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Der deutsche Mobilfunkmarkt ist ein Dschungel aus Tarifen, Anbietern und Versprechen. Ständig locken neue Angebote mit günstigeren Preisen, mehr Datenvolumen oder attraktiven Boni. Doch für viele langjährige Kunden stellt sich immer wieder die gleiche Frage: Lohnt sich ein Wechsel? Und noch spezifischer, wenn man bereits Kunde bei einem der großen Player ist, der wiederum Teil eines noch größeren Konzerns ist: Kann man überhaupt innerhalb dieses Konzerns den Anbieter wechseln und von „Neukunden“-Vorteilen profitieren? Eine besonders pikante Frage ist in diesem Zusammenhang die Konstellation zwischen 1&1 und den zahlreichen Marken unter dem Dach von Drillisch. Viele Verbraucher empfinden hier eine Art „Konzern-Falle“, die einen echten Wechsel unmöglich erscheinen lässt.
Dieser Artikel beleuchtet das komplexe Beziehungsgeflecht dieser Anbieter, klärt über die Hürden auf und gibt Ihnen einen tiefen Einblick, ob und wie ein solcher Wechsel tatsächlich möglich ist oder ob Sie in der Tat in einer Sackgasse stecken.
Wer gehört zu wem? Das komplexe Beziehungsgeflecht von United Internet, 1&1 und Drillisch
Um die Problematik zu verstehen, müssen wir zunächst die Eigentumsverhältnisse und die Struktur hinter den Namen 1&1 und Drillisch aufschlüsseln. Beide sind Teil des größeren Technologiekonzerns United Internet AG. Dieser Gigant aus Montabaur ist einer der größten Internet-Provider in Deutschland und Europa.
- 1&1: Die Marke 1&1 ist vielen primär als Internet- und Mobilfunkanbieter bekannt. Unter dem Dach der 1&1 AG (bzw. 1&1 Telecommunication SE und 1&1 Mobilfunk GmbH) werden DSL-, Glasfaser- und Mobilfunkprodukte vertrieben. 1&1 baut derzeit ein eigenes 5G-Mobilfunknetz auf und agiert somit zunehmend als eigenständiger Netzbetreiber, nutzt aber weiterhin auch Roaming-Vereinbarungen mit Telefónica (O2) und Vodafone.
- Drillisch Online GmbH: Dies ist der eigentliche „Marken-Sammelpunkt“. Die Drillisch Online GmbH ist eine Tochtergesellschaft von 1&1 und damit ebenfalls Teil von United Internet. Unter dem Dach von Drillisch Online werden eine Vielzahl von Mobilfunkmarken betrieben, die oft durch besonders aggressive Preispolitik und flexible Tarife auffallen. Beispiele hierfür sind bekannte Namen wie smartmobil, yourfone, winSIM, handyvertrag.de, PremiumSIM, DeutschlandSIM, eteleon und viele andere. Diese Marken agieren in der Regel als sogenannte Mobilfunk-Discounter oder MVNOs (Mobile Virtual Network Operators) und nutzen primär das Netz von Telefónica (O2) sowie das entstehende 1&1 5G-Netz.
Die Quintessenz: Während 1&1 als Marke und Unternehmen eine gewisse Eigenständigkeit genießt und sogar ein eigenes Netz aufbaut, sind die vielen Drillisch-Marken eher unterschiedliche Schaufenster desselben Anbieters – der Drillisch Online GmbH.
Der „Neukunden”-Status: Die goldene Regel, die zur Falle wird
Das Herzstück des Dilemmas liegt im sogenannten „Neukunden“-Status. Fast alle attraktiven Angebote auf dem Mobilfunkmarkt – sei es ein günstiger Einstiegspreis, ein höherer Rabatt oder ein Wechselbonus – sind exklusiv für Neukunden konzipiert. Doch wann gilt man als Neukunde?
Aus Sicht der Anbieter ist ein Neukunde in der Regel jemand, der in einem bestimmten Zeitraum (oft 3, 6 oder sogar 12 Monate) kein Kunde der jeweiligen juristischen Person war, bei der er einen neuen Vertrag abschließen möchte. Hier beginnt die „Konzern-Falle“:
- Innerhalb der Drillisch Online GmbH: Wenn Sie beispielsweise Kunde bei winSIM sind und zu smartmobil wechseln möchten, gelten Sie in den allermeisten Fällen nicht als Neukunde. Der Grund ist einfach: Beide Marken werden von derselben juristischen Person, der Drillisch Online GmbH, betrieben. Für das Unternehmen ist es kein Wechsel zu einem neuen Anbieter, sondern lediglich ein interner Tarifwechsel oder ein Wechsel des „Marken-Schaufensters”. Die begehrten Neukunden-Vorteile bleiben Ihnen in der Regel verwehrt. Dies ist die am weitesten verbreitete und oft frustrierendste Einschränkung für Verbraucher.
- Wechsel von 1&1 zu einer Drillisch-Marke (und umgekehrt): Diese Konstellation ist komplexer. 1&1 agiert als eigenständige juristische Person (1&1 Mobilfunk GmbH/1&1 Telecommunication SE), während die Drillisch-Marken unter der Drillisch Online GmbH zusammengefasst sind. Rein rechtlich gesehen sind das zwei verschiedene Unternehmen innerhalb desselben Konzerns. Das würde bedeuten, dass ein Wechsel von 1&1 zu smartmobil (Drillisch Online GmbH) Sie tatsächlich zum Neukunden bei Drillisch Online GmbH machen könnte. Und umgekehrt: Ein Kunde von winSIM (Drillisch Online GmbH) könnte bei 1&1 als Neukunde gelten.
Die Praxis zeigt jedoch oft ein anderes Bild. Viele Konzerne haben interne Richtlinien, die solche „Querverweise“ zwischen den eigenen Marken innerhalb einer Holdinggesellschaft erkennen und unterbinden. Man möchte vermeiden, dass Kunden durch ständiges Hin- und Herwechseln von Neukunden-Boni profitieren, während sie effektiv dem Konzern treu bleiben. Das Ziel ist es, neue Kunden von außerhalb des Konzerns zu gewinnen, nicht Bestandskunden innerhalb der eigenen Struktur zu „verschieben“.
Die rechtliche Perspektive: Eine Firma, viele Namen
Für den Verbraucher ist es entscheidend zu verstehen, dass hinter den bunten Logos und werbewirksamen Namen oft ein und dieselbe juristische Person steht. Ein Blick ins Impressum der jeweiligen Anbieterwebsites kann hier viel Klarheit schaffen. Bei allen Drillisch-Marken werden Sie in der Regel die Drillisch Online GmbH als Anbieter finden. Das bedeutet, dass Sie rechtlich gesehen beim selben Vertragspartner bleiben, auch wenn Sie die Marke wechseln.
Dieses Vorgehen ist aus Unternehmersicht nachvollziehbar. Es ermöglicht eine effiziente Verwaltung der Kunden und Tarife, eine gemeinsame technische Infrastruktur und eine konsistente Netzstrategie. Für den Kunden, der Flexibilität und die Jagd nach dem besten Deal sucht, ist es jedoch eine massive Einschränkung.
Im Falle von 1&1 als separater juristischer Entität könnte man argumentieren, dass ein Wechsel möglich sein sollte. Doch die internen Systeme der United Internet Gruppe sind oft so miteinander verknüpft, dass ein Kunde, der bereits bei einem Unternehmen des Konzerns registriert ist, nicht ohne Weiteres als „Neukunde” bei einer anderen Konzerngesellschaft geführt wird, selbst wenn es sich um separate juristische Personen handelt. Die genaue Definition von „Neukunde” ist oft in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des jeweiligen Angebots versteckt und kann von Fall zu Fall variieren. Eine explizite Formulierung wie „nicht innerhalb der letzten X Monate Kunde der United Internet AG oder einer ihrer Tochtergesellschaften gewesen” ist hier der Knackpunkt.
Die Netz-Frage: Gleiches Netz, gleiche Einschränkungen?
Die Frage nach dem genutzten Mobilfunknetz ist ein weiterer Aspekt, der zur Verwirrung beiträgt. Lange Zeit nutzten die Drillisch-Marken und 1&1 primär das Netz von Telefónica (O2). Dies hat sich durch den Aufbau des 1&1 5G-Netzes geändert, welches zunehmend selbst als Netzbetreiber agiert. Drillisch-Kunden nutzen fortan auch das 1&1-Netz, wo verfügbar, ansonsten weiterhin das O2-Netz über Roaming-Vereinbarungen. Auch 1&1-Kunden selbst nutzen das eigene Netz und, wo noch nicht ausgebaut, nationales Roaming über O2 oder sogar Vodafone.
Obwohl es also technisch verschiedene Netze geben kann, ist die Netzfrage für den „Neukunden”-Status weniger relevant als die juristische Identität des Anbieters. Selbst wenn ein Anbieter in einem anderen Netz agiert, aber zur gleichen juristischen Person gehört, bleibt man Bestandskunde.
Kundenstimmen und praktische Erfahrungen: Der Frust im Alltag
Die Online-Foren sind voll von Berichten frustrierter Kunden, die versucht haben, von einer Drillisch-Marke zur nächsten oder von 1&1 zu Drillisch zu wechseln, um von den aktuellen Lockangeboten zu profitieren. Die Erfahrungen sind oft ernüchternd: Ablehnung des Neukundenstatus, keine Bonusgutschriften oder der Hinweis, dass man bereits Kunde derselben „Anbieterfamilie” sei. Dies führt zu einem Gefühl der Transparenzlosigkeit und macht viele Verbraucher wütend, die sich im „Kleingedruckten” gefangen fühlen. Viele empfinden dies als unfaire Praxis, die die Marktmechanismen des Wettbewerbs untergräbt.
Einige Kunden berichten von temporären Workarounds, die aber alles andere als bequem sind:
- Die „Wartezeit”-Strategie: Manche versuchen, nach Beendigung des Vertrags eine bestimmte Zeit (oft 3-6 Monate) zu warten, bevor sie einen neuen Vertrag bei einer anderen Marke des Konzerns abschließen. In einigen Fällen hat dies funktioniert, in vielen anderen nicht, da die interne Kundendatenbank oft langfristiger ist.
- Der Umweg über Dritte: Eine weitere Strategie ist, den Vertrag auf eine andere Person im Haushalt laufen zu lassen, die noch kein Kunde der United Internet-Gruppe war. Dies ist jedoch oft nur eine Notlösung und keine generelle Strategie.
- Die Portierung zu einem Drittanbieter: Eine zuverlässigere, aber umständlichere Methode ist, den Vertrag zu kündigen, die Rufnummer zu einem wirklich externen Anbieter (z.B. einem Prepaid-Anbieter außerhalb der United Internet-Gruppe) zu portieren und dort einige Monate zu bleiben. Danach würde man versuchen, die Rufnummer als Neukunde zu einer der gewünschten United Internet/Drillisch-Marken zu portieren. Dies ist jedoch mit Kosten und Aufwand verbunden.
Verbraucherschutz und Transparenz: Was tut sich am Markt?
Verbraucherschützer beobachten diese Praktiken kritisch und fordern mehr Transparenz. Es wird kritisiert, dass die Unternehmensstrukturen und die Definition von „Neukunde” oft nicht klar genug kommuniziert werden, was den Verbraucher in die Irre führt. Die Unterscheidung zwischen juristischer Person und Markenname ist für den Laien kaum zu durchschauen.
Obwohl die Praxis aus rechtlicher Sicht oft nicht zu beanstanden ist (solange die AGB korrekt formuliert sind), widerspricht sie dem Geist eines fairen Wettbewerbs und der freien Wahl des Kunden. Verbraucher sollten sich aktiv informieren und die AGB genau prüfen, insbesondere die Passagen zur Definition von Neukunden, bevor sie einen Wechsel planen.
Fazit: Kein einfacher Ausweg, aber informierte Entscheidungen sind möglich
Die Annahme, dass ein Wechsel von 1&1 zu einer anderen Drillisch-Marke oder umgekehrt einfach ist und Neukunden-Vorteile mit sich bringt, ist leider in den meisten Fällen eine Illusion. Die Konzern-Falle ist real, insbesondere wenn es um den Wechsel zwischen Marken geht, die unter derselben juristischen Person (wie der Drillisch Online GmbH) operieren. Hier sind Sie in der Regel ein Bestandskunde, egal welches Markenlogo auf Ihrem Tarif steht.
Der Wechsel zwischen 1&1 (als eigenständiger Entität) und den Drillisch-Marken ist zwar theoretisch auf einer anderen rechtlichen Grundlage möglich, wird aber in der Praxis oft durch interne Konzernrichtlinien eingeschränkt. Die Chancen, als Neukunde behandelt zu werden, sind gering und erfordern oft aufwendige Umwege.
Was können Sie tun, um nicht in diese Konzern-Falle zu tappen?
- Impressum prüfen: Schauen Sie sich immer das Impressum des Anbieters an, bei dem Sie einen neuen Vertrag abschließen möchten. Steht dort die gleiche Firma wie bei Ihrem aktuellen Vertrag (z.B. Drillisch Online GmbH), werden Sie wahrscheinlich nicht als Neukunde gelten.
- AGB lesen: Nehmen Sie sich die Zeit, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Angebots genau zu lesen. Achten Sie auf die Definition von „Neukunde” und ob dort explizit auf Konzernzugehörigkeit verwiesen wird.
- Nachfragen: Im Zweifel fragen Sie direkt beim potenziellen neuen Anbieter nach, ob Sie unter den gegebenen Umständen als Neukunde gelten würden. Lassen Sie sich dies am besten schriftlich bestätigen.
- Alternativen außerhalb des Konzerns prüfen: Wenn Sie wirklich von einem Neukunden-Angebot profitieren möchten, ist der sicherste Weg, zu einem Anbieter zu wechseln, der definitiv nicht zur United Internet Gruppe gehört (z.B. Telekom, Vodafone, O2 direkt oder deren unabhängige Discounter wie Congstar, otelo, freenet Mobile etc.).
Die Konzern-Falle ist ein Paradebeispiel dafür, wie der moderne Mobilfunkmarkt trotz seiner scheinbaren Vielfalt an Marken zu einer undurchsichtigen Struktur für Verbraucher werden kann. Informierte Entscheidungen sind der beste Schutz, um nicht in diese Falle zu tappen und am Ende enttäuscht zu werden.