Es ist ein Schock, der vielen AMD-Nutzern den kalten Schweiß auf die Stirn treibt: Ihr frisch gebauter oder jahrelang treuer Ryzen 9 5900X, ein echtes Kraftpaket mit 12 Kernen und 24 Threads, zeigt im Cinebench R23-Benchmark nur einen lächerlich niedrigen Score von etwa 1000 Punkten. Was ist da los? Hatten Sie nicht von Werten jenseits der 20.000 Punkte geträumt? Keine Sorge, Sie sind nicht allein mit diesem Problem, und in den allermeisten Fällen ist die Lösung einfacher als gedacht. Ein Ryzen 5900X, der nur 1000 Punkte in Cinebench R23 erreicht, läuft weit unter seinen Möglichkeiten – und dieser Artikel ist Ihr Leitfaden, um die volle Multicore-Leistung Ihres Prozessors freizuschalten.
Der AMD Ryzen 9 5900X ist eine High-End-CPU, die für anspruchsvolle Aufgaben wie Gaming, Videobearbeitung, 3D-Rendering und Software-Entwicklung konzipiert wurde. Ein Score von 1000 Punkten in Cinebench R23 deutet auf eine massive Drosselung hin oder darauf, dass der Prozessor nicht annähernd alle seine Kerne und Threads nutzt. Dies kann durch eine Vielzahl von Faktoren verursacht werden, von grundlegenden Systemkonfigurationen bis hin zu fortgeschrittenen BIOS-Einstellungen. Begeben wir uns gemeinsam auf die Fehlersuche und Optimierungsreise!
### Erste Schritte: Die Grundlagen prüfen
Bevor wir tief in die Materie eintauchen, stellen Sie sicher, dass die offensichtlichsten Fehlerquellen ausgeschlossen sind.
#### Cinebench R23 Einstellungen überprüfen
Dies mag trivial klingen, ist aber oft die Ursache für extrem niedrige Scores.
* **Minimum Test Duration:** Stellen Sie sicher, dass dies nicht auf „10 Minutes” eingestellt ist, wenn Sie einen schnellen Vergleichswert suchen. Für einen sofortigen Wert lassen Sie es bei „Off”. Ein Dauer-Test hat oft leicht niedrigere Ergebnisse, da sich das System über längere Zeit erwärmt und die Leistung stabilisiert. Wichtiger ist: Haben Sie versehentlich den Single-Core-Test anstelle des Multi-Core-Tests ausgeführt? Der 5900X erzielt im Single-Core-Test typischerweise 1500-1600+ Punkte, aber *nicht* 1000. Ein Score von 1000 im Multi-Core-Test ist jedoch ein deutlicher Hinweis auf ein schwerwiegendes Problem.
#### Task-Manager während des Benchmarks
Öffnen Sie den Task-Manager (Strg+Umschalt+Esc) und gehen Sie zur Registerkarte „Leistung”. Beobachten Sie die CPU-Auslastung während des Cinebench R23 Multi-Core-Tests.
* Werden alle 12 Kerne/24 Threads sichtbar ausgelastet, oder stagniert die Auslastung bei einem sehr niedrigen Wert (z. B. unter 20%)? Wenn nur wenige Kerne aktiv sind oder die Auslastung extrem niedrig ist, liegt ein Problem mit der Erkennung oder Zuweisung der Kerne vor.
### Systemgesundheit und grundlegende Optimierungen
Ein schlecht konfiguriertes System oder Hardwareprobleme können die Leistung erheblich beeinträchtigen.
#### Temperaturen im Auge behalten
Überhitzung ist der größte Feind der CPU-Leistung. Moderne Prozessoren drosseln ihre Taktraten massiv, um Schäden durch zu hohe Temperaturen zu vermeiden.
* **Tools:** Verwenden Sie Überwachungssoftware wie HWiNFO64, CPU-Z oder NZXT Cam, um die CPU-Temperaturen (insbesondere die Tdie-Temperatur) während des Benchmarks zu überwachen.
* **Grenzwerte:** Ein 5900X sollte unter Volllast idealerweise unter 85-90°C bleiben. Erreicht er schnell 95°C oder mehr, drosselt er sich stark.
* **Ursachen für hohe Temperaturen:**
* **Unzureichender Kühler:** Ist Ihr Kühler für einen 12-Kern-Prozessor geeignet? Stock-Kühler reichen hier nicht aus. Ein leistungsstarker Luftkühler oder eine AIO-Wasserkühlung ist Pflicht.
* **Schlecht aufgetragene Wärmeleitpaste:** Nicht genug, zu viel, oder ungleichmäßig verteilt.
* **Fehlerhafte Montage des Kühlers:** Kein ausreichender Anpressdruck auf die CPU.
* **Schlechte Gehäuselüftung:** Staut sich die Hitze im Gehäuse?
* **Verstaubter Kühler:** Reinigen Sie den Kühler regelmäßig.
#### Energieplan in Windows
Der Windows-Energieplan hat einen direkten Einfluss auf die CPU-Leistung.
* Gehen Sie zu „Systemsteuerung” > „Hardware und Sound” > „Energieoptionen”.
* Wählen Sie den Plan „Höchstleistung” oder, falls verfügbar und von AMD installiert, den „AMD Ryzen Balanced” Plan. Vermeiden Sie „Ausbalanciert” oder „Energiesparmodus”, da diese die minimale Prozessortaktrate und die maximale Leistung begrenzen können.
#### Neueste Treiber & BIOS/UEFI
Veraltete Software kann zu Leistungsproblemen führen.
* **AMD Chipset-Treiber:** Besuchen Sie die offizielle AMD-Website und laden Sie die neuesten Chipset-Treiber für Ihr Motherboard herunter und installieren Sie diese. Sie sind entscheidend für die korrekte Kommunikation zwischen CPU und Mainboard.
* **BIOS/UEFI-Update:** Eine veraltete BIOS-Version kann fehlende Optimierungen, Stabilitätsverbesserungen oder sogar Probleme mit der CPU-Erkennung mit sich bringen. Suchen Sie auf der Website Ihres Mainboard-Herstellers (ASUS, MSI, Gigabyte, ASRock etc.) nach der neuesten BIOS-Version für Ihr spezifisches Modell. Achten Sie auf die AGESA-Version (z. B. ComboPI-AM4 V2 1.2.0.7 oder neuer). Ein BIOS-Update kann komplexe Ursachen beheben, die zu solchen Problemen führen. Seien Sie beim Flashen des BIOS vorsichtig und befolgen Sie die Anweisungen des Herstellers genau.
#### Hintergrundprozesse
Schließen Sie alle unnötigen Programme und Dienste, bevor Sie Benchmarks ausführen. Antivirensoftware, Browser, Gaming-Clients etc. können Ressourcen beanspruchen.
### Deep Dive: BIOS/UEFI-Einstellungen für maximale Leistung
Jetzt wird es spezifischer. Die meisten Leistungsprobleme, die nicht thermisch bedingt sind, finden sich hier.
#### XMP/DOCP – Der RAM-Turbo
Dies ist ein absolutes Muss für jede AMD Ryzen-CPU und wird oft übersehen oder vergessen.
* **Was ist es?** XMP (Extreme Memory Profile) bei Intel oder DOCP (DRAM Overclock Profile) bei AMD ist ein vordefiniertes Profil, das in Ihrem Arbeitsspeicher gespeichert ist. Es enthält die optimalen Taktraten und Timings, für die Ihr RAM entwickelt wurde. Standardmäßig läuft RAM oft nur mit 2133 MHz oder 2400 MHz (JEDEC-Standard), selbst wenn Sie 3600 MHz RAM gekauft haben.
* **Warum so wichtig für Ryzen?** Ryzen-CPUs sind extrem bandbreitenempfindlich. Die Infinity Fabric (FCLK), die die CPU-Kerne und CCX-Komplexe miteinander verbindet, profitiert enorm von schnellem RAM. Eine FCLK von 1800 MHz (was 3600 MHz RAM im 1:1-Verhältnis entspricht) ist der Sweet Spot für Ryzen 5000.
* **So aktivieren Sie es:** Starten Sie Ihren PC neu und drücken Sie die entsprechende Taste (oft Entf oder F2), um ins BIOS/UEFI zu gelangen. Suchen Sie im „Advanced Mode” oder „OC-Menü” nach „XMP”, „DOCP”, „A-XMP” oder „EZ Mode” und aktivieren Sie das Profil. Speichern Sie die Einstellungen und starten Sie neu. Ein fehlendes XMP/DOCP kann einen großen Teil Ihrer Multicore-Leistung kosten.
#### Precision Boost Overdrive (PBO)
PBO ist AMDs Technologie, die die CPU über ihre Standard-Spezifikationen hinaus beschleunigt, solange thermische und elektrische Limits dies zulassen.
* **Wo finden?** Im BIOS/UEFI, oft unter „AMD Overclocking” oder „CPU/NB Frequence/Voltage”.
* **Einstellung:** Setzen Sie PBO von „Auto” auf „Enabled” oder „Advanced„. Im „Advanced”-Modus können Sie auch „PBO Limits” von „Auto” auf „Motherboard” setzen, was Ihrem Mainboard erlaubt, höhere Power-Limits (PPT, TDC, EDC) zu nutzen. Viele Mainboards sind ab Werk so konfiguriert, dass PBO zwar „Auto“ ist, die tatsächlichen Limits aber konservativ gesetzt sind.
* **Effekt:** PBO ermöglicht es der CPU, höhere Taktraten für längere Zeit zu halten, was sich direkt in höheren Benchmark-Scores niederschlägt.
#### Global C-State Control
C-States sind Energiesparmodi für die CPU. Das Deaktivieren kann in einigen Fällen die Leistung minimal verbessern, da die CPU nicht ständig zwischen den Zuständen wechselt.
* **Einstellung:** Im BIOS/UEFI oft unter „CPU Features”. Versuchen Sie, „Global C-State Control” auf „Disabled” zu setzen. Beachten Sie, dass dies den Stromverbrauch im Leerlauf erhöhen kann. Für Benchmarks kann es jedoch vorteilhaft sein.
#### SMT (Simultaneous Multi-Threading)
Ihr 5900X hat 12 Kerne und 24 Threads. SMT ist AMDs Hyperthreading-Äquivalent.
* **Einstellung:** Stellen Sie sicher, dass SMT im BIOS/UEFI auf „Enabled” steht. Eine Deaktivierung würde Ihre Kerne halbieren und den Score drastisch senken. Dies ist normalerweise die Standardeinstellung.
### Fortgeschrittene Optimierungen (Nachdem die 1000-Punkte-Hürde überwunden ist)
Wenn Ihr 5900X nun endlich im Bereich von 20.000+ Punkten liegt, können Sie diese Schritte in Betracht ziehen, um noch mehr herauszuholen.
#### Precision Boost Overdrive 2 (PBO2) & Curve Optimizer (CO)
Diese Funktionen bieten eine granulare Kontrolle über das Verhalten Ihrer CPU.
* **Curve Optimizer (CO):** Ermöglicht es Ihnen, einen negativen Offset für die Kernspannung pro Kern festzulegen. Dies reduziert die benötigte Spannung für eine gegebene Taktrate, was wiederum die thermische Belastung senkt und der CPU erlaubt, höhere Taktraten zu erreichen.
* **Anleitung:** Dies ist eine fortgeschrittene Einstellung, die Stabilitätstests erfordert. Sie finden sie im BIOS/UEFI unter den PBO-Einstellungen. Beginnen Sie mit einem moderaten negativen Offset (z. B. -5 bis -10) für alle Kerne und testen Sie die Stabilität. Erhöhen Sie den Offset schrittweise, bis Ihr System instabil wird, und gehen Sie dann einen Schritt zurück. Das kann zu einem deutlichen Leistungsplus führen.
#### RAM-Timings manuell optimieren
Für Enthusiasten, die das Letzte aus ihrem System herausholen wollen. Das Anpassen sekundärer und tertiärer RAM-Timings kann die Latenz weiter senken und die Leistung marginal steigern. Dies erfordert jedoch tiefes Wissen und viel Zeit für Stabilitätstests. Für die meisten Benutzer ist XMP/DOCP ausreichend.
### Was, wenn alles fehlschlägt? Troubleshooting spezifischer Szenarien
Sollten alle oben genannten Schritte das Problem nicht beheben, müssen Sie möglicherweise tiefer graben.
#### Frische Windows-Installation
Manchmal ist das Betriebssystem selbst beschädigt, überladen mit Software oder weist unbekannte Konflikte auf. Eine Neuinstallation von Windows kann Wunder wirken und als letzte Instanz viele Softwareprobleme lösen.
#### Überprüfung der Hardware-Verbindung
* **CPU:** Ist die CPU korrekt im Sockel eingesetzt? (Eher unwahrscheinlich bei einem funktionierenden Boot, aber nicht unmöglich für Teilfunktionen).
* **CPU-Kühler:** Ist der Kühler fest verschraubt und die Wärmeleitpaste korrekt aufgetragen? Ein lockerer Kühler kann zu extremen thermischen Problemen führen.
* **Mainboard-BIOS-Reset:** Ein CMOS-Reset kann alle BIOS-Einstellungen auf die Werkseinstellungen zurücksetzen und damit eine möglicherweise falsch konfigurierte Einstellung beheben.
#### BIOS-Einstellungen auf Standardwerte zurücksetzen
Manchmal kann eine einzige, unabsichtlich geänderte Einstellung im BIOS die Gesamtleistung erheblich beeinflussen. Navigieren Sie im BIOS zum Abschnitt „Save & Exit” und wählen Sie „Load Optimized Defaults” oder „Load UEFI Defaults”. Speichern Sie und starten Sie neu. Aktivieren Sie danach XMP/DOCP und PBO wieder schrittweise.
### Was ein Ryzen 5900X erreichen sollte
Um Ihnen eine Orientierung zu geben, was Sie von Ihrem Ryzen 5900X erwarten können:
* Im Multi-Core-Test von Cinebench R23 sollten Sie je nach Kühler, Mainboard und RAM-Konfiguration typischerweise Werte zwischen 20.000 und 23.000+ Punkten erreichen. Mit aggressiven PBO- und Curve Optimizer-Einstellungen sind sogar noch höhere Werte möglich.
* Im Single-Core-Test von Cinebench R23 sollten die Werte bei 1500 bis 1600+ Punkten liegen.
Ein Score von 1000 Punkten im Multi-Core-Test ist dramatisch niedrig und weist fast immer auf ein fundamentales Problem hin, das in den meisten Fällen durch eine der oben genannten Maßnahmen behoben werden kann.
### Fazit
Ein Ryzen 9 5900X, der nur 1000 Punkte in Cinebench R23 erzielt, ist ein Symptom, nicht das Potenzial Ihres Prozessors. Die gute Nachricht ist, dass die Behebung dieses Problems in der Regel durch systematische Fehlersuche und Optimierung der Systemsoftware und BIOS-Einstellungen möglich ist. Beginnen Sie mit den einfachsten Schritten: Überprüfen Sie die Cinebench-Einstellungen, überwachen Sie die Temperaturen, aktualisieren Sie Treiber und BIOS, und stellen Sie sicher, dass Ihr Windows-Energieplan korrekt ist. Der wichtigste Schritt, den viele übersehen, ist die Aktivierung von XMP/DOCP für Ihren Arbeitsspeicher. Danach können Sie mit PBO die Grenzen Ihrer CPU weiter ausloten.
Mit etwas Geduld und den richtigen Handgriffen werden Sie schnell die volle Multicore-Leistung Ihres Ryzen 9 5900X entfesseln und endlich die Benchmark-Ergebnisse sehen, die diesem beeindruckenden Prozessor gerecht werden. Viel Erfolg beim Optimieren!