Strom ist da, Mainboard LEDs leuchten, aber das Mainboard startet nicht und die Lüfter drehen nicht – was nun?

Es ist ein Szenario, das jedem PC-Nutzer den Schweiß auf die Stirn treibt: Sie drücken den Einschaltknopf, die Mainboard LEDs leuchten auf, ein Zeichen von Leben. Doch die erwartete Symphonie aus Lüfterrauschen und Festplattenaktivität bleibt aus. Die Lüfter drehen nicht, der Bildschirm bleibt schwarz, und der ersehnte Startbildschirm des BIOS oder Windows lässt auf sich warten. Die Frustration ist groß, denn der Strom ist offensichtlich da, aber das Herzstück Ihres Systems – das Mainboard – scheint den Startbefehl zu verweigern.

Dieses Problem ist häufiger, als man denkt, und kann von einer Vielzahl von Ursachen herrühren, von trivialen Fehlern bis hin zu ernsthaften Hardwaredefekten. Die gute Nachricht ist, dass viele dieser Probleme mit systematischer Fehlerbehebung selbst gelöst werden können. In diesem detaillierten Leitfaden gehen wir Schritt für Schritt durch die möglichen Ursachen und zeigen Ihnen, wie Sie Ihr System wieder zum Leben erwecken können.

Das Problem verstehen: Symptome genau analysieren

Bevor wir mit der Fehlersuche beginnen, lassen Sie uns die genauen Symptome noch einmal festhalten:

• Die Mainboard LEDs leuchten, was bedeutet, dass das Mainboard Strom erhält.
• Die Lüfter drehen nicht (weder CPU-Lüfter, Gehäuselüfter noch Grafikkartenlüfter).
• Der PC zeigt keinerlei Reaktion auf den Einschaltknopf, es gibt kein POST (Power-On Self-Test) und kein Bild auf dem Monitor.
• Eventuell sind auch keine Pieptöne vom Mainboard zu hören (sofern ein Speaker angeschlossen ist).

Diese Symptome deuten darauf hin, dass das Mainboard zwar mit Strom versorgt wird, aber nicht in der Lage ist, den Initialisierungsprozess (den sogenannten POST) zu starten oder diesen sehr früh abbricht. Es ist ein Zustand, der oft als „Power-On, No-Boot” oder „Dead-Board” bezeichnet wird, obwohl es noch Hoffnung gibt!

Sicherheit geht vor: Vorbereitung auf die Fehlersuche

Bevor Sie irgendeine Komponente anfassen, stellen Sie sicher, dass Ihr System vollständig vom Strom getrennt ist.

• Schalten Sie den PC aus und ziehen Sie das Netzkabel aus der Steckdose.
• Betätigen Sie den Netzschalter Ihres PCs mehrmals, um eventuelle Restladungen in den Kondensatoren zu entladen.
• Tragen Sie ein Antistatikarmband oder erden Sie sich regelmäßig, indem Sie einen geerdeten Metallgegenstand berühren, um Schäden durch statische Entladung zu vermeiden.
• Arbeiten Sie auf einer sauberen, gut beleuchteten und isolierten Oberfläche.

Erste einfache Checks: Die offensichtlichen Stolperfallen

Beginnen Sie immer mit den einfachsten Lösungen. Oft liegt der Fehler in einer Kleinigkeit, die leicht übersehen wird.

1. Netzteil-Check (nochmal genau hinsehen!)

• Netzschalter am Netzteil: Haben Sie überprüft, ob der Kippschalter am Netzteil auf „I” (Ein) steht? Klingt banal, wird aber erstaunlich oft vergessen.
• Kabelverbindungen: Überprüfen Sie alle Stromkabel sorgfältig.
  • 24-Pin ATX-Stecker: Dieser breite Stecker versorgt das Mainboard mit Hauptstrom. Stellen Sie sicher, dass er fest und vollständig im Mainboard sitzt. Es klickt oft spürbar ein.
  • 8-Pin oder 4+4-Pin EPS/CPU-Stecker: Dieser Stecker versorgt die CPU mit Strom. Er befindet sich meistens oben links auf dem Mainboard. Auch hier gilt: fest und vollständig einstecken. Ein häufiger Fehler ist, diesen Stecker zu vergessen oder nur halb einzustecken.
  • Weitere Stromkabel: Ziehen Sie alle anderen Stromkabel (für Grafikkarte, Laufwerke etc.) vorübergehend ab, um mögliche Kurzschlüsse oder Probleme an diesen Komponenten auszuschließen.
• Netzteil-Test (Paperclip-Methode): Wenn Sie vermuten, dass das Netzteil das Problem ist, können Sie es isoliert testen. Suchen Sie den grünen Draht im 24-Pin ATX-Stecker und brücken Sie ihn mit einem schwarzen Draht (Masse) mithilfe einer aufgebogenen Büroklammer. Schließen Sie dann das Netzteil an den Strom an. Drehen sich die Lüfter des Netzteils (wenn es einen hat und diese drehen sollten), ist das Netzteil zumindest nicht komplett tot. Achtung: Diese Methode testet nur, ob das Netzteil überhaupt anspringt, nicht aber seine Stabilität unter Last. Gehen Sie dabei vorsichtig vor!

2. Front-Panel-Anschlüsse

Die Kabel für den Power-Button, Reset-Button und die LEDs werden an kleine Pins auf dem Mainboard angeschlossen. Eine falsche Verbindung kann das Starten des Mainboards verhindern.

• Alle Front-Panel-Kabel abziehen: Trennen Sie vorübergehend alle Kabel des Frontpanels (Power SW, Reset SW, HDD LED, Power LED) vom Mainboard.
• Manueller Start: Lokalisieren Sie die „Power SW”-Pins auf Ihrem Mainboard (siehe Handbuch). Nehmen Sie einen kleinen Schraubenzieher mit isoliertem Griff und überbrücken Sie diese beiden Pins vorsichtig für einen kurzen Moment. Springt der PC jetzt an und die Lüfter drehen sich, liegt das Problem entweder am Power-Button Ihres Gehäuses oder an einer fehlerhaften Verkabelung.

Der Kern des Problems: Hauptkomponenten im Fokus

Wenn die einfachen Checks keine Lösung brachten, müssen wir tiefer graben. Die folgenden Komponenten sind am häufigsten für das von Ihnen beschriebene Problem verantwortlich.

3. Arbeitsspeicher (RAM)

Probleme mit dem RAM sind eine der häufigsten Ursachen für einen PC, der nicht startet.

• RAM neu einsetzen: Nehmen Sie alle RAM-Riegel heraus und setzen Sie sie nacheinander wieder fest in ihre Slots ein. Achten Sie auf das Einrasten der Halteklammern.
• Ein Riegel nach dem anderen: Wenn Sie mehrere RAM-Riegel haben, testen Sie jeden Riegel einzeln in einem einzigen Slot (idealerweise dem vom Mainboard-Handbuch empfohlenen für Einzelmodulbetrieb). Dies hilft festzustellen, ob ein bestimmter Riegel oder Slot defekt ist.
• Andere Slots ausprobieren: Testen Sie den funktionierenden Riegel in allen verfügbaren Slots.
• Falscher RAM-Typ: Haben Sie kürzlich neuen RAM installiert? Überprüfen Sie, ob der RAM mit Ihrem Mainboard und Ihrer CPU kompatibel ist (DDR4 vs. DDR5, maximale Geschwindigkeit etc.).

4. Prozessor (CPU)

Auch wenn die CPU seltener die Ursache ist, kann ein Problem hier gravierende Auswirkungen haben.

• CPU-Kühler prüfen: Stellen Sie sicher, dass der CPU-Kühler korrekt montiert ist und die Halterungen fest sitzen. Ein schlecht sitzender Kühler kann nicht nur zu Überhitzung führen, sondern auch den Bootvorgang behindern, wenn der CPU-Schutzmechanismus anspringt.
• CPU-Sitz: Wenn Sie kürzlich die CPU entfernt oder montiert haben, überprüfen Sie ihren korrekten Sitz im Sockel. Bei Intel LGA-Sockeln (Land Grid Array) ist besondere Vorsicht bei den Pins geboten. Ein verbogener Pin kann den Start verhindern. Dieser Schritt ist mit Vorsicht zu genießen und sollte nur durchgeführt werden, wenn Sie sich sicher sind, was Sie tun, da die CPU und der Sockel sehr empfindlich sind.

5. Grafikkarte (GPU)

Auch wenn Sie kein Bild erwarten, kann eine fehlerhafte Grafikkarte den gesamten Bootvorgang blockieren.

• GPU neu einsetzen: Entfernen Sie die Grafikkarte und setzen Sie sie fest in den PCIe-Slot ein. Stellen Sie sicher, dass die Halteklammer einrastet.
• Zusätzliche Stromversorgung: Viele Grafikkarten benötigen separate PCIe-Stromkabel direkt vom Netzteil (6-Pin oder 8-Pin). Stellen Sie sicher, dass diese korrekt angeschlossen sind.
• Test ohne dedizierte GPU: Wenn Ihre CPU über eine integrierte Grafikeinheit (iGPU) verfügt (z.B. Intel CPUs mit „F” im Namen haben keine iGPU, AMD APUs haben eine), entfernen Sie Ihre dedizierte Grafikkarte komplett. Schließen Sie Ihren Monitor direkt an die Mainboard-Videoausgänge an (HDMI, DisplayPort). Startet der PC jetzt, ist die Grafikkarte oder ihr Slot das Problem.

6. CMOS Reset: Das Mainboard auf Werkseinstellungen zurücksetzen

Falsche BIOS-Einstellungen können den Bootvorgang blockieren. Ein CMOS Reset setzt alle BIOS-Einstellungen auf ihre Standardwerte zurück.

• Methode 1 (Batterie): Ziehen Sie das Netzkabel ab. Suchen Sie die kleine Knopfzellenbatterie (CR2032) auf dem Mainboard, nehmen Sie sie für etwa 5-10 Minuten heraus und setzen Sie sie dann wieder ein.
• Methode 2 (Jumper): Viele Mainboards haben einen Jumper oder zwei Pins mit der Aufschrift „CLR_CMOS” oder „RESET_CMOS”. Ziehen Sie das Netzkabel ab, versetzen Sie den Jumper für ein paar Sekunden oder brücken Sie die Pins mit einem Schraubendreher. Konsultieren Sie hierzu Ihr Mainboard-Handbuch.

Das „Minimum Boot” Szenario: Systematisches Ausschlussverfahren

Wenn die bisherigen Schritte nicht geholfen haben, ist es Zeit für das rigoroseste Ausschlussverfahren: der Aufbau außerhalb des Gehäuses.

7. Bench-Test

Manchmal kann das Gehäuse selbst einen Kurzschluss verursachen (z.B. durch falsch platzierte Abstandshalter oder lose Schrauben).

• Alles ausbauen: Nehmen Sie das Mainboard aus dem Gehäuse.
• Minimaler Aufbau: Platzieren Sie das Mainboard auf einer nicht leitenden Oberfläche (z.B. der Mainboard-Karton oder ein Holzbrett). Installieren Sie nur die CPU mit Kühler, einen RAM-Riegel und schließen Sie das Netzteil (24-Pin ATX und 8-Pin EPS/CPU) an.
• Starten: Versuchen Sie nun, das System durch Überbrücken der Power-SW-Pins (siehe Punkt 2) zu starten.
• Peripherie abziehen: Stellen Sie sicher, dass keine Festplatten, SSDs, optische Laufwerke, USB-Geräte oder andere Erweiterungskarten angeschlossen sind.
• Monitor direkt ans Mainboard: Falls Ihre CPU über eine iGPU verfügt, schließen Sie den Monitor direkt an das Mainboard an.

Wenn das System in dieser minimalen Konfiguration startet, fügen Sie die Komponenten einzeln hinzu, um den Übeltäter zu identifizieren.

Spezifische Mainboard-Diagnose-Tools

Moderne Mainboards bieten oft nützliche Hilfen zur Fehlerdiagnose.

8. Debug-LEDs / Q-LEDs / POST Code Display

Viele Mainboards verfügen über kleine LEDs (oft mit Beschriftungen wie CPU, DRAM, VGA, BOOT) oder sogar ein kleines alphanumerisches Display, das POST Codes anzeigt.

• Debug-LEDs: Wenn beim Start eine der LEDs leuchtet oder blinkt, weist dies auf ein Problem in dem entsprechenden Bereich hin (z.B. die DRAM-LED leuchtet, wenn der RAM nicht korrekt initialisiert wird). Schlagen Sie im Handbuch Ihres Mainboards nach, welche Bedeutung die jeweiligen LEDs haben.
• POST Code Display: Wenn Ihr Mainboard ein solches Display besitzt, wird dort ein Code angezeigt. Diesen Code können Sie im Mainboard-Handbuch nachschlagen, um die genaue Ursache des Problems zu finden. Dies ist oft die präziseste Form der Fehlerdiagnose PC.

Wenn alle Stricke reißen: Das Netzteil, das Mainboard oder der Defekt

9. Netzteil (als letzte Instanz)

Auch wenn unser Paperclip-Test das Netzteil als „nicht komplett tot” bestätigt hat, bedeutet das nicht, dass es voll funktionsfähig ist.

• Unzureichende Leistung: Es könnte sein, dass das Netzteil nicht mehr genügend Leistung für alle Komponenten liefern kann, auch wenn die Mainboard-LEDs leuchten.
• Defekte Schienen: Eine bestimmte Stromschiene könnte defekt sein, die für die Initialisierung des Mainboards wichtig ist (z.B. die 3,3V-Schiene).
• Test mit anderem Netzteil: Wenn Sie Zugang zu einem anderen, bekanntermaßen funktionierenden Netzteil haben, ist dies der sicherste Weg, um auszuschließen, dass das aktuelle Netzteil der Verursacher ist.

10. Mainboard selbst

Wenn alle Komponenten einzeln getestet wurden und die Fehlersuche keine andere Ursache zutage gefördert hat, muss leider das Mainboard selbst als Defekt in Betracht gezogen werden.

• Sichtprüfung: Suchen Sie nach sichtbaren Schäden auf dem Mainboard: verbogene Pins im CPU-Sockel, aufgeblähte Kondensatoren, Brandflecken, Kratzer oder Risse.
• Garantie: Wenn Ihr Mainboard noch unter Garantie steht, ist jetzt der Zeitpunkt, den Händler oder Hersteller zu kontaktieren.

Was tun, wenn nichts hilft?

Nachdem Sie all diese Schritte durchlaufen haben, haben Sie entweder das Problem gelöst oder den Kreis der möglichen Ursachen stark eingegrenzt.

• Fachmann konsultieren: Wenn Sie sich unsicher sind oder die oben genannten Schritte nicht zum Erfolg geführt haben, scheuen Sie sich nicht, einen erfahrenen Techniker oder PC-Service um Hilfe zu bitten.
• Komponenten ersetzen: Basierend auf Ihren Diagnoseergebnissen könnten Sie überlegen, die wahrscheinlich defekte Komponente (z.B. RAM, Netzteil oder im schlimmsten Fall das Mainboard) zu ersetzen.

Fazit

Ein PC, der nicht startet, obwohl die Mainboard-LEDs leuchten, kann eine echte Geduldsprobe sein. Doch mit einem systematischen Ansatz, viel Geduld und der Einhaltung von Sicherheitsmaßnahmen können die meisten Probleme dieser Art identifiziert und behoben werden. Von einfachen Kabelüberprüfungen bis hin zum detaillierten Bench-Test – jeder Schritt bringt Sie der Lösung näher. Wir hoffen, dieser umfassende Leitfaden hat Ihnen geholfen, Ihr System wieder zum Laufen zu bringen und die stille Frustration in einen triumphierenden Bootvorgang zu verwandeln!