Die Ausbildung ist eine entscheidende Phase in Ihrem Berufsleben. Sie soll Sie auf zukünftige Aufgaben vorbereiten, Ihnen Fachwissen vermitteln und praktische Erfahrungen ermöglichen. Doch was tun, wenn der Alltag in der Ausbildung von gähnender Leere statt von spannenden Aufgaben geprägt ist? Viele Auszubildende kennen das Gefühl: Man hat alle gestellten Aufgaben erledigt, die To-do-Liste ist leer, und die Zeit zieht sich wie Kaugummi. Langeweile in der Ausbildung ist nicht nur frustrierend, sondern kann auch Ihre Motivation stark beeinträchtigen. Doch hier kommt die gute Nachricht: Dieses Szenario ist keine Sackgasse, sondern eine riesige Chance!
Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie das Thema „wenig zu tun” proaktiv und konstruktiv bei Ihrer Ausbilderin oder Ihrem Ausbilder ansprechen, dabei punkten und Ihre Ausbildung aktiv mitgestalten können. Es geht darum, aus einer potenziellen Schwäche eine Stärke zu machen und sich als engagierter, verantwortungsbewusster und vorausschauender Mitarbeiter zu präsentieren.
Warum Langeweile in der Ausbildung ein Problem ist – und eine Chance
Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass Langeweile in der Ausbildung weder gut für Sie noch für den Ausbildungsbetrieb ist. Für Sie bedeutet es Stillstand in Ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung. Sie verpassen wertvolle Lerngelegenheiten, fühlen sich unterfordert und möglicherweise sogar nutzlos. Das kann langfristig zu Demotivation, schlechter Laune und einer negativen Einstellung zur Ausbildung führen. Aus Sicht des Unternehmens ist ungenutzte Zeit eine verschwendete Ressource. Es bedeutet, dass das Potenzial eines Mitarbeiters nicht ausgeschöpft wird und die Investition in Ihre Ausbildung nicht optimal fruchtet.
Aber genau hier liegt die Chance! Wenn Sie proaktiv das Gespräch suchen, zeigen Sie Ihrer Ausbilderin oder Ihrem Ausbilder:
* **Initiative:** Sie warten nicht, bis Ihnen Aufgaben zugewiesen werden, sondern ergreifen selbst die Initiative.
* **Engagement:** Sie sind motiviert, mehr zu lernen und einen Beitrag zu leisten.
* **Verantwortungsbewusstsein:** Sie denken mit und erkennen, wo Sie nützlich sein können.
* **Lernbereitschaft:** Sie sind hungrig auf neues Wissen und neue Fähigkeiten.
* **Kommunikationsfähigkeit:** Sie beweisen, dass Sie schwierige Themen professionell ansprechen können.
All dies sind Eigenschaften, die in jedem Unternehmen hochgeschätzt werden und die Sie zu einem wertvollen Mitglied des Teams machen.
Bevor Sie sprechen: Vorbereitung ist die halbe Miete
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer gründlichen Vorbereitung. Gehen Sie nicht einfach in das Gespräch mit der Aussage „Ich habe nichts zu tun”. Das wirkt passiv und unmotiviert. Stattdessen sollten Sie mit Lösungsansätzen und Vorschlägen glänzen.
1. Selbstreflexion: Haben Sie wirklich *nichts* zu tun?
Bevor Sie das Gespräch suchen, stellen Sie sich kritisch folgende Fragen:
* **Habe ich wirklich alle meine aktuellen Aufgaben vollständig und fehlerfrei erledigt?** Überprüfen Sie Ihre To-do-Liste, offene E-Mails, angefangene Projekte. Vielleicht gibt es noch Kleinigkeiten zu perfektionieren?
* **Gibt es interne Prozesse oder Dokumentationen, die ich verbessern oder aktualisieren könnte?** Oft liegen hier ungenutzte Potenziale, die niemand direkt auf dem Schirm hat.
* **Kann ich die Zeit zur Weiterbildung nutzen?** Gibt es interne Lernplattformen, Fachliteratur, oder spezifische Software, die Sie noch besser beherrschen könnten? Recherchieren Sie Branchentrends oder Unternehmensinformationen.
* **Habe ich Kollegen angeboten, zu helfen?** Manchmal sind andere überlastet, trauen sich aber nicht, um Hilfe zu bitten. Ein proaktives Angebot kann Wunder wirken.
Ziel ist es, sicherzustellen, dass Sie Ihre freie Kapazität nicht durch mangelnde Initiative selbst verursachen.
2. Beobachten und Bedürfnisse identifizieren
Schauen Sie sich in Ihrer Abteilung und im gesamten Unternehmen um. Wo gibt es Engpässe? Welche Aufgaben scheinen liegen zu bleiben? Wo könnten Sie potenziell Unterstützung leisten?
* **Kollegen entlasten:** Merken Sie, dass ein Kollege überlastet ist? Gibt es administrative Aufgaben, die Sie übernehmen könnten?
* **Prozesse optimieren:** Gibt es wiederkehrende Aufgaben, die ineffizient ablaufen? Könnten Sie eine Checkliste oder eine kleine Anleitung erstellen, um sie zu vereinfachen?
* **Ungeahnte Baustellen:** Vielleicht gibt es im Büroarchiv Chaos, oder die Materialbestellung könnte optimiert werden. Halten Sie Augen und Ohren offen für kleine und große „Baustellen”.
* **Lernfelder identifizieren:** Welche Bereiche Ihrer Ausbildung haben Sie bisher nur theoretisch kennengelernt, würden Sie aber gerne praktisch vertiefen? Gibt es andere Abteilungen, in die Sie gerne hineinschnuppern würden?
3. Brainstorming: Konkrete Vorschläge entwickeln
Basierend auf Ihrer Selbstreflexion und Ihren Beobachtungen, entwickeln Sie 2-3 konkrete Vorschläge, was Sie tun könnten. Das zeigt, dass Sie mitgedacht haben und nicht nur ein Problem präsentieren, sondern auch an einer Lösung mitarbeiten wollen.
**Beispiele für Vorschläge:**
* „Ich hätte Zeit, um die Kundendatenbank zu aktualisieren und fehlende Informationen zu ergänzen.”
* „Ich könnte eine Übersicht über die wichtigsten Lieferanten erstellen und deren Kontaktdaten überprüfen.”
* „Ich würde gerne mehr über das Projekt X erfahren und könnte bei der Recherche unterstützen.”
* „Gibt es neue Software oder Tools, die wir verwenden, in die ich mich einarbeiten und vielleicht eine Kurzanleitung für Kollegen erstellen könnte?”
* „Ich würde gerne meine Kenntnisse in Y vertiefen. Gibt es dazu interne Schulungsunterlagen oder Projekte, an denen ich mitarbeiten kann?”
* „Ich habe bemerkt, dass im Lager X noch optimiert werden könnte. Darf ich mich darum kümmern?”
Je spezifischer und lösungsorientierter Ihre Vorschläge sind, desto besser.
Der richtige Zeitpunkt und die richtige Herangehensweise
Das Wann und Wie sind genauso wichtig wie das Was.
Den richtigen Zeitpunkt wählen
Wählen Sie einen Moment, in dem Ihre Ausbilderin oder Ihr Ausbilder nicht gestresst oder unter Zeitdruck steht. Das ist meistens nicht direkt morgens bei Arbeitsbeginn, kurz vor Feierabend oder während eines wichtigen Meetings. Besser ist es, kurz anzuklopfen und zu fragen: „Hätten Sie vielleicht in den nächsten Minuten/heute Nachmittag kurz Zeit für ein kurzes Gespräch?” Oder schlagen Sie vor, einen Termin für den nächsten Tag zu vereinbaren. Das zeigt Respekt vor der Zeit Ihrer Führungskraft.
Die Herangehensweise: Professionell und positiv
Ihre Körpersprache und Ihr Tonfall sind entscheidend. Bleiben Sie ruhig, sachlich und positiv. Es geht nicht darum, sich zu beschweren, sondern Ihre Motivation und Ihren Wunsch nach mehr Verantwortung auszudrücken.
Was Sie sagen sollten: Ein Schritt-für-Schritt-Leitfaden
Wenn der Moment gekommen ist, nutzen Sie die folgende Struktur für Ihr Gespräch:
1. Die Einleitung: Das Problem konstruktiv ansprechen
Beginnen Sie niemals mit „Ich habe nichts zu tun!” oder „Mir ist langweilig!”. Das klingt nach Unterforderung, aber auch nach mangelnder Eigeninitiative. Formulieren Sie es positiv und lösungsorientiert:
* „Guten Tag [Name der Ausbilderin/des Ausbilders], ich wollte mich kurz mit Ihnen austauschen.”
* „Ich habe meine aktuellen Aufgaben (z.B. X, Y und Z) abgeschlossen und die Zeit genutzt, um mich in [Bereich] einzuarbeiten / [Software] zu vertiefen.” (Hier zeigen Sie, dass Sie Ihre Zeit bisher sinnvoll genutzt haben!)
* „Ich merke, dass ich aktuell noch Kapazitäten frei habe und würde diese gerne sinnvoll nutzen, um noch mehr zu lernen und das Team zu unterstützen.”
2. Eigeninitiative und Engagement zeigen
Heben Sie hervor, was Sie bereits getan haben, um die Zeit zu füllen. Das untermauert Ihre Aussage und zeigt, dass Sie sich nicht einfach gelangweilt haben:
* „Ich habe die Zeit genutzt, um die letzten Projekte abzuschließen und die Dokumentation zu optimieren.”
* „Ich habe mich mit dem neuen Software-Update beschäftigt und festgestellt, dass wir damit X besser machen könnten.”
* „Ich habe mir die internen Schulungsunterlagen für Y angesehen und bin bereit, mehr darüber zu lernen.”
3. Vorschläge und Ideen einbringen
Dies ist der wichtigste Teil des Gesprächs. Präsentieren Sie Ihre zuvor entwickelten konkreten Vorschläge:
* „Mir ist aufgefallen, dass [Problem / ungelöste Aufgabe] besteht. Ich könnte mir vorstellen, mich um [konkreter Vorschlag] zu kümmern. Das würde uns bei [Nutzen für das Unternehmen] helfen.”
* „Ich würde gerne meine Kenntnisse in [Bereich] vertiefen. Gibt es vielleicht Projekte oder Aufgaben, bei denen ich unterstützen kann, die in diese Richtung gehen?”
* „Gibt es Aufgaben, bei denen Sie oder das Team Unterstützung gebrauchen könnten? Ich bin offen für Neues und bereit, mich schnell einzuarbeiten.”
Seien Sie flexibel. Wenn Ihr Vorschlag nicht passt, haben Sie idealerweise einen zweiten oder dritten parat.
4. Lernbereitschaft betonen und um Feedback bitten
Zeigen Sie, dass Ihr Hauptanliegen die Weiterentwicklung ist:
* „Ich bin sehr motiviert, neue Bereiche kennenzulernen und meine Fähigkeiten zu erweitern.”
* „Was würden Sie mir vorschlagen, wie ich meine freie Zeit am sinnvollsten nutzen kann, um meine Ausbildung bestmöglich zu gestalten und das Unternehmen zu unterstützen?”
* „Gibt es spezielle Kompetenzen, die ich mir aneignen sollte, um noch nützlicher zu sein?”
Diese Fragen drehen den Spieß um: Sie fordern nicht nur, sondern bieten sich aktiv als Lernender an, der Mehrwert schaffen möchte.
Was Sie UNBEDINGT vermeiden sollten
* **Klagen und Jammern:** „Ich habe nichts zu tun, das ist so langweilig hier.” (Wirkt unmotiviert und negativ.)
* **Vorwürfe machen:** „Sie geben mir nie genug zu tun.” (Schiebt die Verantwortung ab und ist unprofessionell.)
* **Passivität:** Nur den Mangel benennen, ohne eigene Lösungsansätze anzubieten.
* **Forderungen stellen:** „Ich brauche jetzt aber mehr Aufgaben!” (Wirkt anspruchsvoll und undankbar.)
* **Sich selbst beschäftigen mit Privatem:** Am Smartphone spielen, privat surfen oder ähnliches. Das ist nicht nur unprofessionell, sondern kann auch zu einer Abmahnung führen und gibt Ihrer Ausbilderin den Eindruck, dass Sie mit sich selbst genug beschäftigt sind.
Nach dem Gespräch: Am Ball bleiben!
Das Gespräch ist nur der erste Schritt. Was danach passiert, ist entscheidend für den langfristigen Erfolg:
* **Neue Aufgaben gewissenhaft erledigen:** Wenn Ihnen neue Aufgaben zugewiesen werden, erledigen Sie diese sorgfältig, zuverlässig und innerhalb der vereinbarten Frist. Zeigen Sie, dass Sie die Verantwortung tragen können.
* **Fragen stellen (aber richtig):** Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie lieber einmal zu viel als zu wenig. Aber versuchen Sie, sich vorher selbst zu informieren und konkrete Fragen zu stellen, statt „Ich weiß nicht, wie das geht.”
* **Ergebnisse präsentieren:** Informieren Sie Ihre Ausbilderin/Ihren Ausbilder über den Fortschritt oder den Abschluss der Aufgaben. Das zeigt Verantwortungsbewusstsein.
* **Regelmäßiger Austausch:** Wenn die neue Aufgabe erledigt ist und Sie erneut Kapazitäten haben, wiederholen Sie den Prozess. Oder etablieren Sie eine kurze wöchentliche Rücksprache, in der Sie über Ihre Fortschritte berichten und nach neuen Herausforderungen fragen.
* **Dankbarkeit zeigen:** Bedanken Sie sich für die neuen Möglichkeiten und das Vertrauen.
Die langfristigen Vorteile Ihrer Proaktivität
Wenn Sie diesen Ansatz konsequent verfolgen, werden Sie schnell positive Veränderungen bemerken:
1. **Verbessertes Verhältnis zur Ausbilderin/zum Ausbilder:** Sie werden als engagiert, reif und vertrauenswürdig wahrgenommen. Dies kann Türen für mehr Verantwortung und spannendere Projekte öffnen.
2. **Vielfältigere Lerninhalte:** Sie lernen nicht nur die vorgeschriebenen Inhalte Ihrer Ausbildung, sondern auch viele zusätzliche Dinge, die Ihre Kompetenzen erweitern und Sie vielseitiger machen.
3. **Bessere Karrierechancen:** Ihre Proaktivität wird in Ihrem Zeugnis und bei möglichen Übernahmeentscheidungen positiv vermerkt. Sie bauen sich einen Ruf als jemand auf, der anpackt.
4. **Steigerung des Selbstwerts:** Sie fühlen sich gebraucht, wertgeschätzt und sehen, dass Ihre Arbeit einen Unterschied macht. Das steigert Ihre Motivation und Ihr Wohlbefinden.
5. **Netzwerkaufbau:** Durch die Übernahme verschiedener Aufgaben kommen Sie mit mehr Kollegen in Kontakt und erweitern Ihr internes Netzwerk.
Fazit
Langeweile in der Ausbildung ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine verkleidete Chance. Wenn Sie sich unterfordert fühlen, nehmen Sie das Heft des Handelns selbst in die Hand. Bereiten Sie sich sorgfältig vor, gehen Sie das Gespräch professionell und lösungsorientiert an und zeigen Sie Ihrer Ausbilderin, dass Sie bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen und über sich hinauszuwachsen.
Ihr Engagement wird nicht nur zu einer abwechslungsreicheren und lehrreicheren Ausbildungszeit führen, sondern auch den Grundstein für eine erfolgreiche berufliche Zukunft legen. Werden Sie zum Gestalter Ihrer Ausbildung und zeigen Sie, dass Sie nicht nur ein Azubi sind, sondern ein wertvolles Mitglied des Teams, das aktiv zum Erfolg des Unternehmens beitragen möchte. Nutzen Sie die „freie Zeit” als Sprungbrett für Ihre Karriere – es lohnt sich!