Der Moment, wenn das neue System zum ersten Mal startet, sollte ein Triumph sein. Das Summen der Lüfter, das Aufleuchten der LEDs – und dann… nichts. Kein Bild auf dem Monitor. Ein schwarzer Bildschirm, der alle Hoffnungen zunichtemacht. Wenn Sie gerade einen AMD Ryzen 5 7600 Prozessor verbaut haben und Ihre integrierte Grafikeinheit (iGPU) partout kein Signal ausgibt, sind Sie nicht allein. Dieses Szenario ist frustrierend, aber oft lösbar. Dieser umfassende Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt durch die Fehlersuche, damit Ihr System endlich ein Bild zeigt.
**Einleitung: Der Albtraum des PC-Bauers – Kein Signal trotz neuer Hardware**
Sie haben sorgfältig alle Komponenten ausgewählt, unzählige Stunden damit verbracht, Anleitungen zu lesen und Videos anzusehen, und schließlich Ihr neues System zusammengebaut. Der AMD Ryzen 5 7600 ist eine fantastische Wahl für ein leistungsstarkes und energieeffizientes System, besonders mit seiner integrierten RDNA 2 Grafikeinheit, die für den Betrieb ohne dedizierte Grafikkarte absolut ausreicht. Doch nach dem Einschalten bleibt der Bildschirm dunkel. Die Debug-LEDs leuchten vielleicht beunruhigend, oder es gibt einfach gar keine Reaktion. Dieses „No Signal”-Problem kann viele Ursachen haben, von trivialen Fehlern bis hin zu komplexeren Hardware-Konflikten. Der Schlüssel liegt in einer systematischen Herangehensweise. Lassen Sie uns die häufigsten Gründe durchgehen und wie Sie sie beheben können.
**Grundlagen der Fehlersuche: Die ersten Schritte zur Diagnose**
Bevor wir uns in tiefergehende Einstellungen stürzen, sollten wir die offensichtlichsten und am häufigsten übersehenen Fehlerquellen ausschließen.
1. **Monitor und Kabel: Die offensichtlichen Verdächtigen**
* **Monitor-Eingang überprüfen:** Stellen Sie sicher, dass Ihr Monitor auf den richtigen Eingang (HDMI 1, DisplayPort 2, etc.) eingestellt ist, an den Ihr PC angeschlossen ist. Viele Monitore haben eine Taste dafür.
* **Kabelverbindung:** Ist das HDMI- oder DisplayPort-Kabel sowohl am Monitor als auch am Mainboard fest eingesteckt? Versuchen Sie, das Kabel einmal aus- und wieder einzustecken. Manchmal reicht schon eine lose Verbindung.
* **Kabeltausch:** Haben Sie ein Ersatzkabel zur Hand? Versuchen Sie ein anderes Kabel. Defekte Kabel sind eine häufige Ursache für „No Signal”-Probleme.
* **Anderen Monitor/TV testen:** Schließen Sie Ihren PC an einen anderen Monitor oder Fernseher an, um sicherzustellen, dass nicht Ihr Hauptmonitor das Problem ist.
* **Alle Anschlüsse am Mainboard testen:** Wenn Ihr Mainboard mehrere Videoausgänge (z.B. HDMI und DisplayPort) bietet, probieren Sie sie alle aus. Es ist möglich, dass nur einer davon standardmäßig aktiv ist oder einer defekt ist.
2. **Stromversorgung: Ist alles richtig angeschlossen?**
* **Hauptstromanschlüsse:** Überprüfen Sie, ob das 24-Pin-ATX-Kabel fest im Mainboard sitzt und das 8-Pin-EPS/ATX12V-Kabel (CPU-Stromversorgung) ebenfalls korrekt auf dem Mainboard und im Netzteil (falls modular) angeschlossen ist. Diese beiden Kabel sind absolut essenziell.
* **Netzteil-Schalter:** Ist der Schalter am Netzteil auf „On” gestellt (meistens „I” für an, „O” für aus)?
* **Stromkabel des Monitors:** Auch wenn es banal klingt, stellen Sie sicher, dass der Monitor selbst mit Strom versorgt wird und eingeschaltet ist.
3. **Arbeitsspeicher (RAM): Eine häufige Ursache für Boot-Probleme**
Der Arbeitsspeicher ist eine der häufigsten Ursachen für ein System, das sich zwar einschaltet, aber kein Bild ausgibt. Bei AM5-Systemen mit DDR5-RAM sind die Anforderungen an die Kompatibilität und korrekte Installation besonders hoch.
* **Korrekte Slots:** Sehen Sie im Handbuch Ihres Mainboards nach, welche RAM-Slots für eine Einzelmodul- oder Zweimodulkonfiguration empfohlen werden. Meist sind dies die Slots A2 und B2 (der zweite und vierte Slot vom CPU-Sockel aus gesehen).
* **Fester Sitz:** Drücken Sie die RAM-Riegel fest in die Slots, bis die Halteklammern an beiden Enden einrasten. Manchmal sind ein oder zwei Riegel nicht vollständig eingerastet.
* **Einzelmodul-Test:** Entfernen Sie alle bis auf einen RAM-Riegel und testen Sie jeden Riegel einzeln in jedem der empfohlenen Slots. Dies hilft festzustellen, ob ein bestimmter Riegel oder Slot defekt ist.
* **Kompatibilität (QVL):** Überprüfen Sie die Qualified Vendor List (QVL) Ihres Mainboards auf der Hersteller-Website. Dort sind die getesteten und kompatiblen RAM-Kits aufgeführt. Auch wenn Ihr RAM nicht auf der Liste steht, kann er funktionieren, aber Inkompatibilitäten können Probleme verursachen.
4. **Komponenten richtig montiert?**
* **CPU-Sitz:** Obwohl der Ryzen 5 7600 einen AM5-Sockel verwendet (LGA-Typ, keine Pins am Prozessor selbst), sollte er dennoch korrekt eingesetzt sein. Stellen Sie sicher, dass er bündig und korrekt ausgerichtet im Sockel sitzt und der Verriegelungsmechanismus geschlossen ist.
* **CPU-Kühler:** Ist der Kühler korrekt montiert und festgezogen? Ein schlecht sitzender Kühler kann zu Überhitzung und Abschaltung führen, auch wenn der Boot-Vorgang beginnt.
* **Mainboard-Abstandshalter (Standoffs):** Haben Sie die Abstandshalter korrekt unter dem Mainboard montiert? Fehlen sie oder sind sie falsch platziert, kann es zu Kurzschlüssen kommen, die einen Start verhindern.
**BIOS/UEFI: Das Herzstück der Systeminitialisierung**
Das **UEFI (Unified Extensible Firmware Interface)**, der Nachfolger des klassischen BIOS, steuert die Initialisierung aller Hardwarekomponenten. Hier liegen oft die tiefsten Ursachen für „No Signal”-Probleme mit iGPUs.
1. **Zugang zum BIOS/UEFI erhalten (oder versuchen)**
Wenn Sie überhaupt kein Bild erhalten, ist der direkte Zugang zum BIOS schwierig. Hier sind einige Tricks:
* **Entfernen der dedizierten Grafikkarte (falls vorhanden):** Wenn Sie eine separate Grafikkarte installiert haben, entfernen Sie diese physisch. Das System *sollte* dann automatisch versuchen, die iGPU zu nutzen. Dies ist ein entscheidender Schritt, da viele Mainboards standardmäßig versuchen, eine dedizierte GPU zu nutzen, selbst wenn die iGPU die einzige Anzeigeoption ist.
* **CMOS Reset (BIOS-Reset):** Wenn das System nicht bootet oder kein Signal ausgibt, kann ein CMOS-Reset helfen.
* Schalten Sie das System aus und trennen Sie es vom Stromnetz.
* Entfernen Sie die kleine runde CMOS-Batterie (Knopfzelle, Typ CR2032) für etwa 5-10 Minuten vom Mainboard.
* Alternativ suchen Sie den „Clear CMOS”-Jumper auf Ihrem Mainboard (siehe Handbuch). Setzen Sie ihn für einige Sekunden um und dann wieder zurück.
* Setzen Sie die Batterie wieder ein und versuchen Sie erneut zu starten. Dies setzt alle BIOS-Einstellungen auf die Werkseinstellungen zurück, was oft Wunder wirkt.
2. **iGPU-Einstellungen überprüfen und konfigurieren (sobald ein Bild erscheint)**
Sobald Sie es geschafft haben, ein Bild auf den Monitor zu bekommen (auch wenn es nur nach einem CMOS-Reset ist):
* **Zugriff auf das UEFI/BIOS:** Drücken Sie sofort nach dem Einschalten wiederholt die entsprechende Taste (meist „Entf”, „F2”, „F10” oder „F12” – siehe Mainboard-Startbildschirm oder Handbuch), um ins BIOS zu gelangen.
* **iGPU aktivieren:** Suchen Sie im BIOS nach Einstellungen wie „Integrated Graphics”, „iGPU Multi-Monitor”, „Primary Video Output” oder ähnlichem. Stellen Sie sicher, dass die **iGPU aktiviert** ist oder auf „Auto” steht. Manchmal muss die Option „Primary Video Output” explizit auf „IGD” (Integrated Graphics Device) oder „Onboard Graphics” eingestellt werden.
* **”Above 4G Decoding” und „Re-Size BAR” (Resizable BAR):** Bei AM5-Systemen sind diese Einstellungen wichtig. Deaktivieren Sie „Above 4G Decoding” und „Re-Size BAR” vorübergehend, um mögliche Konflikte auszuschließen. Sie können diese später wieder aktivieren.
* **CSM (Compatibility Support Module):** Stellen Sie sicher, dass CSM deaktiviert ist, wenn Sie Windows 10/11 im UEFI-Modus installieren. Wenn Sie ein älteres Betriebssystem oder ein spezielles Laufwerk booten müssen, kann CSM aktiviert werden, aber für moderne Systeme ist UEFI/Secure Boot die Norm. Ein falscher CSM-Zustand kann zu „No Signal” führen.
3. **BIOS-Update: Eine kritische Maßnahme für AM5**
**AM5-Plattformen** waren bei ihrem Start für ihre hohen Anforderungen an die BIOS-Version bekannt. Viele Mainboards benötigen ein aktuelles BIOS, um neue CPUs wie den Ryzen 5 7600, insbesondere mit DDR5-RAM, korrekt zu unterstützen und die iGPU initialisieren zu können.
* **Ohne Bild:** Wenn Sie kein Bild erhalten, prüfen Sie, ob Ihr Mainboard über eine **”BIOS Flashback”**- oder **”Q-Flash Plus”**-Funktion verfügt (oder einen ähnlichen Namen des Herstellers). Diese Funktionen ermöglichen es Ihnen, das BIOS mit einem USB-Stick zu aktualisieren, *ohne dass eine CPU oder RAM installiert sein müssen* und ohne dass das System booten muss. Dies ist Ihr bester Freund in dieser Situation. Folgen Sie den genauen Anweisungen im Handbuch Ihres Mainboards, da die Schritte von Hersteller zu Hersteller variieren.
* **Mit Bild (nach CMOS-Reset):** Wenn Sie nach einem CMOS-Reset ein Bild erhalten, aktualisieren Sie das BIOS sofort auf die neueste stabile Version von der Hersteller-Website. Dies behebt oft eine Vielzahl von Kompatibilitätsproblemen.
**Grafiktreiber und Betriebssystem: Nach dem ersten Bild ist vor dem nächsten Problem**
Sobald Sie endlich ein Bild haben und Ihr Betriebssystem starten können, geht die Reise weiter. Die iGPU-Treiber sind entscheidend für optimale Leistung und Stabilität.
1. **AMD Adrenalin Software installieren:**
Laden Sie die neueste AMD Adrenalin Software von der offiziellen AMD-Website herunter. Diese Suite enthält die notwendigen Grafiktreiber für Ihre Ryzen-iGPU. Eine saubere Installation ist hierbei wichtig.
* **Saubere Installation:** Wenn Sie bereits versucht haben, Treiber zu installieren, deinstallieren Sie diese vollständig (z.B. mit DDU – Display Driver Uninstaller im abgesicherten Modus), bevor Sie die neuen AMD-Treiber installieren.
2. **Betriebssystem-Updates:**
Stellen Sie sicher, dass Ihr Windows 10 oder 11 vollständig aktualisiert ist. Microsoft liefert ebenfalls generische Grafiktreiber, die mit den AMD-Treibern interagieren können.
**Fortgeschrittene Diagnoseschritte: Wenn die einfachen Tricks nicht helfen**
Wenn alle bisherigen Schritte erfolglos waren, müssen wir die Problemursache weiter eingrenzen.
1. **Minimal-Konfiguration testen:**
Bauen Sie Ihr System so weit wie möglich zurück.
* Nur Mainboard, CPU mit Kühler, ein RAM-Riegel (im korrekten Slot), Netzteil und Monitor (angeschlossen an die iGPU).
* Entfernen Sie alle anderen Komponenten: zusätzliche RAM-Riegel, NVMe-SSDs, HDDs, externe USB-Geräte, etc.
* Versuchen Sie erneut zu starten. Wenn es jetzt funktioniert, fügen Sie die Komponenten einzeln hinzu, bis der Fehler wieder auftritt. So identifizieren Sie die problematische Komponente.
2. **Debug-LEDs und Post-Codes: Die Sprache des Mainboards**
Viele moderne Mainboards verfügen über kleine Debug-LEDs (meist mit Bezeichnungen wie CPU, DRAM, VGA, BOOT) oder einen alphanumerischen Post-Code-Anzeiger.
* **Beobachten Sie die LEDs:** Beim Start leuchten diese LEDs nacheinander auf und erlöschen wieder. Bleibt eine LED dauerhaft leuchten (z.B. „VGA” oder „DRAM”), weist dies auf ein Problem mit der entsprechenden Komponente hin.
* **Post-Codes:** Wenn Ihr Mainboard einen alphanumerischen Post-Code-Anzeiger hat, notieren Sie den Code. Im Handbuch Ihres Mainboards finden Sie eine Liste der Codes und deren Bedeutung. Dies kann extrem hilfreich sein.
3. **Einzelne Komponenten tauschen (Kreuztausch):**
Wenn Sie Zugang zu Ersatzteilen haben (z.B. ein anderes Netzteil, einen anderen RAM-Riegel, ein anderes Mainboard oder sogar eine andere CPU), kann der Kreuztausch eine sehr effektive Methode sein, um die defekte Komponente zu isolieren.
* **RAM-Riegel:** Haben Sie einen bekannten funktionierenden DDR5-Riegel zur Hand?
* **Netzteil:** Ein defektes Netzteil kann unzureichende Stromversorgung zu bestimmten Komponenten führen.
* **Mainboard/CPU:** Dies sind die teuersten Komponenten. Wenn alles andere fehlschlägt, könnte einer von ihnen defekt sein.
**Wann ist es Zeit für professionelle Hilfe?**
Manchmal stößt man an seine Grenzen, und das ist völlig in Ordnung. Wenn Sie alle oben genannten Schritte sorgfältig durchgearbeitet haben und immer noch kein Bild erhalten, ist es möglicherweise an der Zeit:
* **Garantie in Anspruch nehmen:** Wenn die Komponenten neu sind, kontaktieren Sie den Händler oder Hersteller. Defekte Komponenten kommen vor. Bewahren Sie alle Originalverpackungen und Kaufbelege auf.
* **Fachwerkstatt aufsuchen:** Ein erfahrener PC-Techniker in Ihrer Nähe kann mit spezialisierten Geräten und seinem Wissen die Fehlerquelle schneller identifizieren.
* **Community um Rat fragen:** Beschreiben Sie Ihr Problem und die bereits unternommenen Schritte detailliert in einem spezialisierten Hardware-Forum oder einer Online-Community. Oft haben andere Nutzer ähnliche Probleme gelöst und können spezifische Tipps geben.
**Zusammenfassung und letzte Tipps**
Das Problem „Kein Signal” mit einer neuen Ryzen 5 7600 iGPU kann entmutigend sein, aber mit Geduld und einer systematischen Fehlersuche lässt es sich in den meisten Fällen beheben. Fangen Sie immer bei den einfachsten Dingen an: Kabel, Monitor, korrekter RAM-Sitz. Der CMOS-Reset und ein **BIOS-Update** sind für AM5-Systeme oft entscheidende Schritte. Nutzen Sie die **Debug-LEDs** Ihres Mainboards als wertvolle Informationsquelle.
Bleiben Sie ruhig, gehen Sie Schritt für Schritt vor und dokumentieren Sie Ihre Versuche. Viel Erfolg beim Wiederbeleben Ihres Systems! Die Belohnung eines funktionierenden, selbstgebauten PCs ist jede Mühe wert.