Der Markt der faltbaren Smartphones ist in den letzten Jahren rasant gewachsen, doch eine Hürde blieb stets bestehen: der Preis. Premium-Foldables von Samsung, Motorola oder Google sprengen das Budget vieler Technikbegeisterter. Hier betritt ein neuer Herausforderer die Bühne: das Blackview Hero 10. Mit einem aggressiven Preispunkt verspricht es, die faltbare Technologie für die breite Masse zugänglich zu machen. Doch die entscheidende Frage lautet: Kann man das günstigste Falt-Smartphone wirklich gebrauchen, oder sollte man es direkt „knicken” und lieber zu einem traditionellen Gerät greifen?
Wir haben das Blackview Hero 10 auf Herz und Nieren geprüft, um herauszufinden, ob es seinen Preis wert ist und welche Kompromisse man für den Einstieg in die Welt der Foldables eingehen muss. Ist es die Revolution, auf die wir gewartet haben, oder ein ambitionierter Versuch mit zu vielen Schwächen?
Design und Haptik: Ein erster Eindruck, der zählt
Beim Auspacken des Blackview Hero 10 fällt sofort auf, dass Blackview hier nicht versucht, das Rad neu zu erfinden, sondern sich an bekannten Formfaktoren orientiert. Das Design erinnert stark an etablierte Flip-Phones, was für eine gewisse Vertrautheit sorgt. Im zusammengeklappten Zustand ist es kompakt und handlich, passt problemlos in jede Hosentasche und vermittelt ein Gefühl von Modernität. Die Verarbeitung des Aluminiumrahmens und der Glasrückseite (oder Kunststoff, je nach Modellvariante und Markt) fühlt sich für diese Preisklasse überraschend hochwertig an. Nichts knarzt oder wackelt auffällig, was bei einem so preisaggressiven Gerät keine Selbstverständlichkeit ist.
Das Herzstück jedes Foldables ist natürlich das Scharnier. Blackview wirbt mit einer robusten Konstruktion, die angeblich zehntausenden Faltvorgängen standhalten soll. Im Test zeigte sich das Scharnier angenehm straff, aber nicht zu schwergängig. Es hält das Smartphone in verschiedenen Winkeln stabil, was für Flexibilität bei der Nutzung sorgt (z.B. im Flex-Modus für Videoanrufe oder Medienkonsum). Eine minimale Lücke bleibt beim Zuklappen bestehen, was aber bei den meisten Foldables zu beobachten ist und sich im Rahmen hält. Die Ästhetik des Gerätes ist ansprechend, mit einer klaren, minimalistischen Linienführung, die durch das runde oder quadratische Außendisplay auf der Rückseite unterbrochen wird.
Die Displays: Groß innen, praktisch außen?
Das eigentliche Highlight des Blackview Hero 10 ist zweifellos das faltbare Innendisplay. Aufgeklappt präsentiert sich ein großzügiges 6,9-Zoll AMOLED-Panel mit einer Full-HD+-Auflösung (2520 x 1080 Pixel). Die Farben sind lebendig, die Schwarzwerte typisch für AMOLED hervorragend und die Helligkeit ausreichend für die meisten Innenräume. Im Freien bei direkter Sonneneinstrahlung kann es jedoch etwas schwierig werden, Inhalte klar abzulesen. Die Bildwiederholfrequenz liegt bei 60 Hz oder möglicherweise 90 Hz, was für den Alltag ausreichend ist, aber nicht die butterweichen Animationen der teureren 120-Hz-Konkurrenz bietet. Die größte Sorge bei jedem Foldable ist die Falz in der Mitte. Auch das Hero 10 ist hier keine Ausnahme. Die Falz ist sichtbar und mit dem Finger spürbar, besonders bei schrägen Blickwinkeln. Sie stört jedoch im täglichen Gebrauch weniger, als man annehmen könnte, und verschwindet bei direkter Betrachtung von Inhalten weitestgehend aus dem Fokus.
Das Außendisplay ist ein weiteres wichtiges Merkmal von Flip-Foldables. Beim Hero 10 handelt es sich um ein kleineres, zumeist quadratisches oder kreisförmiges OLED-Display, das grundlegende Informationen anzeigt. Es dient als schnelles Informationszentrum für Uhrzeit, Datum, Benachrichtigungen, eingehende Anrufe und kann auch als Sucher für die Hauptkamera genutzt werden – ideal für hochauflösende Selfies. Die Funktionalität ist hier eher rudimentär, aber ausreichend, um das Telefon nicht für jede Kleinigkeit aufklappen zu müssen. Multitasking oder komplexe Interaktionen sind darauf nicht vorgesehen, was angesichts des Preises und der Displaygröße zu erwarten war.
Leistung: Helio G99 – Ein Sparfuchs mit Grenzen
Unter der Haube des Blackview Hero 10 werkelt ein MediaTek Helio G99-Prozessor, flankiert von 8 GB RAM und 256 GB internem Speicher. Diese Kombination ist aus dem Mittelklasse-Segment von Bar-Smartphones bekannt und hat sich dort als solider Allrounder etabliert. Für den alltäglichen Gebrauch – Surfen im Web, Social Media, E-Mails, Messenger und leichtes Multitasking – liefert das Hero 10 eine flüssige und reaktionsschnelle Leistung. Apps starten zügig, und der Wechsel zwischen ihnen erfolgt ohne größere Ruckler. Der Helio G99 ist kein Performance-Monster, aber er ist effizient und ausreichend dimensioniert.
Anspruchsvollere Aufgaben oder grafisch intensive Spiele bringen den Prozessor jedoch an seine Grenzen. Während Casual Games problemlos laufen, müssen bei grafikintensiven Titeln wie Genshin Impact oder Asphalt 9 die Einstellungen deutlich reduziert werden, um eine spielbare Framerate zu erreichen. Das Blackview Hero 10 ist also kein Gaming-Smartphone im klassischen Sinne, sondern vielmehr ein zuverlässiger Begleiter für den Durchschnittsnutzer. Man spürt hier deutlich, dass die Priorität auf dem Faltmechanismus und dem Preis lag, und nicht auf absoluter Spitzenleistung. Für ein Gerät in dieser Preiskategorie ist die gebotene Performance jedoch absolut fair.
Kamera: Megapixel sind nicht alles
Die Kamera ist oft der Bereich, in dem Budget-Smartphones die größten Kompromisse eingehen müssen, und das Blackview Hero 10 bildet hier keine Ausnahme. Die Hauptkamera verfügt über einen beeindruckenden 108-Megapixel-Sensor (vermutlich Samsung HM6 oder ähnliches), der standardmäßig Bilder mit 12 MP durch Pixel-Binning aufnimmt. Bei guten Lichtverhältnissen liefert die Hauptkamera passable Ergebnisse mit akzeptabler Detailgenauigkeit und natürlichen Farben. Für Schnappschüsse und den Upload in soziale Medien sind die Bilder ausreichend. Sobald die Lichtverhältnisse jedoch schlechter werden, nimmt die Bildqualität rapide ab. Rauschen wird sichtbar, Details verschwimmen, und die Farbwiedergabe leidet.
Ergänzt wird die Hauptkamera durch eine Ultraweitwinkelkamera, deren Qualität meist unter der Hauptkamera liegt und eher für spezielle Aufnahmen gedacht ist, sowie eine Selfie-Kamera (oft 32 MP), die im aufgeklappten Zustand für Videoanrufe oder Selfies dient. Ein großer Vorteil von Flip-Foldables ist jedoch die Möglichkeit, die hochauflösende Hauptkamera zusammen mit dem Außendisplay für Selfies zu nutzen. Dies liefert deutlich bessere Ergebnisse als jede Frontkamera. Insgesamt ist die Kamera des Blackview Hero 10 als „funktional” zu beschreiben. Wer ein Smartphone primär wegen seiner Kamera kauft, sollte sich in höheren Preisgefilden umsehen. Für den Gelegenheitsfotografen reicht sie jedoch aus.
Akku und Ladezeit: Ausdauer für den Tag?
Das Blackview Hero 10 ist mit einem Akku ausgestattet, dessen Kapazität im Bereich von 4000 bis 4300 mAh liegt. Angesichts des großen faltbaren Displays und des Helio G99-Prozessors, der zwar effizient ist, aber keine absoluten Wunder vollbringt, ist die Akkulaufzeit als solide, aber nicht überragend zu bezeichnen. Bei moderater Nutzung kommt man in der Regel gut über den Tag. Intensive Nutzung mit viel Displayzeit, Gaming oder häufigem GPS-Einsatz kann jedoch dazu führen, dass man am späten Nachmittag oder frühen Abend eine Steckdose aufsuchen muss. Das Nutzen des Außendisplays für Quick-Checks hilft, den Stromverbrauch zu senken.
In puncto Ladegeschwindigkeit bietet das Hero 10 meist eine solide Leistung, oft mit Unterstützung für schnelles Laden im Bereich von 30W bis 45W. Das bedeutet, dass der Akku in etwa einer Stunde bis anderthalb Stunden wieder voll aufgeladen ist. Wireless Charging ist bei dieser Preisklasse in der Regel nicht zu finden und fehlt auch hier, was angesichts der Kostenstruktur verständlich ist.
Software und Benutzeroberfläche: Android mit Blackview-Touch
Das Blackview Hero 10 läuft mit Android 13, über das Blackview seine eigene Benutzeroberfläche legt. Diese ist relativ nah am Stock-Android gehalten, bringt aber einige Anpassungen und vorinstallierte Apps mit sich. Die Implementierung der Foldable-spezifischen Funktionen wie der Flex-Modus (Splitting des Bildschirms beim Halbklappen) funktioniert zuverlässig. Apps, die für den Flex-Modus optimiert sind, passen sich gut an, während andere einfach oben oder unten abgeschnitten werden. Blackview hat hier eine grundlegende, aber funktionale Anpassung vorgenommen.
Die Softwarepflege und die Häufigkeit von Updates sind bei chinesischen Herstellern im Budget-Segment oft ein Kritikpunkt. Man sollte keine monatlichen Sicherheitsupdates oder schnelle Android-Versionssprünge erwarten. Dennoch ist das System stabil und die Bedienung intuitiv. Bloatware ist vorhanden, aber nicht übermäßig aufdringlich und kann oft deinstalliert oder deaktiviert werden. Die Benutzeroberfläche ist flüssig, und die Animationen sind für die gegebene Hardware-Leistung gut optimiert.
Konnektivität und Extras: Was fehlt, was dabei ist
In Sachen Konnektivität bietet das Blackview Hero 10 die üblichen Standards: Dual-SIM, Wi-Fi 5 (AC), Bluetooth 5.0 oder 5.1, GPS und meist auch NFC für kontaktloses Bezahlen. Ein wichtiger Punkt, der bei der Kaufentscheidung beachtet werden sollte: Der Helio G99-Prozessor unterstützt kein 5G. Das Hero 10 ist also ein reines 4G/LTE-Gerät. Für viele Nutzer mag dies kein Dealbreaker sein, da die 4G-Netzabdeckung in den meisten Regionen sehr gut ist und die Geschwindigkeiten für alltägliche Aufgaben ausreichen. Wer jedoch auf die neueste Mobilfunktechnologie nicht verzichten möchte, muss hier einen Kompromiss eingehen.
Der Fingerabdrucksensor ist in der Regel seitlich im Power-Button integriert und funktioniert zuverlässig und schnell. Stereolautsprecher sind in dieser Preisklasse selten und fehlen oft auch hier, sodass man sich mit einem Mono-Lautsprecher zufriedengeben muss, dessen Klangqualität für Podcasts und gelegentliche Videos ausreichend, aber nicht beeindruckend ist. Ein 3,5-mm-Klinkenanschluss für Kopfhörer ist ebenfalls meist nicht vorhanden, was dem modernen Trend entspricht.
Preis-Leistungs-Verhältnis: Die Kernfrage
Hier kommen wir zum entscheidenden Punkt: Das Blackview Hero 10 ist das günstigste Falt-Smartphone auf dem Markt. Dieser Umstand allein macht es zu einem faszinierenden Gerät. Für einen Bruchteil des Preises von einem Samsung Galaxy Z Flip oder Motorola Razr bekommt man hier ein vollwertiges Foldable-Erlebnis. Es ist klar, dass für diesen Preis Kompromisse eingegangen werden müssen, insbesondere bei der Rechenleistung, der Kamera und dem fehlenden 5G.
Doch das Hero 10 erfüllt seinen Zweck: Es bringt die Falt-Technologie in die Hände von Nutzern, die sich ein teureres Gerät nicht leisten können oder wollen. Es bietet den Formfaktor, die Kompaktheit und den „Wow-Faktor” eines Foldables. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist daher ausgezeichnet, wenn man die Erwartungen an den Preis anpasst. Man bekommt ein funktionales Smartphone mit einem einzigartigen Formfaktor, das im Alltag bestehen kann, solange man keine Flaggschiff-Performance oder Kamera-Wunder erwartet.
Die Frage ist also nicht, ob es mit einem 1000-Euro-Foldable mithalten kann (das kann es nicht), sondern ob es eine gute Alternative zu einem traditionellen Bar-Smartphone im gleichen Preissegment darstellt. Und hier wird es interessant: Für den Preis des Hero 10 bekommt man auch sehr gute Mittelklasse-Bar-Smartphones mit besserer Leistung oder Kamera. Man kauft das Hero 10 also explizit wegen des Falt-Faktors und der damit verbundenen Kompaktheit und dem Design. Wer bereit ist, diese Priorität zu setzen und die erwähnten Abstriche in Kauf zu nehmen, wird mit dem Hero 10 glücklich werden.
Fazit: Knicken oder nicht knicken?
Das Blackview Hero 10 ist ein mutiges Statement und ein Meilenstein für den Foldable-Markt. Es beweist, dass faltbare Smartphones nicht länger eine exklusive Spielwiese der High-End-Hersteller sein müssen. Es ist zweifellos das günstigste Falt-Smartphone, das man kaufen kann, und es liefert ein solides Paket für seinen Preis. Die Verarbeitung ist überraschend gut, das faltbare AMOLED-Display ist beeindruckend für diese Klasse, und die alltägliche Leistung ist für die meisten Aufgaben absolut ausreichend. Die Akkulaufzeit ist akzeptabel, und die Software bietet eine grundlegende, aber funktionale Foldable-Erfahrung.
Allerdings gibt es auch klare Kompromisse: Der Helio G99 ist kein Leistungsmonster und bringt kein 5G mit sich. Die Kamera ist maximal durchschnittlich, und die Falz im Display ist sichtbar. Wer ein Foldable mit Flaggschiff-Leistung, einer Spitzenkamera und absoluter Zukunftssicherheit sucht, muss weiterhin tiefer in die Tasche greifen.
Sollte man es also „knicken”? Ganz und gar nicht. Das Blackview Hero 10 ist eine ernstzunehmende Option für alle, die schon immer ein faltbares Smartphone wollten, aber nicht bereit waren, den Premium-Preis zu zahlen. Es ist der perfekte Einstieg in die Welt der Foldables, ein Gerät für Technikbegeisterte mit einem begrenzten Budget oder für diejenigen, die ein kompaktes Zweithandy suchen, das Blicke auf sich zieht. Es ist nicht perfekt, aber es ist überraschend brauchbar und beweist, dass die Zukunft der faltbaren Smartphones tatsächlich für jedermann zugänglich sein könnte.
Wer sich bewusst für den Formfaktor entscheidet und die Kompromisse in Kauf nimmt, bekommt mit dem Blackview Hero 10 ein faszinierendes Stück Technologie. Es kann man es definitiv gebrauchen.