Es ist ein Szenario, das viele Enthusiasten kennen: Sie haben kräftig in das absolute Nonplusultra der Grafikkarten-Technologie investiert – eine NVIDIA GeForce RTX 4090. Mit dieser Hardware-Titanin erwarten Sie in so gut wie jedem Spiel butterweiche Bildraten, selbst in 4K und mit maximalen Einstellungen. Doch dann starten Sie den Microsoft Flight Simulator 2020 (MSFS2020), fliegen über eine dicht besiedelte Metropole oder nähern sich einem komplexen Flughafen, und die Bildraten fallen in einen Bereich, der so gar nicht zu Ihrer High-End-Grafikkarte passen will. Plötzlich fragen Sie sich: Ist meine teure RTX 4090 kaputt? Ist der Simulator schlecht optimiert? Oder gibt es andere, tiefgreifendere Gründe für dieses scheinbar unerklärliche Phänomen?
Die gute Nachricht vorweg: Weder Ihre RTX 4090 ist defekt, noch ist der MSFS2020 prinzipiell „kaputt“. Die Wahrheit ist komplexer und liegt in der einzigartigen Architektur des Simulators, der Art und Weise, wie er Daten verarbeitet, und der schieren visuellen Komplexität, die er auf den Bildschirm zaubert. Dieser Artikel taucht tief in die Materie ein, um Ihnen zu erklären, warum selbst die leistungsstärkste Grafikkarte der Welt in bestimmten Szenarien an ihre Grenzen stößt und wie Sie Ihr Flugerlebnis optimieren können.
Der Elefant im Raum: Der CPU-Engpass
Wenn die Diskussion um niedrige FPS mit einer RTX 4090 in einem Spiel wie dem MSFS2020 aufkommt, ist der erste und oft wichtigste Verdächtige der CPU-Engpass (Central Processing Unit Bottleneck). Der Microsoft Flight Simulator ist, anders als viele traditionelle Spiele, extrem CPU-intensiv, insbesondere auf dem sogenannten „Hauptthread”. Während Ihre RTX 4090 Millionen von Polygonen in atemberaubender Geschwindigkeit rendern kann, muss die CPU die gesamte Welt simulieren, bevor die Grafikkarte überhaupt etwas zu tun bekommt.
Was genau bedeutet das? Die CPU ist verantwortlich für alles, was im Simulator „lebt” und „denkt”: die Berechnung von Flugphysik, Wettermodellen, KI-Verkehr (Flugzeuge, Fahrzeuge, Boote), der dynamischen Wolkenbildung, dem Streaming von Terabytes an Welt- und Photogrammetriedaten von den Servern, sowie der Organisation von Millionen von Objekten, die zu einem riesigen „Draw Call” zusammengefasst werden müssen. Jedes einzelne Gebäude, jeder Baum, jede Lichtquelle in einer Stadt erfordert Rechenleistung. In dicht besiedelten Gebieten, an großen Flughäfen oder bei komplexen Flugzeug-Add-ons explodiert diese Arbeitslast.
Das Problem liegt oft nicht in der Gesamtleistung Ihrer CPU, sondern in ihrer Single-Core-Leistung. Obwohl moderne CPUs viele Kerne haben, kann die Hauptlogik des MSFS2020 oft nicht vollständig parallelisiert werden und lastet einen oder wenige Kerne extrem stark aus. Wenn dieser „Hauptthread” an seine Grenzen stößt, kann er der RTX 4090 nicht schnell genug neue Daten liefern. Die Grafikkarte wartet dann im Wesentlichen auf die CPU, was zu einer geringen GPU-Auslastung und niedrigen Bildraten führt, obwohl die Grafikkarte selbst nicht annähernd an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Ein leistungsstarker Intel Core i9-13900K oder AMD Ryzen 7 7800X3D kann hier zwar helfen, aber selbst diese Prozessoren können in den extremsten Szenarien an ihre Grenzen stoßen.
Die Engine und ihre Grenzen: Eine Frage der Optimierung
Der MSFS2020 basiert auf einer hochkomplexen und ehrgeizigen Engine von Asobo Studio, die eine ganze Welt simuliert. Dies bringt naturgemäß eigene Herausforderungen mit sich. Die Implementierung von DirectX 12, das seit einiger Zeit im Simulator verfügbar ist, sollte ursprünglich eine bessere CPU-Auslastung und damit höhere FPS ermöglichen. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass die Performance-Vorteile von DX12 nicht immer konsistent sind und für viele Nutzer die ältere DirectX 11-API immer noch eine stabilere oder gar höhere Bildrate liefert, insbesondere in CPU-limitierten Szenarien. Die vollständige Ausschöpfung des Potenzials von DX12, insbesondere im Hinblick auf Multi-Threading und Effizienz bei der Draw-Call-Verarbeitung, ist ein fortlaufender Prozess, der noch nicht vollständig ausgereift zu sein scheint.
Ein weiterer entscheidender Faktor sind die Detailgrad (LOD)-Einstellungen. Diese sind die wahren FPS-Killer im MSFS2020. Es gibt zwei Haupt-LOD-Einstellungen: „Terrain Level of Detail” und „Object Level of Detail”. Erhöhen Sie diese Werte auch nur geringfügig, erhöht sich die Anzahl der Objekte und Polygone, die Ihre CPU und GPU in der Ferne verarbeiten und darstellen müssen, exponentiell. Eine Erhöhung von 100 auf 200 kann die Rechenlast vervielfachen und selbst eine RTX 4090 in die Knie zwingen, wenn die CPU bereits ausgelastet ist oder wenn die schiere Menge an Geometrie die GPU doch an ihre Grenzen bringt. Diese Einstellungen sind oft die ersten, die angepasst werden sollten, um eine bessere Balance zu finden.
Die MSFS Optimierung ist eine Gratwanderung zwischen visueller Pracht und flüssiger Leistung. Die Engine muss eine Welt darstellen, die sich ständig verändert und Millionen von Datenpunkten verarbeitet. Es ist ein Wunder der Technik, dass sie überhaupt so funktioniert, wie sie es tut, aber diese Komplexität hat ihren Preis in Form von Leistungsanforderungen, die oft über das hinausgehen, was aktuelle „High-End”-Hardware bequem bewältigen kann.
Einstellungen jenseits des Vernünftigen: Wenn „Ultra” zur Falle wird
Die Option, alle Einstellungen auf „Ultra” zu setzen, ist verlockend, aber im MSFS2020 kann sie schnell zur Falle werden. Viele „Ultra”-Einstellungen sind eher „zukunftssicher” oder für extreme Screenshot-Gelegenheiten gedacht und nicht unbedingt für ein flüssiges Spielerlebnis in jeder Situation, selbst mit einer RTX 4090. Hier sind einige der kritischsten Einstellungen, die zu niedrigen FPS führen können:
- Render-Skalierung: Wenn Sie beispielsweise in 4K spielen und die Render-Skalierung auf 200% stellen, rendert der Simulator intern in 8K. Das ist eine enorme Belastung, selbst für eine RTX 4090. Versuchen Sie, diesen Wert bei 100% zu belassen oder ihn leicht zu erhöhen (z.B. auf 125%), wenn Ihre GPU noch Spielraum hat.
- Wolkenqualität: Die volumetrischen Wolken im MSFS2020 sind atemberaubend, aber auch extrem rechenintensiv. Eine Reduzierung von „Ultra” auf „Hoch” oder sogar „Mittel” kann einen signifikanten FPS-Schub bringen, ohne die visuelle Qualität dramatisch zu mindern. Die CPU und GPU müssen eine Vielzahl von Schichten und Partikeln berechnen, um diese realistischen Wolken darzustellen.
- KI-Verkehr (Luft, Boden, Boote, Autos): Wie bereits erwähnt, ist der gesamte KI-Verkehr eine CPU-Belastung. Ein Flughafen mit vielen KI-Flugzeugen und Bodendiensten kann die Hauptthread-Leistung Ihrer CPU stark beeinträchtigen. Reduzieren Sie diese Einstellungen, um die CPU zu entlasten. Das Gleiche gilt für statische Flugzeuge an Flughäfen, die ebenfalls Draw Calls generieren.
- Geländeschattierungen und Objektdichten: Auch diese tragen zur Komplexität der Szene bei und können die CPU und GPU belasten. Experimentieren Sie mit diesen Einstellungen, um eine gute Balance zu finden.
Das Ziel sollte nicht sein, „Ultra” zu erreichen, sondern eine flüssige und immersive Erfahrung bei einer ansprechenden visuellen Qualität. Oft sind die visuellen Unterschiede zwischen „Ultra” und „Hoch” minimal, die Leistungsunterschiede jedoch gewaltig.
Die Last externer Faktoren: Community Add-ons & Co.
Einer der größten Reize des MSFS2020 ist seine riesige und lebendige Modding-Community. Doch der Segen kann auch zum Fluch werden, wenn es um die Performance geht. Der Community Folder, in dem all Ihre Drittanbieter-Add-ons gespeichert sind, kann zu einer erheblichen Belastung werden. Komplexere Flugzeug-Add-ons wie die von PMDG, Fenix Sim oder iniBuilds sind oft detailgetreue Simulationen mit hochentwickelten Systemen und benutzerdefinierten Avionik-Displays. Diese sind extrem CPU-intensiv, da sie komplexe Berechnungen in Echtzeit durchführen, die den Hauptthread Ihrer CPU zusätzlich belasten können.
Dasselbe gilt für detaillierte Add-on-Flughäfen und Landschaftserweiterungen. Während ein Standardflughafen vielleicht nur eine moderate Anzahl an Objekten hat, kann ein hochdetaillierter Drittanbieter-Flughafen Tausende von zusätzlichen Objekten, hochauflösenden Texturen und komplexen Beleuchtungseffekten aufweisen. Jedes dieser Elemente muss von der CPU verarbeitet und an die GPU übergeben werden, was wiederum den CPU-Engpass verschärfen kann. Es ist ratsam, nur die Add-ons zu installieren, die Sie regelmäßig nutzen, und gegebenenfalls den Community Folder zu organisieren, um mögliche Konflikte oder übermäßige Belastungen zu vermeiden.
Auch die Nutzung von VR (Virtual Reality) multipliziert die Renderlast. Das Rendern für zwei Augen in hoher Auflösung und Bildrate bei gleichzeitig hohen Simulator-Einstellungen kann selbst eine RTX 4090 an ihre absoluten Grenzen bringen, selbst wenn die CPU perfekt mithält. Hier sind Kompromisse bei den Einstellungen unumgänglich, um eine spielbare VR-Erfahrung zu ermöglichen.
Das Gesamtpaket: Systemkonfiguration und Treiber
Abgesehen von den spezifischen MSFS2020-Einstellungen gibt es auch allgemeine Systemfaktoren, die die Leistung beeinflussen können. Eine schnelle RAM-Geschwindigkeit und geringe Latenz sind für den MSFS2020 von Vorteil, da der Simulator ständig große Datenmengen in den Arbeitsspeicher lädt und daraus liest. 32 GB RAM sind mittlerweile das Minimum für ein ruckelfreies Erlebnis, idealerweise mit einer Frequenz von 3600 MHz oder höher (bei DDR4) bzw. 6000 MHz oder höher (bei DDR5).
Auch die Treiberoptimierung spielt eine Rolle. Stellen Sie sicher, dass Ihre NVIDIA-Grafikkartentreiber stets aktuell sind. NVIDIA veröffentlicht regelmäßig Game-Ready-Treiber, die spezifische Optimierungen für Spiele wie den MSFS2020 enthalten können. Ebenso sollten Chipsatztreiber und andere Systemtreiber auf dem neuesten Stand sein. Ein sauberes Betriebssystem ohne viele Hintergrundprozesse oder Bloatware kann ebenfalls kleine, aber spürbare Leistungsverbesserungen bringen.
Eine schnelle NVMe-SSD ist zwar für die Ladegeschwindigkeit des Simulators entscheidend, hat aber nur einen geringen direkten Einfluss auf die FPS im Flug, es sei denn, Ihr Internetzugang ist sehr langsam und die Welt-Streaming-Daten können nicht schnell genug geladen werden. Eine stabile und schnelle Internetverbindung ist jedoch für die Photogrammetrie und das Streaming der Welt unerlässlich.
Fazit und Lösungsansätze: Wie man das Beste herausholt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die scheinbar niedrigen FPS Ihrer RTX 4090 im MSFS2020 kein Defekt, sondern das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels aus CPU-Engpässen, der anspruchsvollen Engine, extremen Grafikeinstellungen und der Last durch Drittanbieter-Add-ons sind. Der Simulator ist ein Vorreiter in puncto visueller Realismus und erfordert Hardware, die über das hinausgeht, was für die meisten anderen Spiele als „High-End” gilt.
Um das Beste aus Ihrem System herauszuholen und ein flüssiges Erlebnis zu gewährleisten, sollten Sie folgende Lösungsansätze in Betracht ziehen:
- Fokus auf die CPU: Der wichtigste Schritt ist die Optimierung der CPU-Leistung. Reduzieren Sie die Einstellungen, die die CPU am stärksten belasten: Terrain Level of Detail (LOD), Object Level of Detail und KI-Verkehr sind hier die Haupthebel.
- Einstellungen-Feintuning: Gehen Sie kritisch durch Ihre Grafikeinstellungen. Reduzieren Sie die Wolkenqualität auf „Hoch” und die Render-Skalierung auf 100% in 4K oder passen Sie sie moderat an. Oft ist der visuelle Unterschied zu „Ultra” gering, der FPS-Gewinn aber erheblich.
- Add-ons managen: Evaluieren Sie Ihren Community Folder. Deaktivieren Sie Add-ons, die Sie nicht ständig nutzen, und überprüfen Sie die Performance von besonders anspruchsvollen Flugzeugen oder Flughäfen.
- Aktuelle Treiber und stabiles System: Sorgen Sie für die neuesten Grafikkartentreiber und eine saubere Windows-Installation. Stellen Sie sicher, dass Ihr RAM optimal konfiguriert ist.
- DirectX-Version: Experimentieren Sie mit DirectX 11 und DirectX 12, um zu sehen, welche API auf Ihrem spezifischen System eine bessere Performance liefert.
- Erwartungsmanagement: Akzeptieren Sie, dass selbst eine RTX 4090 in extremsten Szenarien des MSFS2020 keine konstanten 60 FPS in 4K bei maximalen Einstellungen liefern kann. Ein Ziel von 30-40+ FPS in den anspruchsvollsten Bereichen ist oft ein realistischer und durchaus spielbarer Kompromiss.
Der Microsoft Flight Simulator 2020 ist eine beeindruckende technische Leistung, die die Grenzen des Machbaren auslotet. Ihre RTX 4090 ist das perfekte Werkzeug, um diese Vision zu erleben. Mit dem richtigen Verständnis und gezielten Anpassungen können Sie die bestmögliche Balance zwischen atemberaubender Grafik und flüssiger Performance finden und sich voll und ganz in die virtuelle Welt der Fliegerei vertiefen.