Der Schock sitzt tief. Ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit, ein Gedanke an etwas Dringendes, oder einfach eine Fehlannahme – und schon ist es passiert: Sie wurden mit 100 km/h innerorts geblitzt. In einer Zone, in der vielleicht nur 50 km/h erlaubt sind. Dieses Szenario ist für viele Autofahrer ein Albtraum, denn eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften gehört zu den schwersten Verkehrsverstößen, die Sie begehen können. Plötzlich stehen Sie vor einem Berg an Fragen und Sorgen: Was sind die genauen Konsequenzen? Droht ein hohes Bußgeld, Punkte in Flensburg oder gar ein Fahrverbot? Und vor allem: Was müssen Sie jetzt tun? Dieser Artikel nimmt Ihnen die Ungewissheit und bietet Ihnen einen umfassenden Leitfaden durch die rechtlichen Bestimmungen und praktischen Schritte, die Sie nach einem solchen Vorfall ergreifen sollten.
Die Schocknachricht: 100 km/h innerorts – Was bedeutet das genau?
Wenn Sie mit 100 km/h geblitzt wurden, wo 50 km/h erlaubt waren, bedeutet das eine Geschwindigkeitsüberschreitung von exakt 50 km/h. Nach Abzug der obligatorischen Toleranz (in der Regel 3 km/h bei Geschwindigkeiten unter 100 km/h, oder 3 % bei höheren Geschwindigkeiten) bleiben immer noch mindestens 47 km/h zu viel auf dem Tacho. Dieser Wert katapultiert Sie in die höchste Kategorie der Bußgeldkatalog-Verstöße innerorts, noch bevor wir über mögliche strafrechtliche Konsequenzen sprechen. Die Behörden bewerten eine solche Übertretung als besonders schwerwiegend, da das Gefahrenpotenzial innerorts – mit Fußgängern, Radfahrern, spielenden Kindern und dichtem Verkehr – enorm ist.
Die unmittelbaren Konsequenzen: Bußgeld, Punkte, Fahrverbot
Die deutsche Straßenverkehrsordnung (StVO) und der zugehörige Bußgeldkatalog sehen für eine derart massive Geschwindigkeitsüberschreitung empfindliche Strafen vor. Hier eine detaillierte Aufschlüsselung dessen, was auf Sie zukommen kann:
Das Bußgeld: Eine empfindliche finanzielle Strafe
Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h innerorts liegt das reguläre Bußgeld derzeit bei 480 Euro. Hinzu kommen in der Regel Gebühren und Auslagen, sodass der Gesamtbetrag schnell die 500-Euro-Marke übersteigt. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Beträge regelmäßig angepasst werden können. Dieser Betrag ist die Mindeststrafe; bei bestimmten Umständen, wie Vorsatz oder Gefährdung, kann das Bußgeld auch deutlich höher ausfallen.
Die Punkte in Flensburg: Eine Belastung für Ihr Punktekonto
Zusätzlich zum Bußgeld erhalten Sie für eine solche Übertretung 2 Punkte im Fahreignungsregister (umgangssprachlich: Punkte in Flensburg). Das Punktesystem ist darauf ausgelegt, wiederholte Verkehrsverstöße zu sanktionieren. Schon 8 Punkte führen zum Entzug der Fahrerlaubnis. Zwei Punkte sind somit eine erhebliche Belastung Ihres Kontos und bringen Sie dem Limit gefährlich nahe, falls Sie bereits Punkte gesammelt haben.
Das Fahrverbot: Die gravierendste Sanktion für viele
Das Fahrverbot ist oft die Konsequenz, die Betroffene am meisten fürchten. Für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h innerorts wird in der Regel ein Fahrverbot von 2 Monaten verhängt. Dieses Fahrverbot bedeutet, dass Sie für die Dauer von 60 Tagen kein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führen dürfen. Für viele Menschen, die beruflich auf ihren Führerschein angewiesen sind oder in ländlichen Gebieten leben, ist dies eine existenzielle Bedrohung.
Es gibt jedoch eine Besonderheit für sogenannte Ersttäter: Wenn es Ihr erstes Fahrverbot innerhalb der letzten zwei Jahre ist, haben Sie oft die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb einer Frist von vier Monaten selbst zu bestimmen. Dies kann strategisch wichtig sein, um beispielsweise Urlaubszeiten oder berufliche Ruhephasen zu nutzen.
Weitere mögliche Auswirkungen und Besonderheiten
Die Probezeit: Harte Konsequenzen für Fahranfänger
Befinden Sie sich noch in der Probezeit (die in Deutschland in der Regel zwei Jahre dauert), sind die Konsequenzen noch drastischer. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 50 km/h innerorts wird als „schwerwiegender Verstoß” (A-Verstoß) gewertet. Das führt nicht nur zu den oben genannten Sanktionen (Bußgeld, Punkte, Fahrverbot), sondern auch zu:
- Einer Verlängerung der Probezeit um weitere zwei Jahre.
- Der Anordnung zur Teilnahme an einem kostenpflichtigen Aufbauseminar für Fahranfänger.
Verweigern Sie die Teilnahme am Aufbauseminar oder begehen Sie weitere A-Verstöße, kann dies letztlich zum Entzug der Fahrerlaubnis führen.
Wiederholungstäter: Verschärfte Strafen
Wenn Sie bereits ein Fahrverbot wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung in den letzten zwei Jahren hatten, gelten Sie als Wiederholungstäter. In diesem Fall kann das Fahrverbot für 50 km/h innerorts auf 3 Monate oder sogar länger ausgedehnt werden. Die Gerichte sehen solche Fälle als besonders rücksichtsloses Verhalten an und greifen härter durch.
Gefährdung und Straftat: Wenn es über das Bußgeld hinausgeht
In seltenen, aber ernstzunehmenden Fällen kann eine extrem hohe Geschwindigkeitsüberschreitung, insbesondere wenn sie mit einer konkreten Gefährdung oder sogar einer Sachbeschädigung einhergeht, auch den Tatbestand einer Straftat erfüllen. Paragraphen wie § 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) kommen hier in Betracht, wenn Sie beispielsweise andere Verkehrsteilnehmer durch Ihre Fahrweise konkret gefährdet haben und dies vorsätzlich oder grob fahrlässig geschah. Die Strafen hierfür reichen von hohen Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen und dem dauerhaften Entzug der Fahrerlaubnis.
Versicherung: Mögliche Folgen für Ihre Prämien
Auch Ihre Kfz-Versicherung könnte Notiz von dem Verstoß nehmen. Zwar führt ein einmaliger Verkehrsverstoß ohne Unfall in der Regel nicht direkt zu einer Erhöhung der Prämien, aber im Falle eines Unfalls, der durch die massive Geschwindigkeitsüberschreitung verursacht wurde, könnten Sie bei Ihrer Haftpflichtversicherung mit einem Regressanspruch rechnen. Das bedeutet, die Versicherung zahlt zwar den Schaden des Unfallgegners, kann aber einen Teil der Kosten von Ihnen zurückfordern, wenn Ihnen grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen wird. Ihre Kaskoversicherung könnte zudem die Leistungen bei Eigenschäden kürzen oder gänzlich verweigern.
Was jetzt zu tun ist: Ein Leitfaden für die ersten Schritte
Nach dem ersten Schock ist es entscheidend, besonnen und überlegt zu handeln. Hier sind die wichtigsten Schritte, die Sie jetzt unternehmen sollten:
1. Ruhe bewahren und Überblick verschaffen
Panik ist kein guter Ratgeber. Auch wenn die Situation beängstigend ist, atmen Sie durch. Der erste offizielle Kontakt ist meist der Anhörungsbogen oder direkt der Bußgeldbescheid. Prüfen Sie das Datum und die Fristen genau.
2. Keine voreiligen Schuldeingeständnisse machen
Egal ob per Post oder bei einer möglichen Polizeikontrolle: Machen Sie keine Angaben zur Sache. Insbesondere sollten Sie den Anhörungsbogen nicht ausfüllen, wenn Sie sich nicht sicher sind, ob die Angaben korrekt sind, oder wenn Sie die Fahrt nicht zugegeben möchten. Sie sind nicht verpflichtet, sich selbst zu belasten. Angaben zu Ihrer Person (Name, Adresse) sind Pflicht, aber nicht zur Sache.
3. Den Anhörungsbogen / Bußgeldbescheid prüfen
Lesen Sie das Ihnen zugestellte Schreiben (entweder Anhörungsbogen oder direkter Bußgeldbescheid) genau durch. Achten Sie auf:
- Die korrekte Angabe Ihrer Personalien.
- Die genaue Bezeichnung des Tatvorwurfs (Ort, Datum, Uhrzeit, vorgeworfene Geschwindigkeit).
- Das Beweismittel (z.B. Blitzerfoto).
- Die Frist für einen möglichen Einspruch (normalerweise 2 Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids).
4. Die Entscheidung: Zahlen oder Einspruch einlegen?
Dies ist der Kernpunkt Ihrer weiteren Vorgehensweise. Haben Sie keinen Zweifel am Verstoß und akzeptieren Sie die Konsequenzen, können Sie das Bußgeld fristgerecht zahlen. Damit ist die Sache für Sie erledigt.
Wenn Sie jedoch Zweifel an der Richtigkeit der Messung haben, die Konsequenzen (insbesondere das Fahrverbot) für Sie untragbar sind oder Sie juristische Unterstützung wünschen, sollten Sie die Option des Einspruchs in Betracht ziehen. Die Frist für den Einspruch beträgt exakt zwei Wochen ab Zustellung des Bußgeldbescheids. Verpassen Sie diese Frist, wird der Bescheid rechtskräftig und Sie können nichts mehr dagegen unternehmen.
5. Der Weg zum Experten: Warum ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht Gold wert sein kann
Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung dieses Ausmaßes ist es dringend ratsam, einen erfahrenen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht zu konsultieren. Ein Spezialist kann Ihnen aus mehreren Gründen entscheidend weiterhelfen:
- Akteneinsicht beantragen: Nur ein Anwalt erhält volle Akteneinsicht und kann alle relevanten Dokumente (Eichscheine der Messgeräte, Messprotokolle, Schulungsnachweise der Messbeamten, Blitzerfotos) einsehen und prüfen.
- Fehlerquellen identifizieren: Ein erfahrener Anwalt weiß genau, welche Fehlerquellen bei Geschwindigkeitsmessungen häufig auftreten (z.B. falsche Aufstellung des Geräts, fehlende Eichung, unscharfe Fotos, falsche Dokumentation). Selbst kleine Fehler können dazu führen, dass die Messung vor Gericht nicht standhält.
- Verfahrensstrategie entwickeln: Der Anwalt kann die Erfolgsaussichten eines Einspruchs einschätzen und eine optimale Strategie für Sie entwickeln.
- Verhandlungen mit den Behörden: In manchen Fällen kann ein Anwalt versuchen, im Rahmen einer Gerichtsverhandlung eine mildere Strafe zu erwirken, z.B. eine Verkürzung des Fahrverbots (wobei dies bei 50 km/h innerorts sehr selten ist) oder eine Reduzierung des Bußgeldes, insbesondere bei besonderer Härte (z.B. drohender Jobverlust). Die Umwandlung eines Fahrverbots in ein höheres Bußgeld ist bei dieser Schwere des Verstoßes jedoch extrem unwahrscheinlich.
- Entlastung und Unterstützung: Er nimmt Ihnen den Stress und die Bürokratie ab und vertritt Ihre Interessen vor Gericht.
Häufige Fehlerquellen bei der Messung
Gerade bei automatisierten Messverfahren können diverse Fehler auftreten, die eine Messung anfechtbar machen:
- Eichgültigkeit des Geräts: Messgeräte müssen regelmäßig geeicht werden. Ist die Eichung abgelaufen, ist die Messung oft ungültig.
- Fehler bei der Aufstellung: Eine nicht korrekte Ausrichtung des Blitzers, falsche Abstände oder störende Objekte im Messbereich können zu Fehlmessungen führen.
- Bedienfehler: Auch das bedienende Personal kann Fehler machen, insbesondere wenn es nicht ausreichend geschult ist.
- Fotoqualität: Ist das Blitzerfoto unscharf, überbelichtet oder lässt es keine eindeutige Identifizierung des Fahrers zu, ist die Beweiskraft eingeschränkt.
- Toleranzabzug: Überprüfen Sie, ob der gesetzlich vorgeschriebene Toleranzabzug korrekt vorgenommen wurde.
Umgang mit dem Fahrverbot: Optionen und Strategien
Sollte ein Fahrverbot unumgänglich sein, kann der Rechtsanwalt Sie beraten, wie Sie die Auswirkungen minimieren können. Als Ersttäter können Sie den Antritt des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten frei wählen. Dies ermöglicht es Ihnen, beispielsweise berufliche Hochphasen oder wichtige Termine zu umgehen. Planen Sie diese Zeit sorgfältig, um private und berufliche Nachteile so gering wie möglich zu halten.
Fazit und Prävention
Mit 100 km/h innerorts geblitzt zu werden, ist ein schwerwiegender Verkehrsverstoß mit weitreichenden und empfindlichen Konsequenzen. Ein hohes Bußgeld, Punkte in Flensburg und ein mindestens zweimonatiges Fahrverbot sind die unmittelbaren Folgen, die Ihre Mobilität und eventuell Ihre berufliche Situation stark beeinträchtigen können. Fahranfänger und Wiederholungstäter müssen mit noch härteren Strafen rechnen.
Es ist entscheidend, nach Erhalt eines Bußgeldbescheids nicht in Panik zu verfallen, sondern überlegt und strategisch vorzugehen. Nehmen Sie die Angelegenheit ernst, aber wissen Sie auch, dass Sie Rechte haben. Das Hinzuziehen eines spezialisierten Rechtsanwalts für Verkehrsrecht ist in dieser Situation der beste Weg, um Ihre Chancen auf eine Abmilderung der Strafe oder sogar eine Einstellung des Verfahrens auszuloten und Ihre Interessen optimal zu vertreten.
Letztlich sollte dieser Vorfall auch ein Weckruf sein, die eigene Fahrweise kritisch zu hinterfragen. Geschwindigkeitsbegrenzungen innerorts dienen dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer und nicht zuletzt Ihrer eigenen Sicherheit. Fahren Sie vorausschauend, rücksichtsvoll und halten Sie sich an die Regeln, um solche unangenehmen und teuren Erfahrungen in Zukunft zu vermeiden. Ihre Sicherheit und die Sicherheit anderer sind es wert.