Seit geraumer Zeit ist er aus der Welt der Technik und Elektronik nicht mehr wegzudenken: der Raspberry Pi. Der kleine, vielseitige Einplatinencomputer hat sich als unverzichtbares Werkzeug für Bastler, Entwickler, Bildungseinrichtungen und sogar in industriellen Anwendungen etabliert. Doch in den letzten Jahren glich die Suche nach einem verfügbaren Raspberry Pi oft einer Schatzsuche ohne Karte. Eine echte Durststrecke für alle Fans und Nutzer. Die Preise waren astronomisch, die Verfügbarkeit praktisch nicht existent. Doch nun mehren sich die Stimmen, die von einer deutlichen Entspannung sprechen. Ist das Ende der Knappheit wirklich in Sicht? Tauchen wir ein in den aktuellen Stand der Dinge.
### Die lange Schatten der Knappheit: Wie alles begann
Um die aktuelle Situation zu verstehen, müssen wir einen Blick zurückwerfen. Die Probleme begannen nicht isoliert beim Raspberry Pi, sondern waren Teil einer weitreichenderen globalen Krise: der **Halbleiterkrise**. Ausgelöst durch die COVID-19-Pandemie, die Lockdowns und die drastisch gestiegene Nachfrage nach Elektronik für Home-Office, Homeschooling und Unterhaltung, gerieten die globalen Lieferketten massiv ins Stocken. Chiphersteller konnten die plötzlich explodierende Nachfrage nicht bedienen, da die Produktion von Halbleitern komplex und zeitaufwendig ist und Jahre im Voraus geplant wird.
Für den Raspberry Pi bedeutete dies konkret: Die für die Kernkomponenten – insbesondere die Broadcom-SoCs (System-on-a-Chip) – benötigten Fertigungskapazitäten waren entweder nicht verfügbar oder wurden von zahlungskräftigeren Großabnehmern belegt. Raspberry Pi Ltd., das Unternehmen hinter dem beliebten Mini-Computer, musste harte Entscheidungen treffen. Der CEO, Eben Upton, kommunizierte offen und transparent, dass man gezwungen war, primär **Industriekunden** zu bedienen. Diese Kunden kaufen in größeren Mengen, sichern langfristige Verträge und sind entscheidend für die Stabilität des Unternehmens. Für den **Endkunden** und Hobbyisten bedeutete dies jedoch: Leere Regale und explodierende Preise auf dem Zweitmarkt. Ein Raspberry Pi 4, der regulär 35 bis 75 Euro kosten sollte, wurde teilweise für das Zwei- oder Dreifache gehandelt.
Die Auswirkungen waren gravierend: Projekte mussten auf Eis gelegt werden, Bildungseinrichtungen konnten keine ausreichende Anzahl an Geräten für ihre Kurse beschaffen, und viele Bastler wandten sich frustriert Alternativen zu oder gaben ihr Hobby auf. Der Traum vom günstigen, leistungsstarken Einplatinencomputer schien in weite Ferne gerückt.
### Die Wende: Erste Lichtblicke am Horizont
Nach Monaten der Ungewissheit und Frustration begannen sich im Laufe des Jahres 2023 die ersten positiven Zeichen abzuzeichnen. Eben Upton meldete sich wiederholt mit ermutigenden Nachrichten zu Wort. Seit Mitte 2023 sei eine stetige Verbesserung der **Lieferkette** zu beobachten. Die Engpässe bei den Halbleiterkomponenten, insbesondere den 40nm- und 28nm-Chips, die für die älteren und auch den Pi 4 relevant sind, ließen langsam nach.
Ein entscheidender Wendepunkt war die massive Steigerung der Produktion. Laut Upton wurden im vierten Quartal 2023 über eine Million Einheiten des Raspberry Pi produziert. Dies ist eine Zahl, die an die Produktionsmengen vor der Krise heranreicht und die Hoffnung auf eine breitere **Verfügbarkeit** für Endkunden nährte. Die Prognose für 2024 war sogar noch optimistischer: Man peile eine Produktionsrate von 1,5 Millionen Einheiten pro Quartal an, um die Rückstände aufzuholen und den Markt wieder zu sättigen.
### Welche Modelle profitieren am meisten?
Die Entspannung der Lage ist jedoch nicht bei allen Modellen gleichermaßen spürbar. Es gibt klare Muster, welche Raspberry Pi Modelle zuerst und am besten verfügbar sind:
1. **Raspberry Pi Pico und Pico W:** Diese kleinen Mikrocontroller, die auf dem selbst entwickelten RP2040-Chip basieren, waren während der gesamten Krise erstaunlich gut verfügbar. Da Raspberry Pi Ltd. hier unabhängiger von externen Chipzulieferern war, konnte die Produktion weitgehend stabil gehalten werden. Der Pico ist ideal für kleinere Projekte, die keine vollwertige Linux-Umgebung benötigen.
2. **Raspberry Pi Zero W und Zero 2 W:** Diese energieeffizienten und kompakten Modelle waren ebenfalls schneller wieder lieferbar als die größeren Brüder. Sie nutzen andere Broadcom-Chips als der Pi 4, deren Verfügbarkeit sich offenbar früher erholte. Mittlerweile sind der Pi Zero W und der Zero 2 W bei vielen Händlern wieder zu annähernd regulären Preisen zu finden.
3. **Raspberry Pi 4:** Der Alleskönner und das Flaggschiff der letzten Jahre war am stärksten von der Knappheit betroffen. Die Nachfrage ist weiterhin enorm hoch. Doch auch hier ist eine deutliche Besserung zu erkennen. Während die Preise bei unseriösen Anbietern immer noch überhöht sein können, taucht der Raspberry Pi 4 (insbesondere die 2GB- und 4GB-Versionen) bei offiziellen Distributoren wie Pimoroni, The Pi Hut, Reichelt oder Element14/Farnell wieder regelmäßiger auf. Die Wartelisten werden kürzer und die Zeiträume, in denen Geräte verfügbar sind, länger. Die vollständige Rückkehr zu den UVPs (Unverbindliche Preisempfehlungen) steht zwar noch aus, rückt aber näher.
4. **Der Raspberry Pi 5:** Die Einführung des Raspberry Pi 5 im Herbst 2023 war ein mutiger Schritt inmitten der anhaltenden Verfügbarkeitsprobleme. Doch die Strategie ging auf. Der Pi 5 wird mit einem neuen Broadcom-SoC gefertigt, das auf einer moderneren Prozessknoten-Technologie basiert (16nm) und dessen Fertigungskapazitäten besser verfügbar waren. Das ermöglichte einen relativ reibungslosen Start für ein neues Top-Modell, auch wenn die Anfangsphase naturgemäß mit Anlaufschwierigkeiten und hoher Nachfrage verbunden war. Der Pi 5 hat in gewisser Weise auch dazu beigetragen, die Nachfrage nach dem Pi 4 zu entlasten, da einige Nutzer auf das leistungsfähigere neue Modell umgestiegen sind.
### Die Rolle der Distributoren und Händler
Die Verbesserung der Lieferbarkeit ist nicht nur eine Frage der Produktion, sondern auch der Distribution. Große offizielle Distributoren wie Farnell/Element14 und RS Components (OKdo) spielen eine zentrale Rolle. Sie sind die ersten Anlaufstellen, wenn es um größere Mengen geht. Für den Endkunden sind jedoch auch die spezialisierten Händler wie The Pi Hut (UK), Pimoroni (UK), Kubii (Frankreich), Reichelt Elektronik (Deutschland) oder Conrad (Deutschland) entscheidend. Viele dieser Händler bieten mittlerweile Benachrichtigungsdienste an, die über neu eintreffende Ware informieren. Es lohnt sich, diese Dienste zu nutzen und regelmäßig die Shopseiten zu prüfen. Die Zeiten, in denen man innerhalb von Minuten zuschlagen musste, um überhaupt eine Chance zu haben, scheinen glücklicherweise vorbei zu sein.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die Preise noch nicht überall wieder auf dem Niveau vor der Krise sind. Einige Händler haben die gestiegenen Beschaffungs- und Transportkosten weitergegeben. Dennoch ist der Trend klar: Die Preisaufschläge werden kleiner, und der Abstand zur ursprünglichen **UVP** schrumpft.
### Lektionen gelernt: Mehr Resilienz für die Zukunft
Die Halbleiterkrise und die damit verbundene Lieferknappheit haben bei Raspberry Pi Ltd. zu einem Umdenken geführt. Die Stärkung der **Lieferkettenresilienz** ist nun eine noch höhere Priorität. Dies beinhaltet:
* **Diversifizierung der Fertigungspartner:** Weniger Abhängigkeit von einem einzigen Zulieferer oder einer Fabrik.
* **Vorausplanung und Lagerhaltung:** Bessere Pufferbestände, um kurzfristige Nachfragespitzen oder Produktionsausfälle abzufedern.
* **Strategische Modellpolitik:** Die Entwicklung von Produkten wie dem Raspberry Pi Pico mit dem eigenen RP2040-Chip zeigt den Wunsch, unabhängiger zu werden.
Diese Maßnahmen sollen sicherstellen, dass solche Engpässe in Zukunft seltener und weniger gravierend auftreten. Die Erfahrung der letzten Jahre war schmerzhaft, aber sie hat auch wichtige Erkenntnisse geliefert, die dem Unternehmen und letztlich auch den Kunden zugutekommen werden.
### Was bedeutet das für Endkunden und Hobbyisten?
Die Botschaft ist klar: Es gibt allen Grund zur Hoffnung und sogar Optimismus. Die Zeiten der extremen Knappheit scheinen sich dem Ende zuzuneigen.
* **Geduld zahlt sich aus:** Auch wenn nicht alle Modelle sofort und überall verfügbar sind, ist es ratsam, keine überhöhten Preise mehr zu zahlen. Die Lage bessert sich stetig.
* **Händler beobachten:** Nutzen Sie Benachrichtigungsdienste und prüfen Sie die Websites Ihrer bevorzugten Händler regelmäßig. Die **Verfügbarkeit** wird unregelmäßiger, aber häufiger.
* **Modellwahl überdenken:** Überlegen Sie, ob es unbedingt der Raspberry Pi 4 sein muss. Für viele Projekte reicht ein Pi Zero 2 W oder sogar ein Pi Pico W vollkommen aus und ist leichter zu bekommen. Der Pi 5 ist eine hervorragende Option, wenn Sie die höhere Leistung benötigen und bereit sind, einen etwas höheren Preis zu zahlen.
* **Alternativen nicht vergessen:** Auch wenn die Notwendigkeit nachlässt, einen Blick auf Alternativen wie Odroid, Orange Pi oder ASUS Tinker Board zu werfen, können diese immer noch gute Optionen sein, insbesondere wenn Sie spezielle Anforderungen an Hardware oder Software haben.
### Ausblick: Die Zukunft des Raspberry Pi
Die Ära des **Raspberry Pi** ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil, die jüngsten Entwicklungen und die baldige Rückkehr zu einer stabilen **Lieferbarkeit** sind ein Segen für die gesamte Community. Die Tatsache, dass das Unternehmen die Krise nicht nur überstanden, sondern auch noch einen leistungsfähigen Raspberry Pi 5 auf den Markt gebracht hat, zeugt von Innovationskraft und Resilienz.
Der Raspberry Pi hat die Welt des Bastelns und der eingebetteten Systeme demokratisiert. Er hat unzähligen Menschen den Zugang zu Programmierung und Elektronik ermöglicht. Die Lieferengpässe waren ein herber Rückschlag, aber die Lernkurve war steil. Die Zukunft verspricht wieder eine Ära, in der der kleine, preiswerte Computer in den Händen von Schülern, Studenten, Ingenieuren und Hobbyisten gleichermaßen für neue, aufregende Projekte sorgen wird.
Es sieht ganz danach aus, als würde die Sonne bald wieder scheinen und die **Durststrecke** ein Ende haben. Die Sehnsucht nach dem Raspberry Pi wird wieder mit greifbaren Geräten gestillt werden können, und die Kreativität der Community kann erneut in vollem Umfang aufblühen. Eine spannende Zeit liegt vor uns.