Die Welt des Handheld-Gaming erlebt eine Renaissance. Nach dem Erfolg des Steam Decks und dem Einstieg von ASUS mit dem ROG Ally mischte Lenovo mit dem Legion Go den Markt Ende 2023 kräftig auf. Mit einem mutigen Design, einem gigantischen Display und dem Anspruch, die PC-Gaming-Erfahrung in die Hand zu legen, hat Lenovo zweifellos für Aufsehen gesorgt. Doch die Frage bleibt: Ist der Lenovo Legion Go nur ein weiteres Gadget im überfüllten Markt oder ein echtes Highlight, das sein Geld wert ist? Und für wen ist dieser ambitionierte Gaming-Handheld überhaupt gedacht? Tauchen wir ein in eine detaillierte Analyse.
**Ein Gigant in der Hand: Design, Ergonomie und Verarbeitungsqualität**
Schon auf den ersten Blick fällt auf: Der Lenovo Legion Go ist groß. Mit seinem beeindruckenden 8,8-Zoll-Display überragt er seine Konkurrenten deutlich. Das Gesamtgewicht von rund 854 Gramm mit angeschlossenen Controllern ist spürbar, aber überraschenderweise gut ausbalanciert. Lenovo hat hier ganze Arbeit geleistet, die Masse so zu verteilen, dass das Gerät trotz seiner Größe nicht sofort unbequem wird – zumindest nicht für kürzere Gaming-Sessions. Bei längeren Stunden können die Handgelenke jedoch ermüden.
Die Verarbeitungsqualität ist solide. Das Gehäuse besteht aus hochwertigem Kunststoff, der sich angenehm anfühlt und stabil wirkt. Nichts knarzt oder wackelt, was bei einem Gerät dieser Preisklasse auch zu erwarten ist. Ein herausragendes Designmerkmal sind die abnehmbaren Controller, ähnlich der Nintendo Switch, aber in größerem Maßstab. Diese „Legion TrueStrike” Controller lassen sich mit einem einfachen Mechanismus lösen und bieten dank Hall-Effekt-Joysticks eine präzise Steuerung ohne das gefürchtete „Stick-Drift”.
Besonders hervorzuheben ist der integrierte, stufenlos verstellbare Kickstand auf der Rückseite. Er ist robust, hält das Gerät sicher in Position und ist ein absolutes Muss für ein Gerät dieser Größe, wenn man es ohne Controller nutzen oder auf dem Tisch aufstellen möchte. Die Anschlussmöglichkeiten sind ebenfalls vielfältig: zwei USB-C-Ports (oben und unten), ein 3,5-mm-Klinkenanschluss und ein MicroSD-Kartenleser bieten ausreichend Flexibilität.
**Das Herzstück: Das beeindruckende Display**
Der wohl größte Eyecatcher und das Alleinstellungsmerkmal des Lenovo Legion Go ist sein Display. Lenovo setzt hier auf ein 8,8 Zoll großes IPS-Panel mit einer beeindruckenden QHD+-Auflösung von 2560 x 1600 Pixeln und einer butterweichen Bildwiederholfrequenz von 144 Hz. Mit einer Helligkeit von bis zu 500 Nits und einer hervorragenden Farbdarstellung ist es ein wahrer Genuss, Spiele oder Medien darauf zu konsumieren.
Dieses Display ist schlichtweg fantastisch und übertrifft die Konkurrenz in puncto Größe und Schärfe deutlich. Insbesondere beim Spielen von Strategietiteln, RPGs oder einfach beim Surfen im Web macht die zusätzliche Bildschirmfläche einen riesigen Unterschied. Texte sind gestochen scharf, Details werden präziser dargestellt. Allerdings hat diese Pracht ihren Preis: Die hohe Auflösung und Bildwiederholfrequenz fordern ihren Tribut von der Akkulaufzeit und der Performance, da der Grafikchip härter arbeiten muss. Viele moderne AAA-Titel lassen sich bei nativer Auflösung nur schwer mit spielbaren Bildraten darstellen, weshalb man oft auf 1200p oder 800p herunterskalieren muss, um flüssige 60 FPS zu erreichen. Hier kommt AMDs FSR (FidelityFX Super Resolution) ins Spiel, das hilft, die Leistung bei geringerem Auflösungsverlust zu steigern.
**Leistung unter der Haube: Der AMD Ryzen Z1 Extreme im Einsatz**
Unter der Haube des Lenovo Legion Go steckt derselbe leistungsstarke Chip, der auch im ASUS ROG Ally zu finden ist: der AMD Ryzen Z1 Extreme. Dieser Chip, basierend auf der modernen Zen 4 CPU-Architektur und RDNA 3 Grafikeinheit, liefert eine beeindruckende Leistung für einen Handheld. Unterstützt wird er von 16 GB LPDDR5X RAM, was für flüssiges Multitasking und Gaming mehr als ausreichend ist.
In der Praxis bedeutet das: Die meisten aktuellen AAA-Titel sind auf dem Legion Go spielbar, wenn auch oft mit Kompromissen bei den Grafikeinstellungen und der Auflösung. Titel wie *Cyberpunk 2077*, *Starfield* oder *Baldur’s Gate 3* laufen bei 800p und niedrigen bis mittleren Einstellungen mit akzeptablen 30-60 FPS, je nach gewähltem TDP-Modus (Thermal Design Power). Der Legion Go bietet verschiedene TDP-Profile (z.B. 15W, 20W, 25W, 30W im Turbo-Modus bei Netzbetrieb), die die Leistung und damit auch die Akkulaufzeit und die Lautstärke des Lüfters beeinflussen.
Im Vergleich zum Steam Deck bietet der Ryzen Z1 Extreme eine deutlich höhere Rohleistung, insbesondere in neueren Titeln, die von der modernen Architektur profitieren. Gegenüber dem ROG Ally ist die Leistung sehr ähnlich, wobei sich die Geräte durch Kühlung und Software-Implementierung leicht unterscheiden können. Die Kühlung des Legion Go ist effektiv, aber der Lüfter kann unter Volllast hörbar werden. Für ein Gerät dieser Leistungsklasse ist das jedoch normal und nicht störender als bei anderen Gaming-Handhelds.
**Akkulaufzeit: Der ewige Kompromiss**
Die Akkulaufzeit ist oft der größte Schwachpunkt von leistungsstarken Gaming-Handhelds, und der Lenovo Legion Go bildet hier keine Ausnahme. Mit einem 49,2 Wh Akku ist er etwas größer dimensioniert als der des ROG Ally (40 Wh), aber das riesige, hochauflösende Display fordert seinen Tribut.
In der Realität bedeutet das: Beim Spielen anspruchsvoller AAA-Titel mit voller Leistung (z.B. 25W TDP) und hoher Bildschirmhelligkeit muss man mit einer Laufzeit von lediglich 1 bis 1,5 Stunden rechnen. Weniger anspruchsvolle Spiele, Emulationen oder Cloud-Gaming können die Laufzeit auf 2 bis 3 Stunden verlängern. Wer die volle Flexibilität und Leistung des Geräts nutzen möchte, wird nicht umhin kommen, immer ein Ladegerät oder eine Powerbank in Reichweite zu haben. Im Vergleich dazu bietet das Steam Deck (insbesondere die OLED-Version) hier noch immer die besten Laufzeiten, allerdings auch bei deutlich geringerer Leistung und Bildschirmqualität.
**Die abnehmbaren Controller und der einzigartige FPS-Modus**
Die abnehmbaren Controller sind ein entscheidendes Merkmal des Legion Go. Sie ermöglichen nicht nur den Tablet-Modus oder die Nutzung des Geräts am Tisch, sondern bieten auch den innovativen FPS-Modus. Dabei wird der rechte Controller in eine kleine magnetische Basis gestellt, wo er dann wie eine vertikale Gaming-Maus fungiert. Der untere Teil des Controllers enthält einen optischen Sensor. Kombiniert mit den Schultertasten des linken Controllers, die für WASD-Steuerung zugewiesen werden können, soll dies ein konsolenähnliches First-Person-Shooter-Erlebnis ermöglichen.
In der Praxis ist der FPS-Modus eine interessante Innovation, die jedoch etwas Eingewöhnung erfordert. Für Gelegenheitsspiele oder wenn keine Maus zur Hand ist, kann er durchaus nützlich sein, um Maus- und Tastatur-Spiele halbwegs komfortabel zu bedienen. Für ernsthafte Shooter-Wettkämpfe ersetzt er jedoch keine dedizierte Gaming-Maus. Die Controller selbst liegen gut in der Hand, auch wenn sie etwas klobig wirken können. Das Trackpad am rechten Controller ist eine willkommene Ergänzung für die Navigation in Windows.
**Software-Erlebnis: Legion Space im Wandel**
Unter der Haube läuft der Lenovo Legion Go mit Windows 11. Das bietet den riesigen Vorteil, Zugriff auf die komplette PC-Spielebibliothek (Steam, Epic Games Store, GOG, Xbox Game Pass, etc.) und alle Windows-Anwendungen zu haben. Allerdings ist Windows 11 auf einem Handheld nicht immer ideal für die Touch-Steuerung optimiert.
Lenovo hat versucht, dieses Problem mit seiner eigenen Software-Oberfläche namens Legion Space zu umgehen. Diese dient als Game-Launcher, Hub für Einstellungen und schnellen Zugriff auf wichtige Funktionen. Bei der Markteinführung war Legion Space noch relativ unausgereift und wies einige Bugs und fehlende Funktionen auf. Lenovo hat jedoch seitdem kontinuierlich Updates veröffentlicht, die die Software stabilisiert und neue Funktionen hinzugefügt haben. Dennoch erreicht es noch nicht die Benutzerfreundlichkeit und Raffinesse von Valves SteamOS oder ASUS’ Armoury Crate SE. Es erfordert oft noch den Sprung zurück auf den Windows-Desktop, um tiefere Einstellungen vorzunehmen oder Programme zu installieren. Für Nutzer, die ein reibungsloses Plug-and-Play-Erlebnis erwarten, kann dies frustrierend sein. Technikaffine Nutzer, die gerne tüfteln, werden sich jedoch schnell zurechtfinden.
**Für wen ist der Lenovo Legion Go gemacht? Die Zielgruppe im Fokus**
Nach all diesen Betrachtungen stellt sich die Kernfrage: Für wen ist der Lenovo Legion Go wirklich geeignet?
1. **Der Technik-Enthusiast und Bastler:** Wer Freude am Ausprobieren neuer Hardware hat, bereit ist, sich mit Windows-Einstellungen auseinanderzusetzen und gelegentlich zu optimieren, findet im Legion Go ein spannendes Spielzeug. Die Offenheit von Windows bietet unendliche Möglichkeiten, aber auch Potenzial für Frust.
2. **Der „Großbild”-Spieler:** Wer ein Maximum an Immersion auf einem Handheld sucht und Wert auf ein großes, scharfes Display legt, wird vom Legion Go begeistert sein. Für Spiele, die von mehr Bildschirmfläche profitieren (z.B. Strategie, RPGs, Emulation), ist er ideal.
3. **Der PC-Gamer, der Flexibilität sucht:** Wer seine umfangreiche PC-Spielebibliothek mobil nutzen möchte und nicht auf eine bestimmte Plattform beschränkt sein will, findet im Legion Go einen leistungsstarken Begleiter. Die Kompatibilität mit Steam, Epic, GoG und dem Xbox Game Pass ist ein riesiger Vorteil.
4. **Der Emulations-Fan:** Dank des leistungsstarken Chips und des großen Displays ist der Legion Go eine fantastische Plattform für die Emulation älterer Konsolen, von N64 bis PS3 und Switch.
5. **Der Kompromissbereite:** Wer bereit ist, Abstriche bei der Portabilität (aufgrund von Größe und Gewicht) und der Akkulaufzeit in Kauf zu nehmen, um dafür ein einzigartiges Spielerlebnis mit vielen Features zu erhalten.
**Für wen ist der Legion Go NICHT geeignet?**
* **Der Gelegenheitsspieler, der Plug-and-Play erwartet:** Wer ein Gerät sucht, das einfach funktioniert und wenig Einarbeitung erfordert, wird mit dem Legion Go aufgrund des Windows-Unterbaus und der noch nicht perfekten Legion Space Software möglicherweise überfordert sein.
* **Der Hardcore-Handheld-Gamer, der höchsten Komfort priorisiert:** Die Größe und das Gewicht können bei sehr langen Sessions ermüdend sein. Wer ein schlankes, leichtes Gerät für stundenlanges Spielen im Bus oder im Bett sucht, ist eventuell mit einem Steam Deck oder Switch besser bedient.
* **Der Sparfuchs:** Der hohe Preis des Legion Go macht ihn zu einer Investition. Es gibt günstigere Alternativen auf dem Markt.
**Lohnt sich der Kauf? Das Fazit.**
Der Lenovo Legion Go ist ein beeindruckendes Stück Technik, das den Gaming-Handheld-Markt definitiv bereichert. Er ist ein Gerät der Superlative: das größte Display, die vielseitigsten Controller und die volle Windows-Power.
**Die Stärken liegen klar auf der Hand:**
* Das atemberaubende 8,8-Zoll QHD+ 144Hz Display.
* Die rohe Leistung des AMD Ryzen Z1 Extreme.
* Die Vielseitigkeit der abnehmbaren Controller und des FPS-Modus.
* Der robuste Kickstand und die zahlreichen Anschlüsse.
* Voller Zugriff auf die gesamte Windows-Spielebibliothek.
**Die Schwächen sind jedoch nicht zu übersehen:**
* Die Größe und das Gewicht, die die Portabilität einschränken können.
* Die vergleichsweise kurze Akkulaufzeit bei anspruchsvollen Spielen.
* Das noch ausbaufähige Software-Erlebnis (Legion Space).
* Der hohe Preis.
Lohnt sich der Kauf des Lenovo Legion Go? Ja, aber nicht für jedermann. Er ist ein Nischenprodukt für eine spezifische Zielgruppe: den anspruchsvollen, technikaffinen Gamer, der Wert auf ein großes, scharfes Display legt und bereit ist, die Kompromisse bei Größe, Gewicht und Akkulaufzeit in Kauf zu nehmen. Wer die volle Flexibilität eines Windows-PCs in einem tragbaren Formfaktor schätzt und bereit ist, sich mit der Software auseinanderzusetzen, wird im Legion Go einen fantastischen Begleiter finden.
Für all jene, die ein unkomplizierteres, leichteres oder ausdauernderes Erlebnis suchen, könnten der Steam Deck oder der ROG Ally die passendere Wahl sein. Der Lenovo Legion Go ist ein mutiger Schritt von Lenovo und ein klares Statement, dass es im Handheld-Gaming noch viel Raum für Innovation und Experimente gibt. Ein Gerät für Visionäre, die das ultimative, wenn auch manchmal etwas klobige, tragbare PC-Gaming-Erlebnis suchen.