
Neben der polizeilichen Anzeige gibt es weitere rechtliche und unterstützende Maßnahmen:
- Rechtsanwalt konsultieren: Ein Anwalt, spezialisiert auf Strafrecht oder Opferschutz, kann dich beraten, deine Rechte erklären und dich durch den Prozess begleiten. Er kann dir auch helfen, zivilrechtliche Schritte einzuleiten, z.B. eine Unterlassungsklage.
- Einstweilige Anordnung/Kontaktverbot: Bei wiederholten Belästigungen oder ernsthaften Bedrohungen kannst du beim Gericht einen Antrag auf eine Gewaltschutzanordnung stellen. Dies kann ein Annäherungs-, Kontakt- und Belästigungsverbot für den Täter bedeuten. Ein Verstoß dagegen ist strafbar.
- Opferschutzorganisationen: Es gibt zahlreiche Organisationen, die Opfern von Gewalt und Bedrohungen helfen (z.B. Weißer Ring in Deutschland). Sie bieten psychologische Unterstützung, rechtliche Beratung und praktische Hilfe an.
Langfristiger Selbstschutz und Prävention
Deine Sicherheit ist ein fortlaufender Prozess. Nach einer Bedrohungserfahrung ist es wichtig, präventive Maßnahmen zu ergreifen.
- Situationsbewusstsein schärfen: Achte auf deine Umgebung. Vermeide gefährliche Situationen oder Orte.
- Selbstverteidigungskurse: Diese können dein Selbstvertrauen stärken und dir grundlegende Techniken vermitteln, um dich im Notfall zu verteidigen. Sie ersetzen jedoch nicht die Notwendigkeit, gefährliche Situationen zu meiden.
- Digitale Sicherheit: Überprüfe regelmäßig deine Datenschutzeinstellungen. Sei vorsichtig, welche Informationen du online teilst. Verwende VPNs und sichere Passwörter.
- Notfallplan erstellen: Überlege dir im Voraus, was du tun würdest, wenn die Bedrohung eskaliert. Wo kannst du hingehen? Wen kannst du anrufen?
- Technologische Hilfsmittel: Es gibt Notruf-Apps für Smartphones, die im Notfall deinen Standort senden können oder einen Alarm auslösen.
- Stärke dein Netzwerk: Pflege den Kontakt zu vertrauten Personen. Ein starkes soziales Netz kann dir in Krisenzeiten Halt geben und ein Gefühl der Sicherheit vermitteln.
Psychologische Unterstützung und Heilung
Eine Bedrohung kann tiefe psychologische Narben hinterlassen. Angstzustände, Schlafstörungen, Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Depressionen können die Folge sein. Es ist absolut keine Schwäche, in dieser Situation professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Therapie: Ein Psychologe oder Psychotherapeut kann dir helfen, das Erlebte zu verarbeiten, Bewältigungsstrategien zu entwickeln und Ängste abzubauen.
- Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, kann sehr heilsam sein und das Gefühl der Isolation mindern.
- Stressmanagement: Praktiziere Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Achtsamkeit, um Stress abzubauen und deine Resilienz zu stärken.
- Aktivitäten, die dir guttun: Widme dich Hobbys oder Aktivitäten, die dir Freude bereiten und dir helfen, dich von dem Erlebten abzulenken und positive Energie zu schöpfen.
Fazit
Wurde dir gedroht, ist dies eine gravierende und oft traumatisierende Erfahrung. Doch du bist ihr nicht hilflos ausgeliefert. Es gibt klare Schritte, die du unternehmen kannst, um dich zu schützen, Beweise zu sichern und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Das Wichtigste ist, die Situation ernst zu nehmen, deine Sicherheit an erste Stelle zu setzen und keine Scheu davor zu haben, dir die notwendige Hilfe zu holen – sei es von der Polizei, rechtlichen Beratern oder psychologischen Fachkräften. Du hast das Recht, dich sicher und geborgen zu fühlen. Nimm deine Macht zurück und gehe gestärkt aus dieser schwierigen Situation hervor.