Eine häufig gehörte Behauptung in der IT-Branche lautet: „30% aller professionellen Server in Deutschland werden mit Linux betrieben„. Doch stimmt diese Zahl wirklich? In diesem Faktencheck nehmen wir diese Aussage genauer unter die Lupe, untersuchen die verfügbaren Datenquellen und versuchen, ein realistisches Bild der Linux-Nutzung auf deutschen Servern zu zeichnen.
Woher kommt diese Zahl? Die Suche nach der Quelle
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, woher diese 30%-Angabe überhaupt kommt. Oftmals handelt es sich um eine Schätzung, die aus verschiedenen, manchmal schwer nachvollziehbaren Quellen stammt. Branchenberichte, Umfragen unter IT-Experten und Analysen von Marktforschungsunternehmen sind typische Kandidaten. Allerdings veröffentlichen diese Quellen selten detaillierte, öffentlich zugängliche Rohdaten, was eine unabhängige Verifizierung erschwert.
Ein weiteres Problem ist die Definition von „professionellen Servern”. Bezieht sich die Aussage auf alle Server, die in Unternehmen eingesetzt werden, oder nur auf bestimmte Kategorien, wie z.B. Webserver oder Datenbankserver? Die Definition ist entscheidend, da die Linux-Nutzung je nach Anwendungsbereich stark variieren kann.
Was sagen die Daten? Eine Analyse der verfügbaren Informationen
Obwohl eine exakte Zahl schwer zu ermitteln ist, gibt es einige Indikatoren, die uns eine Vorstellung von der Größenordnung der Linux-Verbreitung in Deutschland geben können.
- Webserver-Statistiken: Eine gute Quelle sind die Statistiken zu Webserver-Betriebssystemen. Plattformen wie Netcraft oder W3Techs sammeln regelmäßig Daten über die Betriebssysteme, die auf Webservern weltweit und in einzelnen Ländern eingesetzt werden. Hier zeigt sich, dass Linux eine dominante Rolle spielt, oft mit einem Marktanteil von über 70% oder sogar 80%. Allerdings ist zu beachten, dass Webserver nur einen Teil aller professionellen Server ausmachen.
- Cloud-Infrastruktur: Die großen Cloud-Anbieter wie AWS, Azure und Google Cloud Platform (GCP) bieten sowohl Windows- als auch Linux-basierte virtuelle Server an. Während die genauen Nutzungszahlen der einzelnen Betriebssysteme meist geheim gehalten werden, deutet vieles darauf hin, dass Linux in der Cloud ebenfalls sehr beliebt ist, insbesondere für Anwendungen, die auf Skalierbarkeit und Open-Source-Technologien setzen.
- Umfragen und Studien: Einige Marktforschungsunternehmen führen regelmäßig Umfragen unter IT-Entscheidern durch, um Einblicke in die IT-Infrastruktur von Unternehmen zu gewinnen. Diese Umfragen können Informationen über die Verbreitung von Linux-Servern liefern, sind aber oft mit Vorsicht zu genießen, da sie auf Stichproben basieren und möglicherweise nicht repräsentativ für die gesamte deutsche Serverlandschaft sind.
- Jobangebote: Die Nachfrage nach IT-Spezialisten mit Linux-Kenntnissen kann ebenfalls ein Indikator sein. Eine hohe Anzahl von Stellenangeboten, die explizit Linux-Kenntnisse erfordern, deutet darauf hin, dass Linux in der deutschen IT-Branche eine wichtige Rolle spielt.
Warum ist Linux so beliebt auf Servern?
Die Popularität von Linux als Server-Betriebssystem ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
- Open Source: Linux ist Open Source, was bedeutet, dass der Quellcode frei verfügbar ist und von jedem eingesehen, verändert und weitergegeben werden kann. Dies ermöglicht eine hohe Flexibilität und Anpassbarkeit.
- Kosten: Im Allgemeinen sind die Lizenzkosten für Linux-basierte Server niedriger als für proprietäre Betriebssysteme. Dies kann insbesondere für Unternehmen mit großen Serverfarmen ein erheblicher Kostenvorteil sein.
- Stabilität und Sicherheit: Linux gilt als sehr stabiles und sicheres Betriebssystem. Die Open-Source-Community trägt aktiv zur Fehlerbehebung und Sicherheitsverbesserung bei.
- Skalierbarkeit: Linux ist sehr gut skalierbar und eignet sich daher ideal für den Einsatz in großen, verteilten Systemen und Cloud-Umgebungen.
- Große Community und Unterstützung: Es gibt eine große und aktive Linux-Community, die umfangreiche Dokumentation, Foren und Unterstützung bietet.
Die Herausforderungen bei der Datenerhebung
Die genaue Ermittlung des Linux-Marktanteils auf deutschen Servern ist mit einigen Herausforderungen verbunden:
- Datenschutz: Unternehmen sind oft zurückhaltend, Informationen über ihre IT-Infrastruktur preiszugeben, was die Datenerhebung erschwert.
- Heterogenität der IT-Landschaft: Die IT-Infrastruktur in deutschen Unternehmen ist sehr heterogen. Viele Unternehmen setzen eine Mischung aus verschiedenen Betriebssystemen, Technologien und Cloud-Diensten ein.
- Unterschiedliche Definitionen: Die Definition von „professionellen Servern” kann je nach Datenquelle variieren, was die Vergleichbarkeit der Daten erschwert.
- Schnelle Veränderungen: Der IT-Markt ist ständig im Wandel. Neue Technologien und Trends können die Verbreitung von Linux schnell beeinflussen.
Fazit: Eine realistische Einschätzung
Basierend auf den verfügbaren Informationen ist es unwahrscheinlich, dass die Behauptung, 30% aller professionellen Server in Deutschland würden mit Linux betrieben, eine exakte Zahl ist. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine grobe Schätzung handelt, die je nach Definition von „professionellen Servern” und der betrachteten Datenquelle variieren kann.
Die Daten deuten jedoch darauf hin, dass Linux eine bedeutende Rolle in der deutschen Serverlandschaft spielt, insbesondere im Bereich Webserver und Cloud-Infrastruktur. Die Vorteile von Linux, wie Open Source, Kostenersparnis, Stabilität und Skalierbarkeit, machen es zu einer attraktiven Option für viele Unternehmen.
Um eine genauere Aussage treffen zu können, wären umfassendere und detailliertere Daten erforderlich, die jedoch aus Datenschutzgründen und aufgrund der heterogenen IT-Landschaft schwer zu beschaffen sind. Bis dahin bleibt die 30%-Aussage eine Richtlinie, die man mit Vorsicht genießen sollte.
Es ist jedoch unbestreitbar, dass Linux eine feste Größe in der deutschen IT-Branche ist und seine Bedeutung in Zukunft wahrscheinlich noch zunehmen wird.