Haben Sie sich jemals gefragt, ob es zu spät ist, Ihre Bildungsziele zu verfolgen? Vielleicht bereuen Sie, damals nicht das Fachabitur gemacht zu haben, oder Sie möchten sich beruflich neu orientieren und wissen, dass Ihnen diese Qualifikation die Türen öffnen würde. Die gute Nachricht ist: Es ist nie zu spät! Der zweite Bildungsweg bietet unzählige Möglichkeiten, das Fachabitur nachzuholen – auch und gerade, wenn Sie bereits fest im Berufsleben stehen. Dieser Artikel beleuchtet umfassend, wie Sie diesen Weg erfolgreich beschreiten können, welche Optionen es gibt und wie Sie die Doppelbelastung meistern.
Was ist das Fachabitur (Fachhochschulreife) überhaupt und wozu brauche ich es?
Bevor wir uns den Wegen widmen, klären wir, was genau das Fachabitur ist. Offiziell heißt es Fachhochschulreife. Es ist ein schulischer Abschluss, der in der Regel den Zugang zu allen Studiengängen an Fachhochschulen (FHs) in Deutschland ermöglicht. In einigen Bundesländern können Sie damit unter bestimmten Voraussetzungen auch bestimmte Studiengänge an Universitäten belegen. Im Gegensatz zum Abitur (allgemeine Hochschulreife), das zu jedem Universitätsstudium berechtigt, ist das Fachabitur oft stärker auf spezifische Fachbereiche ausgerichtet.
Die Fachhochschulreife ist in vielen Berufsfeldern ein entscheidender Vorteil. Sie signalisiert Arbeitgebern Engagement, Lernbereitschaft und die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte zu durchdringen. Viele Karrierewege, insbesondere im mittleren und höheren Management, in technischen Berufen oder im sozialen Bereich, sind ohne ein Studium oder zumindest eine fundierte schulische Bildung nur schwer zugänglich. Das Fachabitur ebnet hier den Weg.
Warum der zweite Bildungsweg? Die Chance für Berufstätige
Für viele Menschen, die ihre Schulausbildung frühzeitig beendet haben oder sich nach der Lehre weiterbilden möchten, ist der erste Bildungsweg keine Option mehr. Sie haben Verpflichtungen, müssen ihren Lebensunterhalt verdienen und können nicht einfach wieder die Schulbank drücken, als wäre nichts gewesen. Hier kommt der zweite Bildungsweg ins Spiel: Er ist explizit dafür konzipiert, Erwachsenen und Berufstätigen eine zweite Chance zu geben. Das bedeutet oft flexible Unterrichtszeiten, besondere Lehrmethoden und die Anerkennung von Berufserfahrung.
Der große Vorteil: Sie müssen nicht auf Ihr Einkommen verzichten. Mit den richtigen Strategien können Sie Ihre berufliche Tätigkeit beibehalten und parallel dazu das Fachabitur erwerben. Das erfordert Disziplin und gutes Zeitmanagement, aber es ist absolut machbar und wird von vielen erfolgreich gemeistert.
Die verschiedenen Wege zum Fachabitur durch Arbeiten – alle Optionen im Überblick
Es gibt verschiedene Pfade, die Sie zum Fachabitur berufsbegleitend führen. Jeder hat seine eigenen Vor- und Nachteile. Die Wahl des richtigen Weges hängt von Ihrer persönlichen Situation, Ihrer Lernpräferenz und Ihrem Zeitbudget ab.
1. Das Abendgymnasium und Kolleg
Das Abendgymnasium ist der Klassiker des zweiten Bildungswegs. Es richtet sich an Berufstätige und bietet Unterricht in den Abendstunden an. Typischerweise dauert der Weg zum Fachabitur hier zwei bis drei Jahre, je nachdem, welche Vorkenntnisse Sie mitbringen (z.B. Realschulabschluss). Der Unterricht findet in Präsenz statt, oft an staatlichen Schulen, und ist in der Regel kostenlos. Die Lehrpläne sind an die der Regelschulen angelehnt, aber oft an die Bedürfnisse erwachsener Lernender angepasst.
Vorteile:
- Strukturierter Unterricht mit festen Lehrkräften.
- Möglichkeit zum Austausch und zur Bildung von Lerngruppen mit Gleichgesinnten.
- Feste Ansprechpartner bei Fragen und Problemen.
- Staatlich anerkannt und meist kostenfrei.
Nachteile:
- Weniger flexibel bezüglich der Unterrichtszeiten (feste Termine am Abend).
- Anfahrtsweg zum Lernort.
- Hohe Präsenzpflicht kann bei Schichtarbeit oder häufigen Dienstreisen problematisch sein.
Das Kolleg ist eine ähnliche Einrichtung, die jedoch meist tagsüber unterrichtet wird und eher für Personen gedacht ist, die ihre Berufstätigkeit reduzieren oder unterbrechen können. Es ist daher für das *Nachholen durch Arbeiten* nur bedingt geeignet, es sei denn, Sie können Ihre Arbeitszeit stark flexibilisieren.
2. Fernschulen und Online-Anbieter
Eine äußerst flexible Option sind Fernschulen oder andere Online-Anbieter. Hier lernen Sie weitgehend selbstständig und zeitlich flexibel von zu Hause aus. Sie erhalten Lernmaterialien (Hefte, Online-Module, Videos) und können diese in Ihrem eigenen Tempo bearbeiten. Regelmäßige Einsendeaufgaben werden von Tutoren korrigiert und kommentiert. Am Ende steht eine staatliche Prüfung an, die sogenannte Nichtschülerprüfung (Externenprüfung), auf die Sie die Fernschule vorbereitet.
Vorteile:
- Maximale zeitliche und örtliche Flexibilität – ideal für Berufstätige, Schichtarbeiter oder Eltern.
- Eigenes Lerntempo: Sie können schneller oder langsamer vorangehen, je nach Ihren Bedürfnissen.
- Lernen von überall: Kein Anfahrtsweg, kein fester Stundenplan.
- Individuelle Betreuung durch Tutoren.
Nachteile:
- Hohe Selbstdisziplin und Motivation sind erforderlich.
- Kostenpflichtig (Studiengebühren können jedoch steuerlich absetzbar sein).
- Weniger direkter sozialer Austausch mit Mitschülern, obwohl Online-Foren und Lerngruppen angeboten werden.
- Sie müssen sich eigenständig für die staatliche Externenprüfung anmelden.
Bekannte Anbieter sind beispielsweise die SGD, ILS, HAF oder die AKAD. Achten Sie bei der Wahl auf staatliche Anerkennung und gute Referenzen.
3. Die Externenprüfung (Nichtschülerprüfung)
Die Externenprüfung, auch bekannt als Nichtschülerprüfung, ist keine eigene Lehrform, sondern der Weg, wie Sie das Fachabitur erwerben, wenn Sie keine reguläre Schule besucht haben. Sie lernen den gesamten Stoff eigenständig oder mit Hilfe von Kursen (z.B. von Fernschulen, Volkshochschulen, privaten Bildungsträgern) und legen dann direkt die staatliche Prüfung bei einer Schulbehörde ab. Dies ist der Weg, wenn Sie sich das nötige Wissen autodidaktisch aneignen möchten.
Vorteile:
- Maximale Freiheit in der Wahl der Lernmittel und des Lernrhythmus.
- Potenziell der schnellste Weg, wenn Sie sehr diszipliniert und lernstark sind.
Nachteile:
- Erfordert extrem hohe Selbstdisziplin und ein ausgeprägtes Organisationstalent.
- Keine direkte Betreuung (es sei denn, Sie kombinieren es mit Vorbereitungskursen).
- Das Risiko, den Überblick über den Prüfungsstoff zu verlieren, ist hoch.
4. Volkshochschulen (VHS) und private Bildungsträger
Viele Volkshochschulen oder private Bildungseinrichtungen bieten vorbereitende Kurse für die Externenprüfung zum Fachabitur an. Diese Kurse können eine gute Ergänzung sein, wenn Sie sich nicht allein durchkämpfen möchten, aber nicht die volle Struktur eines Abendgymnasiums benötigen.
Vorteile:
- Oft günstigere Alternative zu Fernschulen.
- Lokale Präsenz und Möglichkeit zum persönlichen Austausch.
- Gezielte Vorbereitung auf einzelne Prüfungsfächer.
Nachteile:
- Das Angebot variiert stark je nach Region.
- Oft handelt es sich um reine Vorbereitungskurse, nicht um einen vollständigen Bildungsgang.
- Die Prüfung müssen Sie dennoch extern ablegen.
5. Beruflich qualifizierende Bildungsgänge
In einigen Bundesländern gibt es spezifische Wege, die Fachhochschulreife über berufliche Qualifikationen zu erwerben. Dazu gehören beispielsweise:
- Fachoberschulen (FOS): Nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung können Sie oft eine einjährige FOS besuchen, die direkt zur Fachhochschulreife führt. Dies erfordert jedoch meist eine Reduzierung oder Aufgabe der Berufstätigkeit, ist aber eine sehr direkte und anerkannte Route.
- Berufsoberschulen (BOS): Ähnlich der FOS, oft auch für Absolventen der mittleren Reife mit Berufserfahrung oder Berufsausbildung. Auch hier ist die Vereinbarkeit mit Vollzeitberufstätigkeit schwierig.
- Techniker- oder Meisterausbildung: In einigen Bundesländern können Absolventen einer Aufstiegsfortbildung zum Techniker, Meister oder Fachwirt unter bestimmten Voraussetzungen die Fachhochschulreife zuerkannt bekommen, manchmal auch mit einer Ergänzungsprüfung in einzelnen Fächern. Dies ist eine hervorragende Option, wenn Sie ohnehin eine solche Fortbildung planen oder bereits absolviert haben, da Sie zwei Qualifikationen auf einmal erwerben.
Diese Wege sind stark an Ihre bereits vorhandene berufliche Qualifikation geknüpft und nicht in jedem Bundesland gleich geregelt. Es lohnt sich, bei der zuständigen Schulbehörde Ihres Bundeslandes nachzufragen.
Finanzierung und Förderungsmöglichkeiten
Die Entscheidung, das Fachabitur nachzuholen, ist eine Investition in Ihre Zukunft. Doch was kostet das und gibt es Unterstützung? Ja, es gibt mehrere Optionen:
- BAföG: Schüler-BAföG kann unter bestimmten Voraussetzungen für den Besuch von Abendgymnasien oder Kollegs gewährt werden. Wenn Sie bereits längere Zeit gearbeitet haben, können Sie unter Umständen elternunabhängiges BAföG erhalten.
- Bildungskredit: Dies sind zinsgünstige Kredite des Bundes, die unabhängig vom Einkommen und Vermögen der Eltern vergeben werden können.
- Steuerliche Absetzbarkeit: Kosten für das Fachabitur, wie Studiengebühren, Fahrtkosten, Lernmaterialien, können als Werbungskosten oder Sonderausgaben in der Steuererklärung geltend gemacht werden.
- Arbeitgeberzuschüsse / Bildungsurlaub: Sprechen Sie mit Ihrem Arbeitgeber! Einige Unternehmen unterstützen die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter finanziell oder durch die Gewährung von Bildungsurlaub.
- Meister-BAföG (Aufstiegs-BAföG): Wenn Sie einen beruflichen Bildungsgang zum Techniker oder Meister absolvieren, der zur Fachhochschulreife führt, können Sie unter Umständen diese Förderung beantragen.
Es ist ratsam, sich frühzeitig über die individuellen Fördermöglichkeiten zu informieren.
Tipps für den Erfolg: So meistern Sie die Doppelbelastung
Das Studieren neben dem Beruf ist eine Herausforderung, aber absolut machbar. Hier sind einige bewährte Tipps, die Ihnen helfen, erfolgreich zu sein:
- Realistische Ziele setzen: Überschätzen Sie Ihre Kapazitäten nicht. Planen Sie genügend Pufferzeiten ein. Lieber etwas länger brauchen als frustriert aufgeben.
- Zeitmanagement ist alles: Erstellen Sie einen detaillierten Lernplan. Blocken Sie feste Lernzeiten in Ihrem Kalender und behandeln Sie diese wie berufliche Termine. Nutzen Sie Wochenenden und freie Abende effektiv.
- Prioritäten setzen: Es wird Phasen geben, in denen Sie auf Hobbys oder soziale Aktivitäten verzichten müssen. Erklären Sie Ihrem Umfeld Ihre Situation.
- Unterstützung suchen: Informieren Sie Familie und Freunde über Ihr Vorhaben. Ihre Unterstützung – sei es durch Haushaltshilfe oder moralischen Beistand – ist Gold wert. Bilden Sie Lerngruppen, um sich gegenseitig zu motivieren und auszutauschen.
- Disziplin und Motivation: Halten Sie sich Ihr Ziel immer vor Augen. Visualisieren Sie, was Sie mit dem Fachabitur erreichen möchten. Belohnen Sie sich für erreichte Meilensteine.
- Gesundheit nicht vernachlässigen: Achten Sie auf ausreichend Schlaf, eine ausgewogene Ernährung und Bewegung. Ein erschöpfter Geist lernt schlecht. Machen Sie regelmäßige Pausen.
- Flexibilität bewahren: Das Leben hält immer Überraschungen bereit. Wenn der Lernplan mal nicht aufgeht, ist das kein Weltuntergang. Passen Sie ihn an und machen Sie weiter.
Fazit: Ihr Weg zum Fachabitur wartet
Das Fachabitur nachholen, während man arbeitet, ist ein anspruchsvolles, aber lohnendes Unterfangen. Es gibt vielfältige Wege, sei es über das Abendgymnasium, eine Fernschule oder die gezielte Externenprüfung. Jeder Weg bietet die Chance, sich beruflich weiterzuentwickeln, neue Perspektiven zu gewinnen und den Grundstein für ein Hochschulstudium zu legen. Mit der richtigen Planung, einer guten Portion Disziplin und der Unterstützung Ihres Umfelds können Sie diesen wichtigen Schritt erfolgreich meistern.
Investieren Sie in sich selbst. Ihr zukünftiges Ich wird es Ihnen danken. Ihr Weg zum Fachabitur kann heute beginnen.