Auf der Suche nach mehr Power: Welche Alternativen sind wirklich performanter als der PI400?

Der **Raspberry Pi 400** ist zweifellos ein Phänomen: Ein kompletter Computer, elegant in eine Tastatur integriert, zu einem unschlagbaren Preis. Er hat Generationen von Tüftlern, Programmierern und Bildungsbegeisterten inspiriert und einen niederschwelligen Zugang zur Welt der Computerhardware ermöglicht. Doch wie es so oft der Fall ist, wächst mit den Fähigkeiten auch der Appetit. Viele Nutzer, die ihre ersten Schritte mit dem Pi 400 gemacht haben, stoßen früher oder später an dessen Leistungsgrenzen und fragen sich: „Was kommt danach? Welche Alternativen bieten wirklich **mehr Power**, ohne gleich ein Vermögen zu kosten oder in der Größe eines Kühlschranks zu enden?“

Dieser Artikel taucht tief in die Welt der **Computer-Alternativen** ein und beleuchtet Optionen, die den Raspberry Pi 400 in Sachen **Performance** teils drastisch übertreffen. Wir schauen uns verschiedene Kategorien an, vergleichen Spezifikationen und diskutieren, für welche Anwendungsfälle sich welches Upgrade am besten eignet.

### Der Reiz des Raspberry Pi 400 – und wo seine Grenzen liegen

Der **Raspberry Pi 400** basiert auf dem Raspberry Pi 4 und bietet einen Quad-Core ARM Cortex-A72 Prozessor mit 1,8 GHz, 4 GB RAM und eine VideoCore VI GPU. Sein größter Vorteil ist die **All-in-One-Lösung** mit integrierter Tastatur, aktiver Kühlung und allen nötigen Anschlüssen. Er ist perfekt für Office-Anwendungen, zum Programmieren, für einfache Emulationen älterer Konsolen, als Mediacenter oder zur Steuerung von Smart-Home-Komponenten.

Doch wenn es um anspruchsvollere Aufgaben geht, zeigt der Pi 400 seine Grenzen auf:
* **Intensives Multitasking**: Mehrere anspruchsvolle Anwendungen gleichzeitig können ihn schnell in die Knie zwingen.
* **Videobearbeitung oder anspruchsvolle Grafikarbeiten**: Hierfür ist die GPU einfach nicht ausgelegt.
* **Modernes Gaming**: Abseits von Retro-Emulationen sind moderne 3D-Spiele oder aktuelle Indie-Titel kaum spielbar.
* **Virtualisierung**: Mehrere virtuelle Maschinen gleichzeitig betreiben ist auf dem Pi 400 nicht praktikabel.
* **Ressourcenhungrige Webentwicklungsumgebungen**: Docker-Container mit Datenbanken und mehreren Services können langsam werden.

Die Suche nach **performanteren Alternativen** beginnt genau hier – bei den Aufgaben, die der Pi 400 nicht mehr zufriedenstellend bewältigen kann.

### Was bedeutet „Performance” überhaupt?

Bevor wir uns den Alternativen widmen, sollten wir klären, was wir unter **”mehr Power”** verstehen. Es geht nicht nur um eine höhere Taktfrequenz. Eine ganzheitliche Betrachtung umfasst:

1. **CPU-Leistung**: Anzahl der Kerne, Taktfrequenz, Architektur (ARM vs. x86), Single-Core- und Multi-Core-Leistung.
2. **GPU-Leistung**: Fähigkeit zur Darstellung von 3D-Grafiken, Video-Decoding/-Encoding, Unterstützung moderner APIs.
3. **Arbeitsspeicher (RAM)**: Menge (z.B. 8 GB, 16 GB), Geschwindigkeit (DDR4, DDR5).
4. **Speicherlösung**: Schnellerer interner Speicher (NVMe SSDs sind deutlich schneller als microSD-Karten oder eMMC).
5. **Anschlussvielfalt und Geschwindigkeit (I/O)**: USB 3.0/3.1/3.2, PCIe-Schnittstellen, schnellere Netzwerkanbindungen (2.5Gbit/s, 10Gbit/s LAN).
6. **Kühlsystem**: Eine effiziente Kühlung ermöglicht höhere Leistung über längere Zeiträume ohne Drosselung.

### Kategorie 1: Leistungsstärkere Single-Board Computer (SBCs)

Der naheliegendste Schritt weg vom Pi 400 ist der Blick auf andere **Single-Board Computer**. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan, und es gibt einige boards, die den Pi 400 in fast allen Aspekten übertreffen.

#### a) Die ARM-Champions: Orange Pi 5, Radxa Rock 5B, Khadas VIM4, Odroid N2+
Diese Boards setzen oft auf leistungsstärkere ARM-Prozessoren, meist von **Rockchip (RK3588, RK3588S)** oder **Amlogic**.

* **Orange Pi 5 (und 5 Plus/Pro)**: Eines der aktuell leistungsstärksten Boards am Markt. Mit dem **Rockchip RK3588S** (Octa-Core, 4x Cortex-A76 und 4x Cortex-A55) bietet er eine deutlich höhere CPU-Leistung als der Pi 400. Dazu kommt eine Mali-G610 MP4 GPU, die wesentlich potentere Grafikberechnungen ermöglicht, sowie bis zu 32 GB LPDDR4X RAM und Unterstützung für NVMe-SSDs. Er ist hervorragend für anspruchsvollere Emulationen, als Desktop-Ersatz für Linux, für leichten Videoschnitt oder als Mini-Server geeignet. Der Preis ist dabei immer noch im Bereich von SBCs, aber deutlich über dem Pi 400.
* **Radxa Rock 5B**: Ebenfalls mit dem **Rockchip RK3588(S)** ausgestattet, bietet er ähnliche Leistung wie der Orange Pi 5, oft mit zusätzlichen Features wie 2.5 Gigabit Ethernet und PCIe Gen 3.0 x4 für extrem schnelle NVMe-SSDs.
* **Khadas VIM4**: Mit dem Amlogic A311D2 (Octa-Core, 4x Cortex-A73 und 4x Cortex-A53) bietet er ebenfalls eine spürbare Leistungssteigerung und ist besonders für AI-Anwendungen durch seine NPU (Neural Processing Unit) interessant. Auch hier gibt es NVMe-Optionen.
* **Odroid N2+**: Ein älteres, aber immer noch sehr leistungsfähiges Board mit dem Amlogic S922X (Hexa-Core, 4x Cortex-A73 und 2x Cortex-A53). Es ist bekannt für seine gute Kühlung und Stabilität, oft verwendet für Medienzentren (Kodi) oder als Retro-Gaming-Konsole.

**Vorteile gegenüber dem Pi 400**:
* Deutlich **schnellere CPUs** (oft doppelte oder dreifache Multi-Core-Leistung).
* Viel **leistungsfähigere GPUs**, die auch moderne Grafiken darstellen oder 4K-Videos flüssig verarbeiten können.
* Mehr **RAM** (bis zu 32 GB sind bei einigen Boards möglich).
* Unterstützung für **schnellere Speichermedien** (NVMe SSDs).
* Oft schnellere Netzwerkanbindungen (2.5 GbE).

**Nachteile**:
* **Software-Ökosystem**: Nicht so ausgereift wie beim Raspberry Pi. Manchmal muss man mehr Hand anlegen, um Software zum Laufen zu bringen.
* **Gehäuse/Peripherie**: Meist sind es reine Boards, die noch ein Gehäuse, Netzteil und Kühlung benötigen.
* **Preis**: Deutlich höher als der Pi 400, oft im Bereich von 80-200 Euro (ohne Zubehör).

#### b) x86-basierte SBCs: Odroid H3+
Der **Odroid H3+** (und sein Vorgänger H2+) ist eine Besonderheit, da er auf Intel Celeron/Pentium Prozessoren der Alder Lake-N Serie basiert (x86-Architektur). Dies eröffnet eine völlig neue Welt, da man hier Windows oder jede x86-Linux-Distribution nativ installieren kann, ohne auf ARM-Kompatibilität achten zu müssen.

* **Odroid H3+**: Bietet einen Intel Quad-Core Prozessor, bis zu 64 GB DDR4 RAM, Dual-2.5-Gigabit-Ethernet und Platz für zwei SATA-Laufwerke sowie eine NVMe-SSD. Die Leistung des Celeron N5105/N6005 ist im Vergleich zum Pi 400 in den meisten Desktop-Anwendungen und bei der Videoverarbeitung spürbar überlegen.

**Vorteile gegenüber dem Pi 400**:
* **Volle x86-Kompatibilität**: Jede Software, die auf einem normalen PC läuft, läuft auch hier (sofern die CPU-Leistung ausreicht).
* **Sehr gute I/O-Optionen** für Massenspeicher und Netzwerk.
* **Deutlich bessere Desktop-Performance** und Multitasking-Fähigkeiten.

**Nachteile**:
* **Preis**: Deutlich teurer, oft 150-300 Euro (ohne RAM, Speicher, Gehäuse).
* **Stromverbrauch**: Höher als bei den ARM-SBCs, aber immer noch sehr moderat.
* **Formfaktor**: Obwohl kompakt, meist größer als ARM-SBCs.

### Kategorie 2: Die kompakten Kraftpakete – Mini PCs und NUCs

Wenn das Budget etwas flexibler ist und eine echte Desktop-Erfahrung gewünscht wird, sind **Mini PCs** und **Intel NUCs** die nächste logische Stufe. Diese bieten eine Leistung, die sich mit vielen vollwertigen Desktop-PCs messen kann, aber in einem Gehäuse, das oft nur geringfügig größer als ein Raspberry Pi 400 ist.

#### a) Intel NUCs (Next Unit of Computing)
Intel hat mit seinen **NUCs** den Markt der ultrakompakten PCs maßgeblich geprägt. Sie sind in verschiedenen Konfigurationen erhältlich, von Celeron bis hin zu Core i7 Prozessoren.

* **Intel NUC (ab Core i3/i5, z.B. 8. Generation oder neuer)**: Ein NUC mit einem Intel Core i3 oder i5 Prozessor (oft 8. Generation oder neuer) bietet einen massiven Leistungssprung gegenüber dem Pi 400. Mit schnelleren CPUs, integrierter Intel Iris Xe (oder UHD) Grafik, bis zu 64 GB DDR4 RAM und NVMe-SSD-Unterstützung sind sie vollwertige Desktop-Rechner.

**Vorteile gegenüber dem Pi 400**:
* **Echte Desktop-Performance**: Geeignet für Office-Anwendungen, Web-Browsing mit vielen Tabs, leichte Bild-/Videobearbeitung, Softwareentwicklung, Cloud-Gaming und leichte bis mittelschwere Spiele.
* **Volle Windows-Kompatibilität** (neben Linux).
* **Hochwertige Verarbeitung** und kompaktes Design.
* **Starke I/O-Optionen** (Thunderbolt, schnelle USB-Ports, Wi-Fi 6).

**Nachteile**:
* **Preis**: Deutlich teurer, ab ca. 300-400 Euro aufwärts (ohne RAM/SSD bei Barebones).
* **Stromverbrauch**: Höher als bei den SBCs, aber immer noch sehr energieeffizient für die gebotene Leistung.

#### b) AMD Ryzen Mini PCs (Beelink, Minisforum, Geekom etc.)
In den letzten Jahren haben **Mini PCs mit AMD Ryzen-Prozessoren** den Markt im Sturm erobert. Sie bieten oft ein hervorragendes **Preis-Leistungs-Verhältnis**, insbesondere dank der leistungsstarken integrierten Radeon Vega oder RDNA-Grafikeinheiten.

* **Beelink SER5 Pro, Minisforum UM773 Lite, Geekom MiniAir 11**: Modelle mit Ryzen 5 5600H/5800H, Ryzen 7 7735HS oder ähnlichen Prozessoren bieten eine beeindruckende Leistung. Die integrierte Grafik (z.B. Radeon 680M/780M) ist leistungsstark genug für Casual Gaming, viele Indie-Titel und sogar einige AAA-Spiele bei niedrigeren Einstellungen. Sie sind ideal für alle, die einen **kompakten Allrounder** suchen, der auch mal zum Spielen taugt.

**Vorteile gegenüber dem Pi 400 (und oft auch NUCs)**:
* **Herausragendes Preis-Leistungs-Verhältnis**.
* **Exzellente CPU- und GPU-Leistung**, oft auf dem Niveau von Mittelklasse-Laptops.
* **Vollwertiger Desktop-Ersatz** für fast alle Anwendungsfälle, inklusive Gaming und produktiver Arbeit.
* **Gute Aufrüstbarkeit** (RAM und SSD lassen sich meist einfach tauschen).

**Nachteile**:
* **Preis**: Immer noch im Bereich von 400-800 Euro, aber oft günstiger als vergleichbare Intel-NUCs.
* **Stromverbrauch**: Höher als SBCs, aber vergleichbar mit Laptops.

### Kategorie 3: Der Sprung zum vollwertigen Desktop (Einstiegsmodelle)

Für Anwender, die wirklich keine Kompromisse bei der Leistung eingehen wollen und die Kompaktheit nicht das absolute Top-Kriterium ist, kann der Schritt zu einem **einstiegsfreundlichen Desktop-PC** die beste Lösung sein. Hier gibt es zwei Hauptansätze:

#### a) Gebrauchte Business-PCs
* **Dell Optiplex, HP EliteDesk, Lenovo ThinkCentre**: Diese gebrauchten „Business-Boliden” sind oft für 150-300 Euro zu haben und bieten Intel Core i5/i7 Prozessoren der 6. Generation oder neuer, 8-16 GB RAM und eine SSD. Sie sind extrem robust und zuverlässig.

**Vorteile gegenüber dem Pi 400 (und teils Mini PCs)**:
* **Unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis** für reine CPU-Leistung.
* **Sehr gute Aufrüstbarkeit**: Oft Platz für dedizierte Grafikkarten (Low Profile), mehr RAM, zusätzliche Festplatten.
* **Robuste Bauweise** und gute Kühlung.

**Nachteile**:
* **Größe**: Deutlich größer als alle bisher genannten Alternativen.
* **Stromverbrauch**: Höher als Mini PCs, da oft ältere Prozessoren zum Einsatz kommen.
* **Design**: Eher funktional als ästhetisch ansprechend.

#### b) Neue Low-End-Desktop-Systeme
* Fertig-PCs oder selbst konfigurierte Systeme mit günstigen Intel Core i3/i5 oder AMD Ryzen 3/5 Prozessoren (z.B. Ryzen 5 5600G mit integrierter Grafik).

**Vorteile gegenüber dem Pi 400**:
* **Maximale Flexibilität und Aufrüstbarkeit**.
* **Neueste Technologie** und Garantie.
* **Echter Desktop-Ersatz**, der auch für Gaming mit dedizierter Grafikkarte aufgerüstet werden kann.

**Nachteile**:
* **Höchster Preis**: Ab 500 Euro aufwärts für ein brauchbares System.
* **Größe und Stromverbrauch** sind am höchsten in dieser Liste.

### Was ist das richtige Upgrade für dich? – Entscheidungsfaktoren

Die Wahl der richtigen Alternative hängt stark von deinen individuellen Bedürfnissen und Prioritäten ab:

1. **Budget**: Wie viel bist du bereit auszugeben? Die Spanne reicht von 80 Euro für ein High-End-SBC-Board bis über 500 Euro für einen vollwertigen Desktop-PC.
2. **Anwendungsfall**: Wofür benötigst du die zusätzliche Leistung?
* **Emulation/Mediacenter**: Ein leistungsstarker ARM-SBC (Orange Pi 5, Odroid N2+) ist oft ausreichend.
* **Desktop-Ersatz (Linux)**: ARM-SBCs mit RK3588, Odroid H3+ oder ein Mini PC.
* **Desktop-Ersatz (Windows/Linux, Office, Web, leichte Produktivität)**: Intel NUC oder AMD Ryzen Mini PC.
* **Gaming (Casual/Indie/ältere AAA-Titel)**: AMD Ryzen Mini PC ist hier unschlagbar.
* **Entwicklung (Container, VMs), Videobearbeitung, CAD**: Hier kommen Mini PCs oder vollwertige Desktops ins Spiel.
3. **Formfaktor und Stromverbrauch**: Ist die Größe entscheidend? Muss das Gerät lüfterlos sein? SBCs sind hier am sparsamsten und kleinsten, gefolgt von Mini PCs.
4. **Ökosystem und Community-Support**: Raspberry Pi ist hier ungeschlagen. Bei anderen SBCs ist der Support oft dünner. x86-basierte Mini PCs profitieren vom riesigen Windows/Linux-Ökosystem.
5. **Bastelfreude vs. Plug-and-Play**: Ein reines SBC-Board erfordert mehr „Bastelarbeit” als ein fertiger Mini PC.

### Fazit: Das Ende der „Pi-Ära” – oder nur eine Erweiterung des Horizonts?

Der **Raspberry Pi 400** bleibt ein fantastisches Gerät für den Einstieg in die Welt der programmierbaren Computer und für viele spezifische Projekte. Er hat seinen festen Platz und wird das auch weiterhin haben. Aber für diejenigen, die über die Grenzen des Pi 400 hinauswachsen und **echte Performance-Steigerungen** wünschen, gibt es heute eine Vielzahl exzellenter **Alternativen**.

Egal, ob du einen leistungsstärkeren **Single-Board Computer** für anspruchsvollere Homelab-Projekte suchst, einen **Mini PC** als vollwertigen Desktop-Ersatz mit Gaming-Potenzial benötigst oder sogar den Sprung zu einem gebrauchten oder neuen **Einstiegs-Desktop** wagst – der Markt bietet für jeden Bedarf und jedes Budget eine passende Lösung. Die Zeiten, in denen der Pi fast konkurrenzlos war, sind vorbei. Heute kannst du die Suche nach „mehr Power” auf spannende und lohnende Weise fortsetzen, und dein „Computer-Horizont” wird sich dabei sicherlich erweitern.