Der 3D-Druck hat sich von einer Nische für Bastler zu einer weit verbreiteten Technologie in Industrie und Haushalten entwickelt. Einer der beliebtesten Hersteller im Bereich des Desktop-3D-Drucks ist Anycubic. Anycubic-Drucker sind bekannt für ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und ihre Benutzerfreundlichkeit, aber wie alle mechanischen Geräte können auch sie von Zeit zu Zeit Wartung und Reparaturen benötigen. Eine häufige Reparatur ist der Austausch des Heizelements. Aber was viele neue Nutzer übersehen: Nach dem Austausch des Heizelements ist eine neue Kalibrierung unerlässlich. In diesem Artikel erklären wir im Detail, warum das so ist, welche Schritte zur Kalibrierung notwendig sind und was passiert, wenn man diesen wichtigen Schritt übersieht.
Warum das Heizelement überhaupt getauscht werden muss
Bevor wir uns mit der Kalibrierung befassen, wollen wir kurz darauf eingehen, warum das Heizelement überhaupt ausgetauscht werden muss. Das Heizelement, auch Heizpatrone genannt, ist ein kritischer Bestandteil des 3D-Druckers. Es ist dafür verantwortlich, das Filament auf die erforderliche Temperatur zu erhitzen, damit es extrudiert werden kann. Im Laufe der Zeit kann das Heizelement aus verschiedenen Gründen versagen:
* **Durchbrennen:** Wie jede elektrische Komponente kann das Heizelement durchbrennen, insbesondere wenn es hohen Temperaturen und wiederholten Zyklen ausgesetzt ist.
* **Korrosion:** Die Umgebung im Druckkopf kann ätzend sein, was zu Korrosion und Ausfällen führen kann.
* **Mechanische Beschädigung:** Unsachgemäße Handhabung oder Stöße können das Heizelement beschädigen.
* **Verschleiß:** Einfach durch den normalen Gebrauch kann die Leistung des Heizelements nachlassen.
Wenn das Heizelement defekt ist, kann der Drucker nicht mehr richtig heizen, was zu Druckfehlern, Verstopfungen oder sogar zum kompletten Ausfall des Druckers führt.
Warum die Kalibrierung nach dem Austausch des Heizelements so wichtig ist
Nach dem Austausch des Heizelements mag es verlockend sein, einfach weiterzudrucken. Das wäre jedoch ein großer Fehler. Der Austausch des Heizelements beeinflusst verschiedene Aspekte des Druckprozesses, die eine Neukalibrierung erforderlich machen. Hier sind die Hauptgründe:
* **Temperaturgenauigkeit:** Unterschiedliche Heizelemente können leicht unterschiedliche Widerstandswerte haben. Das bedeutet, dass das neue Element bei derselben Spannung möglicherweise eine etwas andere Temperatur erreicht als das alte. Der Drucker misst die Temperatur anhand des Widerstands, und wenn dieser sich geändert hat, sind die angezeigten und die tatsächlichen Temperaturen nicht mehr identisch. Das führt zu Problemen bei der Haftung, der Filamentförderung und der Schichthaftung.
* **PID-Regelung:** Die meisten 3D-Drucker verwenden eine PID-Regelung (Proportional-Integral-Derivativ), um die Temperatur des Hotends zu stabilisieren. Die PID-Regelung verwendet drei Parameter, um die Heizleistung so anzupassen, dass die Zieltemperatur schnell erreicht und stabil gehalten wird, ohne zu überschwingen. Durch den Austausch des Heizelements verändern sich die thermischen Eigenschaften des Hotends, was die bestehenden PID-Werte ungültig macht. Eine Neukalibrierung, oft als PID-Tuning bezeichnet, ist notwendig, um die PID-Parameter an das neue Heizelement anzupassen.
* **Druckbetthöhe:** Obwohl es nicht direkt mit dem Heizelement zusammenhängt, kann der Austausch des Heizelements eine Gelegenheit sein, die Druckbetthöhe zu überprüfen und anzupassen. Das Hotend kann sich leicht bewegt haben, oder man hat es unabsichtlich berührt. Eine korrekte Betthöhe ist entscheidend für die Haftung der ersten Schicht und den Erfolg des Drucks.
* **Materialspezifische Einstellungen:** Verschiedene Filamente erfordern unterschiedliche Temperatureinstellungen. Durch die Veränderung der Heizeigenschaften des Hotends kann es notwendig sein, die Temperatureinstellungen für jedes Material zu optimieren.
Die Folgen einer fehlenden Kalibrierung
Was passiert, wenn man nach dem Austausch des Heizelements keine neue Kalibrierung durchführt? Die Folgen können vielfältig und frustrierend sein:
* **Schlechte Haftung der ersten Schicht:** Die erste Schicht ist entscheidend für den Erfolg des gesamten Drucks. Wenn die Temperatur nicht stimmt, haftet das Filament möglicherweise nicht richtig am Druckbett.
* **Warping:** Durch ungleichmäßige Erwärmung oder Kühlung kann sich das Druckobjekt verziehen, besonders bei größeren Drucken.
* **Schichthaftungsprobleme:** Wenn die Temperatur nicht optimal ist, können die einzelnen Schichten nicht richtig miteinander verschmelzen, was zu schwachen und brüchigen Drucken führt.
* **Verstopfungen:** Zu hohe oder zu niedrige Temperaturen können zu Verstopfungen im Hotend führen.
* **Überhitzung:** Wenn die PID-Regelung nicht korrekt ist, kann das Hotend überhitzen und das Filament verbrennen oder sogar den Drucker beschädigen.
* **Qualitätsverlust:** Insgesamt leidet die Druckqualität erheblich.
Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Kalibrierung nach dem Heizelementwechsel
Hier ist eine detaillierte Anleitung, wie Sie Ihren Anycubic 3D-Drucker nach dem Austausch des Heizelements richtig kalibrieren:
**1. Sicherheitsvorkehrungen:**
* **Schalten Sie den Drucker aus:** Bevor Sie mit der Arbeit beginnen, schalten Sie den Drucker aus und ziehen Sie den Netzstecker.
* **Warten Sie, bis das Hotend abgekühlt ist:** Berühren Sie das Hotend nicht, solange es heiß ist. Warten Sie, bis es vollständig abgekühlt ist.
* **Tragen Sie Schutzkleidung:** Tragen Sie gegebenenfalls Handschuhe und eine Schutzbrille.
**2. Vorbereitung:**
* **Stellen Sie sicher, dass das neue Heizelement korrekt installiert ist:** Überprüfen Sie, ob das neue Heizelement fest im Hotend sitzt und die Kabel korrekt angeschlossen sind.
* **Reinigen Sie das Druckbett:** Stellen Sie sicher, dass das Druckbett sauber und frei von Rückständen ist. Verwenden Sie Isopropylalkohol und ein fusselfreies Tuch.
* **Besorgen Sie sich die notwendigen Werkzeuge:** Sie benötigen einen Schraubenschlüssel oder eine Zange, um das Hotend zu justieren, und eventuell einen Fühlerlehrensatz für die Betthöhenjustierung.
**3. PID-Tuning durchführen:**
Das PID-Tuning ist der wichtigste Schritt nach dem Austausch des Heizelements. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das PID-Tuning durchzuführen. Hier sind zwei gängige Methoden:
* **Über die Firmware (Marlin):** Die meisten Anycubic-Drucker verwenden die Marlin-Firmware. Sie können das PID-Tuning über die serielle Konsole (z.B. mit Pronterface oder OctoPrint) durchführen.
* Verbinden Sie Ihren Drucker mit Ihrem Computer.
* Öffnen Sie Pronterface oder OctoPrint.
* Senden Sie den Befehl `M303 E0 S210 C8` (oder `M303 E0 S230 C8` für ABS). `E0` steht für das Hotend, `S210` für die Zieltemperatur (hier 210°C für PLA) und `C8` für die Anzahl der Heizzyklen. Passen Sie die Temperatur an das Filament an, das Sie hauptsächlich drucken.
* Der Drucker führt nun eine Reihe von Heizzyklen durch und berechnet die optimalen PID-Werte.
* Notieren Sie sich die berechneten PID-Werte (Kp, Ki, Kd).
* Senden Sie die Befehle `M301 Pxx Iyy Dzz` (ersetzen Sie `xx`, `yy` und `zz` durch die berechneten Werte) und `M500` (um die Werte im EEPROM zu speichern).
* **Über das Drucker-Menü:** Einige Anycubic-Drucker haben eine Option im Menü, um das PID-Tuning durchzuführen. Suchen Sie nach einer Option wie „PID Auto Tune” oder „Temperature Calibration” und folgen Sie den Anweisungen auf dem Bildschirm.
**4. Druckbetthöhe einstellen (Bed Leveling):**
Eine korrekte Betthöhe ist entscheidend für die Haftung der ersten Schicht. Führen Sie die Betthöhenjustierung sorgfältig durch.
* **Manuelles Bed Leveling:** Bei Druckern ohne automatische Betthöhenjustierung müssen Sie die Betthöhe manuell mit den Einstellschrauben unter dem Druckbett anpassen. Verwenden Sie ein Blatt Papier oder eine Fühlerlehre (0,1 mm), um den Abstand zwischen der Düse und dem Druckbett zu überprüfen. Die Düse sollte das Papier leicht berühren, aber nicht daran kratzen.
* **Automatische Betthöhenjustierung (ABL):** Wenn Ihr Drucker über ABL verfügt, führen Sie eine neue Betthöhenmessung durch. Die meisten ABL-Systeme speichern die erstellte Betthöhenkarte im EEPROM, sodass der Drucker die Unebenheiten des Druckbetts ausgleichen kann.
**5. Temperaturtests durchführen:**
* **Drucken Sie einen Temperaturturm:** Ein Temperaturturm ist ein Testobjekt, bei dem die Temperatur für jede Schicht variiert wird. Dadurch können Sie die optimale Temperatur für das verwendete Filament ermitteln.
* **Beobachten Sie die Druckergebnisse:** Achten Sie auf Anzeichen von Überhitzung (Fädenziehen, Verformung) oder Unterhitzung (schlechte Schichthaftung).
* **Passen Sie die Temperatureinstellungen an:** Verwenden Sie die Ergebnisse des Temperaturturms, um die Temperatureinstellungen im Slicer für das jeweilige Filament zu optimieren.
**6. Flussrate kalibrieren (Extrusion Multiplier):**
* Die Flussrate bestimmt, wie viel Filament der Extruder fördert. Durch den Austausch des Heizelements kann sich auch die Viskosität des geschmolzenen Filaments ändern, was eine Anpassung der Flussrate erforderlich machen kann.
* Drucken Sie ein einfaches Testobjekt (z.B. einen Würfel) und messen Sie die Wandstärke.
* Passen Sie den Extrusionsmultiplier im Slicer an, bis die Wandstärke den erwarteten Wert erreicht.
**7. Erste Testdrucke:**
* Drucken Sie ein kleines, einfaches Objekt (z.B. einen Haftungs-Test oder einen kleinen Kalibrierungswürfel).
* Beobachten Sie den Druckprozess sorgfältig und achten Sie auf Probleme wie Warping, schlechte Schichthaftung oder Verstopfungen.
* Passen Sie die Einstellungen bei Bedarf weiter an.
Zusätzliche Tipps und Tricks
* **Dokumentieren Sie Ihre Einstellungen:** Notieren Sie sich die optimalen PID-Werte, Temperaturen und Flussraten für jedes Filament. Dies erleichtert die Wiederherstellung der Einstellungen, wenn Sie diese versehentlich ändern oder einen neuen Drucker einrichten.
* **Verwenden Sie eine hochwertige Wärmeleitpaste:** Tragen Sie beim Einbau des neuen Heizelements eine hochwertige Wärmeleitpaste zwischen Heizelement und Heizblock auf, um eine optimale Wärmeübertragung zu gewährleisten.
* **Überprüfen Sie regelmäßig die Temperatur:** Verwenden Sie ein Infrarot-Thermometer, um die Temperatur des Hotends zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie mit der angezeigten Temperatur übereinstimmt.
* **Aktualisieren Sie die Firmware:** Stellen Sie sicher, dass Sie die neueste Firmware-Version für Ihren Drucker verwenden. Firmware-Updates enthalten oft Verbesserungen der PID-Regelung und andere wichtige Funktionen.
Fazit
Der Austausch des Heizelements an Ihrem Anycubic 3D-Drucker ist eine relativ einfache Reparatur, aber die anschließende Kalibrierung ist entscheidend für den Erfolg Ihrer zukünftigen Drucke. Durch das Ignorieren der Kalibrierung riskieren Sie eine Vielzahl von Problemen, die die Druckqualität beeinträchtigen und sogar zu Schäden am Drucker führen können. Nehmen Sie sich die Zeit, das PID-Tuning durchzuführen, die Betthöhe einzustellen und die Temperatureinstellungen zu optimieren, um sicherzustellen, dass Ihr Drucker nach dem Austausch des Heizelements wieder einwandfrei funktioniert. Mit den richtigen Schritten und etwas Geduld können Sie sicherstellen, dass Ihre Drucke auch weiterhin von hoher Qualität sind.