Kennen Sie das Gefühl? Sie haben einen neuen Computer, ein frisches Windows-Betriebssystem installiert oder möchten einfach nur ein 4K-Video ansehen, das Sie von Ihrem Smartphone übertragen haben. Plötzlich erscheint eine Meldung: „Um HEVC-Videos wiederzugeben, müssen Sie eine Erweiterung aus dem Microsoft Store kaufen.” Oder noch frustrierender: Ein Video wird nicht abgespielt, und Sie verstehen nicht, warum. Was steckt dahinter, dass Sie für etwas bezahlen sollen, das auf Ihrem alten Gerät vielleicht kostenlos war oder einfach funktionierte?
Die Antwort liegt in der komplexen Welt der Videocodecs, genauer gesagt beim HEVC-Codec (High Efficiency Video Coding), auch bekannt als H.265. Es ist ein weit verbreiteter Standard für die Videokompression, der viele Vorteile bietet, aber auch mit Lizenzgebühren verbunden ist. In diesem umfassenden Guide erklären wir Ihnen, warum diese Kosten entstehen, wo Sie ihnen begegnen können und, was am wichtigsten ist, wie Sie sie umgehen können.
Was ist HEVC (H.265) überhaupt?
HEVC, kurz für High Efficiency Video Coding, ist der Nachfolger des weit verbreiteten H.264 (AVC) Codecs. Er wurde entwickelt, um Videos noch effizienter zu komprimieren. Das bedeutet konkret: Bei gleicher Videoqualität benötigt ein HEVC-Video nur etwa die Hälfte der Dateigröße oder Bandbreite im Vergleich zu einem H.264-Video. Alternativ kann HEVC bei gleicher Dateigröße eine deutlich höhere Bildqualität liefern. Dies ist besonders wichtig für hochauflösende Inhalte wie 4K-UHD-Videos und zukünftig 8K.
Diese Effizienz macht HEVC zur bevorzugten Wahl für zahlreiche Anwendungen:
- Streaming-Dienste: Plattformen wie Netflix, Amazon Prime Video und Apple TV+ nutzen HEVC, um 4K-Inhalte mit geringerer Bandbreite an Ihre Geräte zu streamen.
- UHD-Blu-rays: Viele dieser physischen Medien sind mit HEVC kodiert.
- Moderne Smartphones: Viele aktuelle Smartphones zeichnen Videos standardmäßig im HEVC-Format auf, um Speicherplatz zu sparen.
- Digitale TV-Übertragung: Einige Sender und Anbieter nutzen HEVC für ihre UHD-Angebote.
Kurz gesagt: HEVC ist ein unverzichtbarer Bestandteil der modernen Videowelt. Doch seine Verbreitung ist nicht ganz ohne Hindernisse, und genau hier kommen die Lizenzgebühren ins Spiel.
Der Kern des Problems: Lizenzgebühren und Patentpools
Im Gegensatz zu einigen anderen Codecs ist HEVC keine freie Technologie. Es basiert auf einer Vielzahl von Patenten, die von unterschiedlichen Unternehmen und Forschungseinrichtungen gehalten werden. Um diese Patente zu nutzen, müssen Entwickler, Software-Hersteller und Geräteproduzenten Lizenzgebühren entrichten. Diese Gebühren werden in der Regel an sogenannte Patentpools gezahlt, die die Rechte vieler Patentinhaber bündeln und verwalten.
Die größten dieser Patentpools für HEVC sind unter anderem MPEG LA, Access Advance und Velos Media (ehemals Via Licensing). Das Problem ist, dass es keine einzige zentrale Anlaufstelle gibt, was die Lizenzierung für Hersteller komplex und teuer macht. Jeder, der HEVC-Technologie in seinen Produkten oder Diensten verwenden möchte – sei es in einer Hardware (wie einem Prozessor oder einem Smart-TV) oder einer Software (wie einem Betriebssystem oder einer Wiedergabesoftware) – muss diese Gebühren entrichten.
Diese Kosten werden natürlich weitergegeben. Manchmal sind sie im Kaufpreis Ihres Geräts oder einer Software versteckt, manchmal erscheinen sie als separate Kaufoption, wie im Fall der Windows-Videoerweiterungen. Es ist ein System, das darauf ausgelegt ist, die Entwicklung und Innovation der patentierten Technologie zu finanzieren, aber es kann für den Endnutzer frustrierend sein, wenn er plötzlich für eine scheinbar grundlegende Funktion zur Kasse gebeten wird.
Wo begegnen uns die HEVC-Kosten im Alltag?
Die Art und Weise, wie Sie mit HEVC-Lizenzkosten in Berührung kommen, variiert je nach Gerät und Software:
Windows 10 und Windows 11
Dies ist der häufigste Berührungspunkt für viele Nutzer. Wenn Sie eine frische Installation von Windows 10 oder 11 durchführen, fehlen in der Regel die HEVC-Codec-Erweiterungen. Versuchen Sie dann, ein HEVC-Video mit dem integrierten Medienplayer (Filme & TV) abzuspielen, werden Sie zum Microsoft Store weitergeleitet. Dort werden die „HEVC-Videoerweiterungen” für einen kleinen Betrag (meist um die 0,99 €) angeboten. Dies ist die direkte Konsequenz der Lizenzgebühren, die Microsoft für die Einbindung des Codecs zahlen muss.
Es ist wichtig zu beachten, dass Microsoft den Codec in der Vergangenheit kostenlos angeboten hat und er auf vielen PCs von Geräteherstellern vorinstalliert ist, da diese OEMs (Original Equipment Manufacturers) die Lizenzgebühren direkt in den Gerätepreis einrechnen.
Smart-TVs und Hardware-Geräte
Bei den meisten modernen Smart-TVs, Streaming-Boxen (wie Apple TV, Fire TV, Chromecast) und Spielekonsolen (Xbox Series X, PlayStation 5) ist der HEVC-Support standardmäßig integriert. Hier müssen Sie keine separate Gebühr entrichten. Die Lizenzkosten sind im Kaufpreis des Geräts enthalten. Diese Geräte verfügen oft über spezielle Hardware-Decoder, die eine reibungslose und energieeffiziente Wiedergabe von HEVC-Inhalten ermöglichen.
Smartphones und Tablets
Ähnlich wie bei Smart-TVs ist HEVC auf den meisten modernen Smartphones und Tablets fest integriert. Apple hat beispielsweise HEVC schon vor Jahren als Standard für Videoaufnahmen eingeführt. Auch hier sind die Lizenzkosten im Gerätepreis einkalkuliert, und Sie müssen für die Wiedergabe oder Aufnahme keine zusätzlichen Gebühren zahlen.
Videobearbeitungsprogramme und Software-Player
Einige professionelle Videobearbeitungsprogramme oder spezialisierte Medienplayer erfordern möglicherweise den Kauf eines separaten HEVC-Pakets oder einer Lizenz, um HEVC-Dateien importieren, bearbeiten oder exportieren zu können. Dies hängt stark vom jeweiligen Anbieter ab.
Warum kostet es auf dem „neuen Gerät” erneut?
Die Frage „Warum muss ich auf einem neuen Gerät erneut bezahlen?” ist berechtigt. Die Antwort ist jedoch, dass Sie streng genommen nicht dieselbe Lizenz erneut bezahlen. Stattdessen zahlen Sie für die Lizenz auf einer neuen „Instanz” oder einem neuen Gerät.
- Gerätebezogene Lizenzen: Die Lizenzen, die Hersteller wie Samsung, LG oder Apple zahlen, sind in der Regel an die spezifischen Geräte gebunden, die sie verkaufen. Kaufen Sie einen neuen Fernseher, ist die HEVC-Lizenz bereits in diesem Gerät enthalten.
- Betriebssystem-Lizenzen (Windows): Bei Windows ist die Situation etwas anders. Wenn Sie einen PC mit vorinstalliertem Windows von einem OEM kaufen, hat der OEM die HEVC-Lizenzen in der Regel bereits für Sie erworben und die Erweiterung ist vorinstalliert (oft die „Gerätehersteller”-Version). Installieren Sie Windows jedoch von Grund auf neu oder wechseln Sie das System, müssen Sie sich selbst um die Codecs kümmern. Die im Store gekaufte Lizenz ist an Ihr Microsoft-Konto gebunden, aber oft nur für das spezifische Gerät, auf dem sie aktiviert wurde, oder erfordert eine Neuinstallation auf einem neuen System.
- Kein „Lifetime-Pass” für alle Geräte: Es gibt keine universelle HEVC-Lizenz, die Sie einmal kaufen und dann auf beliebig vielen verschiedenen Geräten verwenden können. Jedes Gerät oder jede Betriebssysteminstallation, die HEVC nutzen möchte, benötigt eine gültige Lizenz.
Es ist ein Geschäftsmodell, das die Patentinhaber schützt und die Einnahmen generiert, die zur Deckung der Forschung und Entwicklung notwendig sind. Für den Endnutzer kann es jedoch verwirrend und lästig sein.
Möglichkeiten und Alternativen: So umgehen Sie die Kosten
Glücklicherweise gibt es mehrere Wege, um HEVC-Videos ohne zusätzliche Kosten anzusehen oder zu verarbeiten. Sie müssen nicht zwangsläufig die 0,99 € im Microsoft Store ausgeben, es sei denn, Sie möchten unbedingt den integrierten Windows Media Player nutzen.
1. Der Alleskönner: VLC Media Player
Dies ist die bei weitem beliebteste und einfachste Lösung. Der VLC Media Player ist ein kostenloser, quelloffener und plattformübergreifender Medienplayer, der seine eigenen Codecs mitbringt. Das bedeutet, er ist nicht auf die System-Codecs von Windows angewiesen. Installieren Sie VLC, und Sie können so gut wie jedes Videoformat – einschließlich HEVC – ohne Probleme und ohne zusätzliche Kosten abspielen. Er ist ein Muss für jeden, der Videos auf seinem PC ansieht.
2. Kostenlose HEVC-Videoerweiterungen für Windows (Der „Geheimtipp”)
Ja, Sie haben richtig gelesen! Es gibt oft eine kostenlose Version der HEVC-Videoerweiterungen im Microsoft Store, die speziell für Gerätehersteller (OEMs) gedacht ist, aber auch von normalen Nutzern installiert werden kann. Suchen Sie im Microsoft Store nicht nur nach „HEVC-Videoerweiterungen”, sondern spezifisch nach den „HEVC Videoerweiterungen vom Gerätehersteller” (manchmal auch als „HEVC Video Extensions from Device Manufacturer” bezeichnet). Diese Version ist identisch mit der kostenpflichtigen, wird aber oft über einen speziellen Link oder eine Suche im Store zugänglich gemacht. Manchmal ist sie auch durch eine direkte Suche nach dem Paketnamen wie „Microsoft Corporation.HEVCVideoExtension” zu finden.
Einige Nutzer berichten, dass das Suchen nach der App mit dem vollständigen Namen oder über einen direkten Link von Microsoft (manchmal in Support-Artikeln versteckt) zum Ziel führt, während die reguläre Suche nur die kostenpflichtige Version anzeigt. Es lohnt sich, ein wenig zu experimentieren oder spezifische Anleitungen online zu suchen.
3. Alternative Player mit eingebautem HEVC-Support
Neben VLC gibt es auch andere kostenlose Medienplayer, die HEVC-Support integriert haben, wie zum Beispiel MPC-HC (Media Player Classic – Home Cinema) oder PotPlayer. Diese funktionieren ebenfalls, ohne auf die System-Codecs angewiesen zu sein.
4. Browser-basierte Wiedergabe und Streaming-Dienste
Wenn Sie HEVC-Inhalte über Streaming-Dienste wie Netflix oder YouTube ansehen, kümmern sich die jeweiligen Apps oder Ihr Webbrowser (Edge, Chrome, Firefox) um die korrekte Wiedergabe. Diese Dienste nutzen oft ihre eigenen oder andere lizenzfreie Codecs (wie VP9 oder AV1), oder sie haben die nötigen Lizenzen für HEVC bereits für die Wiedergabe in ihren Anwendungen erworben.
5. Hardware-Beschleunigung und Grafikkartentreiber
Viele moderne Grafikkarten (NVIDIA, AMD, Intel) bieten Hardware-Beschleunigung für die HEVC-Decodierung. Dies bedeutet, dass der Prozessor des Grafikchips die Arbeit übernimmt, was die CPU entlastet und eine flüssigere Wiedergabe ermöglicht. Stellen Sie sicher, dass Ihre Grafikkartentreiber stets aktuell sind, da diese oft die notwendigen Komponenten für die Hardware-Decodierung bereitstellen und die Kompatibilität mit dem Betriebssystem verbessern können.
6. Transkodierung (als letzte Instanz)
Wenn Sie absolut keine HEVC-Dateien abspielen können und keine der oben genannten Lösungen funktioniert, bleibt die Option, die Videos in ein weit verbreitetes Format wie H.264 (AVC) zu konvertieren. Programme wie HandBrake sind hervorragende kostenlose Tools, um Videos in andere Formate umzuwandeln. Bedenken Sie jedoch, dass dies Zeit und Rechenleistung in Anspruch nimmt und die Dateigröße wieder erhöhen kann.
Der Blick in die Zukunft: AV1 als potenzieller HEVC-Nachfolger?
Die Lizenzproblematik von HEVC hat die Technologiebranche dazu veranlasst, nach Alternativen zu suchen. Hier kommt AV1 (AOMedia Video 1) ins Spiel. AV1 ist ein lizenzfreier und quelloffener Videocodec, der von der Alliance for Open Media (AOMedia) entwickelt wurde. Hinter AOMedia stehen Branchengrößen wie Google, Apple, Amazon, Microsoft, Netflix, Intel und viele mehr – also genau die Unternehmen, die ein großes Interesse an einer kostenlosen und leistungsfähigen Videokompression haben.
AV1 bietet eine noch bessere Kompressionseffizienz als HEVC und hat das Potenzial, HEVC langfristig abzulösen. Viele Streaming-Dienste (wie YouTube und Netflix) nutzen AV1 bereits für Teile ihres Angebots, und moderne Browser sowie Betriebssysteme integrieren zunehmend die Unterstützung dafür. Auch neue Hardware (CPUs und GPUs) kommt vermehrt mit integrierter AV1-Decodierung auf den Markt.
Obwohl AV1 eine vielversprechende Zukunft hat, ist der Übergang nicht sofort vollzogen. Die Kodierung von AV1-Videos ist sehr rechenintensiv, was die breite Akzeptanz in der Produktion noch etwas bremst. Auch die Hardware-Decodierung muss sich noch weiter verbreiten, um eine reibungslose Wiedergabe auf allen Geräten zu gewährleisten. Dennoch ist AV1 ein klarer Schritt in Richtung einer lizenzfreien und effizienten Videozukunft, die hoffentlich die Verwirrung und die Kosten rund um Codecs für den Endnutzer minimieren wird.
Fazit und Empfehlung
Die Tatsache, dass Sie auf einem neuen Gerät möglicherweise erneut für den HEVC-Codec bezahlen müssen, ist auf die komplexe Welt der Patentlizenzen zurückzuführen. HEVC bietet zwar unbestreitbare Vorteile in Bezug auf Kompression und Qualität, aber diese kommen mit einem Preis, der in verschiedenen Formen an den Endnutzer weitergegeben wird.
Doch lassen Sie sich davon nicht abschrecken! Für die überwiegende Mehrheit der Nutzer gibt es einfache und kostenlose Lösungen. Unser klarer Favorit und unsere Empfehlung ist der VLC Media Player, der als universeller Abspieler Ihre HEVC-Videos problemlos wiedergibt. Für Windows-Nutzer lohnt sich auch die Suche nach der kostenlosen „HEVC Videoerweiterungen vom Gerätehersteller” im Microsoft Store, um die Kompatibilität mit den integrierten Windows-Apps herzustellen.
Der Blick in die Zukunft mit AV1 lässt hoffen, dass die Zeiten, in denen Nutzer für grundlegende Videofunktionalität zahlen mussten, bald der Vergangenheit angehören. Bis dahin wissen Sie nun, wie Sie mit der HEVC-Herausforderung umgehen können, damit Ihr Videogenuss ungetrübt bleibt.