Anbieter liefert nicht: Wie Sie Ihren Internet-Vertrag kündigen, wenn der Anschluss nicht möglich ist

Die Vorfreude auf schnelles Internet, reibungsloses Streaming und unterbrechungsfreies Arbeiten ist groß, wenn man einen neuen Internet-Vertrag abschließt. Man wählt den vermeintlich besten Anbieter, freut sich auf den Anschlusstermin – doch dann kommt die Ernüchterung: Der Anbieter kann den versprochenen Anschluss nicht herstellen. Sei es aufgrund technischer Probleme, fehlender Kapazitäten oder gar einer Unmöglichkeit der Leitung. Was nun? Viele Verbraucher fühlen sich in dieser Situation hilflos und wissen nicht, welche Rechte sie haben. Dieser umfassende Leitfaden zeigt Ihnen detailliert, wie Sie Ihren Internet-Vertrag rechtssicher kündigen können, wenn der Anschluss nicht zustande kommt, und wie Sie gestärkt aus dieser misslichen Lage hervorgehen.

### Warum kommt es überhaupt zu Lieferengpässen oder Unmöglichkeiten?

Bevor wir uns den rechtlichen Schritten widmen, ist es hilfreich zu verstehen, warum ein Internetanbieter möglicherweise seine Leistung nicht erbringen kann. Die Gründe hierfür können vielfältig sein:

* **Technische Machbarkeit:** Manchmal stellt sich erst bei der Prüfung vor Ort oder kurz vor dem Anschlusstermin heraus, dass die nötige Infrastruktur (z.B. Glasfaser, DSL-Kabel) nicht bis zur Wohnung oder zum Gebäude reicht oder bauliche Gegebenheiten eine Installation verhindern.
* **Kapazitätsgrenzen:** In manchen Regionen sind die verfügbaren Kapazitäten des Netzes ausgeschöpft, und der Anbieter kann keine weiteren Anschlüsse schalten.
* **Probleme mit Vorleistern:** Viele Anbieter nutzen die Netze größerer Telekommunikationsunternehmen. Kommt es hier zu Kommunikationsproblemen, Verzögerungen bei der Bereitstellung oder technischen Hindernissen auf Seiten des Vorleisters, kann der Endanbieter seinen Vertrag nicht erfüllen.
* **Fehler in der Auftragsbearbeitung:** Auch menschliche Fehler oder Systemprobleme können dazu führen, dass ein Auftrag nicht korrekt bearbeitet oder ausgeführt wird.
* **Bauliche Hürden:** Manchmal sind Genehmigungen für Tiefbauarbeiten erforderlich, um Leitungen zu verlegen, oder es gibt unerwartete Hindernisse im Untergrund, die den Ausbau verzögern oder unmöglich machen.

Unabhängig vom genauen Grund: Wenn der Anbieter die versprochene Leistung nicht erbringen kann, haben Sie als Kunde das Recht, darauf zu reagieren.

### Ihre Rechte als Verbraucher: Der rechtliche Rahmen

Ein Internet-Vertrag ist ein sogenannter „Dienstleistungsvertrag“ oder „Werkvertrag“, je nachdem, wie man die Installation und den fortlaufenden Dienst betrachtet. Grundsätzlich gilt: Ein Vertrag ist dazu da, erfüllt zu werden. Wenn der Anbieter seine Leistung – nämlich die Bereitstellung des Internetanschlusses – nicht erbringt, spricht man von einer **Leistungsstörung**.

Im deutschen Recht, insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sind solche Fälle klar geregelt. Die wichtigsten Paragrafen, die hier zur Anwendung kommen, sind:

* **§ 280 BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung):** Wenn der Anbieter seine Pflichten (den Anschluss bereitzustellen) verletzt, können Sie unter Umständen Schadensersatz fordern.
* **§ 323 BGB (Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung):** Dieser Paragraph ist Ihr stärkstes Werkzeug. Er besagt, dass Sie vom Vertrag zurücktreten können, wenn der Anbieter eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und eine von Ihnen gesetzte angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung erfolglos verstrichen ist.
* **§ 326 BGB (Befreiung von der Gegenleistung und Rücktritt bei Ausschluss der Leistungspflicht):** Wenn die Leistungserbringung für den Anbieter objektiv unmöglich ist, entfällt seine Leistungspflicht. Im Gegenzug entfällt auch Ihre Pflicht zur Zahlung. In diesem Fall können Sie ebenfalls vom Vertrag zurücktreten.

Der entscheidende Punkt ist der **Verzug** des Anbieters. Der Anbieter gerät in Verzug, wenn er eine Leistung nicht zu dem vereinbarten oder üblichen Zeitpunkt erbringt, obwohl sie fällig und einforderbar ist. Ohne einen funktionierenden Anschluss ist die Hauptleistung des Anbieters nicht erbracht.

Im Klartext bedeutet dies: Sie müssen nicht tatenlos zusehen und für eine Leistung bezahlen, die Sie nicht erhalten. Sie haben das Recht, sich vom Vertrag zu lösen und gegebenenfalls entstandene Schäden geltend zu machen.

### Der Weg zur erfolgreichen Kündigung: Schritt für Schritt erklärt

Um Ihren Vertrag erfolgreich und rechtssicher zu kündigen, wenn der Anschluss nicht möglich ist, sollten Sie strukturiert vorgehen und jeden Schritt sorgfältig dokumentieren.

#### Schritt 1: Das erste Gespräch mit dem Anbieter – Klärung und Dokumentation

Bevor Sie rechtliche Schritte einleiten, suchen Sie zunächst das Gespräch mit Ihrem Anbieter. Fragen Sie nach dem genauen Grund, warum der Anschluss nicht geschaltet werden kann und wann mit einer Lösung zu rechnen ist.

* **Telefonisch:** Rufen Sie die Hotline an. Notieren Sie sich Datum, Uhrzeit, den Namen des Gesprächspartners (falls verfügbar) und eine kurze Zusammenfassung des Gesprächsinhalts.
* **Schriftlich (E-Mail/Kontaktformular):** Senden Sie eine E-Mail oder nutzen Sie das Kontaktformular auf der Webseite des Anbieters. Beschreiben Sie kurz die Situation und bitten Sie um eine Stellungnahme und einen verbindlichen Termin für die Anschlussrealisierung. Bewahren Sie diese Korrespondenz unbedingt auf.

Ziel dieses ersten Schrittes ist es, eine offizielle Aussage des Anbieters zu erhalten und gleichzeitig zu dokumentieren, dass Sie aktiv geworden sind und eine Lösung gesucht haben.

#### Schritt 2: Die Fristsetzung – Geben Sie dem Anbieter eine letzte Chance

Wenn das erste Gespräch keine verbindliche Zusage oder eine Lösung bringt, müssen Sie dem Anbieter eine **angemessene Frist** zur Leistungserbringung setzen. Dies ist ein entscheidender Schritt, um den Anbieter in Verzug zu setzen und Ihre Rechte nach § 323 BGB geltend machen zu können.

* **Formulierung:** Verfassen Sie ein Schreiben (Einschreiben mit Rückschein ist dringend empfohlen!), in dem Sie klar und unmissverständlich den Sachverhalt schildern: Sie haben den Vertrag am [Datum des Vertragsabschlusses] geschlossen, der Anschluss sollte am [ursprünglicher Anschlusstermin] erfolgen, was aber nicht geschehen ist.
* **Frist:** Setzen Sie eine klare Frist für die endgültige Bereitstellung des Anschlusses. Eine Frist von 10 bis 14 Kalendertagen ab Erhalt des Schreibens gilt in der Regel als angemessen.
* **Konsequenzen androhen:** Machen Sie unmissverständlich klar, was passiert, wenn diese Frist nicht eingehalten wird. Formulieren Sie, dass Sie nach Ablauf der Frist **vom Vertrag zurücktreten** und somit den Vertrag fristlos kündigen werden.

**Beispielformulierung (Kerninhalt):**
„Sehr geehrte Damen und Herren,
bezüglich meines am [Datum] geschlossenen Internet-Vertrages mit der Vertragsnummer [Vertragsnummer] stelle ich fest, dass der vereinbarte Internet-Anschluss am [ursprünglicher Anschlusstermin] bis heute nicht geschaltet wurde. Trotz meiner wiederholten Kontaktaufnahme am [Datum 1] und [Datum 2] konnte bisher keine Leistung erbracht werden.
Ich fordere Sie hiermit auf, den vertraglich vereinbarten Internet-Anschluss unverzüglich, spätestens jedoch bis zum [Datum, z.B. 14 Tage ab Versanddatum plus 3 Tage Postweg] vollständig und funktionsfähig zu schalten.
Sollte diese Frist fruchtlos verstreichen, werde ich von meinem **Rücktrittsrecht** gemäß § 323 BGB Gebrauch machen und den Vertrag **fristlos kündigen**. Alle daraus resultierenden Ansprüche, insbesondere auf Schadensersatz, behalte ich mir vor.“

**Wichtig:** Senden Sie dieses Schreiben unbedingt per **Einschreiben mit Rückschein**. Nur so haben Sie einen gerichtsfesten Nachweis, dass der Anbieter Ihr Schreiben erhalten hat und wann dies geschah.

#### Schritt 3: Die offizielle Kündigung – Schriftlich und nachweisbar

Ist die von Ihnen gesetzte Frist ohne Ergebnis verstrichen, d.h., der Anschluss ist immer noch nicht geschaltet oder funktioniert nicht, können Sie den Vertrag **fristlos kündigen** (bzw. Ihren **Rücktritt vom Vertrag** erklären).

* **Kündigungsschreiben:** Verfassen Sie ein weiteres Schreiben. Beziehen Sie sich auf Ihr vorheriges Schreiben mit der Fristsetzung und stellen Sie fest, dass diese Frist ergebnislos verstrichen ist.
* **Klare Erklärung:** Erklären Sie ausdrücklich Ihren Rücktritt vom Vertrag und die fristlose Kündigung aufgrund der Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten durch den Anbieter.
* **Forderung:** Fordern Sie eine schriftliche Bestätigung der Kündigung und des Rücktritts sowie eine Bestätigung, dass keine weiteren Kosten entstehen.
* **Forderung nach Erstattung:** Sollten Sie bereits Zahlungen geleistet haben (z.B. Bereitstellungsgebühr), fordern Sie diese ebenfalls zurück.
* **Hardware:** Falls Ihnen bereits Hardware (Router, Receiver) zugesandt wurde, äußern Sie sich zur Rücksendung und fordern Sie Anweisungen dazu.

**Beispielformulierung (Kerninhalt):**
„Sehr geehrte Damen und Herren,
bezugnehmend auf mein Schreiben vom [Datum des Fristsetzungsschreibens], das Sie am [Datum des Empfangs per Einschreiben] erhalten haben, und die darin gesetzte Frist zur Schaltung meines Internet-Anschlusses mit der Vertragsnummer [Vertragsnummer], muss ich feststellen, dass diese Frist am [Ablaufdatum der Frist] ergebnislos verstrichen ist. Der Internet-Anschluss ist weiterhin nicht funktionsfähig.
Hiermit erkläre ich, gemäß § 323 BGB, meinen **Rücktritt von unserem Vertrag** vom [Datum des Vertragsabschlusses] und kündige diesen Vertrag **fristlos und außerordentlich** mit sofortiger Wirkung.
Ich fordere Sie auf, mir binnen 10 Werktagen eine schriftliche Bestätigung über den Rücktritt und die fristlose Kündigung sowie eine Bestätigung zu senden, dass keinerlei Forderungen oder weitere Kosten meinerseits bestehen werden.
Die mir zugesandte Hardware (z.B. Router [Modell]) halte ich zur Abholung bereit bzw. bitte ich um Mitteilung, wie ich diese kostenfrei an Sie zurücksenden kann. Eventuell bereits gezahlte Beträge, wie z.B. die Bereitstellungsgebühr in Höhe von [Betrag], sind mir unverzüglich auf das Konto [Ihre IBAN] zu erstatten.“

Auch dieses Schreiben senden Sie unbedingt per **Einschreiben mit Rückschein**. Bewahren Sie alle Unterlagen sorgfältig auf.

#### Schritt 4: Umgang mit Hardware und bereits gezahlten Gebühren

* **Hardware:** Senden Sie die erhaltene Hardware nicht eigenmächtig zurück, sondern warten Sie auf Anweisungen des Anbieters. Wenn der Vertrag nicht zustande kommt, ist der Anbieter für die Rückholung verantwortlich oder muss Ihnen ein kostenloses Retourenlabel zur Verfügung stellen. Dokumentieren Sie den Zustand der Geräte vor der Rücksendung (Fotos).
* **Gezahlte Gebühren:** Wenn Sie bereits eine Bereitstellungsgebühr oder erste Monatsbeiträge bezahlt haben, haben Sie Anspruch auf vollständige Rückerstattung, da der Anbieter seine Leistung nicht erbracht hat. Sollte der Anbieter die Rückzahlung verweigern, mahnen Sie den Betrag an und ziehen Sie gegebenenfalls die **Verbraucherzentrale** oder einen Rechtsanwalt hinzu.

#### Schritt 5: Schadensersatzansprüche – Wenn mehr als nur Ärger entstanden ist

Neben dem Rücktritt vom Vertrag haben Sie unter Umständen auch Anspruch auf **Schadensersatz** gemäß § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB. Dies kann der Fall sein, wenn Ihnen durch die Nichtleistung des Anbieters ein finanzieller Schaden entstanden ist.

* **Mögliche Schäden:**
* **Kosten für alternative Internetzugänge:** Zum Beispiel, wenn Sie gezwungen waren, ein teureres Mobilfunk-Datenvolumen zu kaufen, um weiter arbeiten oder kommunizieren zu können.
* **Verdienstausfall:** Wenn Sie durch den fehlenden Internetzugang nicht arbeiten konnten und dadurch Einkommen verloren haben (dies ist oft schwer nachweisbar).
* **Fahrtkosten:** Wenn Sie extra zu öffentlichen WLAN-Hotspots oder Freunden fahren mussten, um online zu sein.
* **Nachweis:** Der Nachweis von Schadensersatzansprüchen kann komplex sein. Bewahren Sie alle Belege (z.B. Rechnungen für zusätzliches Datenvolumen) auf. Die Geltendmachung solcher Ansprüche erfordert oft rechtliche Beratung.

In vielen Fällen ist es praktikabler, sich auf den Rücktritt und die fristlose Kündigung zu konzentrieren, da diese einfacher durchzusetzen sind, als langwierige Schadensersatzforderungen.

### Wichtige Tipps und häufige Fallstricke

* **Dokumentation ist alles:** Bewahren Sie jede E-Mail, jeden Brief, jede Gesprächsnotiz und jeden Sendebeleg auf. Sie sind Ihre Beweismittel im Streitfall.
* **Nicht voreilig handeln:** Kündigen Sie nicht vorschnell einen neuen Vertrag bei einem anderen Anbieter, bevor der alte Vertrag nicht rechtswirksam beendet ist. Sonst zahlen Sie womöglich doppelt.
* **Geduld vs. Beharrlichkeit:** Geben Sie dem Anbieter eine faire Chance, die Probleme zu lösen, aber lassen Sie sich nicht endlos vertrösten. Halten Sie sich strikt an die gesetzten Fristen.
* **Einzugsermächtigung:** Widerrufen Sie eine erteilte Einzugsermächtigung erst, wenn Sie sicher sind, dass der Vertrag wirksam beendet ist und keine berechtigten Forderungen des Anbieters mehr bestehen. Andernfalls könnten Ihnen Mahngebühren entstehen.
* **Verbraucherzentrale:** Bei Problemen oder Unsicherheiten ist die **Verbraucherzentrale** eine wertvolle Anlaufstelle. Sie bieten oft eine erste kostenlose Beratung und können bei der Formulierung von Schreiben helfen.
* **Rechtsschutzversicherung:** Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, informieren Sie diese frühzeitig über den Sachverhalt. Sie kann die Kosten für einen Anwalt übernehmen, falls es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen sollte.
* **Alternative prüfen:** Sollte die Schaltung des Internetanschlusses an Ihrem Wohnort generell problematisch sein (z.B. ländlicher Raum), prüfen Sie, ob Alternativen wie **Satelliten-Internet** oder **Mobilfunk-Internet (LTE/5G)** für Sie in Frage kommen.

### Fazit: Wie Sie gestärkt aus der Situation hervorgehen

Wenn Ihr Internet-Anbieter den versprochenen Anschluss nicht liefern kann, ist das ärgerlich und frustrierend. Doch Sie sind nicht machtlos. Das deutsche Vertragsrecht schützt Sie als Verbraucher und gibt Ihnen klare Instrumente an die Hand, um sich aus einem nicht erfüllten Vertrag zu lösen.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einem **strukturierten, dokumentierten Vorgehen** und dem Wissen um Ihre **Verbraucherrechte**. Indem Sie dem Anbieter klare Fristen setzen, Ihre Kündigungsabsicht eindeutig kommunizieren und alle Schritte sorgfältig dokumentieren, können Sie den Vertrag fristlos beenden, ohne auf weitere Kosten sitzen zu bleiben.

Nutzen Sie diesen Leitfaden als Ihren persönlichen Fahrplan. Mit diesen Informationen sind Sie bestens gerüstet, um Ihre Interessen durchzusetzen und schnell wieder zu einem funktionierenden Internetzugang zu gelangen – sei es bei Ihrem alten Anbieter, falls dieser doch noch liefern kann, oder bei einem neuen, zuverlässigeren Provider. Lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern werden Sie aktiv!