Meine 6700XT stockt extrem nach jedem Systemstart – was kann ich dagegen tun?

Es gibt wohl kaum etwas Frustrierenderes für einen PC-Gamer oder Enthusiasten, als wenn die teuer erkaufte Grafikkarte nicht wie erwartet funktioniert. Besonders ärgerlich wird es, wenn die Leistungsprobleme, wie extremes Stottern oder starke FPS-Drops, nicht nur sporadisch auftreten, sondern sich konsequent nach jedem Systemstart bemerkbar machen. Wenn Sie eine AMD Radeon RX 6700 XT besitzen und genau dieses Problem erleben, sind Sie nicht allein. Dieses Phänomen kann verschiedene Ursachen haben, von Softwarekonflikten über Treiberprobleme bis hin zu Hardware-Eigenheiten. In diesem umfassenden Guide führen wir Sie Schritt für Schritt durch die Fehlersuche und zeigen Ihnen bewährte Lösungen, um Ihre 6700 XT wieder zur vollen Leistung zu bringen.

Das Problem verstehen: Warum gerade nach jedem Systemstart?

Das spezifische Auftreten des Ruckelns „nach jedem Systemstart“ ist ein wichtiger Hinweis. Es deutet darauf hin, dass die Ursache wahrscheinlich in etwas liegt, das beim Bootvorgang geladen oder initialisiert wird. Das können Treiber, Hintergrundprozesse, bestimmte BIOS-Einstellungen, Energieverwaltung oder sogar thermische Faktoren sein, die erst nach einiger Zeit (oder einem Neustart) stabil werden. Dieses Muster grenzt das Problem von spontan auftretenden Rucklern ab, die oft auf Überhitzung unter Last oder unzureichende Stromversorgung während des Betriebs zurückzuführen sind.

Erste Schritte: Die einfachen Lösungen zuerst

1. Windows-Updates und Neustart

Klingt trivial, ist aber oft eine Lösung. Stellen Sie sicher, dass Ihr Windows vollständig auf dem neuesten Stand ist. Manchmal beheben Microsoft-Updates Kompatibilitätsprobleme oder aktualisieren generische Treiber, die Konflikte verursachen könnten. Nach den Updates ist ein vollständiger Neustart (nicht Herunterfahren und wieder Einschalten, da Windows 10/11 einen Schnellstartmodus hat) unerlässlich.

2. Hintergrundprozesse und Autostart aufräumen

Viele Programme starten automatisch mit Windows und laufen im Hintergrund, ohne dass Sie es merken. Einige davon können Systemressourcen beanspruchen oder sogar mit der AMD Adrenalin Software interferieren. Öffnen Sie den Task-Manager (Strg+Umschalt+Esc) und navigieren Sie zum Reiter „Autostart”. Deaktivieren Sie hier alle nicht benötigten Programme. Schauen Sie anschließend im Reiter „Prozesse” nach ressourcenhungrigen Anwendungen, die Sie nach dem Start manuell beenden können.

3. Energieeinstellungen überprüfen

Windows kann im Energiesparmodus die Leistung von Hardwarekomponenten drosseln. Stellen Sie sicher, dass Ihr System auf den Energiesparplan „Höchstleistung” oder „Ausbalanciert” (wenn nicht anders möglich, sonst immer Höchstleistung) eingestellt ist. Gehen Sie dazu in die Systemsteuerung > Hardware und Sound > Energieoptionen.

Tiefer eintauchen: Software- und Treiberprobleme

Der wohl häufigste Übeltäter bei Problemen mit AMD-Grafikkarten sind die Grafikkartentreiber und die dazugehörige Software. Ein korrupter Treiber, ein Konflikt mit einem alten Treiberrest oder eine fehlerhafte Einstellung in der Adrenalin Software können das Problem verursachen.

4. Der saubere Treiberclean: Display Driver Uninstaller (DDU)

Dies ist ein absolutes Muss und sollte der erste tiefergehende Schritt sein. Eine normale Deinstallation über Windows oder die Adrenalin Software entfernt oft nicht alle Überreste alter Treiber, was zu Konflikten führen kann. DDU ist ein kostenloses Tool, das speziell dafür entwickelt wurde, Grafikkartentreiber (AMD, NVIDIA, Intel) rückstandslos zu entfernen.

• Vorbereitung: Laden Sie DDU von einer vertrauenswürdigen Quelle (z.B. Guru3D) herunter. Laden Sie ebenfalls den neuesten stabilen AMD-Treiber von der offiziellen AMD-Website herunter (nicht über die Adrenalin Software).
• Windows abgesicherter Modus: Starten Sie Windows im abgesicherten Modus. Dies ist entscheidend, da DDU so die Treiber vollständig entfernen kann, ohne dass Windows sie wieder lädt.
• DDU ausführen: Wählen Sie im DDU-Menü „GPU” und „AMD”. Wählen Sie dann die Option „Reinigen und Neustarten”. DDU wird alle AMD-Treiberreste entfernen und Ihren PC neu starten.
• Neuen Treiber installieren: Nach dem Neustart (jetzt im normalen Modus) installieren Sie den zuvor heruntergeladenen, frischen AMD-Treiber. Installieren Sie nicht die optionalen „Recommended” oder „Beta”-Treiber, wenn Sie Stabilitätsprobleme haben. Bleiben Sie bei der „WHQL Recommended”-Version. Während der Installation können Sie wählen, ob Sie eine „Minimale Installation” oder eine „Vollständige Installation” durchführen möchten. Bei Problemen ist oft eine vollständige Installation ratsamer, um alle Komponenten der Adrenalin Software neu aufzusetzen.
• Testen: Nach der Installation und einem weiteren Neustart testen Sie, ob das Stottern weiterhin auftritt.

5. AMD Adrenalin Software Einstellungen optimieren

Die Adrenalin Software bietet viele Funktionen, die die Leistung beeinflussen können. Einige davon, besonders jene, die auf Latenzoptimierung oder Energieeffizienz abzielen, können in bestimmten Systemkonfigurationen zu Problemen führen.

• Werkseinstellungen zurücksetzen: Öffnen Sie die Adrenalin Software. Unter „Leistung” > „Einstellungen” oder im allgemeinen Einstellungszahnrad finden Sie oft eine Option, alle Einstellungen auf Werkseinstellungen zurückzusetzen. Dies ist ein guter erster Schritt.
• Spezifische Funktionen deaktivieren:
  • Radeon Chill: Diese Funktion begrenzt die FPS in bestimmten Situationen, um Energie zu sparen. Deaktivieren Sie sie testweise.
  • Radeon Anti-Lag: Soll die Eingabeverzögerung reduzieren. Kann aber in manchen Spielen oder Systemen zu Problemen führen. Deaktivieren Sie es.
  • Radeon Boost: Reduziert dynamisch die Auflösung bei schnellen Bewegungen. Deaktivieren Sie es.
  • Enhanced Sync: Eine Alternative zu VSync, die Bildschirm-Tearing reduzieren soll. Experimentieren Sie mit dem Aktivieren/Deaktivieren, aber bei Rucklern ist es oft besser, es auszulassen oder klassisches VSync zu nutzen.
  • FreeSync/Adaptive Sync: Falls Sie einen kompatiblen Monitor haben, stellen Sie sicher, dass FreeSync sowohl im Monitor-OSD als auch in der Adrenalin Software korrekt konfiguriert ist. Probleme hier können zu unregelmäßiger Frametiming führen. Probieren Sie, es testweise zu deaktivieren.
  • Zero RPM: Diese Funktion schaltet die Lüfter der Grafikkarte unter geringer Last ab. Während dies nicht direkt zu Rucklern führen sollte, kann es eine indirekte Rolle spielen, wenn die Karte nach dem Start unerwartet warm wird, bevor die Lüfter anlaufen. Deaktivieren Sie es testweise.

6. Überprüfung der BIOS/UEFI-Einstellungen des Mainboards

Das Mainboard-BIOS enthält kritische Einstellungen, die die Interaktion zwischen CPU, GPU und RAM steuern können.

• Resizable BAR / Smart Access Memory (SAM): Diese Funktion ermöglicht es der CPU, auf den gesamten VRAM der GPU zuzugreifen, was die Leistung steigern kann. Stellen Sie sicher, dass es korrekt aktiviert ist (wenn Ihr System es unterstützt). Bei Problemen versuchen Sie, es testweise zu deaktivieren, da es in seltenen Fällen Kompatibilitätsprobleme verursachen kann. Für die Aktivierung müssen meist „Above 4G Decoding” und „Re-Size BAR Support” im BIOS aktiviert werden.
• PCIe Slot Speed: Vergewissern Sie sich, dass der PCIe-Slot, in dem Ihre Grafikkarte steckt, auf die korrekte Geschwindigkeit (normalerweise „Auto” oder „Gen4”) eingestellt ist. Manchmal stellen ältere BIOS-Versionen oder bestimmte Mainboards manuell auf Gen3, was die Bandbreite einschränken könnte.
• XMP/DOCP Profil des RAMs: Stabilitätsprobleme mit dem RAM können sich als Ruckeln oder Systemhänger äußern. Wenn Sie ein XMP/DOCP-Profil aktiviert haben, versuchen Sie, es zu deaktivieren und den RAM mit Standardgeschwindigkeiten laufen zu lassen, um zu sehen, ob das Problem verschwindet. Alternativ könnten Sie versuchen, das XMP-Profil manuell mit leicht reduzierten Geschwindigkeiten oder erhöhten Spannungen (wenn Sie wissen, was Sie tun) zu stabilisieren.
• BIOS-Update: Vergewissern Sie sich, dass Ihr Mainboard-BIOS auf dem neuesten Stand ist. Hersteller veröffentlichen regelmäßig Updates, die die Kompatibilität und Stabilität verbessern. Seien Sie hierbei vorsichtig und befolgen Sie die Anweisungen des Mainboard-Herstellers genau.

7. Windows Gaming-Optimierungen

• Spielemodus (Game Mode): Versuchen Sie, den Windows Spielemodus (Einstellungen > Spiele > Spielemodus) zu aktivieren oder zu deaktivieren. Manchmal hilft es, manchmal stört es.
• Hardware-beschleunigte GPU-Planung (HAGS): Diese Funktion (Einstellungen > System > Anzeige > Grafikeinstellungen) kann die Leistung verbessern, aber auch zu Problemen führen. Deaktivieren Sie sie testweise.
• Virtueller Arbeitsspeicher (Auslagerungsdatei): Stellen Sie sicher, dass Windows genügend virtuellen Arbeitsspeicher (Auslagerungsdatei) zur Verfügung hat. Lassen Sie Windows die Größe automatisch verwalten. (Systemsteuerung > System und Sicherheit > System > Erweiterte Systemeinstellungen > Leistung > Einstellungen > Erweitert > Virtueller Arbeitsspeicher).

Hardware-Fehlerquellen ausschließen

Wenn Software-Lösungen nicht greifen, könnte ein Hardware-Problem vorliegen. Da das Problem „nach jedem Systemstart” auftritt, sind einige Hardware-Fehler wahrscheinlicher als andere.

8. Überprüfung der Stromversorgung (PSU)

Eine unzureichende Stromversorgung ist eine häufige Ursache für Instabilität bei Grafikkarten, insbesondere unter Last. Die RX 6700 XT ist keine übermäßig hungrige Karte, aber ein alterndes oder zu schwaches Netzteil (PSU) könnte Schwierigkeiten haben, die nötige Leistung konsistent zu liefern. AMD empfiehlt für die 6700 XT ein Netzteil von mindestens 650 Watt.

• Wattage: Ist Ihr Netzteil ausreichend dimensioniert für Ihre gesamte Hardware?
• Kabelverbindungen: Stellen Sie sicher, dass alle PCIe-Stromkabel (üblicherweise 8-Pin + 6-Pin oder 2x 8-Pin bei der 6700 XT) fest in der Grafikkarte und im Netzteil sitzen. Verwenden Sie möglichst separate Kabelstränge vom Netzteil zur Grafikkarte, anstatt eines Daisy-Chain-Kabels (ein Kabel mit zwei Anschlüssen), um eine stabilere Stromversorgung zu gewährleisten.
• Alter des Netzteils: Ältere Netzteile können mit der Zeit an Effizienz verlieren. Wenn Ihr Netzteil schon viele Jahre auf dem Buckel hat, könnte ein Austausch eine Lösung sein.
• Test mit anderem Netzteil: Wenn Sie die Möglichkeit haben, testen Sie Ihre Grafikkarte in einem anderen PC mit einem bekannten, funktionierenden und ausreichend dimensionierten Netzteil.

9. RAM-Stabilität und -Konfiguration

Instabiler Arbeitsspeicher kann zu den unterschiedlichsten Problemen führen, einschließlich Rucklern. Wie bereits erwähnt, ist das XMP/DOCP-Profil eine häufige Ursache. Sie können auch einen Speichertest (z.B. MemTest86) durchführen, um physische Fehler im RAM auszuschließen. Testen Sie gegebenenfalls auch jeden RAM-Riegel einzeln.

10. Temperaturen von CPU und GPU überwachen

Auch wenn das Problem nach dem Start auftritt, könnte eine schnelle Hitzentwicklung oder eine schlecht gemanagte thermische Kurve die Ursache sein. Nutzen Sie Tools wie HWMonitor, HWiNFO64 oder die Adrenalin Software selbst, um die Temperaturen von CPU und GPU zu überwachen, sowohl im Idle-Zustand als auch unter leichter Last. Achten Sie auf ungewöhnlich hohe Temperaturen direkt nach dem Start oder plötzliche Temperatursprünge.

11. SSD/HDD-Zustand

Spiele und das Betriebssystem werden von Ihrer Festplatte geladen. Eine überfüllte oder defekte SSD/HDD kann zu Rucklern führen, da Daten nicht schnell genug nachgeladen werden können. Überprüfen Sie den Zustand Ihrer Laufwerke mit Tools wie CrystalDiskInfo und stellen Sie sicher, dass auf Ihrer System-SSD genügend freier Speicherplatz vorhanden ist.

12. PCI Express Slot wechseln

Wenn Ihr Mainboard über mehrere PCIe x16-Slots verfügt, versuchen Sie, die Grafikkarte in einen anderen Slot zu stecken. Es ist selten, aber ein defekter PCIe-Slot oder Probleme mit der Kontaktaufnahme können ebenfalls zu Schwierigkeiten führen.

Advanced Troubleshooting und letzte Auswege

13. Windows Neuinstallation

Wenn alle Stricke reißen und Sie das Problem nicht lokalisieren können, kann eine frische Installation von Windows oft Wunder wirken. Dies eliminiert alle potenziellen Softwarekonflikte, Treiberleichen und Registry-Fehler, die sich über die Zeit ansammeln können. Sichern Sie vorher alle wichtigen Daten!

14. Übertaktung rückgängig machen

Sollten Sie Ihre CPU, GPU oder Ihren RAM manuell übertaktet haben, machen Sie alle Änderungen rückgängig und testen Sie das System mit Standardeinstellungen. Auch leichte, scheinbar stabile Übertaktungen können unter bestimmten Bedingungen zu Instabilität führen.

15. Kontakt zum Support / RMA

Sollten Sie nach all diesen Schritten immer noch Probleme haben, ist es wahrscheinlich, dass ein Defekt an Ihrer RX 6700 XT selbst vorliegt. Wenden Sie sich an den Hersteller Ihrer Grafikkarte oder den Händler, bei dem Sie sie gekauft haben, um Gewährleistungsansprüche geltend zu machen.

Fazit

Das Problem einer stotternden AMD RX 6700 XT nach jedem Systemstart kann äußerst frustrierend sein, aber in den meisten Fällen lässt es sich durch systematische Fehlersuche beheben. Beginnen Sie mit den einfachen Software-Checks, widmen Sie dann der gründlichen Treiberinstallation (DDU!) und der Adrenalin Software besondere Aufmerksamkeit. Unterschätzen Sie auch nicht die Bedeutung der Mainboard-BIOS-Einstellungen und der Stromversorgung. Mit Geduld und Sorgfalt werden Sie Ihre 6700 XT wahrscheinlich wieder zu der Performance bringen, die Sie von ihr erwarten. Viel Erfolg bei der Fehlersuche!