Die Veröffentlichung einer neuen Grafikkarte ist für Gaming-Enthusiasten immer ein spannendes Ereignis. Mit der AMD Radeon RX 7700 XT hat AMD eine Mittelklasse-Grafikkarte auf den Markt gebracht, die sich primär an Spieler richtet, die in WQHD (1440p) zocken möchten. Während die Karte in traditionellen Rasterisierungs-Benchmarks eine beachtliche Leistung für ihren Preis zeigt, stellt sich die entscheidende Frage: Wie schlägt sich die RX 7700 XT, wenn es um die immer populärer werdende Technologie des Raytracings geht? Kann man damit wirklich flüssig spielen oder bleibt es eine Nische für Enthusiasten?
Die AMD Radeon RX 7700 XT – Eine Einführung
Bevor wir uns dem Kernthema widmen, werfen wir einen kurzen Blick auf die technischen Daten, die die RX 7700 XT zu einer attraktiven Option für 1440p-Gaming machen. Basierend auf der modernen RDNA 3-Architektur und dem Navi 32 XL-Chip bietet sie 54 Compute Units (CUs), die in der Praxis 3456 Stream-Prozessoren bedeuten. Dazu gesellen sich 12 GB GDDR6 VRAM an einem 192-Bit-Speicherinterface und ein Game-Takt von bis zu 2171 MHz (Boost bis 2544 MHz). Mit einer typischen Board-Power von 245 Watt ist sie energieeffizienter als ihr großer Bruder, die RX 7800 XT, und positioniert sich preislich meist unterhalb der NVIDIA GeForce RTX 4070, während sie in vielen Rasterisierungs-Benchmarks mit der RTX 4060 Ti konkurriert oder diese gar übertrifft. Für klassisches Gaming in 1440p ohne Raytracing ist die 7700 XT also eine formidable Wahl, die viele aktuelle Titel mit hohen Bildraten und Einstellungen meistert.
Was ist Raytracing überhaupt und warum ist es so anspruchsvoll?
Raytracing ist eine fortschrittliche Rendering-Technik, die das physikalische Verhalten von Licht simuliert. Anstatt nur statische Lichtkarten zu verwenden, werden Lichtstrahlen von einer imaginären Kamera durch die Szene verfolgt und ihre Interaktionen mit Objekten (Reflexionen, Brechungen, Schattenbildung) berechnet. Das Ergebnis sind unglaublich realistische Beleuchtung, präzise Schatten und Spiegelungen, die das Spielgeschehen immersiver und glaubwürdiger erscheinen lassen. Der Haken daran: Diese Berechnungen sind extrem komplex und erfordern eine enorme Rechenleistung. Selbst modernste GPUs kommen dabei schnell an ihre Grenzen.
AMD hat mit seiner RDNA 3-Architektur dedizierte Ray Accelerators in jeder Compute Unit integriert, die speziell für diese Art von Berechnungen optimiert sind. Dies stellt eine deutliche Verbesserung gegenüber der RDNA 2-Generation dar, die AMDs erste Gehversuche in dieser Technologie markierte. Doch wie gut können diese Beschleuniger tatsächlich mithalten?
Testumgebung und Methodik
Um die Raytracing-Fähigkeiten der RX 7700 XT realistisch einschätzen zu können, haben wir eine typische High-End-Gaming-Plattform verwendet:
- Prozessor: AMD Ryzen 7 7800X3D
- Mainboard: ASUS ROG STRIX B650E-F GAMING WIFI
- Arbeitsspeicher: 32 GB DDR5-6000 CL30
- Speicher: NVMe PCIe 4.0 SSD
- Treiber: Aktuellste AMD Adrenalin Software
- Monitor: 1440p (WQHD) mit 165 Hz
Wir konzentrierten uns auf eine Auswahl an Spielen, die Raytracing in unterschiedlicher Intensität implementieren, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Besonderes Augenmerk lag dabei auf der Spielbarkeit in 1440p, mit und ohne AMDs Upscaling-Technologie FidelityFX Super Resolution (FSR).
Raytracing-Performance im Detail: Spiel für Spiel
1. Cyberpunk 2077 (Path Tracing / Overdrive Mode)
Beginnen wir mit dem absoluten Härtetest. Cyberpunk 2077, besonders im „Raytracing: Overdrive“-Modus (Path Tracing), ist eine der anspruchsvollsten Anwendungen für jede Grafikkarte, selbst für absolute High-End-Modelle.
Ohne FSR (native 1440p): Selbst auf „Raytracing: Mittel“ sind die Bildraten extrem niedrig, oft im Bereich von 15-25 FPS. Mit Path Tracing sinken die Werte unter die 10-FPS-Marke, was schlicht unspielbar ist. Die RX 7700 XT ist hier schnell überfordert.
Mit FSR (Qualität): Die Situation verbessert sich dramatisch. Auf „Raytracing: Mittel“ und FSR im Qualitätsmodus können Bildraten von 40-50 FPS erreicht werden. Das ist schon deutlich spielbarer, aber immer noch weit entfernt von einem flüssigen Erlebnis. Path Tracing bleibt auch mit FSR unspielbar. Hier zeigt sich, dass selbst moderate Raytracing-Einstellungen die 7700 XT in die Knie zwingen, wenn keine aggressive Skalierung angewendet wird.
2. Alan Wake 2
Ein weiteres grafisches Meisterwerk und Raytracing-Showcase. Alan Wake 2 nutzt Raytracing umfassend für Beleuchtung und Reflexionen.
Ohne FSR (native 1440p): Auch hier sind die Bildraten mit Raytracing auf „Mittel“ oder „Hoch“ oft nur im Bereich von 20-30 FPS. Das Spielerlebnis ist ruckelig und störend.
Mit FSR (Qualität): FSR ist hier obligatorisch. Mit FSR im Qualitätsmodus lassen sich bei Raytracing „Mittel“ Bildraten um die 45-55 FPS erzielen. Dies ist für viele noch akzeptabel, aber für ein schnelles Actionspiel nicht ideal. FSR im „Balanced“-Modus kann die FPS weiter steigern (oft über 60 FPS), geht aber auf Kosten der Bildqualität.
3. Control
Einer der Pioniere des Raytracings, der auch heute noch sehr gut aussieht und anspruchsvoll ist.
Ohne FSR (native 1440p): Mit Raytracing „Hoch“ sind hier im Durchschnitt 30-40 FPS möglich. Für ein Third-Person-Actionspiel ist das gerade noch erträglich, aber weit weg von einem reibungslosen Spielerlebnis.
Mit FSR (Qualität): Die Aktivierung von FSR sorgt für einen deutlichen Schub. Mit FSR im Qualitätsmodus können wir konstante 50-60 FPS erwarten, was Control zu einem angenehm spielbaren Raytracing-Titel auf der RX 7700 XT macht. Die Bildqualität leidet hierbei nur minimal.
4. Resident Evil 4 Remake
Dieses Remake bietet eine gut optimierte Raytracing-Implementierung, die vor allem Reflexionen und Schatten verbessert.
Ohne FSR (native 1440p): Hier glänzt die RX 7700 XT etwas mehr. Mit Raytracing „Hoch“ sind oft über 50 FPS und teilweise sogar über 60 FPS möglich. Das ist schon eine gute Leistung für nativen Raytracing-Einsatz.
Mit FSR (Qualität): FSR schiebt die Bildraten hier in den Bereich von 70-90 FPS und bietet ein butterweiches Erlebnis mit aktiviertem Raytracing. Für dieses Spiel ist die RX 7700 XT mit Raytracing gut gerüstet.
5. F1 22
Ein weiteres Beispiel für ein Spiel mit eher moderatem Raytracing-Einsatz (Schatten, Reflexionen).
Ohne FSR (native 1440p): Hier erreicht die 7700 XT oft über 60 FPS, selbst mit den höchsten Raytracing-Einstellungen. Die Karte liefert hier ein absolut spielbares Ergebnis ohne Upscaling.
Mit FSR (Qualität): FSR steigert die Bildraten noch weiter auf weit über 80-100 FPS, was ein extrem flüssiges und kompetitives Spielerlebnis ermöglicht.
6. Avatar: Frontiers of Pandora
Ein modernes Spiel, das Raytracing für Schatten und globale Beleuchtung nutzt und von AMD optimiert wurde.
Ohne FSR (native 1440p): Mit Raytracing auf „Hoch“ ist das Spiel in 1440p knapp spielbar, mit durchschnittlich 35-45 FPS. Nicht ideal, aber kein Desaster.
Mit FSR (Qualität): FSR ist auch hier die Rettung. Im Qualitätsmodus erreicht die RX 7700 XT oft 55-65 FPS, was ein flüssiges und immersives Spielerlebnis ermöglicht, ohne zu viele Details aufzugeben.
Die Rolle von FSR (FidelityFX Super Resolution)
Wie die Benchmarks zeigen, ist FSR für die RX 7700 XT unerlässlich, um Raytracing in den meisten anspruchsvollen Titeln spielbar zu machen. AMDs Upscaling-Technologie skaliert das Bild von einer niedrigeren internen Renderauflösung auf die native Monitorauflösung hoch. Dies entlastet die GPU erheblich und führt zu höheren Bildraten.
Die Qualität von FSR hat sich über die Generationen hinweg stark verbessert. Im „Qualität“-Modus ist der Unterschied zu nativem 1440p oft nur bei genauer Betrachtung oder in sehr schnellen Bewegungen (z.B. leichte Unschärfe, Ghosting um schnell bewegte Objekte) erkennbar. Für die meisten Spieler ist der Leistungsgewinn den minimalen Qualitätsverlust wert. Mit FSR 3 und seiner Frame Generation-Technologie (ähnlich DLSS 3 Frame Generation) könnten in Zukunft weitere massive FPS-Steigerungen möglich sein, sofern die Spieleentwickler diese Technologie breit implementieren. Aktuell ist die Verfügbarkeit von FSR 3 jedoch noch begrenzt.
Bildqualität und Kompromisse
Die RX 7700 XT kann Raytracing nutzen, aber oft nur mit Kompromissen. Für ein flüssiges Erlebnis in 1440p sind in den meisten modernen Spielen entweder niedrigere Raytracing-Einstellungen oder die Aktivierung von FSR (meist im Qualitäts- oder Balanced-Modus) notwendig. Wer das volle Raytracing-Erlebnis mit „Ultra”-Einstellungen und nativen Auflösungen sucht, wird mit dieser Karte nicht glücklich werden. Hierfür sind deutlich leistungsstärkere und teurere GPUs erforderlich.
Die visuellen Verbesserungen durch Raytracing sind unbestreitbar und tragen maßgeblich zur Immersion bei. Realistische Schatten, präzise Reflexionen und eine dynamische globale Beleuchtung können ein Spiel komplett verwandeln. Die Frage ist, wie viel Ihnen diese zusätzlichen Details wert sind und ob Sie bereit sind, dafür an anderer Stelle (etwa bei der nativen Auflösung oder den Raytracing-Einstellungen selbst) Abstriche zu machen.
Fazit: Wie gut lässt sich Raytracing wirklich nutzen?
Die AMD Radeon RX 7700 XT ist eine exzellente Grafikkarte für 1440p-Gaming, insbesondere wenn es um die traditionelle Rasterisierungsleistung geht. Sie bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis für Spieler, die hohe Bildraten in dieser Auflösung anstreben.
In Bezug auf Raytracing ist das Bild jedoch gemischt, aber keineswegs negativ. Die RX 7700 XT ist keine reine Raytracing-Maschine, und sie hinkt NVIDIAs Konkurrenz in diesem Bereich nach wie vor hinterher. Dennoch ist die Leistung der RDNA 3-Architektur im Vergleich zu früheren AMD-Generationen deutlich verbessert worden. Raytracing ist mit dieser Karte definitiv *nutzbar*, aber fast immer in Verbindung mit FSR und oft mit angepassten Raytracing-Einstellungen (Mittel statt Hoch/Ultra).
- Für weniger anspruchsvolle Raytracing-Implementierungen (z.B. Resident Evil 4, F1 22) kann die RX 7700 XT auch nativ in 1440p gute bis sehr gute Ergebnisse liefern.
- Für moderat anspruchsvolle Titel (z.B. Control, Avatar) ist FSR im Qualitätsmodus ein Muss, um ein flüssiges Erlebnis mit guten Raytracing-Effekten zu gewährleisten.
- Für extrem fordernde Raytracing-Titel (z.B. Cyberpunk 2077 Path Tracing, Alan Wake 2 auf Ultra-RT) ist die RX 7700 XT schlichtweg überfordert, selbst mit FSR. Hier muss man die Raytracing-Einstellungen stark reduzieren oder komplett darauf verzichten.
Für Spieler, die primär die beste Rasterisierungsleistung in 1440p suchen und Raytracing als nettes Extra betrachten, das sie bei Gelegenheit und mit leichten Anpassungen ausprobieren möchten, ist die RX 7700 XT eine solide Wahl. Wer hingegen ein kompromissloses Raytracing-Erlebnis in 1440p oder gar 4K anstrebt, sollte sich eher im deutlich höheren Preisbereich umschauen oder zu einer NVIDIA-Karte greifen, die in dieser Disziplin immer noch die Nase vorn hat. Die RX 7700 XT beweist jedoch, dass AMDs Raytracing-Ambitionen wachsen und die Technologie auch in der Mittelklasse langsam, aber sicher ankommt.