Neue 6900xt eingebaut und jetzt bekomme ich kein Signal mehr?

Die Spannung ist greifbar: Endlich ist sie da, die lang ersehnte, brandneue AMD Radeon RX 6900 XT. Ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, bereit, Ihre Spiele in atemberaubender 4K-Auflösung zum Leben zu erwecken. Sie haben sie vorsichtig ausgepackt, eingebaut, alles angeschlossen, den Power-Knopf gedrückt – und dann das: Der PC läuft, die Lüfter drehen sich, vielleicht leuchten sogar ein paar RGB-Elemente, aber Ihr Bildschirm bleibt schwarz. Kein Signal. Die anfängliche Euphorie weicht schneller Frustration, vielleicht sogar Panik. Ist die Karte kaputt? Habe ich etwas falsch gemacht? Keine Sorge, Sie sind nicht allein. Dieses Szenario ist ein Klassiker im PC-Bau und lässt sich in den meisten Fällen mit systematischer Fehlersuche beheben. Dieser Artikel führt Sie Schritt für Schritt durch die gängigsten Probleme und deren Lösungen, damit Ihre RX 6900 XT bald in vollem Glanz erstrahlt.

1. Ruhe bewahren – Der erste Schritt zur Lösung

Bevor Sie in Aktionismus verfallen oder gar überlegen, die Karte zurückzuschicken: Atmen Sie tief durch. Viele „kein Signal”-Probleme nach einem Grafikkarten-Upgrade sind auf kleine, leicht zu behebende Fehler zurückzuführen, die im Eifer des Gefechts übersehen wurden. Ein systematischer Ansatz ist hier Gold wert. Gehen Sie die folgenden Punkte nacheinander durch.

2. Die Grundlagen: Monitor, Kabel und Steckdosen

Klingt banal, ist aber oft die Ursache. Beginnen wir mit den einfachsten Überprüfungen:

• Monitor-Status: Ist Ihr Monitor eingeschaltet? Leuchtet die Power-LED? Manchmal ist er einfach im Standby-Modus oder wurde versehentlich ausgeschaltet.
• Input-Quelle: Hat Ihr Monitor mehrere Eingänge (HDMI 1, HDMI 2, DisplayPort)? Stellen Sie sicher, dass die korrekte Eingangsquelle ausgewählt ist, die mit dem Port verbunden ist, an den Sie die Grafikkarte angeschlossen haben.
• Kabelverbindungen: Überprüfen Sie das DisplayPort- oder HDMI-Kabel. Sitzt es fest an beiden Enden? Sowohl an der Grafikkarte als auch am Monitor? Ein leicht lockerer Stecker kann bereits das Problem sein. Versuchen Sie, das Kabel einmal komplett abzuziehen und wieder fest einzustecken.
• Kabeltausch: Haben Sie ein Ersatzkabel zur Hand? Manchmal ist das Kabel selbst defekt. Testen Sie ein anderes HDMI- oder DisplayPort-Kabel, um diese Fehlerquelle auszuschließen.
• Anderer Port an der GPU/Monitor: Probieren Sie einen anderen DisplayPort- oder HDMI-Ausgang an Ihrer RX 6900 XT. Genauso kann es helfen, einen anderen Eingang am Monitor zu testen.
• Stromversorgung des PCs: Ist der Stromstecker des PCs fest in der Steckdose und im Netzteil? Ist der Netzschalter am Netzteil auf „I” (Ein) gestellt?

3. Die Grafikkarte im Fokus: Korrekter Einbau und Stromversorgung

Hier liegt die Ursache der meisten Probleme mit dem Signalverlust nach einem Upgrade. Die RX 6900 XT ist eine leistungsstarke und physisch große Grafikkarte, die präzise installiert werden muss.

• Sitz im PCIe-Slot: Ist die RX 6900 XT wirklich vollständig im PCIe-Slot des Mainboards eingerastet? Öffnen Sie das Gehäuse und drücken Sie die Karte noch einmal fest in den Slot, bis Sie ein deutliches „Klick”-Geräusch der Arretierung hören. Achten Sie darauf, dass der Sicherungshebel des Slots die Karte richtig fixiert. Eine leicht schief sitzende Karte oder eine, die nicht ganz unten im Slot steckt, kann zu Kontaktproblemen führen.
• Zusätzliche Stromanschlüsse: Dies ist ein absoluter kritischer Punkt für Hochleistungsgrafikkarten wie die RX 6900 XT. Diese Karte benötigt in der Regel zwei 8-Pin-PCIe-Stromanschlüsse vom Netzteil. Haben Sie wirklich alle erforderlichen Anschlüsse verbunden? Überprüfen Sie dies doppelt. Noch wichtiger: Verwenden Sie idealerweise zwei separate PCIe-Kabel direkt vom Netzteil zu den beiden 8-Pin-Anschlüssen der Grafikkarte. Das „Daisy-Chaining” (also die Verwendung eines einzigen Kabels mit zwei 8-Pin-Anschlüssen) kann bei derart hungrigen Karten zu einer unzureichenden Stromversorgung führen, da die Kabel nicht genügend Leistung liefern können, was ebenfalls zu einem „kein Signal”-Fehler führt.
• PCIe-Slot Auswahl: Die meisten Mainboards haben mehrere PCIe-Slots. Stellen Sie sicher, dass die Grafikkarte im obersten x16-Slot (oft als „PCIe 3.0/4.0/5.0 x16_1” oder ähnlich bezeichnet) steckt. Dieser Slot ist direkt an die CPU angebunden und bietet die volle Bandbreite.
• CMOS-Reset / BIOS-Reset: Manchmal „erinnert” sich das Mainboard an die Einstellungen der alten Grafikkarte oder an eine integrierte GPU. Ein CMOS-Reset kann helfen, das BIOS auf die Werkseinstellungen zurückzusetzen und so mögliche Kompatibilitätsprobleme zu beheben. Dies kann durch das Entfernen der kleinen Knopfzelle (CR2032) auf dem Mainboard für etwa 30 Sekunden (bei ausgeschaltetem und vom Strom getrennten PC) oder durch das Umstecken eines „CMOS_CLR”-Jumpers auf dem Mainboard erfolgen (siehe Handbuch).

4. Das Netzteil: Genügend Power für die Bestie

Die RX 6900 XT ist ein echtes Kraftpaket und verlangt nach einem robusten Netzteil. Ein zu schwaches oder altes Netzteil ist eine häufige Ursache für Probleme.

• Ausreichende Leistung (Watt): AMD empfiehlt für die RX 6900 XT ein Netzteil mit mindestens 750 Watt. Wenn Ihr Netzteil weniger Leistung bietet oder bereits sehr alt ist, könnte es sein, dass es die hohen Leistungsspitzen der Karte nicht stabil versorgen kann. Dies äußert sich oft in einem schwarzen Bildschirm oder Abstürzen unter Last.
• Qualität des Netzteils: Nicht nur die Wattzahl zählt, sondern auch die Qualität. Ein hochwertiges Netzteil (z.B. mit 80 PLUS Gold-Zertifizierung von einem renommierten Hersteller) liefert stabilere Spannungen und ist effizienter. Ein No-Name-Netzteil, selbst mit hoher Wattzahl, kann Schwierigkeiten haben, die RX 6900 XT zuverlässig zu versorgen.
• Stromversorgung anderer Komponenten: Stellen Sie sicher, dass alle anderen Komponenten (CPU, Mainboard, Laufwerke) ebenfalls korrekt mit Strom versorgt werden. Eine überlastete 12V-Schiene des Netzteils kann zu Problemen führen.

5. BIOS/UEFI-Einstellungen: Ein Blick ins Innere

Manchmal müssen Sie tiefer graben und die Einstellungen Ihres Mainboard-BIOS/UEFI überprüfen.

• Zugang zum BIOS/UEFI: Versuchen Sie, mit Ihrer alten Grafikkarte (falls noch vorhanden) oder der integrierten Grafikeinheit Ihrer CPU (falls vorhanden) ins BIOS zu gelangen. Typischerweise geschieht dies durch wiederholtes Drücken der Entf-, F2-, F10- oder F12-Taste direkt nach dem Einschalten des PCs.
• Integrierte Grafik deaktivieren: Wenn Ihre CPU eine integrierte Grafikeinheit (iGPU) besitzt (z.B. viele Intel-CPUs ohne „F” im Namen oder AMD APUs), stellen Sie im BIOS sicher, dass die dedizierte PCIe-Grafikkarte als primäre Anzeige ausgewählt ist oder die iGPU deaktiviert ist.
• PCIe-Generation: Einige ältere Mainboards oder bestimmte Konfigurationen können Probleme mit der automatischen Erkennung der PCIe-Generation haben. Versuchen Sie, den PCIe-Slot-Modus von „Auto” auf „Gen3” oder „Gen4” fest einzustellen, falls Ihr Mainboard dies unterstützt und die Option anbietet. Die RX 6900 XT läuft auf PCIe Gen4, ist aber abwärtskompatibel.
• CSM / Legacy Mode: Überprüfen Sie die Einstellungen für „CSM” (Compatibility Support Module) oder „Legacy Mode”. Manchmal kann das Aktivieren oder Deaktivieren dieser Option helfen, Kompatibilitätsprobleme zu lösen, insbesondere wenn Sie von einem älteren System kommen. Achten Sie auch auf „Secure Boot” – bei Problemen kann ein vorübergehendes Deaktivieren helfen.
• Fast Boot: Deaktivieren Sie im BIOS/UEFI „Fast Boot” oder „Ultra Fast Boot”. Diese Funktionen können manchmal die Initialisierung der Grafikkarte beschleunigen und dabei Probleme verursachen.

6. Software- und Treiberprobleme: Die unsichtbaren Störenfriede

Auch wenn Sie noch kein Signal bekommen, können alte Treiber oder Software-Konflikte eine Rolle spielen.

• Alte Treiber entfernen (DDU): Wenn Sie zuvor eine Grafikkarte von NVIDIA oder sogar eine ältere AMD-Karte hatten, sind die alten Treiber oft die Ursache für Konflikte. Wenn Sie es irgendwie schaffen, ein Bild zu bekommen (z.B. mit der integrierten Grafik oder indem Sie die alte Karte noch einmal einbauen), laden Sie den „Display Driver Uninstaller” (DDU) herunter. Starten Sie Windows im abgesicherten Modus und verwenden Sie DDU, um alle alten Grafikkartentreiber restlos zu entfernen. Installieren Sie danach die RX 6900 XT und die neuesten AMD-Treiber von der offiziellen AMD-Website.
• Betriebssystem-Start: Hören Sie, ob Windows oder Ihr Betriebssystem normal startet (z.B. Startsound)? Dies würde darauf hindeuten, dass der PC selbst bootet und das Problem „nur” die Anzeige betrifft.

7. Komponenten-Kompatibilität und Defekte: Tiefergehende Analyse

Sollten die bisherigen Schritte nicht gefruchtet haben, müssen wir weitere Hardware-Aspekte in Betracht ziehen.

• Mainboard BIOS-Update: Eine brandneue Grafikkarte wie die RX 6900 XT benötigt möglicherweise ein aktuelles Mainboard BIOS, um vollständig kompatibel zu sein. Prüfen Sie auf der Herstellerseite Ihres Mainboards, ob eine neuere BIOS-Version verfügbar ist. Wenn ja, aktualisieren Sie das BIOS (meist über einen USB-Stick, auch „Q-Flash” oder „Flashback” genannt, oft ohne installierte CPU/RAM/GPU möglich – siehe Mainboard-Handbuch). Dies ist besonders wichtig, wenn Sie ein älteres Mainboard verwenden.
• RAM-Module: Auch fehlerhafter oder lose sitzender Arbeitsspeicher kann zu einem schwarzen Bildschirm führen. Versuchen Sie, die RAM-Module fest in ihre Slots zu drücken. Wenn Sie mehrere Module haben, versuchen Sie, nur mit einem Modul zu booten und testen Sie nacheinander jeden Riegel in jedem Slot.
• Test mit alter GPU: Wenn Sie Ihre alte Grafikkarte noch haben, bauen Sie diese noch einmal ein. Funktioniert der PC damit normal? Wenn ja, grenzt das Problem stark auf die neue RX 6900 XT selbst oder deren spezifische Interaktion mit Ihrem System ein.
• Test in anderem PC: Wenn Sie die Möglichkeit haben, testen Sie die RX 6900 XT in einem anderen, bekannten funktionierenden PC. Wenn sie dort auch kein Signal ausgibt, ist die Karte wahrscheinlich defekt und ein Garantiefall.
• Debug-LEDs / Beep-Codes: Viele moderne Mainboards verfügen über kleine Debug-LEDs (oft beschriftet mit „CPU”, „DRAM”, „VGA”, „BOOT”), die bei Fehlern leuchten bleiben. Achten Sie darauf, ob die „VGA”-LED leuchtet, was auf ein Problem mit der Grafikkarte hindeuten würde. Ältere Mainboards geben bei Fehlern sogenannte „Beep-Codes” über einen kleinen internen Lautsprecher aus. Konsultieren Sie das Handbuch Ihres Mainboards, um die Bedeutung dieser Codes zu entschlüsseln.

8. Erweiterte Tipps und letzte Rettungsversuche

• Kaltstart statt Neustart: Führen Sie einen vollständigen Kaltstart durch. Schalten Sie den PC aus, ziehen Sie das Stromkabel für 30 Sekunden ab und drücken Sie danach mehrmals den Power-Knopf, um Reststrom zu entladen, bevor Sie ihn wieder anschließen und starten.
• Physische Schäden: Überprüfen Sie vorsichtig die RX 6900 XT auf sichtbare Schäden, verbogene Pins am PCIe-Anschluss oder an den Stromanschlüssen.
• Monitor-Kompatibilität: In seltenen Fällen kann es zu Kompatibilitätsproblemen zwischen der neuen Grafikkarte und einem sehr alten Monitor kommen, insbesondere bei der Erstinitialisierung. Stellen Sie sicher, dass Ihr Monitor HDMI 2.1 oder DisplayPort 1.4 unterstützt, um die volle Funktionalität der Karte zu nutzen.

Fazit: Geduld zahlt sich aus

Ein „kein Signal„-Problem nach dem Einbau einer neuen RX 6900 XT ist ärgerlich, aber in den seltensten Fällen ein Grund zur Panik. Gehen Sie die Schritte dieses Troubleshooting-Guides sorgfältig und systematisch durch. Die meisten Probleme lassen sich durch korrekte Kabelverbindungen, ausreichende Stromversorgung oder ein BIOS-Reset beheben. Sollten Sie trotz aller Bemühungen kein Bild erhalten, dokumentieren Sie alle Schritte und die Beobachtungen. Dies ist hilfreich, falls Sie den Herstellersupport kontaktieren oder die Karte als Garantiefall einsenden müssen. Viel Erfolg beim Reaktivieren Ihrer neuen Power-Grafikkarte!