Duell der Budget-NVMEs: Ist die Kingston NV1 wirklich besser als die Crucial P3?

Der Markt für Solid-State-Drives (SSDs) ist riesig und entwickelt sich rasant weiter. Während High-End-Modelle mit atemberaubenden Geschwindigkeiten und Preisen glänzen, suchen die meisten Nutzer nach einer optimalen Balance aus Leistung und Kosten. Insbesondere im Segment der Budget-NVMe-SSDs tobt ein erbitterter Kampf um die Gunst der Käufer. Zwei Namen tauchen dabei immer wieder auf: die etablierte Kingston NV1 und der neuere Herausforderer, die Crucial P3. Doch welche dieser beiden preiswerten Optionen bietet wirklich das bessere Gesamtpaket?

Wir tauchen tief in die technischen Details, die Alltagsleistung und das Preis-Leistungs-Verhältnis beider Kontrahenten ein, um Ihnen bei Ihrer Kaufentscheidung zu helfen.

Die Bedeutung von NVMe im heutigen PC-Markt

Bevor wir uns den spezifischen Modellen widmen, kurz zur Einordnung: NVMe (Non-Volatile Memory Express) ist ein Protokoll, das speziell für SSDs entwickelt wurde, um die volle Leistungsfähigkeit von Flash-Speicher über die PCIe-Schnittstelle zu nutzen. Im Vergleich zu älteren SATA-SSDs, die durch die Schnittstelle auf etwa 550 MB/s begrenzt sind, können NVMe-SSDs ein Vielfaches dieser Geschwindigkeit erreichen. Dies führt zu spürbar schnelleren Systemstarts, kürzeren Ladezeiten in Spielen und Anwendungen sowie effizienteren Datenübertragungen – ein Muss für jeden modernen PC.

Kingston NV1: Der (einstige) Preis-Leistungs-Champion im Check

Die Kingston NV1 hat sich lange Zeit als eine der beliebtesten Budget-NVMe-SSDs auf dem Markt etabliert. Ihr Hauptargument war stets der äußerst aggressive Preis. Aber was steckt unter der Haube?

Architektur und Variabilität

Die NV1 ist bekannt für ihre Variabilität, was bei Budget-Laufwerken nicht unüblich ist. Kingston verwendete verschiedene NAND-Typen (TLC oder QLC) und Controller (Phison E13T oder Silicon Motion SM2263XT) je nach Verfügbarkeit der Komponenten. Diese „Glücksrad”-Strategie führte dazu, dass die Leistung zwischen einzelnen Chargen variieren konnte. Der gemeinsame Nenner war jedoch, dass die NV1 eine DRAM-lose SSD ist. Dies bedeutet, dass sie keinen dedizierten Cache-Speicher für die Zuordnungstabelle (FTL) besitzt, sondern stattdessen einen Teil des Hauptspeichers (Host Memory Buffer, HMB) nutzt. Dies spart Kosten, kann aber bei intensiveren Schreibvorgängen zu Leistungseinbußen führen.

Leistung der NV1

Die NV1 nutzt die PCIe Gen3-Schnittstelle. Ihre beworbenen sequenziellen Lese- und Schreibraten liegen typischerweise bei bis zu 2100 MB/s bzw. 1700 MB/s. Diese Werte sind für eine Gen3-SSD dieser Preisklasse respektabel, aber es gibt einen Haken: Wie die meisten QLC- oder DRAM-losen Laufwerke verlässt sich die NV1 stark auf einen dynamischen SLC-Cache. Dieser Cache speichert Daten temporär als Single-Level Cell (SLC), was extrem schnell ist. Ist der Cache jedoch voll (z.B. bei großen Dateikopien von vielen Gigabyte), bricht die Schreibgeschwindigkeit drastisch ein und fällt auf das native Niveau des QLC- oder TLC-NANDs zurück, was dann deutlich langsamer sein kann.

Haltbarkeit und Garantie

Die Terabytes Written (TBW)-Werte der NV1 sind typisch für Budget-Laufwerke. Für die 1TB-Version liegt der Wert oft bei 240 TBW, was für den durchschnittlichen Heimanwender ausreichend ist. Kingston gewährt eine eingeschränkte Garantie von 3 Jahren oder bis zum Erreichen der TBW-Grenze.

Pros und Contras der Kingston NV1

• Vorteile:
  • Extrem günstiger Preis pro Gigabyte.
  • Akzeptable Spitzenleistung für Alltagsaufgaben und leichte Spiele (solange der SLC-Cache nicht voll ist).
  • Kompatibel mit älteren PCIe Gen3-Systemen.
• Nachteile:
  • Starke Leistungsschwankungen aufgrund der Variabilität der Komponenten.
  • Massiver Leistungseinbruch bei vollem SLC-Cache (insbesondere bei großen Schreibvorgängen).
  • DRAM-los, was die Langzeitperformance beeinträchtigen kann.
  • „Nur” PCIe Gen3.

Crucial P3: Der frische Wind mit PCIe Gen4

Die Crucial P3 positioniert sich als eine neuere Option im Budget-Segment und bringt ein wichtiges Upgrade mit sich: die Unterstützung von PCIe Gen4. Crucial ist bekannt für seine Speicherprodukte und die P3 versucht, Gen4-Leistung zu einem erschwinglichen Preis anzubieten.

Architektur und Konsistenz

Im Gegensatz zur NV1 ist die P3 in ihrer Architektur konsistenter. Sie verwendet in der Regel Micron QLC-NAND und einen Phison E21T-Controller. Auch die P3 ist eine DRAM-lose SSD und setzt auf Host Memory Buffer (HMB). Der Hauptunterschied liegt jedoch in der Schnittstelle, die eine deutlich höhere theoretische Bandbreite ermöglicht.

Leistung der P3

Dank PCIe Gen4 erreicht die Crucial P3 deutlich höhere sequentielle Lese- und Schreibraten als die NV1. Werte von bis zu 3500 MB/s beim Lesen und 3000 MB/s beim Schreiben sind hier Standard für die 1TB-Version. Auch die P3 nutzt einen dynamischen SLC-Cache. Aufgrund der schnelleren Grundbandbreite durch PCIe Gen4 und des effizienteren Controllers sind die Einbrüche nach dem Füllen des Caches zwar immer noch vorhanden, aber das „Grundniveau” nach dem Einbruch ist oft noch über dem der NV1.

Haltbarkeit und Garantie

Crucial bietet für die P3 (1TB) einen TBW-Wert von 220 TBW, was dem der NV1 ähnelt und ebenfalls für den durchschnittlichen Nutzer ausreichend ist. Die Garantie beträgt 5 Jahre, was ein klarer Vorteil gegenüber der NV1 ist und auf eine höhere Zuversicht in die Langlebigkeit hindeutet.

Pros und Contras der Crucial P3

• Vorteile:
  • Deutlich höhere sequenzielle Lese- und Schreibraten dank PCIe Gen4.
  • Konsistentere Leistung aufgrund festerer Komponentenwahl.
  • Längere Garantie (5 Jahre).
  • Solide Leistung für den Alltagsgebrauch und leichtes Gaming.
• Nachteile:
  • Auch hier Leistungseinbrüche bei vollem SLC-Cache, da QLC-NAND und DRAM-los.
  • Benötigt ein PCIe Gen4-kompatibles Mainboard/CPU, um die volle Geschwindigkeit zu nutzen.
  • Tendenziell etwas teurer als die NV1, wenngleich immer noch im Budget-Bereich.

Der direkte Vergleich: Spezifikationen auf einen Blick (1TB-Versionen)

Leistung im Alltag: Benchmarks und Real-World-Szenarien

Die reinen Zahlen sind das eine, die gefühlte Leistung im Alltag das andere. Für die meisten Nutzer, die ihre SSD hauptsächlich als Systemlaufwerk für Windows, Office-Anwendungen und gelegentliches Gaming nutzen, sind die Unterschiede zwischen diesen beiden Laufwerken bei der Mehrheit der Aufgaben geringer, als es die Spitzengeschwindigkeiten vermuten lassen.

• Bootzeiten und Anwendungsstarts: Beide NVMe-Laufwerke sind extrem schnell im Vergleich zu SATA-SSDs. Der Unterschied zwischen P3 und NV1 wird hier kaum spürbar sein.
• Laden von Spielen: Moderne Spiele profitieren von NVMe-SSDs, aber der Unterschied zwischen Gen3 und Gen4 ist oft minimal, da Spiele selten dauerhaft die maximale Bandbreite auslasten. Die Ladezeiten werden bei beiden Laufwerken sehr gut sein.
• Kopieren großer Dateien (z.B. von Filmdateien): Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, sobald der SLC-Cache voll ist. Die Crucial P3 wird in der Regel eine höhere Schreibrate aufrechterhalten können als die Kingston NV1, auch wenn bei beiden Laufwerken mit QLC-NAND ein spürbarer Einbruch erfolgen wird. Für Nutzer, die regelmäßig große Datenmengen verschieben, ist die P3 hier im Vorteil.
• Professionelle Anwendungen (Videobearbeitung, CAD): Für diese Art von Workloads, die oft mit sehr großen Dateien und anhaltenden Schreibvorgängen arbeiten, sind Budget-QLC-DRAM-lose-Laufwerke ohnehin nicht optimal. Hier würden wir eher zu einer DRAM-ausgestatteten TLC-SSD raten. Wenn es aber unbedingt eine Budget-Option sein muss, bietet die P3 aufgrund ihrer höheren Grundbandbreite und besseren Effizienz des Gen4-Controllers eine geringfügig bessere Leistung.

Die Cruciale Frage: PCIe Gen3 vs. PCIe Gen4 – Wann macht der Unterschied Sinn?

Der wohl größte Unterschied zwischen der Kingston NV1 und der Crucial P3 ist die PCIe-Schnittstelle. PCIe Gen4 bietet die doppelte Bandbreite von Gen3 (theoretisch 8 GB/s vs. 4 GB/s). Doch wird diese Mehrleistung im Alltag wirklich abgerufen?

Für die meisten Heimanwender ist der Sprung von SATA auf NVMe der größte Leistungsgewinn. Der Unterschied von Gen3 auf Gen4 ist in vielen Szenarien weitaus geringer spürbar, besonders bei QLC-NAND und DRAM-losen Laufwerken. Der Grund: Obwohl die Schnittstelle mehr Bandbreite bietet, können der Controller und der NAND-Flash-Speicher (insbesondere QLC) diese oft nicht voll auslasten, oder nur für kurze Bursts, solange der SLC-Cache intakt ist.

Dennoch gibt es Vorteile für Gen4:

1. Zukunftssicherheit: Ein Gen4-Laufwerk ist besser für zukünftige Anwendungen und Spiele gerüstet, die möglicherweise stärkere Anforderungen an die Speicherbandbreite stellen.
2. Potenziell höhere Minimumleistung: Selbst nach dem Füllen des SLC-Caches ist die „native” Leistung eines guten Gen4-QLC-Laufwerks oft noch höher als die eines Gen3-QLC-Laufwerks.
3. Systemkompatibilität: Um die Vorteile von Gen4 nutzen zu können, benötigen Sie ein kompatibles System (z.B. AMD Ryzen 3000/5000/7000 oder Intel Core 11./12./13./14. Generation mit passendem Mainboard). Auf einem Gen3-System läuft die P3 zwar, aber nur mit Gen3-Geschwindigkeit.

Wann ist die Kingston NV1 die bessere Wahl?

Die Kingston NV1 ist immer noch eine überlegenswerte Option, wenn:

• Sie ein extrem begrenztes Budget haben und jeden Euro zweimal umdrehen müssen.
• Ihr System nur PCIe Gen3 unterstützt und ein Gen4-Laufwerk somit ohnehin nicht seine volle Leistung entfalten könnte.
• Sie das Laufwerk hauptsächlich als sekundäres Speichermedium für Daten oder Spiele nutzen, die nicht extrem schnell geladen werden müssen.
• Ihre Workloads hauptsächlich aus Lesen und Schreiben kleinerer Dateien bestehen, die den SLC-Cache nicht überlasten.

Wann ist die Crucial P3 die bessere Wahl?

Die Crucial P3 ist die bessere Wahl, wenn:

• Sie ein PCIe Gen4-fähiges System besitzen oder planen, eines zu kaufen.
• Sie bereit sind, einen geringfügig höheren Preis für bessere Spitzenleistung und eine potenziell stabilere Leistung bei größeren Transfers zu zahlen.
• Sie eine längere Garantie und eine größere Konsistenz in der Produktleistung wünschen.
• Sie ein primäres Systemlaufwerk suchen, das auch für leichtes Gaming oder anspruchsvollere Alltagsaufgaben ausreichend ist.

Preis-Leistungs-Verhältnis: Wer bietet mehr fürs Geld?

Historisch gesehen war die Kingston NV1 der unangefochtene Champion, wenn es um den Preis pro Gigabyte ging. Mittlerweile sind die Preise für PCIe Gen4-SSDs, insbesondere solche mit QLC-NAND, so stark gefallen, dass der Preisunterschied zwischen NV1 und P3 oft nur noch marginal ist. Für einen geringen Aufpreis bietet die Crucial P3 in vielen Fällen ein deutlich besseres Gesamtpaket durch PCIe Gen4, die längere Garantie und die konsistentere Leistung. Das macht die P3 in der aktuellen Marktsituation zur attraktiveren Budget-NVMe im Bereich des Preis-Leistungs-Verhältnisses, vorausgesetzt, Ihr System unterstützt Gen4.

Fazit und Empfehlung

Das Duell zwischen der Kingston NV1 und der Crucial P3 ist ein Paradebeispiel für die Entwicklung im Budget-NVMe-Segment. Die Kingston NV1 war lange Zeit eine solide und extrem preiswerte Option, die ihren Zweck erfüllte, besonders in älteren Gen3-Systemen. Ihre Variabilität und die starken Leistungseinbrüche bei Füllung des SLC-Caches waren jedoch klare Nachteile.

Die Crucial P3, mit ihrer PCIe Gen4-Schnittstelle und konsistenteren Komponenten, repräsentiert die nächste Generation der Budget-Laufwerke. Sie bietet eine spürbar höhere Spitzenleistung und eine bessere Gesamtperformance, oft zu einem nur unwesentlich höheren Preis. Die 5-Jahres-Garantie ist ein zusätzliches Plus.

Unsere klare Empfehlung lautet daher:

• Wenn Sie ein System mit PCIe Gen4-Unterstützung haben (oder planen, ein solches zu kaufen), greifen Sie zur Crucial P3. Sie bietet das modernere, leistungsfähigere und zukunftssicherere Paket für nur wenig mehr Geld.
• Wenn Sie ein älteres System mit ausschließlich PCIe Gen3 haben und wirklich jeden Cent sparen müssen, ist die Kingston NV1 immer noch eine akzeptable Wahl, aber seien Sie sich ihrer Einschränkungen bewusst. In diesem Fall könnte es sich aber auch lohnen, auf einen guten Deal für eine Gen3-SSD mit TLC-NAND und DRAM-Cache zu warten, falls Ihr Budget es zulässt.

Im „Duell der Budget-NVMEs” hat die Crucial P3 die Kingston NV1 in den Schatten gestellt und bietet eine überzeugendere Antwort auf die Frage nach der besten Budget-SSD für die meisten modernen Anwendungsfälle.