Die FritzBox 6590 Cable ist zweifellos ein leistungsstarker Alleskönner für das Kabelnetz: Sie vereint Modem, Router, WLAN-Access-Point, Telefonanlage und Smart-Home-Zentrale in einem Gerät. Doch was, wenn Sie mehr Kontrolle über Ihr Netzwerk wünschen? Was, wenn Sie einen speziellen Router oder eine Firewall-Lösung wie pfSense, OPNsense oder einen UniFi-Controller einsetzen möchten, um maximale Flexibilität, Performance und Sicherheit zu erreichen?
Für diese Szenarien wird die integrierte Router-Funktionalität der FritzBox schnell zur Einschränkung. Viele Power-User und Netzwerk-Enthusiasten träumen davon, die FritzBox lediglich als reines Kabelmodem zu nutzen und die anspruchsvollen Routing-Aufgaben einem dedizierten Gerät zu überlassen. Offiziell bietet AVM für die FritzBox 6590 Cable keinen „reinen Modem-Modus“ an, wie man ihn beispielsweise von Glasfaser- oder VDSL-Modems kennt. Doch keine Sorge: Mit einigen geschickten Anpassungen können Sie die FritzBox so konfigurieren, dass sie im Wesentlichen als transparentes Modem agiert und die öffentliche IP-Adresse an Ihren separaten Router weiterleitet. In dieser umfassenden Anleitung zeigen wir Ihnen Schritt für Schritt, wie Sie Ihre FritzBox 6590 Cable zum reinen Modem degradieren, um die volle Kontrolle über Ihr Heimnetzwerk zu erlangen.
Warum die FritzBox 6590 Cable zum Modem „degradieren”?
Bevor wir uns in die technischen Details stürzen, lassen Sie uns klären, warum dieser Aufwand lohnenswert sein könnte. Die Gründe, Ihre FritzBox von ihren Routing-Aufgaben zu entbinden, sind vielfältig:
- Maximale Netzwerk-Kontrolle: Ein dedizierter Router oder eine Firewall-Appliance bietet Ihnen weitaus mehr Möglichkeiten zur Konfiguration von Routing-Regeln, Firewall-Einstellungen, VLANs, VPN-Servern und Quality of Service (QoS). Sie können Ihr Netzwerk exakt an Ihre Bedürfnisse anpassen, ohne an die Grenzen der FritzBox-Firmware zu stoßen.
- Optimale Leistung: Während die FritzBox für die meisten Haushalte ausreichend ist, kann ein spezialisierter Router mit leistungsstärkerer Hardware und optimierter Software bei sehr hohen Bandbreiten, vielen gleichzeitigen Verbindungen oder komplexen Routing-Szenarien eine deutlich bessere Performance liefern. Gerade für anspruchsvolle Anwendungen wie Online-Gaming, Medien-Streaming in 4K oder große Datentransfers ist ein performanter Router Gold wert.
- Spezielle Netzwerk-Topologien: Wenn Sie beispielsweise ein getrenntes Gastnetzwerk, IoT-Netzwerk oder sogar ein Home-Office-Netzwerk mit eigenen Sicherheitsrichtlinien aufbauen möchten, sind VLANs und fortschrittliche Routing-Optionen unerlässlich. Dedizierte Router sind hierfür prädestiniert.
- Höhere Sicherheit: Eine dedizierte Firewall-Lösung (z.B. pfSense oder OPNsense) bietet oft umfangreichere Sicherheitsfunktionen, Intrusion Detection/Prevention Systeme (IDS/IPS) und granularere Kontrolle über den Datenverkehr, als die FritzBox es von Haus aus kann.
- Flexibilität und Zukunftssicherheit: Durch die Trennung von Modem und Router können Sie den Router jederzeit austauschen oder upgraden, ohne dass dies Auswirkungen auf Ihre Internetverbindung hat. Sie sind nicht mehr an die Hardwarezyklen und Software-Updates eines All-in-One-Geräts gebunden.
- Klarere Fehlerbehebung: Wenn Probleme auftreten, ist es einfacher, die Fehlerquelle einzugrenzen, wenn Modem und Router separate Einheiten sind.
Vorbereitung ist alles: Was Sie vorab wissen und tun müssen
Die Umstellung Ihrer FritzBox in einen „Modem-Modus” ist kein trivialer Vorgang und erfordert sorgfältige Planung. Hier sind die wichtigsten Punkte, die Sie beachten sollten:
Verständnis des Prozesses und potenzieller Risiken
Beachten Sie, dass AVM diese Art der Konfiguration nicht offiziell unterstützt. Es handelt sich um einen Workaround. Das bedeutet, dass zukünftige Firmware-Updates der FritzBox diese Einstellungen möglicherweise zurücksetzen oder zu unerwartetem Verhalten führen könnten. Ein gewisses technisches Grundverständnis ist daher von Vorteil.
Benötigte Hardware und Informationen
- Ihre FritzBox 6590 Cable: Das Herzstück des Vorhabens. Stellen Sie sicher, dass sie aktuell ist und Sie die Zugangsdaten kennen.
- Ein separater Router oder eine Firewall-Appliance: Dieses Gerät wird die Routing-Aufgaben übernehmen. Es muss über einen WAN-Port verfügen, der als DHCP-Client konfiguriert werden kann. Beispiele sind Router von MikroTik, UniFi, Netgear, Linksys, ASUS oder Firewall-Systeme wie pfSense/OPNsense auf einem Mini-PC.
- Computer mit Webbrowser: Für den Zugriff auf die FritzBox-Oberfläche und die Konfiguration des neuen Routers.
- Netzwerkkabel: Mehrere Ethernet-Kabel, um die Geräte zu verbinden.
- Zugangsdaten für die FritzBox: Das Passwort für die Benutzeroberfläche (standardmäßig ‘fritz.box’ oder ‘192.168.178.1’).
- Basiswissen über IP-Adressen und Subnetze: Auch wenn wir Sie durchleiten, hilft ein grundlegendes Verständnis.
Unbedingt durchführen: Backup der FritzBox-Konfiguration!
Bevor Sie Änderungen vornehmen, sichern Sie die aktuelle Konfiguration Ihrer FritzBox. Falls etwas schiefgeht oder Sie die alte Funktionsweise wiederherstellen möchten, sind Sie so auf der sicheren Seite. Gehen Sie dazu in der FritzBox-Oberfläche zu „System” -> „Sicherung” -> „Sichern” und speichern Sie die Datei an einem sicheren Ort auf Ihrem Computer.
Der eigentliche Prozess: Schritt für Schritt zur Modem-Funktion
Jetzt wird es ernst! Folgen Sie diesen Schritten sorgfältig, um Ihre FritzBox 6590 Cable erfolgreich in ein Modem zu verwandeln.
Schritt 1: Zugang zur FritzBox-Oberfläche
Verbinden Sie Ihren Computer direkt mit einem der LAN-Ports der FritzBox. Öffnen Sie Ihren Webbrowser und geben Sie fritz.box oder die Standard-IP-Adresse 192.168.178.1 ein. Melden Sie sich mit Ihrem FritzBox-Passwort an.
Schritt 2: IP-Adresse und DHCP-Server anpassen
Dies ist der kritischste Schritt. Ziel ist es, dass die FritzBox keine IP-Adressen mehr vergibt und eine IP-Adresse erhält, die außerhalb des Bereichs liegt, den Ihr neuer Router für sein LAN verwenden wird. So vermeiden Sie IP-Konflikte und stellen sicher, dass Ihr neuer Router die volle Kontrolle übernimmt.
- Navigieren Sie zu „Heimnetz” -> „Netzwerk”.
- Wechseln Sie zum Reiter „Netzwerkeinstellungen”.
- Klicken Sie auf „IPv4-Adressen” (ganz unten).
- Hier ändern Sie die „IPv4-Adresse” der FritzBox. Ein häufig verwendeter Wert für Modem-artige Setups ist 192.168.100.1. Dies ist eine Standard-IP für Modems und liegt in der Regel außerhalb der typischen Router-LAN-Bereiche (z.B. 192.168.1.x oder 192.168.178.x). Setzen Sie die „Subnetzmaske” auf 255.255.255.0.
- Ganz wichtig: Deaktivieren Sie den Haken bei „DHCP-Server aktivieren”. Der DHCP-Server darf nicht von der FritzBox betrieben werden, da diese Aufgabe Ihr neuer Router übernehmen wird.
- Klicken Sie auf „Übernehmen”. Die FritzBox startet neu. Nach dem Neustart ist die FritzBox unter der neuen IP-Adresse (z.B. 192.168.100.1) erreichbar.
Wichtiger Hinweis: Nach diesem Schritt kann es sein, dass Ihr Computer keine IP-Adresse mehr von der FritzBox erhält und der Zugriff auf fritz.box nicht mehr funktioniert. Das ist normal und ein Zeichen dafür, dass der DHCP-Server deaktiviert ist. Um wieder auf die FritzBox zuzugreifen, müssen Sie Ihrem Computer temporär eine statische IP-Adresse aus dem 192.168.100.x-Bereich geben (z.B. 192.168.100.2 mit Subnetz 255.255.255.0 und Gateway 192.168.100.1).
Schritt 3: WLAN der FritzBox deaktivieren
Wenn die FritzBox nur als Modem dienen soll, braucht sie kein eigenes WLAN-Netzwerk aufzuspannen. Ihr neuer Router wird diese Aufgabe übernehmen.
- Melden Sie sich erneut bei der FritzBox-Oberfläche an (ggf. über die statische IP-Adresse und temporäre manuelle IP-Konfiguration Ihres PCs).
- Navigieren Sie zu „WLAN” -> „Funknetz”.
- Entfernen Sie den Haken bei „WLAN aktivieren”.
- Klicken Sie auf „Übernehmen”.
Schritt 4: Telefonie-Funktionen deaktivieren (falls nicht benötigt)
Die FritzBox ist auch eine vollwertige Telefonanlage. Wenn Sie diese Funktion nicht über die FritzBox nutzen möchten (z.B. weil Sie einen separaten VoIP-Anbieter oder eine eigene Telefonanlage haben), können Sie die Telefonie-Funktionen deaktivieren, um Ressourcen freizugeben und die FritzBox noch „schlanker” zu machen.
- Navigieren Sie zu „Telefonie” -> „Eigene Rufnummern”.
- Löschen Sie alle vorhandenen Rufnummern (oder deaktivieren Sie sie).
- Gehen Sie zu „Telefonie” -> „Telefoniegeräte” und löschen Sie alle eingetragenen Geräte.
- Klicken Sie auf „Übernehmen”.
Hinweis: Wenn Sie Ihre DECT-Telefone oder analoge Telefone unbedingt weiterhin über die FritzBox nutzen möchten, müssen Sie diesen Schritt überspringen. Dies widerspricht jedoch dem Ziel eines reinen Modems. Für die meisten, die auf einen separaten Router umsteigen, ist eine komplette Deaktivierung sinnvoll.
Schritt 5: Den neuen Router konfigurieren und anschließen
Jetzt ist Ihr separater Router an der Reihe, die Kontrolle über das Netzwerk zu übernehmen.
- Verbinden Sie den WAN-Port (Internet-Port) Ihres neuen Routers mit einem beliebigen LAN-Port (z.B. LAN1) der FritzBox 6590 Cable.
- Schließen Sie Ihren Computer an einen der LAN-Ports Ihres neuen Routers an (oder verbinden Sie sich mit dessen WLAN, falls konfiguriert).
- Melden Sie sich bei der Konfigurationsoberfläche Ihres neuen Routers an.
- Konfigurieren Sie den WAN-Port Ihres neuen Routers als DHCP-Client (oft auch „Dynamic IP” genannt). Das ist entscheidend! Ihr neuer Router wird nun eine IP-Adresse (in der Regel die öffentliche IP-Adresse Ihres Internetanbieters oder eine Carrier-Grade NAT-IP) von der FritzBox anfordern und erhalten. Die FritzBox agiert dabei als eine Art „Bridge”.
- Speichern Sie die Einstellungen und lassen Sie den neuen Router neu starten.
- Überprüfen Sie nach dem Neustart, ob Ihr neuer Router eine WAN-IP-Adresse erhalten hat und ob Sie über Geräte, die mit Ihrem neuen Router verbunden sind, auf das Internet zugreifen können.
Schritt 6: Weitere Anpassungen und Optimierungen
Um das Setup abzurunden, sollten Sie noch folgende Punkte in Betracht ziehen:
- UPnP deaktivieren: Wenn nicht bereits geschehen, deaktivieren Sie UPnP (Universal Plug and Play) auf der FritzBox. Dies erhöht die Sicherheit, da UPnP es Geräten im lokalen Netzwerk ermöglicht, Ports automatisch zu öffnen.
- Portfreigaben löschen: Entfernen Sie alle bestehenden Portfreigaben auf der FritzBox. Diese werden nun vom neuen Router verwaltet.
- DNS-Server: Konfigurieren Sie Ihren neuen Router so, dass er die gewünschten DNS-Server verwendet (z.B. Cloudflare DNS 1.1.1.1, Google DNS 8.8.8.8 oder die DNS-Server Ihres Internetanbieters).
- Firewall-Regeln: Alle notwendigen Firewall-Regeln, VPN-Verbindungen und Portfreigaben müssen nun auf Ihrem neuen Router konfiguriert werden.
- Regelmäßiger Check: Es empfiehlt sich, nach FritzBox-Firmware-Updates die Einstellungen zu überprüfen, da diese möglicherweise zurückgesetzt werden könnten.
Troubleshooting: Was tun, wenn es hakt?
Auch bei sorgfältigster Durchführung können Probleme auftreten. Hier sind einige typische Szenarien und deren Lösungen:
- Kein Internet auf dem neuen Router:
- Überprüfen Sie alle Kabelverbindungen zwischen FritzBox und dem neuen Router.
- Stellen Sie sicher, dass der WAN-Port Ihres neuen Routers wirklich als DHCP-Client konfiguriert ist.
- Melden Sie sich bei der FritzBox an (ggf. mit statischer IP am PC, wie in Schritt 2 beschrieben) und vergewissern Sie sich, dass der DHCP-Server der FritzBox deaktiviert ist.
- Hat die FritzBox selbst eine Internetverbindung? Prüfen Sie die Online-LED der FritzBox.
- Versuchen Sie einen Neustart beider Geräte (zuerst FritzBox, dann neuen Router).
- Kein Zugriff mehr auf die FritzBox-Oberfläche:
- Verbinden Sie Ihren Computer direkt mit einem LAN-Port der FritzBox.
- Geben Sie Ihrem Computer eine statische IP-Adresse aus dem gleichen Subnetz wie die FritzBox (z.B. FritzBox: 192.168.100.1, PC: 192.168.100.2, Subnetzmaske: 255.255.255.0).
- Versuchen Sie dann, auf die FritzBox-IP zuzugreifen (z.B.
http://192.168.100.1). - Im Extremfall, wenn nichts mehr geht: FritzBox auf Werkseinstellungen zurücksetzen. Dies löscht alle Ihre Einstellungen, deshalb war das Backup in der Vorbereitung so wichtig!
- Die FritzBox vergibt immer noch IP-Adressen:
- Sie haben den DHCP-Server in Schritt 2 nicht korrekt deaktiviert. Überprüfen Sie dies erneut.
- Möglicherweise wurde eine Einstellung durch ein Firmware-Update zurückgesetzt.
Vor- und Nachteile der Modem-Degradation
Wie bei jeder fortgeschrittenen Konfiguration gibt es auch hier Licht und Schatten:
Vorteile:
- Umfassende Netzwerk-Kontrolle: Unbegrenzte Möglichkeiten bei Routing, Firewall und Diensten.
- Optimale Leistung: Dedizierte Hardware für dedizierte Aufgaben.
- Flexibilität: Einfacher Routertausch und Upgrade-Möglichkeiten.
- Sicherheit: Potenzial für weitaus robustere Sicherheitslösungen.
- Anpassbarkeit: Ermöglicht sehr spezifische Netzwerk-Setups.
Nachteile:
- Kein offizieller AVM-Support: Bei Problemen erhalten Sie von AVM keine Hilfe für diese Konfiguration.
- Verlust von FritzBox-Komfortfunktionen: Telefonie (DECT, Anrufbeantworter), Smart Home, integrierte Kindersicherung oder WLAN-Mesh-Funktionen der FritzBox sind entweder nicht mehr nutzbar oder müssen über den neuen Router nachgebildet werden, was oft aufwendiger ist.
- Höherer Stromverbrauch: Zwei Geräte (Modem und Router) verbrauchen in der Regel mehr Strom als ein All-in-One-Gerät.
- Komplexere Fehlerbehebung: Bei Problemen müssen zwei Geräte und deren Interaktion analysiert werden.
- Mögliche Konflikte bei Updates: Firmware-Updates der FritzBox können die vorgenommenen Einstellungen zurücksetzen.
- Platzbedarf: Sie benötigen Platz für zwei Geräte.
Fazit
Die FritzBox 6590 Cable zum reinen Modem zu degradieren ist eine lohnenswerte Option für alle, die tiefer in die Materie eintauchen und ihr Netzwerk maximal individualisieren möchten. Auch wenn AVM diese Konfiguration nicht direkt unterstützt, lässt sich die FritzBox mit den richtigen Schritten erfolgreich in ein „transparentes” Kabelmodem verwandeln, das die Internetverbindung zuverlässig an Ihren separaten Router weiterreicht.
Dieser Ansatz ist ideal für technisch versierte Nutzer, Netzwerk-Enthusiasten und kleine Unternehmen, die von den erweiterten Funktionen und der höheren Leistung eines dedizierten Routers profitieren möchten. Wägen Sie die Vor- und Nachteile sorgfältig ab, sichern Sie Ihre Konfiguration und gehen Sie Schritt für Schritt vor. Mit dieser Anleitung sind Sie bestens gerüstet, um die Kontrolle über Ihr Heimnetzwerk vollständig zu übernehmen und eine maßgeschneiderte, leistungsstarke Netzwerkumgebung zu schaffen.