In der heutigen digitalisierten Welt ist eine zuverlässige und ausfallsichere Internetverbindung für Unternehmen und anspruchsvolle Privatnutzer mehr als nur ein „Nice-to-have“ – sie ist oft das Rückgrat des Geschäftsbetriebs. Doch was tun, wenn der eigene Internet Service Provider (ISP) ausfällt? Oder wenn man mehr Kontrolle über seinen Datenverkehr wünscht? Hier kommt das Border Gateway Protocol (BGP) ins Spiel. Während große Unternehmen und Provider ihre eigenen BGP-Peerings betreiben, ist dies für kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) oder ambitionierte Netzwerker oft zu aufwendig oder schlichtweg nicht finanzierbar. Die Lösung: Ein BGP-Reseller. Aber wie findet man den richtigen Partner in diesem komplexen Umfeld? Dieser Artikel beleuchtet die wichtigsten Aspekte, auf die Sie bei der Wahl eines BGP-Resellers achten sollten.
### Was ist BGP und warum ist es für Ihr Netzwerk so wichtig?
Bevor wir uns der Auswahl des passenden Resellers widmen, klären wir kurz, worum es bei BGP eigentlich geht. BGP, das Border Gateway Protocol, ist das „Sprachrohr” des Internets. Es ist das Routing-Protokoll, das den Austausch von Routing-Informationen zwischen autonomen Systemen (AS) regelt. Ein Autonomes System (AS) ist ein unabhängiger Verbund von IP-Netzwerken, die von einer einzigen Organisation verwaltet werden und eine einheitliche Routing-Strategie verfolgen. Jedes AS ist durch eine weltweit eindeutige AS-Nummer (ASN) gekennzeichnet.
Warum ist das für Sie relevant? Wenn Sie nur einen einzigen Internetanschluss von einem ISP nutzen, sind Sie vollständig von dessen Infrastruktur abhängig. Fällt dieser eine Anschluss aus, ist Ihr gesamter Betrieb lahmgelegt. Mit einem eigenen AS und BGP-Peering können Sie sich von dieser Abhängigkeit befreien. Sie können gleichzeitig Verbindungen zu mehreren ISPs (Multihoming) aufbauen. Fällt einer aus, wird der Datenverkehr automatisch über den anderen geleitet. Das bedeutet: Maximale Redundanz, höhere Ausfallsicherheit und letztlich mehr Kontrolle über Ihre eigene Konnektivität.
Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Netzwerk-Unabhängigkeit. Wenn Sie Ihre eigenen IP-Adressen (sogenannte Provider-unabhängige Adressen) besitzen und diese über Ihr eigenes AS annoncieren, können Sie den ISP wechseln, ohne Ihre IP-Adressen ändern zu müssen. Das ist ein immenser Vorteil, besonders für Unternehmen, die Server betreiben oder ihren Kunden feste IP-Adressen bereitstellen.
### Die Vorteile eines eigenen AS und BGP-Peering über einen Reseller
Die Einrichtung eines eigenen AS und direkter BGP-Peerings mit Tier-1-Providern ist extrem aufwendig, teuer und erfordert tiefgreifendes technisches Wissen sowie die Erfüllung von Kriterien der regionalen Internet Registry (RIR) wie RIPE NCC in Europa. Hier kommen BGP-Reseller ins Spiel. Sie ermöglichen es auch kleineren Entitäten, die Vorteile eines eigenen AS zu nutzen, ohne die hohen Hürden und Kosten direkt tragen zu müssen.
Die wesentlichen Vorteile sind:
1. **Erhöhte Ausfallsicherheit (Multihoming):** Dies ist der Hauptgrund für die meisten. Durch Verbindungen zu mehreren Upstreams sind Sie gegen Ausfälle einzelner Provider gewappnet.
2. **Netzwerk-Unabhängigkeit:** Ihre IP-Adressen sind an Ihr AS gebunden, nicht an einen spezifischen Provider. Ein Wechsel des Providers wird zur Routine ohne Adressänderungen.
3. **Optimiertes Routing:** Sie haben die Möglichkeit, Ihren Traffic selbst zu steuern und Präferenzen für bestimmte Routen zu setzen, um Latenzzeiten zu optimieren oder Kosten zu senken.
4. **Professioneller Auftritt:** Ein eigenes AS signalisiert eine ernsthafte und zukunftsorientierte Netzwerkinfrastruktur.
### Worauf solltet ihr bei der Wahl eines BGP-Resellers achten? Die Checkliste
Die Auswahl des richtigen BGP-Resellers erfordert sorgfältige Überlegung. Hier ist eine detaillierte Checkliste, die Ihnen bei der Entscheidungsfindung hilft:
#### 1. Konnektivität und Backbone-Qualität
Dies ist das Herzstück des Angebots. Ein BGP-Reseller ist nur so gut wie sein eigenes Netzwerk.
* **Anzahl und Qualität der Peerings:** Wie viele und welche Transit-Provider und Internet Exchange Points (IXPs) nutzt der Reseller? Mehr und vielfältigere Peerings bedeuten in der Regel bessere Erreichbarkeit und geringere Latenzen. Prüfen Sie PeeringDB-Einträge des Resellers.
* **Netzwerk-Uptime und SLA:** Fordern Sie Informationen über die garantierte Verfügbarkeit des Netzwerks (Service Level Agreement – SLA) und die tatsächliche Uptime an. Ein seriöser Anbieter wird hier transparent sein.
* **Standorte:** An welchen Rechenzentrums-Standorten bietet der Reseller seine Dienste an? Dies kann für die Latenz zu Ihren Hauptzielgruppen entscheidend sein.
#### 2. Technische Expertise und Support
Im Falle eines Problems ist schneller und kompetenter Support Gold wert.
* **Verfügbarkeit des Supports:** Ist der Support rund um die Uhr erreichbar (24/7), und welche Kanäle werden angeboten (Telefon, E-Mail, Ticket-System)?
* **Reaktionszeiten:** Wie schnell reagiert der Support auf Anfragen, insbesondere bei kritischen Störungen?
* **Fachkenntnisse:** Hat das Support-Team fundierte Kenntnisse im BGP-Umfeld, bei RIPE-Policies, Routing-Optimierungen und der Fehlerbehebung? Ein guter Reseller berät Sie proaktiv.
* **Sprachkenntnisse:** Ist der Support in der Sprache verfügbar, in der Sie sich am wohlsten fühlen (z.B. Deutsch)?
#### 3. Service-Umfang und Flexibilität
Die angebotenen Leistungen sollten zu Ihren Bedürfnissen passen und zukünftige Erweiterungen ermöglichen.
* **ASN und IP-Adressen:** Stellt der Reseller eine eigene ASN bereit oder hilft er Ihnen bei der Beantragung einer eigenen? Wie sieht es mit IPv4- und IPv6-Adressen aus? Können Sie Ihre eigenen RIPE-registrierten Prefixe annoncieren?
* **Routing-Optionen:** Bietet der Reseller die Möglichkeit, BGP-Communities zu setzen, um Einfluss auf das Routing zu nehmen? Sind spezielle BGP-Attribute (z.B. MED, Local Pref) konfigurierbar?
* **DDoS-Mitigation:** Bietet der Reseller integrierte DDoS-Schutzlösungen an oder unterstützt er die Anbindung an externe Scrubbing-Center über BGP FlowSpec?
* **Monitoring und Reporting:** Erhalten Sie Zugang zu Tools oder Dashboards, die Ihnen Einblick in den Traffic, die Latenzen und die Netzwerk-Uptime geben?
* **Flexibilität bei Konfigurationen:** Wie flexibel ist der Reseller bei der Umsetzung spezifischer Routing-Anforderungen oder komplexerer Netzwerk-Setups?
#### 4. Preismodell und Transparenz
Ein faires und transparentes Preismodell ist entscheidend, um böse Überraschungen zu vermeiden.
* **Kostenstruktur:** Wie wird abgerechnet? Nach Traffic-Volumen (GB/TB), nach Bandbreite (Mbit/s), oder gibt es feste monatliche Pauschalen?
* **Einrichtungsgebühren:** Fallen einmalige Kosten für die Einrichtung oder die Beantragung der ASN an?
* **Versteckte Kosten:** Achten Sie auf zusätzliche Gebühren für Support, Konfigurationsänderungen oder die Nutzung bestimmter Features. Lassen Sie sich ein detailliertes Angebot erstellen.
* **Skalierbarkeit der Kosten:** Wie entwickeln sich die Kosten, wenn Ihr Traffic-Volumen oder Ihre Bandbreitenanforderungen steigen?
#### 5. Referenzen und Reputation
Ein etablierter Reseller mit gutem Ruf bietet mehr Sicherheit.
* **Erfahrungen anderer Kunden:** Suchen Sie in Foren, Fachblogs und auf Bewertungsplattformen nach Erfahrungsberichten.
* **Marktpräsenz:** Wie lange ist der Reseller schon aktiv? Ein langjähriger Akteur hat in der Regel mehr Erfahrung und Stabilität.
* **Netzwerk-Informationen:** Überprüfen Sie die AS- und Peering-Informationen des Resellers in öffentlichen Datenbanken wie PeeringDB oder der RIPE Database. Sind die Angaben konsistent und plausibel?
#### 6. Sicherheit und Compliance
Gerade im Kontext von Routing ist Sicherheit ein immer wichtigeres Thema.
* **RPKI-Unterstützung:** Bietet der Reseller Unterstützung für RPKI (Resource Public Key Infrastructure) an? RPKI hilft, Routen-Hijacking zu verhindern, indem die Legitimität der IP-Adressankündigungen kryptografisch überprüft wird. Ein Muss für moderne Netzwerke.
* **Security Best Practices:** Welche Sicherheitsmaßnahmen werden intern angewendet, um das eigene Netzwerk und die Kundendaten zu schützen?
* **Datenschutz:** Welche Datenschutzrichtlinien verfolgt der Reseller, und wie werden Ihre Daten verarbeitet?
### Häufige Fallstricke und worauf Sie achten sollten
Bei der Suche nach dem idealen BGP-Reseller gibt es einige Stolpersteine, die es zu vermeiden gilt:
* **Mangelnde Transparenz:** Wenn ein Reseller keine detaillierten Informationen zu seinen Peerings, seiner Netzwerk-Topologie oder seinen SLAs herausgeben möchte, ist Vorsicht geboten.
* **”Billig”-Angebote:** Extreme Niedrigpreise können auf eine minderwertige Infrastruktur, überlastete Uplinks oder schlechten Support hindeuten. Qualität hat ihren Preis.
* **Vertragsbindung:** Achten Sie auf lange Vertragslaufzeiten und Kündigungsfristen. Flexibilität ist hier von Vorteil.
* **Fehlende RIPE-Compliance:** Ein Reseller, der Ihre IP-Adressen nicht korrekt bei RIPE registriert oder keine ROAs für RPKI unterstützt, kann langfristig zu Problemen führen.
* **”Ein-Mann-Betrieb”:** Während kleine Anbieter oft persönlichen Service bieten, kann ein Mangel an Personal und Redundanz im eigenen Team zu Problemen bei Ausfällen oder im Support führen.
### Der Prozess der Auswahl und Implementierung
1. **Bedarfsanalyse:** Definieren Sie klar Ihre Anforderungen an Ausfallsicherheit, Bandbreite, Latenz und Budget.
2. **Angebote einholen:** Kontaktieren Sie mindestens drei bis fünf potenzielle Reseller und fordern Sie detaillierte Angebote an.
3. **Vergleich und Bewertung:** Nutzen Sie die oben genannte Checkliste, um die Angebote systematisch zu vergleichen.
4. **Referenzen prüfen:** Kontaktieren Sie, wenn möglich, bestehende Kunden des Resellers oder suchen Sie nach Bewertungen online.
5. **Testphase (optional):** Einige Reseller bieten eine Testphase an. Nutzen Sie diese, um die Performance und den Support zu prüfen.
6. **Vertragsprüfung:** Lesen Sie das Kleingedruckte bezüglich SLAs, Kündigungsfristen und Zusatzkosten.
7. **Onboarding und Konfiguration:** Planen Sie die Implementierung sorgfältig mit dem Reseller. Stellen Sie sicher, dass Ihre Router korrekt konfiguriert werden und alle Routen korrekt annonciert werden.
### Fazit: Investition in Ihre digitale Zukunft
Die Entscheidung für den passenden BGP-Reseller ist eine strategische Investition in die Stabilität und Zukunftssicherheit Ihrer digitalen Infrastruktur. Es geht nicht nur darum, den günstigsten Preis zu finden, sondern einen Partner, der technische Expertise, zuverlässigen Service und eine zukunftssichere Infrastruktur bietet. Nehmen Sie sich die Zeit, die verschiedenen Anbieter sorgfältig zu prüfen, stellen Sie viele Fragen und scheuen Sie sich nicht, Referenzen einzuholen. Ein gut gewählter BGP-Reseller ermöglicht es Ihnen, von den Vorteilen eines eigenen AS zu profitieren und Ihr Netzwerk auf ein neues Niveau der Verfügbarkeit und Kontrolle zu heben. Ihre digitale Präsenz wird es Ihnen danken.