Es ist ein frustrierendes Gefühl: Man investiert in modernste Hardware, erwartet Spitzenleistung und dann zeigt ein Test nur einen Bruchteil des Möglichen an. Besonders im Bereich von **PCI Express (PCIe) 4.0**, das mit atemberaubenden Geschwindigkeiten beworben wird, kann eine Anzeige von „nur” 20 Gigabyte pro Sekunde (GB/s) Kopfzerbrechen bereiten, wenn man eigentlich die vollen 32 GB/s erwartet. Die gute Nachricht ist: In den meisten Fällen ist Ihr System nicht defekt. Wahrscheinlich hat lediglich eine „Handbremse” angezogen, deren Ursache oft in unerwarteten Ecken lauert. Dieser Artikel taucht tief in die Materie ein, erklärt die potenziellen Ursachen und zeigt Ihnen, wie Sie die volle Leistung Ihres PCIe 4.0 Systems entfesseln können.
**PCIe 4.0 – Was ist das eigentlich und was ist zu erwarten?**
Bevor wir uns den Bremsern widmen, klären wir kurz die Grundlagen. **PCIe 4.0** ist eine Schnittstellen-Spezifikation, die den Datentransfer zwischen der CPU und Hochgeschwindigkeitskomponenten wie Grafikkarten, NVMe-SSDs oder Erweiterungskarten regelt. Jede Generation verdoppelt dabei die Bandbreite pro **Lane**.
* **PCIe 3.0:** Bietet pro Lane ca. 1 Gigabyte pro Sekunde (GB/s). Ein typischer **PCIe 3.0 x16** Slot erreicht somit etwa 16 GB/s.
* **PCIe 4.0:** Verdoppelt diese Geschwindigkeit auf ca. 2 GB/s pro Lane. Ein **PCIe 4.0 x16** Slot erreicht theoretisch bis zu **32 GB/s**.
* **PCIe 5.0:** Verdoppelt dies weiter auf ca. 4 GB/s pro Lane. Ein **PCIe 5.0 x16** Slot schafft bis zu 64 GB/s.
Die Angabe „20 GB/s” im Kontext eines „Feature Tests” ist also signifikant. Sie liegt deutlich unter den erwarteten 32 GB/s für eine vollständige PCIe 4.0 x16 Anbindung, aber auch deutlich über den 16 GB/s einer PCIe 3.0 x16 Anbindung. Interessanterweise liegt sie sehr nahe an der Leistung eines **PCIe 4.0 x8** Slots (ca. 16 GB/s, je nach Overhead und Realbedingungen), oder eines sehr gut ausgelasteten **PCIe 3.0 x16** Slots. Diese Beobachtung ist der Schlüssel zur Fehlersuche.
**Die „angezogene Handbremse“ – Ursachenforschung und Lösungsansätze**
Die Gründe, warum Ihr PCIe 4.0 System nicht die volle Leistung von 32 GB/s erreicht, sind vielfältig und können von der physischen Hardware über die Software bis hin zur Testmethodik reichen.
**1. Die physische Verbindung (Hardware-Engpässe)**
Dies ist oft die häufigste Ursache für reduzierte PCIe-Leistung.
* **Der PCIe-Steckplatz (Slot) selbst:**
* **Kein echter x16 Slot:** Viele Mainboards haben zwar mehrere physische x16-Slots, aber nicht alle bieten auch die volle elektrische Anbindung von 16 Lanes. Oft sind die unteren Slots nur elektrisch mit x8 oder x4 angebunden. Überprüfen Sie das Handbuch Ihres Mainboards genau, um die genaue Lane-Konfiguration der einzelnen Slots zu erfahren. Ihr „Feature Test” könnte auf eine x8 Anbindung hinweisen.
* **Lane-Sharing:** Oft teilen sich PCIe-Slots oder M.2-Slots dieselben Lanes mit anderen Komponenten. Wenn Sie beispielsweise eine High-Speed NVMe-SSD in einem M.2-Slot betreiben, der sich Lanes mit Ihrem primären PCIe-Slot teilt, kann dies die Anzahl der verfügbaren Lanes für Ihre Erweiterungskarte reduzieren (z.B. von x16 auf x8).
* **Falscher Slot:** Stellen Sie sicher, dass Ihre Hochleistungskomponente (z.B. eine PCIe-SSD-Karte oder GPU, die Sie testen möchten) im primären PCIe 4.0 x16 Slot steckt, der direkt an die CPU angebunden ist. Dies ist in der Regel der oberste, verstärkte Slot.
* **Das PCIe-Gerät selbst:**
* **Gerät ist kein x16 Gerät:** Nicht jede Karte, die in einen x16-Slot passt, nutzt auch alle 16 Lanes. Manche High-End NVMe-RAID-Karten sind beispielsweise als PCIe 4.0 x8 konzipiert, da dies für ihre Speicherkonfiguration ausreichend Bandbreite bietet. Überprüfen Sie die Spezifikationen Ihrer Erweiterungskarte.
* **Physische Beschädigung oder Verunreinigung:** Staub oder Schmutz in den Kontakten oder ein leicht schief sitzendes Gerät können zu einer fehlerhaften Lane-Verhandlung führen und die Bandbreite reduzieren.
* **CPU- und Mainboard-Support:**
* **CPU-Lanes:** Nicht jede CPU bietet die gleiche Anzahl an PCIe-Lanes. Während High-End-CPUs meist ausreichend Lanes für eine x16-GPU und weitere M.2-Slots direkt von der CPU bereitstellen, könnten günstigere Modelle oder ältere Chipsets Limitierungen aufweisen. Vergewissern Sie sich, dass Ihre CPU die notwendigen PCIe 4.0 Lanes für Ihre Konfiguration bereitstellt.
* **Mainboard-Chipsatz:** Der Chipsatz (z.B. AMD X570, B550, Intel Z590, Z690) spielt eine wichtige Rolle bei der Verteilung der Lanes. Manchmal können bestimmte Chipsets oder ihre Implementierungen nur eine begrenzte Anzahl von PCIe 4.0 Lanes direkt von der CPU weiterleiten oder selbst nur PCIe 3.0 für einige Slots bereitstellen.
* **Kabel und Adapter (insbesondere bei Risern):**
* **Riser-Kabel:** Wenn Sie ein Riser-Kabel verwenden (z.B. für eine vertikale GPU-Montage), ist dieses oft eine kritische Fehlerquelle. Nicht alle Riser-Kabel sind für PCIe 4.0 optimiert oder ausreichend geschirmt. Ein minderwertiges oder zu langes Riser-Kabel kann die Signalgüte beeinträchtigen und dazu führen, dass die Verbindung auf PCIe 3.0 oder sogar eine geringere Lane-Anzahl zurückfällt. Stellen Sie sicher, dass Ihr Riser-Kabel explizit für PCIe 4.0 zertifiziert ist.
**2. Software und Treiber**
Auch die Softwareebene kann eine „Handbremse” darstellen.
* **BIOS/UEFI-Einstellungen:**
* **PCIe Generation:** Im BIOS/UEFI gibt es oft eine Einstellung für die bevorzugte PCIe-Generation des Slots (z.B. Auto, Gen 1, Gen 2, Gen 3, Gen 4). Stellen Sie sicher, dass dieser auf „Auto” oder explizit auf **”Gen 4″** eingestellt ist. Manchmal ist er aus Gründen der Kompatibilität standardmäßig auf „Auto” oder „Gen 3” gesetzt.
* **Lane Bifurcation / ASPM:** Manche Mainboards bieten erweiterte Einstellungen zur Lane-Aufteilung (Bifurcation) oder zur Energieverwaltung (Active State Power Management – ASPM), die die Leistung beeinflussen können. Überprüfen Sie diese Einstellungen und versuchen Sie, sie auf Standardwerte oder Leistungsmodi zu setzen.
* **Aktuelle Firmware:** Ein veraltetes BIOS/UEFI kann Kompatibilitätsprobleme oder fehlende Optimierungen für PCIe 4.0 aufweisen. Aktualisieren Sie Ihr BIOS/UEFI auf die neueste Version.
* **Chipsatz- und Gerätetreiber:**
* **Aktuelle Chipsatztreiber:** Veraltete Chipsatztreiber können die Kommunikation und Leistung von PCIe-Geräten beeinträchtigen. Laden Sie die neuesten Chipsatztreiber direkt von der Website des Mainboard-Herstellers oder des Chipsatz-Herstellers (AMD, Intel) herunter.
* **Spezifische Gerätetreiber:** Stellen Sie sicher, dass alle notwendigen Treiber für Ihr PCIe-Gerät (z.B. NVMe-RAID-Controller-Treiber, Grafikkartentreiber) aktuell sind und korrekt installiert wurden.
* **Betriebssystem:**
* **Aktualisierungen:** Ein aktuelles Betriebssystem (Windows 10/11, aktuelle Linux-Distributionen) ist für die optimale Verwaltung und Leistung von PCIe 4.0 essenziell.
**3. Testmethodik und Engpässe**
Manchmal liegt das Problem nicht bei der Hardware oder Software, sondern in der Art und Weise, wie Sie die Leistung messen.
* **Das Benchmark-Tool:**
* **Brutto- vs. Netto-Durchsatz:** Benchmark-Tools messen oft den Netto-Datendurchsatz, also die tatsächlich nutzbare Bandbreite nach Abzug von Protokoll-Overhead, CPU-Verarbeitungszeit und anderen System-Engpässen. Die theoretischen 32 GB/s sind der Brutto-Durchsatz. Ein realistischer Netto-Durchsatz von 28-30 GB/s wäre bereits exzellent. 20 GB/s ist jedoch ein deutlicher Unterschied.
* **Testdateigröße und Blockgröße:** Einige Benchmarks sind empfindlich gegenüber der Größe der verwendeten Testdateien oder der Blockgröße der Daten. Kleinere Blockgrößen oder zu kleine Testdateien können die Messung verfälschen und die Leistung der zugrundeliegenden Hardware nicht voll auslasten.
* **Welcher „Feature Test”?** Der genaue „Feature Test”, den Sie verwenden, ist entscheidend. Handelt es sich um ein synthetisches Benchmark-Tool wie AIDA64, CrystalDiskMark (für NVMe), oder ein spezifisches Tool für Ihre Hardware? Manche Tools prüfen lediglich die ausgehandelte Link-Geschwindigkeit (z.B. „PCIe 4.0 x16”) und nicht den tatsächlichen Datendurchsatz.
* **Die „Gegenstelle” (Das Ziel des Datentransfers):**
* **Speichergeschwindigkeit:** Wenn Sie die Leistung einer PCIe-Karte testen, die Daten speichert (z.B. eine NVMe-RAID-Karte), muss die darunterliegende Speicherlösung (die SSDs) schnell genug sein, um die volle Bandbreite zu sättigen. Eine einzelne High-End NVMe PCIe 4.0 SSD erreicht typischerweise 5-7 GB/s. Um 20 GB/s oder mehr zu erreichen, benötigen Sie einen schnellen RAID-Verbund aus mehreren NVMe-SSDs. Ist Ihr RAID-Verbund korrekt konfiguriert und schnell genug?
* **RAM als Ziel:** Wenn Sie z.B. einen Test durchführen, der Daten zwischen RAM und einer PCIe-Karte hin- und herkopiert, kann auch die Geschwindigkeit und Kapazität Ihres Arbeitsspeichers zum Engpass werden.
* **Systemweite Engpässe:**
* **CPU-Auslastung:** Bei intensiven Datentransfer-Tests oder anspruchsvollen Benchmarks kann die CPU selbst zum Flaschenhals werden, wenn sie die Daten nicht schnell genug verarbeiten oder kopieren kann.
* **Hintergrundprozesse:** Andere laufende Anwendungen oder Hintergrunddienste können Systemressourcen belegen und die gemessene Leistung beeinträchtigen. Schließen Sie unnötige Programme vor dem Test.
* **Thermisches Throttling:** Überhitzung von CPU, Chipsatz oder sogar dem PCIe-Gerät selbst kann dazu führen, dass die Komponenten ihre Leistung drosseln, um Schäden zu vermeiden. Achten Sie auf ausreichende Kühlung.
**Schritt für Schritt zur Problemlösung**
Um die „angezogene Handbremse” zu lösen, gehen Sie systematisch vor:
1. **Sammeln Sie Informationen:**
* Überprüfen Sie das Handbuch Ihres Mainboards auf die genaue Lane-Konfiguration und -Anbindung der PCIe-Slots.
* Nutzen Sie Tools wie GPU-Z (für Grafikkarten) oder HWiNFO64, um die aktuell ausgehandelte PCIe-Geschwindigkeit (z.B. „PCIe 4.0 x8”) und die Temperatur der Komponenten zu prüfen.
* Welches spezifische „Feature Test” Tool nutzen Sie? Lesen Sie dessen Dokumentation.
2. **BIOS/UEFI aktualisieren und prüfen:**
* Flashen Sie die neueste BIOS/UEFI-Version für Ihr Mainboard.
* Stellen Sie sicher, dass der entsprechende PCIe-Slot auf „Gen 4” oder „Auto” eingestellt ist.
* Setzen Sie eventuell erweiterte PCIe-Einstellungen (wie ASPM) auf Standard oder Leistungsmodus.
3. **Treiber aktualisieren:**
* Installieren Sie die neuesten Chipsatztreiber von AMD/Intel oder der Mainboard-Herstellerseite.
* Stellen Sie sicher, dass alle spezifischen Treiber für Ihr PCIe-Gerät aktuell sind.
4. **Hardware-Konfiguration prüfen:**
* Vergewissern Sie sich, dass Ihre Karte im primären **PCIe 4.0 x16** Slot steckt.
* Entfernen Sie alle anderen PCIe-Geräte oder M.2-SSDs aus Slots, die sich Lanes teilen könnten, um die Auswirkungen zu testen.
* Wenn Sie ein Riser-Kabel verwenden, entfernen Sie es testweise und stecken Sie die Karte direkt in den Slot. Wenn die Geschwindigkeit dann steigt, ist das Riser-Kabel der Übeltäter.
* Überprüfen Sie, ob Ihre Karte tatsächlich ein **x16**-Gerät ist.
5. **Testmethodik optimieren:**
* Nutzen Sie renommierte Benchmarking-Tools, die speziell für den Durchsatz von PCIe-Geräten entwickelt wurden (z.B. CrystalDiskMark für NVMe-SSDs, oder anspruchsvolle Grafik-Benchmarks für GPUs).
* Verwenden Sie große Testdateien und optimale Blockgrößen, um die volle Bandbreite zu fordern.
* Stellen Sie sicher, dass die „Gegenstelle” (z.B. der RAID-Verbund) schnell genug ist.
6. **Ressourcen prüfen:**
* Überwachen Sie während des Tests die CPU-Auslastung und die Temperaturen.
**Fazit**
Das Erreichen der vollen, theoretischen Bandbreite von **32 GB/s auf PCIe 4.0 x16** ist eine komplexe Angelegenheit, die eine perfekte Abstimmung von Hardware, Software und Testmethodik erfordert. Eine gemessene Leistung von 20 GB/s ist ein klares Indiz dafür, dass irgendwo eine **”angezogene Handbremse”** vorliegt, höchstwahrscheinlich in Form einer x8-Anbindung (entweder durch den Slot, das Gerät oder Lane-Sharing) oder einer Kombination aus verschiedenen Engpässen.
Mit einer systematischen Fehlersuche, beginnend bei der physischen Anbindung über die Software-Einstellungen bis hin zur Überprüfung Ihrer Testmethodik, können Sie die Ursache identifizieren und beheben. Haben Sie Geduld und gehen Sie Schritt für Schritt vor – die volle Leistung Ihres Systems wartet darauf, entfesselt zu werden!