Anleitung: Wie Sie Ihr TrueNAS Scale RAID sicher und ohne Datenverlust erweitern können

Die Entscheidung für ein TrueNAS Scale System ist oft der erste Schritt zu einem robusten, leistungsstarken und flexiblen Datenspeicher. Doch mit der Zeit wachsen die Datenmengen – sei es durch neue Projekte, Familienfotos oder Backups. Plötzlich stoßen Sie an die Grenzen Ihrer Speicherkapazität. Die gute Nachricht: Ihr TrueNAS Scale RAID lässt sich in den meisten Fällen sicher und ohne Datenverlust erweitern. Dieser umfassende Guide führt Sie Schritt für Schritt durch den Prozess und stellt sicher, dass Ihre wertvollen Daten dabei geschützt bleiben.

Die Erweiterung eines Speichersystems birgt immer ein gewisses Risiko. Ein falscher Klick oder unzureichende Vorbereitung kann zu Datenverlust führen. Deshalb ist es entscheidend, die zugrunde liegenden Konzepte zu verstehen und die Anweisungen sorgfältig zu befolgen. Mit diesem Artikel erhalten Sie das nötige Wissen und die praktischen Schritte, um Ihr TrueNAS Scale Speicherplatz souverän zu vergrößern.

Grundlagen verstehen: ZFS, VDEVs und Zpools

Bevor wir uns in die konkreten Schritte stürzen, ist es unerlässlich, die Architektur von TrueNAS Scale und dessen Dateisystem ZFS zu verstehen. ZFS ist kein traditionelles RAID im herkömmlichen Sinne, sondern ein viel fortschrittlicheres System, das Dateisystem, Volume Manager und Software-RAID in einem vereint. Das Verständnis der folgenden Begriffe ist entscheidend für eine sichere Erweiterung:

• Zpool (ZFS Pool): Dies ist der oberste Container in ZFS. Ein Zpool ist eine Sammlung von einem oder mehreren Virtual Devices (VDEVs), die als eine einzige Speichereinheit fungieren. Alle Ihre Daten, Datasets und Shares liegen innerhalb eines Zpools.
• VDEV (Virtual Device): Ein VDEV ist eine oder mehrere physische Festplatten, die zu einer logischen Einheit zusammengefasst werden. VDEVs bilden die Bausteine eines Zpools. Gängige VDEV-Typen sind:
  • Stripe: Mehrere Festplatten werden zu einem großen Volume zusammengefügt, ohne Redundanz (nicht empfohlen für kritische Daten).
  • Mirror (Spiegelung): Zwei (oder mehr) Festplatten spiegeln sich gegenseitig. Bietet hohe Redundanz, da jede Platte eine vollständige Kopie der Daten enthält.
  • RAIDZ1, RAIDZ2, RAIDZ3: Diese ähneln RAID 5, 6 und 7 und bieten unterschiedliche Grade der Parität für Fehlertoleranz. RAIDZ1 kann den Ausfall einer Platte überstehen, RAIDZ2 den Ausfall von zwei Platten und RAIDZ3 den Ausfall von drei Platten.
• Dataset: Innerhalb eines Zpools können Sie Datasets erstellen. Diese sind vergleichbar mit Dateisystemen auf anderen Betriebssystemen und ermöglichen eine feingranulare Verwaltung von Speicherplatz, Kompression, Deduplizierung und Snapshots.

Wichtiger Hinweis zu RAIDZ VDEVs: Eines der häufigsten Missverständnisse ist, dass man einem bestehenden RAIDZ VDEV einzelne Platten hinzufügen kann, um es zu erweitern. Dies ist bei ZFS NICHT möglich! Ein RAIDZ VDEV ist in seiner Breite (Anzahl der Daten- und Paritätsplatten) fixiert. Um die Kapazität eines RAIDZ VDEV zu erhöhen, müssen Sie entweder alle Platten durch größere ersetzen oder ein komplett neues VDEV zum Zpool hinzufügen.

Bevor Sie beginnen: Die unverzichtbare Vorbereitung

Der Schlüssel zu einer erfolgreichen und sicheren Speichererweiterung liegt in einer gründlichen Vorbereitung. Überspringen Sie diesen Schritt nicht!

1. Umfassendes Backup Ihrer Daten

Dies ist der ABSOLUTE SCHLÜSSELSCHRITT. Egal wie sicher der Prozess ist, unerwartete Fehler (Stromausfall, Hardwaredefekt, menschliches Versagen) können immer auftreten. Stellen Sie sicher, dass Sie ein vollständiges und aktuelles Backup aller kritischen Daten auf einem externen Medium haben, das nicht Teil des zu erweiternden TrueNAS-Systems ist. Testen Sie das Backup, um sicherzustellen, dass die Daten wiederherstellbar sind.

2. Systemzustand prüfen

Überprüfen Sie den aktuellen Gesundheitszustand Ihres TrueNAS Scale Systems und des Zpools:

• Navigieren Sie in der TrueNAS Scale UI zu „Speicher” > „Pools”.
• Stellen Sie sicher, dass der Status Ihres Zpools „ONLINE” ist und keine Fehlermeldungen (z.B. „DEGRADED” oder „OFFLINE”) vorliegen.
• Führen Sie gegebenenfalls einen manuellen „Scrub” des Pools durch, um die Datenintegrität zu überprüfen und mögliche Fehler zu beheben, bevor Sie Änderungen vornehmen. Dies kann einige Stunden oder sogar Tage dauern.
• Überprüfen Sie die SMART-Werte Ihrer Festplatten unter „Speicher” > „Disks” auf Anzeichen von Problemen.

3. Kapazitätsplanung und Methodenauswahl

Überlegen Sie genau, wie viel Speicherplatz Sie benötigen und welche Methode für Ihre aktuelle Zpool-Konfiguration am besten geeignet ist:

• Methode 1: Hinzufügen eines neuen VDEV zu einem bestehenden Zpool. Dies ist die einfachste und oft empfohlene Methode, wenn Sie freie Laufwerksschächte und ausreichend neue Festplatten haben. Sie fügen dem Pool eine weitere redundante Einheit hinzu.
• Methode 2: Ersetzen kleinerer Laufwerke durch größere. Diese Methode wird angewendet, wenn Sie keine freien Schächte haben oder die Kapazität eines bestehenden VDEV erhöhen möchten. Hierbei ersetzen Sie nacheinander alle Platten in einem VDEV durch größere Modelle.

Beide Methoden haben ihre Vor- und Nachteile hinsichtlich Komplexität, erforderlicher Hardware und Leistungsbeeinträchtigung während des Prozesses.

4. Hardware-Voraussetzungen

• Neue Festplatten: Stellen Sie sicher, dass Sie die erforderliche Anzahl an neuen Festplatten mit der gewünschten Kapazität und dem passenden Formfaktor (HDD/SSD, Größe) zur Verfügung haben. Für optimale Leistung und Redundanz sollten alle Festplatten in einem VDEV vom gleichen Typ, der gleichen Größe und idealerweise vom gleichen Hersteller sein.
• Stromversorgung und Kühlung: Überprüfen Sie, ob Ihr NAS-Gehäuse und das Netzteil die zusätzlichen Festplatten unterstützen können. Eine ausreichende Kühlung ist ebenfalls wichtig, um Überhitzung zu vermeiden.

5. Notfallplan

Was tun, wenn etwas schiefgeht? Halten Sie Ihre Backup-Strategie bereit. Im unwahrscheinlichen Fall eines größeren Problems müssen Sie in der Lage sein, auf Ihr Backup zurückzugreifen und das System gegebenenfalls neu aufzusetzen.

Methoden zur RAID-Erweiterung in TrueNAS Scale

Methode 1: Hinzufügen eines neuen VDEV zu einem bestehenden Zpool

Diese Methode ist ideal, wenn Sie freie Laufwerksschächte haben und Ihren bestehenden Zpool durch das Hinzufügen einer weiteren redundanten Speichereinheit erweitern möchten. Das neue VDEV wird dem Zpool hinzugefügt und dessen Kapazität erhöht. Beachten Sie, dass Sie für ein neues VDEV in der Regel die gleiche Anzahl von Platten verwenden sollten wie für Ihre bestehenden VDEVs, um eine symmetrische Leistung und Redundanz zu gewährleisten (z.B. ein weiteres 4-Platten-RAIDZ1 zu einem bestehenden 4-Platten-RAIDZ1).

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Neues VDEV hinzufügen

1. Hardware-Installation: Schalten Sie Ihr TrueNAS Scale System ordnungsgemäß herunter. Installieren Sie die neuen Festplatten in den freien Laufwerksschächten. Schalten Sie das System wieder ein.
2. Neue Platten erkennen: Melden Sie sich in der TrueNAS Scale UI an. Navigieren Sie zu „Speicher” > „Disks”. Die neu installierten Festplatten sollten hier als „Unassigned” oder mit ihrem Gerätenamen (z.B. sdb, sdc) aufgeführt sein.
3. VDEV zum Pool hinzufügen:
   • Gehen Sie zu „Speicher” > „Pools”.
   • Klicken Sie auf die drei Punkte neben dem Pool, den Sie erweitern möchten, und wählen Sie „Add Vdevs”.
   • Wählen Sie den gewünschten „Vdev Type” (z.B. „Mirror”, „RAIDZ1”, „RAIDZ2”). Es ist oft ratsam, den gleichen VDEV-Typ und die gleiche Plattenanzahl zu wählen wie Ihre bestehenden VDEVs, um einheitliche Leistung zu gewährleisten.
   • Wählen Sie die neuen physischen Festplatten aus der Liste der verfügbaren Disks aus. Achten Sie darauf, die richtigen Platten zu wählen! Markieren Sie das Kästchen „I understand that all data on the selected disks will be erased.”
   • Klicken Sie auf „ADD VDEVS”.
4. Überprüfung: Nach Abschluss des Vorgangs kehren Sie zur „Pools”-Übersicht zurück. Die neue Kapazität sollte reflektiert werden, und das neue VDEV sollte im Pool-Layout sichtbar sein. Der Zpool-Status sollte „ONLINE” sein.

Vorteile: Einfach durchzuführen, geringes Risiko, keine Leistungsbeeinträchtigung für das bestehende VDEV während der Erweiterung. Sie können verschiedene VDEV-Typen im selben Zpool mischen (z.B. Mirror-VDEVs und RAIDZ1-VDEVs), aber dies ist nicht immer optimal für Performance und Redundanzkonsistenz.

Nachteile: Benötigt zusätzliche physische Laufwerksschächte und eine entsprechende Anzahl neuer Festplatten. Die Leistung eines Zpools ist immer so gut wie das schwächste VDEV, und das Hinzufügen unterschiedlicher VDEV-Typen kann die Gesamtleistung beeinflussen.

Methode 2: Ersetzen kleinerer Laufwerke durch größere

Diese Methode ist die einzige Möglichkeit, die Kapazität eines *bestehenden* VDEV (insbesondere eines RAIDZ-VDEV) zu erhöhen, ohne neue VDEVs hinzuzufügen. Sie ersetzen nacheinander jede Festplatte im VDEV durch eine größere Festplatte. Erst wenn alle Festplatten ersetzt und die Daten auf die neuen Platten synchronisiert (resilvered) wurden, steht die zusätzliche Kapazität zur Verfügung.

Schritt-für-Schritt-Anleitung: Laufwerke ersetzen und Pool erweitern

1. Backup und Systemprüfung: Wie immer, umfassendes Backup und Überprüfung des Pool-Zustands.
2. Erste Festplatte ersetzen (offline):
   • Schalten Sie Ihr TrueNAS Scale System ordnungsgemäß herunter.
   • Entfernen Sie EINE der alten Festplatten aus dem zu erweiternden VDEV.
   • Setzen Sie EINE der neuen, größeren Festplatten ein.
   • Schalten Sie das System wieder ein.
3. Alte Festplatte offline nehmen und neue zuweisen:
   • Melden Sie sich in der TrueNAS Scale UI an.
   • Gehen Sie zu „Speicher” > „Pools”.
   • Erweitern Sie die Ansicht Ihres Pools, um die VDEVs und einzelnen Platten zu sehen.
   • Identifizieren Sie die alte Festplatte, die Sie physisch entfernt haben. Ihr Status sollte wahrscheinlich als „MISSING” oder „DEGRADED” angezeigt werden (oder Sie müssen sie manuell offline nehmen, falls sie nicht sofort erkannt wird).
   • Klicken Sie auf die drei Punkte neben der MISSING/offline Festplatte und wählen Sie „Replace Disk”.
   • Wählen Sie die neue, größere Festplatte aus der Dropdown-Liste der verfügbaren Disks aus.
   • Klicken Sie auf „REPLACE DISK”.
4. Resilvering abwarten: Das System beginnt nun mit dem „Resilvering”, d.h., die Daten werden von den verbleibenden intakten Platten auf die neue, größere Platte kopiert. Dies kann je nach Poolgröße und Festplattengeschwindigkeit Stunden oder sogar Tage dauern. Der Pool-Status wird währenddessen „DEGRADED” sein, aber mit dem Resilvering-Fortschritt sollte er wieder zu „ONLINE” zurückkehren. Überwachen Sie den Fortschritt unter „Speicher” > „Pools”.
5. Wiederholen Sie den Vorgang für alle Platten: Sobald das Resilvering für die erste Platte abgeschlossen ist und der Pool-Status wieder „ONLINE” ist, wiederholen Sie die Schritte 2 bis 4 für jede verbleibende Festplatte in diesem VDEV. ERSETZEN SIE IMMER NUR EINE PLATTE NACH DER ANDEREN UND WARTEN SIE DAS VOLLSTÄNDIGE RESILVERING AB, BEVOR SIE DIE NÄCHSTE PLATTE AUSTAUSCHEN! Dies ist entscheidend, um Datenverlust zu vermeiden, falls während des Resilverings ein weiterer Plattendefekt auftritt.
6. Pool erweitern (ZPOOL AUTOEXPAND): Nachdem alle alten Festplatten im VDEV durch größere ersetzt und das Resilvering für jede einzelne Platte abgeschlossen wurde, verfügt Ihr VDEV nun über die physische Kapazität der neuen, größeren Platten. Allerdings wird der Zpool diese zusätzliche Kapazität nicht automatisch nutzen.
   • Navigieren Sie zu „Speicher” > „Pools”.
   • Klicken Sie auf die drei Punkte neben Ihrem Pool und wählen Sie „Pool Status”.
   • Wenn alle Platten ersetzt sind und der Pool „ONLINE” ist, sehen Sie möglicherweise eine Option namens „Extend” oder der Pool hat sich bereits automatisch erweitert, wenn die Eigenschaft autoexpand gesetzt ist.
   • Alternativ können Sie dies über die Kommandozeile machen (falls die UI-Option fehlt oder Sie es bevorzugen):

     zpool set autoexpand=on your_pool_name

     Danach sollte der Pool automatisch wachsen.

     zpool set autoexpand=off your_pool_name

     Sobald der Pool erweitert ist, können Sie autoexpand wieder deaktivieren.

   • Der Pool sollte nun die volle Kapazität der neuen, größeren Festplatten anzeigen.

Vorteile: Keine zusätzlichen Laufwerksschächte erforderlich, behält die ursprüngliche VDEV-Struktur bei.

Nachteile: Deutlich zeitaufwändiger, da jede Platte einzeln ersetzt und resilvert werden muss. Der Pool läuft während des gesamten Prozesses im „DEGRADED”-Modus (wenn auch funktional), was das Risiko eines Ausfalls bei einem weiteren Plattendefekt erhöht. Dieser Prozess sollte mit höchster Sorgfalt und nur nach einem umfassenden Backup durchgeführt werden.

Nach der Erweiterung: Überprüfung und Optimierung

Sobald die Erweiterung abgeschlossen ist, sollten Sie einige abschließende Schritte durchführen:

1. Pool-Status prüfen: Stellen Sie sicher, dass Ihr Zpool als „ONLINE” angezeigt wird und die neue, erhöhte Kapazität korrekt reflektiert wird unter „Speicher” > „Pools”.
2. Leistung testen (optional): Wenn Sie die Möglichkeit haben, führen Sie einige Leistungstests durch, um sicherzustellen, dass die erwartete Performance erreicht wird.
3. Regelmäßiges Scrubbing: Planen Sie weiterhin regelmäßige Scrubs ein (monatlich ist ein guter Ausgangspunkt), um die Datenintegrität zu gewährleisten.
4. Monitoring: Behalten Sie die Systemprotokolle und SMART-Werte der neuen Festplatten im Auge, um sicherzustellen, dass sie stabil und fehlerfrei laufen.

Wichtige Überlegungen und Best Practices

• Geduld ist eine Tugend: Das Resilvering großer Pools mit vielen Daten kann sehr lange dauern. Planen Sie ausreichend Zeit ein und unterbrechen Sie den Vorgang nicht.
• Stromversorgung: Stellen Sie sicher, dass Ihr TrueNAS-System während des gesamten Erweiterungsprozesses über eine stabile Stromversorgung verfügt. Ein unterbrechungsfreies Stromversorgungssystem (USV) ist dringend zu empfehlen.
• Redundanz beibehalten: Versuchen Sie, die Redundanz Ihres Pools nicht zu verringern. Wenn Sie mit RAIDZ2 begonnen haben, bleiben Sie bei RAIDZ2 für neue VDEVs oder beim Ersetzen von Platten.
• Gleichartige Festplatten: Verwenden Sie nach Möglichkeit immer Festplatten des gleichen Typs, der gleichen Größe und des gleichen Modells innerhalb eines VDEV, um Leistungsprobleme und Kompatibilitätsschwierigkeiten zu vermeiden.
• Nicht überfüllen: Versuchen Sie, Ihren Zpool nicht über 80% seiner Kapazität zu füllen, da dies die Leistung beeinträchtigen und die ZFS-Komprimierung und Deduplizierung weniger effizient machen kann.

Fazit

Die Erweiterung Ihres TrueNAS Scale RAID ist ein mächtiges Werkzeug, um Ihre Speicherlösung an wachsende Bedürfnisse anzupassen. Mit der richtigen Vorbereitung, dem Verständnis der ZFS-Grundlagen und der sorgfältigen Befolgung der Schritte können Sie diesen Prozess sicher und ohne Datenverlust durchführen. Nehmen Sie sich die Zeit für Backups und die genaue Planung, und Ihr TrueNAS Scale System wird Ihnen weiterhin zuverlässig als Datenspeicher dienen.

Denken Sie daran: Ihre Daten sind wertvoll. Gehen Sie mit Bedacht vor, und Ihr TrueNAS-System wird Sie für Ihre Vorsicht belohnen.