Das Flashen des BIOS einer Grafikkarte – oft als VBIOS-Flash bezeichnet – ist eine Methode, um die Leistung, Stabilität oder Funktionalität einer NVIDIA-Grafikkarte zu verbessern. Es ermöglicht das Aufspielen von optimierten Taktraten, Spannungsprofilen oder das Freischalten von Funktionen, die vom Hersteller in späteren Revisionen oder für andere Modelle vorgesehen waren. Während dieser Vorgang bei einem System mit einer einzigen Grafikkarte relativ unkompliziert ist, bringt die Präsenz von zwei oder mehr Grafikkarten in einem System spezifische Herausforderungen und Risiken mit sich. Diese Anleitung führt Sie detailliert durch den Prozess, um NVflash korrekt und sicher zu nutzen, wenn zwei Grafikkarten im Betrieb sind.
Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass das Flashen eines falschen oder korrupten BIOS Ihre Grafikkarte unwiederbringlich beschädigen (umgangssprachlich „bricken“) kann. Diese Anleitung ist für fortgeschrittene Benutzer gedacht, die die damit verbundenen Risiken vollständig verstehen und akzeptieren. Gehen Sie niemals unüberlegt vor!
Was ist NVflash und warum es bei mehreren GPUs kompliziert wird
NVflash ist ein Kommandozeilen-Tool von NVIDIA, das speziell für das Lesen, Speichern und Schreiben des BIOS von NVIDIA-Grafikkarten entwickelt wurde. Es ist das De-facto-Standardwerkzeug für solche Operationen. Die Komplexität bei mehreren GPUs entsteht, weil NVflash mehrere erkannte Grafikkarten mit einem numerischen Index versieht. Wenn Sie das BIOS einer bestimmten Karte flashen möchten, müssen Sie deren korrekten Index kennen, um zu verhindern, dass Sie versehentlich das BIOS der falschen Karte überschreiben.
Stellen Sie sich vor, Sie haben zwei identische Grafikkarten von zwei verschiedenen Herstellern oder auch zwei leicht unterschiedliche Modelle. Ohne genaue Identifizierung kann ein falsches BIOS dazu führen, dass die Karte nicht mehr startet oder fehlerhaft funktioniert. Ziel dieser Anleitung ist es, dieses Risiko durch sorgfältige Identifizierung und präzise Befehlsanwendung zu minimieren.
Vorbereitung ist alles: Der Schlüssel zum Erfolg
Bevor Sie auch nur daran denken, einen Flash-Vorgang zu starten, ist eine gründliche Vorbereitung unerlässlich. Dies minimiert nicht nur das Risiko von Fehlern, sondern bietet auch einen Weg zur Wiederherstellung, falls etwas schiefgeht.
1. Identifizierung Ihrer Grafikkarten
- Modell und Hersteller: Notieren Sie sich das genaue Modell und den Hersteller jeder Ihrer Grafikkarten. Selbst zwei „RTX 3080” können sich in ihrem Referenz-BIOS unterscheiden, wenn sie von verschiedenen Herstellern (z.B. ASUS, MSI, EVGA) stammen. Die physische Inspektion der Karten oder die Nutzung von Tools wie GPU-Z kann hierbei hilfreich sein.
- Aktuelle BIOS-Version: Verwenden Sie GPU-Z, um die aktuelle BIOS-Version jeder Karte auszulesen. Dies ist wichtig für einen späteren Vergleich oder als Referenz.
2. Beschaffen der richtigen NVflash-Version
Es gibt verschiedene Versionen von NVflash, die für unterschiedliche NVIDIA-GPU-Generationen optimiert sind. Eine ältere NVflash-Version funktioniert möglicherweise nicht mit neueren Grafikkarten und umgekehrt. Suchen Sie online nach der neuesten Version, die mit Ihrer spezifischen GPU-Architektur (z.B. Kepler, Maxwell, Pascal, Turing, Ampere, Ada Lovelace) kompatibel ist. Laden Sie NVflash nur von vertrauenswürdigen Quellen herunter, wie z.B. TechPowerUp.
3. Beschaffen des gewünschten BIOS
Dies ist der kritischste Schritt. Das BIOS, das Sie flashen möchten, muss zu 100% mit Ihrer spezifischen Grafikkarte kompatibel sein. Ein falsches BIOS kann die Karte unbrauchbar machen. Achten Sie auf:
- Exaktes Modell: Das BIOS muss für das exakte Modell Ihrer Grafikkarte sein (z.B. „MSI RTX 3080 Gaming X Trio“).
- Speichergröße und -typ: Das BIOS muss für die korrekte Speichergröße (z.B. 10 GB GDDR6X) und den Speichertyp Ihrer Karte ausgelegt sein.
- Leistungsaufnahme (TDP): Achten Sie auf die TDP-Werte des neuen BIOS. Ein BIOS mit einer höheren TDP kann mehr Leistung freischalten, aber auch die Karte überlasten oder zu Instabilität führen, wenn Ihre Karte nicht dafür ausgelegt ist.
Viele Nutzer laden BIOS-Dateien von der TechPowerUp VGA BIOS Collection herunter. Vergleichen Sie dort die Daten akribisch mit Ihrer Karte. Verwenden Sie auch hier GPU-Z, um die Eigenschaften Ihrer Karten zu überprüfen.
4. Erstellen eines bootfähigen Mediums (empfohlen für maximale Stabilität)
Obwohl moderne NVflash-Versionen oft direkt unter Windows funktionieren, ist ein DOS- oder UEFI-Shell-basierter Flash-Vorgang oft stabiler, da keine Hintergrundprozesse oder Treiberkonflikte stören können. Die meisten Anleitungen empfehlen die Verwendung eines bootfähigen USB-Sticks.
- Bootfähiger USB-Stick (DOS): Nutzen Sie Tools wie Rufus, um einen USB-Stick mit FreeDOS bootfähig zu machen. Kopieren Sie die NVflash-Dateien und Ihre BIOS-Dateien (.rom) auf diesen Stick.
- Bootfähiger USB-Stick (UEFI Shell): Eine modernere Alternative, die mit UEFI-Systemen kompatibel ist. Dies erfordert etwas mehr Vorwissen über UEFI-Shell-Befehle.
Alternativ können Sie den Flash-Vorgang auch unter Windows in einer Administrator-Kommandozeile durchführen. Stellen Sie sicher, dass alle unnötigen Programme geschlossen sind und die Energieeinstellungen auf „Höchstleistung“ gesetzt sind.
5. Weitere wichtige Vorbereitungen
- Sicherungskopie: Erstellen Sie eine vollständige Sicherungskopie Ihres aktuellen Systems, falls Sie später wiederherstellen müssen.
- Integrierte Grafikkarte: Wenn Ihr Prozessor eine integrierte Grafikkarte (iGPU) besitzt, aktivieren Sie diese im BIOS und schließen Sie Ihren Monitor daran an. Dies ist Ihr „Rettungsanker“, falls eine Ihrer dedizierten Grafikkarten nach dem Flash nicht mehr bootet und Sie den Flash-Vorgang rückgängig machen müssen.
- Monitoranschluss: Stellen Sie sicher, dass Ihr Monitor an die Grafikkarte angeschlossen ist, die Sie *nicht* flashen möchten, oder im Falle einer iGPU, an diese. So haben Sie immer ein Bild, selbst wenn die geflashte Karte Probleme macht.
- Treiber: Stellen Sie sicher, dass die aktuellen NVIDIA-Treiber installiert sind, falls Sie unter Windows flashen.
- Stabile Stromversorgung: Vermeiden Sie Unterbrechungen der Stromversorgung während des Flash-Vorgangs. Ein gutes, stabiles Netzteil ist hier Gold wert.
Der Flash-Vorgang: Schritt für Schritt mit zwei Grafikkarten
Hier kommt der entscheidende Teil. Wir gehen davon aus, dass Sie alle Vorbereitungen getroffen haben.
Schritt 1: Das System für NVflash vorbereiten
Booten Sie entweder von Ihrem vorbereiteten DOS/UEFI-USB-Stick oder öffnen Sie unter Windows eine Kommandozeile als Administrator. Navigieren Sie zu dem Verzeichnis, in dem sich Ihre NVflash-Dateien und die BIOS-Dateien befinden.
Schritt 2: Identifizierung der Grafikkarten mit NVflash
Dies ist der absolut wichtigste Schritt bei mehreren GPUs. Sie müssen herausfinden, welche Karte welchen Index von NVflash zugewiesen bekommt. Geben Sie folgenden Befehl ein:
nvflash --listoder die Kurzform:
nvflash -iNVflash wird eine Liste aller erkannten NVIDIA-Grafikkarten ausgeben. Die Ausgabe könnte etwa so aussehen:
Adapter: 0
GPU: GP104 (10DE,1B80,1043,8586)
Board Style: P2002
PCI-E Link Width: x16
BIOS Version: 86.04.17.00.01
BIOS Date: 03/10/17
Memory Type: GDDR5X
Memory Size: 8192 MB
Adapter: 1
GPU: GP104 (10DE,1B80,1043,8587)
Board Style: P2002
PCI-E Link Width: x16
BIOS Version: 86.04.17.00.02
BIOS Date: 03/10/17
Memory Type: GDDR5X
Memory Size: 8192 MBBeachten Sie die Zeile Adapter: 0 und Adapter: 1. Dies sind die Indexnummern, die NVflash den Karten zugewiesen hat. Jetzt müssen Sie herausfinden, welche physische Karte welchem Index entspricht. Dafür können Sie die Board Style, BIOS Version oder die Subsystem ID (die letzten 4 Zeichen im GPU-Feld, z.B. 8586 vs. 8587) nutzen, um die Karten voneinander zu unterscheiden. Besonders hilfreich ist es, wenn die Karten unterschiedliche BIOS-Versionen haben oder wenn Sie mithilfe von GPU-Z die Subsystem ID der einzelnen Karten vorab notiert haben. Wenn Sie zwei absolut identische Karten flashen, können Sie in der Regel davon ausgehen, dass der erste PCIe-Slot (näher am CPU) Index 0 bekommt und der zweite Index 1. Verlassen Sie sich aber nicht blind darauf! Wenn Sie absolut unsicher sind, ist es am sichersten, eine der Karten vorübergehend auszubauen und nur eine Karte im System zu lassen.
Schritt 3: Sicherung der aktuellen BIOS-Versionen (beider Karten!)
Bevor Sie etwas flashen, erstellen Sie eine Sicherungskopie des BIOS jeder Grafikkarte. Dies ist Ihre Rettungsleine, falls etwas schiefgeht. Verwenden Sie dabei den identifizierten Index:
nvflash -i 0 -b original_bios_karte0.rom
nvflash -i 1 -b original_bios_karte1.romBestätigen Sie den Vorgang bei Aufforderung. Speichern Sie diese Dateien an einem sicheren Ort und benennen Sie sie eindeutig, damit Sie wissen, welche Datei zu welcher Karte gehört.
Schritt 4: Flashen der gewünschten Grafikkarte
Jetzt kommt der eigentliche Flash-Vorgang. Sie müssen den Index der Karte angeben, die Sie flashen möchten. Nehmen wir an, Sie möchten die Karte mit Index 0 flashen, und Ihr neues BIOS heißt neues_bios_karte0.rom.
Der Befehl sieht wie folgt aus:
nvflash -i 0 -f -4 -5 -6 neues_bios_karte0.romErklärung der Flags:
-i 0: Wählt die Grafikkarte mit dem Index 0 aus. Ersetzen Sie0durch den korrekten Index Ihrer Zielkarte.-f: Erzwingt den Flash-Vorgang. Ohne dieses Flag würde NVflash möglicherweise den Vorgang abbrechen, wenn es Unterschiede zwischen dem aktuellen BIOS und dem neuen BIOS feststellt (z.B. unterschiedliche Board-ID).-4: Deaktiviert die Board ID-Überprüfung.-5: Deaktiviert die PCI-E Device ID-Überprüfung.-6: Deaktiviert die Subsystem ID-Überprüfung.
Die Flags -f -4 -5 -6 sind oft notwendig, um ein modifiziertes oder ein BIOS von einem anderen Hersteller auf eine Karte zu flashen. Seien Sie sich bewusst, dass diese Flags die Sicherheitsmechanismen von NVflash umgehen und daher das Risiko eines Fehlers erhöhen, wenn das BIOS nicht perfekt passt.
Bestätigen Sie den Flash-Vorgang bei Aufforderung. Während des Flashens kann der Bildschirm kurz schwarz werden oder flackern. Dies ist normal. Unterbrechen Sie den Vorgang auf keinen Fall!
Schritt 5: Neustart und Überprüfung
Nachdem NVflash den Vorgang erfolgreich abgeschlossen hat, starten Sie Ihren Computer neu. Wenn der Flash erfolgreich war, sollte das System normal booten. Öffnen Sie anschließend GPU-Z und überprüfen Sie, ob die geflashte Karte die neue BIOS-Version anzeigt und alle erwarteten Parameter korrekt sind (Taktraten, TDP, etc.).
Wiederholen Sie die Schritte 2 bis 5 für die zweite Grafikkarte, falls Sie diese ebenfalls flashen möchten. Seien Sie auch hier wieder äußerst präzise bei der Identifizierung des Index.
Umgang mit Problemen nach dem Flash
Was tun, wenn der Bildschirm nach dem Neustart schwarz bleibt oder die Karte nicht mehr erkannt wird?
- Kein Bild auf der geflashten Karte: Wenn Sie einen Monitor an die integrierte Grafikkarte (iGPU) oder an die andere, nicht geflashte Grafikkarte angeschlossen haben, sollten Sie immer noch ein Bild haben.
- Wiederherstellen des Original-BIOS: Booten Sie erneut von Ihrem bootfähigen USB-Stick oder über die Administrator-Kommandozeile (wenn Sie noch ein Bild haben). Identifizieren Sie die „gebrickte” Karte erneut mit
nvflash -i. Verwenden Sie dann den Befehl, um das zuvor gesicherte Original-BIOS wiederherzustellen:nvflash -i <index_der_gebrickten_karte> -f -4 -5 -6 original_bios_karteX.romErsetzen Sie
<index_der_gebrickten_karte>undoriginal_bios_karteX.romdurch die korrekten Werte. Nach einem erfolgreichen Wiederherstellungsversuch starten Sie den PC erneut. - Blind-Flash: Wenn Sie überhaupt kein Bild mehr bekommen, kann es zu einem „Blind-Flash” kommen. Dies ist extrem riskant und erfordert genaue Kenntnis der Befehlsabfolge und ein bisschen Glück. Sie würden dann von einem bootfähigen DOS/UEFI-Stick booten und die Befehle „blind” eingeben, in der Hoffnung, dass das System sie ausführt. Dies ist ein letzter Ausweg und erfordert viel Erfahrung.
- Physikalische Entfernung: Wenn nur eine Karte Probleme macht, können Sie die „gute” Karte entfernen und die „Problemkarte” alleine in den primären PCIe-Slot stecken. Oft bekommt sie dann automatisch den Index 0, was den Blind-Flash oder die Wiederherstellung vereinfacht, da Sie nicht mehr den Index der Problemkarte erraten müssen. Verwenden Sie dann die iGPU für die Anzeige.
- Backup-BIOS auf der Grafikkarte: Einige High-End-Grafikkarten verfügen über ein Dual-BIOS oder einen BIOS-Schalter, der es Ihnen ermöglicht, zwischen zwei BIOS-Versionen zu wechseln. Prüfen Sie, ob Ihre Karte diese Funktion hat und nutzen Sie sie, um im Notfall auf das funktionierende Backup-BIOS umzuschalten.
Best Practices und Wichtige Hinweise
- Der sicherste Weg: Eine Karte auf einmal. Die absolut sicherste Methode, wenn Sie nicht 100%ig sicher sind, welche Karte welchen Index hat, ist das Entfernen einer der Grafikkarten. Flashen Sie die verbleibende Karte, überprüfen Sie die Funktion, fahren Sie dann herunter, bauen Sie die zweite Karte ein und wiederholen Sie den Vorgang. Dies eliminiert das Risiko, die falsche Karte zu flashen.
- Stabile Umgebung: Führen Sie den Flash-Vorgang niemals während eines Gewitters oder bei instabiler Stromversorgung durch. Ein Stromausfall während des Flashs kann die Karte sofort „bricken”.
- Keine Übertaktung während des Flashs: Stellen Sie sicher, dass Ihre Grafikkarten während des Flash-Vorgangs nicht übertaktet sind. Kehren Sie zu den Standardeinstellungen zurück.
- Geduld: Ein BIOS-Flash dauert nur wenige Sekunden. Aber die Vorbereitung und die Überprüfung danach erfordern Geduld und Sorgfalt.
- Firmware-Updates des Mainboards: Stellen Sie sicher, dass Ihr Mainboard-BIOS auf dem neuesten Stand ist, um Kompatibilitätsprobleme zu vermeiden.
Fazit
Das Flashen des GPU-BIOS mit NVflash, insbesondere bei Systemen mit mehreren Grafikkarten, ist ein leistungsstarkes Werkzeug, das erhebliche Vorteile bringen kann, aber auch mit erheblichen Risiken verbunden ist. Eine akribische Vorbereitung, die genaue Identifizierung jeder Grafikkarte und das konsequente Befolgen der Anweisungen sind unerlässlich. Das Wichtigste ist, immer ein Backup des ursprünglichen BIOS zu haben und sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Wenn Sie diese Anleitung sorgfältig befolgen, erhöhen Sie Ihre Chancen auf einen erfolgreichen Flash-Vorgang erheblich und können das volle Potenzial Ihrer NVIDIA-Grafikkarten ausschöpfen. Bei Unsicherheiten suchen Sie besser professionelle Hilfe oder verzichten Sie auf den Flash-Vorgang.