Anbieter-Zwang: Wenn die **Wohnungsgesellschaft nur mit Vodafone kooperiert, ist das legal?**

**Einleitung: Wenn der Anbieter-Zwang zur Realität wird**

Stellen Sie sich vor: Sie ziehen in eine neue Wohnung, freuen sich auf ein neues Zuhause, und dann kommt die Ernüchterung. Ihre Wohnungsgesellschaft teilt Ihnen mit, dass Sie beim Thema Internet und Fernsehen keine Wahl haben. Es gibt nur einen einzigen Anbieter: Vodafone. Für viele Mieter ist dies nicht nur ärgerlich, sondern auch eine Quelle großer Frustration. Man fühlt sich bevormundet, der freien Wahl beraubt und fragt sich zu Recht: Ist dieser „Anbieter-Zwang” überhaupt legal? Insbesondere in Zeiten, in denen eine freie Anbieterwahl für uns alle eine Selbstverständlichkeit sein sollte, stellt sich die Frage nach der Rechtmäßigkeit solcher Exklusivverträge. Die gute Nachricht für alle Mieterinnen und Mieter: Eine bedeutende Gesetzesänderung hat diese Praxis stark eingeschränkt und verleiht Ihnen als Verbraucher eine entscheidende Stärkung.

**Das Dilemma der Exklusiv-Kooperationen: Warum Wohnungsgesellschaften sich binden**

Bevor wir in die rechtlichen Details eintauchen, lohnt es sich, kurz zu beleuchten, warum Wohnungsgesellschaften überhaupt solche Exklusivverträge eingehen. Oft sind es vermeintliche Vorteile für beide Seiten:

* **Wirtschaftliche Anreize für die Wohnungsgesellschaft:** Der Telekommunikationsanbieter bietet der Gesellschaft möglicherweise attraktive Konditionen, Provisionszahlungen oder Investitionen in die Gebäudeinfrastruktur (z.B. Verlegung von Kabeln, Modernisierung der Hausverteilanlage) an. Für die Wohnungsgesellschaft können dies erhebliche Einsparungen oder zusätzliche Einnahmen bedeuten.
* **Einfache Verwaltung:** Ein einziger Ansprechpartner für alle Belange der Telekommunikation im gesamten Gebäudebestand kann die Verwaltung für die Gesellschaft vereinfachen.
* **Attraktive Preise für Mieter (theoretisch):** Manchmal wird argumentiert, dass durch die Bündelung großer Mengen bessere Preise für die Mieter erzielt werden könnten. Dies war jedoch in der Praxis oft nicht der Fall, oder die Angebote waren nicht konkurrenzfähig.
* **Standardisierung:** Eine einheitliche technische Ausstattung im gesamten Wohnbestand kann Wartung und Service erleichtern.

Doch diese vermeintlichen Vorteile gehen oft auf Kosten der Mieterfreiheit und der Anbieterwahl. Der Mieter hat das Nachsehen, wenn er mit dem Service unzufrieden ist, bessere Angebote auf dem Markt findet oder schlichtweg einen anderen Anbieter bevorzugt. Die Suche nach der schnellsten Internetverbindung oder dem besten TV-Paket darf nicht an den Vorgaben des Vermieters scheitern.

**Der Game Changer: Das Ende des Nebenkostenprivilegs**

Der zentrale juristische Aspekt, der in diesem Zusammenhang von größter Bedeutung ist, ist das sogenannte „Nebenkostenprivileg”. Dieses Privileg erlaubte es Vermietern über Jahrzehnte hinweg, die Kosten für den Kabelanschluss pauschal über die Betriebskostenabrechnung an alle Mieter weiterzugeben – unabhängig davon, ob diese den Anschluss tatsächlich nutzten oder nicht. Dies betraf vor allem den Empfang von Fernsehen und Radio. Und genau hier lag der Hebel für viele Exklusivverträge mit Anbietern wie Vodafone (die oft die ehemaligen Kabelnetzbetreiber übernommen haben).

**Was war das Nebenkostenprivileg?**

Bis vor Kurzem durfte die Wohnungsgesellschaft einen Sammelvertrag mit einem Kabelnetzbetreiber (z.B. Vodafone, Unitymedia, Pÿur) abschließen und die Gebühren dafür als Betriebskosten auf alle Mieter umlegen. Das bedeutete: Egal, ob Sie einen Fernseher besaßen, Kabelfernsehen nutzten oder lieber über Satellit oder Streaming schauten – Sie zahlten Ihren Anteil für den Kabelanschluss mit der Miete. Dies führte zu einer massiven Ungleichbehandlung und einem Mangel an Wettbewerb, da Mieter an den vom Vermieter gewählten Anbieter gebunden waren und diesen unfreiwillig mitfinanzierten. Die monatlichen Kosten für den Kabelanschluss, die oft zwischen 10 und 20 Euro lagen, waren fester Bestandteil der Mietnebenkosten und somit unvermeidbar.

**Die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs durch das TKG-Modernisierungsgesetz**

Die gute Nachricht ist: Der Gesetzgeber hat erkannt, dass dieses Privileg nicht mehr zeitgemäß ist und den Verbraucherrechten widerspricht. Mit dem **Telekommunikationsgesetz (TKG)-Modernisierungsgesetz**, das am 1. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, wurde die rechtliche Grundlage für das Nebenkostenprivileg grundlegend geändert. Die entscheidende Neuerung ist die Streichung des sogenannten „Kabelfernseh-Postens“ aus der Liste der umlagefähigen Betriebskosten gemäß § 2 Nr. 15 der Betriebskostenverordnung (BetrKV). Diese Änderung ist ein Meilenstein für die Mieterrechte in Deutschland.

**Wann tritt die Änderung in Kraft? Die Übergangsfrist beachten!**

Es gibt eine wichtige **Übergangsfrist**. Das Nebenkostenprivileg ist nicht sofort mit Inkrafttreten des TKG-Modernisierungsgesetzes weggefallen. Stattdessen gab es eine Phase, in der bestehende Verträge weiterhin über die Betriebskosten abgerechnet werden durften. Diese Übergangsfrist endete jedoch am **30. Juni 2024**. Dies gab den Vermietern und Telekommunikationsanbietern Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen und entsprechende Vertragsanpassungen vorzunehmen oder die Mieter direkt anzusprechen.

**Was bedeutet das konkret ab dem 1. Juli 2024?**

Ab dem **1. Juli 2024** dürfen Vermieter die Kosten für den Kabelanschluss nicht mehr über die Nebenkosten abrechnen. Das bedeutet für Sie als Mieter:

1. **Freie Anbieterwahl:** Sie sind nicht mehr an den vom Vermieter gewählten Kabel-TV-Anbieter gebunden. Sie können selbst entscheiden, ob Sie überhaupt einen Kabel-TV-Anschluss wünschen und, wenn ja, bei welchem Anbieter Sie diesen buchen möchten. Dies gilt nicht nur für Vodafone, sondern für alle Anbieter auf dem Markt.
2. **Keine unfreiwilligen Kosten mehr:** Sie zahlen nur noch für Leistungen, die Sie auch tatsächlich nutzen und selbst auswählen. Der Posten für den Kabelanschluss entfällt aus Ihrer Nebenkostenabrechnung.
3. **Wettbewerb wird gefördert:** Telekommunikationsanbieter müssen nun um die Gunst der Mieter konkurrieren, was potenziell zu besseren Angeboten, niedrigeren Preisen und innovativeren Diensten führen kann. Dies stärkt die Position der Verbraucherrechte erheblich.
4. **Individualität:** Sie können einen reinen Internetanschluss ohne TV-Paket wählen, wenn Sie beispielsweise Streaming-Dienste bevorzugen, oder sich für einen Satellitenanschluss entscheiden, sofern dies technisch möglich ist.

**Was ist mit bestehenden Verträgen der Wohnungsgesellschaft mit Vodafone (oder anderen Anbietern)?**

Viele Wohnungsgesellschaften haben langjährige Sammelverträge mit Anbietern wie Vodafone, die oft noch bis weit ins Jahr 2024 hineinliefen. Diese Verträge müssen bis zum 30. Juni 2024 umgestellt werden. Die Wohnungsgesellschaften dürfen die Kosten danach nicht mehr über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieter umlegen.

Was kann nun passieren?
* **Kündigung des Sammelvertrags:** Der Vermieter kündigt den Sammelvertrag und die Mieter müssen sich selbst um einen neuen Kabel-TV-Vertrag kümmern, wenn sie weiterhin Kabelfernsehen empfangen möchten.
* **Direktverträge:** Der bisherige Kabelnetzbetreiber (z.B. Vodafone) tritt aktiv an die Mieter heran und bietet ihnen Direktverträge an. Diese Angebote sind jedoch unverbindlich, und Sie sind nicht gezwungen, diese anzunehmen.
* **Inhouse-Netze:** Die Wohnungsgesellschaft kann weiterhin die Inhouse-Infrastruktur betreiben, muss aber den Zugang für andere Anbieter (im Rahmen von Open Access) gewährleisten.

Wenn Ihre Wohnungsgesellschaft Sie weiterhin zwingen will, für einen spezifischen TV-Anschluss via Nebenkosten zu zahlen, ist dies **ab dem 01.07.2024 unzulässig**. Eine solche Forderung kann angefochten werden.

**Gilt das auch für Internet und Telefonie?**

Die direkte Abschaffung des Nebenkostenprivilegs bezieht sich primär auf den Kabel-TV-Anschluss. Für Internet- und Telefoniedienste gab es ohnehin nie ein solches Privileg. Das heißt, der Mieter konnte hier schon immer seinen Anbieter frei wählen und musste die Kosten dafür selbst tragen. Eine Zwangskoppelung von Internet oder Telefonie an einen spezifischen Anbieter über die Nebenkosten war also bereits vor der Gesetzesänderung nicht zulässig und verstieß gegen das geltende Mietrecht und **Wettbewerbsrecht**.

Allerdings gab es auch bei Internet- und Telefondiensten oft den indirekten Zwang: Wenn die Infrastruktur (z.B. Glasfaserleitungen bis in die Wohnung) nur von einem einzigen Anbieter bereitgestellt wurde, war die Auswahl an tatsächlich nutzbaren Anbietern stark eingeschränkt. Das neue TKG-Modernisierungsgesetz fördert jedoch auch in diesem Bereich das Prinzip des **”Open Access”**. Das bedeutet, dass die Netzinfrastruktur, die oft von einem Unternehmen gebaut wurde, auch für andere Telekommunikationsanbieter geöffnet werden muss, damit diese ihre Dienste darüber anbieten können. Dies soll den Wettbewerb weiter stärken und die Verbraucherrechte festigen, indem es echte Wahlmöglichkeiten schafft und einen Anbieter-Zwang durch Infrastruktur-Monopole verhindert.

**Was können Mieter tun, wenn die Wohnungsgesellschaft weiterhin einen Anbieter-Zwang ausübt?**

Sollte Ihre Wohnungsgesellschaft versuchen, Sie nach dem 30. Juni 2024 weiterhin an einen bestimmten Anbieter zu binden oder Kosten über die Nebenkosten abzurechnen, sollten Sie folgende Schritte unternehmen:

1. **Informieren Sie sich:** Machen Sie sich mit der aktuellen Rechtslage vertraut. Das TKG-Modernisierungsgesetz ist eindeutig. Informationen finden Sie beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) oder den Verbraucherzentralen.
2. **Überprüfen Sie Ihre Nebenkostenabrechnung:** Ab der Abrechnungsperiode, die den 1. Juli 2024 einschließt (also meist die Abrechnung für das Jahr 2024, die 2025 kommt), darf der Posten für den Kabelanschluss nicht mehr enthalten sein. Fehlt er, ist alles in Ordnung. Ist er enthalten, sollten Sie aktiv werden.
3. **Suchen Sie das Gespräch:** Kontaktieren Sie Ihre Wohnungsgesellschaft schriftlich und weisen Sie auf die Gesetzesänderung hin. Fordern Sie eine Klärung, wie die zukünftige Versorgung mit TV und Internet geregelt sein wird und dass Sie als Mieter die freie Wahl haben möchten. Bitten Sie um eine schriftliche Stellungnahme.
4. **Widersprechen Sie der Abrechnung:** Wenn der Posten für den Kabelanschluss weiterhin in Ihrer Nebenkostenabrechnung auftaucht, können Sie diesen Teil der Abrechnung **widerrufen** bzw. ihm **widersprechen**. Hierbei sollten Sie die Fristen für den Widerspruch (in der Regel 12 Monate nach Erhalt der Abrechnung) beachten. Zahlen Sie den strittigen Betrag gegebenenfalls unter Vorbehalt.
5. **Suchen Sie Hilfe:**
* **Mietervereine:** Der Deutsche Mieterbund oder lokale Mietervereine sind eine ausgezeichnete Anlaufstelle. Sie bieten Rechtsberatung an und können Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte unterstützen und die Kommunikation mit der Wohnungsgesellschaft übernehmen.
* **Verbraucherzentralen:** Auch die Verbraucherzentralen stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite und informieren über die aktuelle Rechtslage sowie mögliche Vorgehensweisen.
* **Bundesnetzagentur:** Die Bundesnetzagentur ist die Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt und kann bei Problemen mit der Anbieterwahl oder dem Open Access-Prinzip eine Rolle spielen, insbesondere wenn es um den Zugang zu Netzinfrastrukturen geht.
6. **Rechtliche Schritte:** Im äußersten Fall können rechtliche Schritte notwendig sein, um Ihre Rechte durchzusetzen. Dies sollte jedoch der letzte Ausweg sein und stets in Absprache mit einer Rechtsberatung erfolgen.

**Die Rolle der Infrastruktur: Wem gehört das Netz im Haus?**

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs nicht bedeutet, dass Wohnungsgesellschaften keine Rolle mehr bei der Bereitstellung von Telekommunikationsinfrastruktur spielen dürfen. Sie können weiterhin die **Inhouse-Verkabelung** (vom Hausübergabepunkt bis zur Wohnung) besitzen, bauen, warten oder instand halten. Wichtig ist aber, dass diese Infrastruktur im Sinne des **Open Access** auch für andere Diensteanbieter zugänglich ist. Das heißt, selbst wenn Vodafone das Netz im Haus gebaut hat, müssen andere Anbieter, die ihre Dienste über dieses Netz anbieten möchten, Zugang dazu erhalten können, um den Wettbewerb zu gewährleisten. Die Wohnungsgesellschaft darf keine unfairen Hürden aufbauen, die den Wechsel zu einem anderen Anbieter verhindern. Dies ist ein entscheidender Punkt, um echten Wettbewerb und Mieterfreiheit zu gewährleisten.

**Vorteile der neuen Regelung für Mieter**

Die neuen Regelungen sind ein großer Gewinn für Mieter:

* **Kostentransparenz:** Sie sehen genau, wofür Sie bezahlen und können selbst entscheiden, welche Leistungen Sie in Anspruch nehmen möchten.
* **Wettbewerb:** Mehr Anbieter konkurrieren um Ihre Gunst, was zu besseren Preisen und innovativeren Diensten führen kann. Dies fördert die Qualität und Vielfalt der Angebote.
* **Individuelle Bedürfnisse:** Sie können den Anbieter und das Leistungspaket wählen, das am besten zu Ihren persönlichen Bedürfnissen passt, sei es ein reiner Internet-Anschluss ohne TV, ein High-End-Paket mit vielen Sendern oder eine kostengünstige Basisversorgung.
* **Flexibilität:** Sie sind nicht mehr an langfristige Verträge gebunden, die die Wohnungsgesellschaft abgeschlossen hat, sondern können flexibler auf neue Angebote oder Ihre Lebensumstände reagieren.

**Fazit: Mehr Freiheit und Eigenverantwortung für Mieter**

Die Zeiten, in denen eine Wohnungsgesellschaft Sie zum Bezug von Kabelfernsehen oder gar Internet über einen bestimmten Anbieter wie Vodafone zwingen konnte, sind definitiv vorbei – oder laufen zumindest mit Ablauf der Übergangsfrist am 30. Juni 2024 aus. Das TKG-Modernisierungsgesetz hat hier eine klare Linie gezogen und die Mieterrechte gestärkt. Der ehemalige **Anbieter-Zwang** ist nun weitestgehend Geschichte.

Es ist nun Ihre Freiheit und Ihre Verantwortung, sich über die Angebote auf dem Markt zu informieren und den für Sie passendsten Dienstleister zu wählen. Lassen Sie sich nicht von veralteten Praktiken oder unzureichenden Informationen Ihrer Wohnungsgesellschaft verunsichern. Informieren Sie sich, nutzen Sie Ihre Rechte und genießen Sie die neu gewonnene Freiheit bei der Wahl Ihres Telekommunikationsanbieters. Der **Anbieter-Zwang** weicht der **Anbieter-Wahl** – ein echter Fortschritt für alle Mieter in Deutschland, der zu einer faireren und wettbewerbsorientierteren Telekommunikationslandschaft beiträgt.