Die RX5700 macht große Probleme? Eine Sammlung der häufigsten Fehler und ihrer Lösungen

Als die AMD Radeon RX 5700 und RX 5700 XT im Sommer 2019 auf den Markt kamen, versprachen sie eine neue Ära für AMDs High-End-Grafikkarten. Mit der RDNA-Architektur sollte Nvidia Konkurrenz gemacht werden, und das zu einem attraktiven Preis. Doch die Realität sah für viele Nutzer zunächst anders aus: Eine Welle von Berichten über frustrierende Probleme, darunter Black Screens, Treiberabstürze und Performance-Einbrüche, überschwemmte die Foren. Die RX 5700 wurde schnell zum Synonym für Treiberprobleme und Unzuverlässigkeit.

Wenn Sie eine RX 5700 oder RX 5700 XT besitzen und mit Schwierigkeiten kämpfen, sind Sie nicht allein. Dieser Artikel soll Licht ins Dunkel bringen, die häufigsten Probleme detailliert beleuchten und Ihnen praxiserprobte Lösungen an die Hand geben. Unser Ziel ist es, Ihnen zu helfen, Ihre RX 5700 stabil und leistungsfähig zu betreiben, damit Sie endlich das volle Potenzial Ihrer Hardware ausschöpfen können.

Warum die RX 5700 so problematisch war (und manchmal noch ist)

Die anfänglichen Probleme der RX 5700-Serie waren vielschichtig. Ein großer Teil der Schuld wurde den frühen AMD Radeon Software-Treibern zugeschoben, die oft instabil waren und zu den berüchtigten „Treiber-Timeouts” führten. Doch es stellte sich heraus, dass die Ursachen auch tiefer lagen, manchmal in der Interaktion mit bestimmten Mainboards, Netzteilen oder sogar Display-Kabeln. Viele der „großen Probleme” wurden im Laufe der Zeit durch verbesserte Treiber behoben, aber einige hartnäckige Schwierigkeiten können auch heute noch auftreten, insbesondere bei älteren Installationen oder spezifischen Hardwarekonfigurationen.

Die häufigsten Probleme der RX 5700 im Detail

1. Schwarze Bildschirme und Systemabstürze (Black Screens & Crashes)

Das vielleicht frustrierendste und am häufigsten genannte Problem. Während des Spielens, beim Anschauen von Videos oder sogar im Leerlauf wird der Bildschirm plötzlich schwarz, der Sound friert ein oder das System stürzt komplett ab. Manchmal erholt sich der Treiber mit einer Fehlermeldung, oft hilft nur ein Hard-Reset. Diese Black Screens können sporadisch oder in bestimmten Situationen auftreten und sind ein klares Zeichen für Instabilität.

2. Treiber-Timeouts

Eng verwandt mit den Black Screens sind die Treiber-Timeouts. Hierbei meldet Windows, dass der Anzeigetreiber nicht mehr reagiert und erfolgreich wiederhergestellt wurde. Das Spiel oder die Anwendung stürzt dabei oft ab, manchmal bleibt der Bildschirm auch kurz schwarz, bevor er wieder normal wird. Diese Timeouts sind ein Indikator dafür, dass der Treiber unter Belastung (oder auch ohne) die Kommunikation mit der GPU verloren hat.

3. Stottern, Ruckler und schlechte Leistung (Stuttering & Poor Performance)

Obwohl die RX 5700 eigentlich eine solide Leistung bieten sollte, berichten viele Nutzer von Mikrorucklern (Stuttering), ungleichmäßigen Frametimes oder einer generell schlechteren Performance als erwartet. Dies kann in bestimmten Spielen oder Anwendungen auftreten und das Spielerlebnis erheblich trüben. Manchmal wird die volle Leistung der GPU nicht abgerufen, was zu Frustration führt.

4. Hohe Junction-Temperaturen und laute Lüfter

Die RX 5700 XT ist bekannt dafür, im Vergleich zu anderen GPUs höhere Junction-Temperaturen zu erreichen. Während die durchschnittliche GPU-Temperatur in Ordnung sein mag, kann die Hotspot-Temperatur extrem hoch sein (oft über 100°C), was zu einer aggressiven Lüfterkurve und damit zu übermäßiger Lautstärke führen kann. Auch wenn diese Temperaturen im Spezifikationsbereich von AMD liegen, sind sie für viele Anwender störend.

5. Probleme mit der Aufnahmefunktion (Relive / Radeon ReLive)

Nutzer, die die integrierte Aufnahmefunktion von AMD (ehemals Relive, jetzt Teil der Radeon Software) verwenden möchten, stoßen häufig auf Probleme. Aufnahmen starten nicht, brechen ab, sind beschädigt oder verursachen zusätzliche Abstürze und Stottern. Dies beeinträchtigt die Möglichkeit, Gameplay festzuhalten oder zu streamen.

6. Anzeigeprobleme (Flickering, kein Signal nach Standby, HDR-Probleme)

Gelegentlich treten auch visuelle Probleme auf: Bildschirmflackern (Flickering), insbesondere bei hohen Bildwiederholraten oder FreeSync-Monitoren. Manchmal gibt es nach dem Aufwachen aus dem Standby-Modus kein Bildsignal, oder es treten Probleme mit der korrekten Darstellung von HDR-Inhalten auf.

Umfassende Lösungsansätze: So bekommen Sie Ihre RX 5700 in den Griff

Die gute Nachricht ist: Viele der Probleme der RX 5700 lassen sich beheben oder zumindest lindern. Es erfordert oft etwas Geduld und systematisches Vorgehen. Beginnen Sie immer mit den grundlegenden Schritten und arbeiten Sie sich dann zu den spezifischeren Lösungen vor.

1. Der heilige Gral: Die Treiberinstallation (DDU)

Dies ist der absolut wichtigste Schritt bei fast allen Problemen. Eine saubere Deinstallation alter Treiber und eine Neuinstallation der neuesten, stabilen Version ist entscheidend.

1. Laden Sie den neuesten stabilen AMD-Treiber von der offiziellen AMD-Website herunter.
2. Laden Sie das Tool Display Driver Uninstaller (DDU) herunter.
3. Starten Sie Windows im abgesicherten Modus (Googlen Sie „Windows abgesicherter Modus starten” für Ihre Windows-Version).
4. Führen Sie DDU aus und wählen Sie „GPU” und „AMD”. Klicken Sie auf „Bereinigen und Neustart (Empfohlen)”. DDU entfernt restlos alle Treiberdateien.
5. Nach dem Neustart installieren Sie den zuvor heruntergeladenen AMD-Treiber. Wählen Sie „Benutzerdefinierte Installation” und deaktivieren Sie, wenn möglich, unerwünschte Komponenten wie AMD Bug Report Tool oder das AMD-Feedback.
6. Installieren Sie nur die Grafikkartentreiber und die Radeon Software, wenn Sie sie benötigen.
7. Starten Sie Ihren PC erneut.

Tipp: Nicht immer ist der allerneueste Treiber der beste. Manchmal bieten leicht ältere, aber bewährte Treiberversionen (z.B. ein WHQL-zertifizierter Treiber statt eines optionalen Beta-Treibers) mehr Stabilität. Recherchieren Sie in Foren, welche Versionen als stabil gelten.

2. Energieeinstellungen und Netzteil (PSU)

Eine stabile Stromversorgung ist essenziell.

• Netzteil (PSU): Stellen Sie sicher, dass Ihr Netzteil ausreichend Leistung liefert (mindestens 600-650W für eine RX 5700 XT, 550W für eine RX 5700, idealerweise mit 80+ Gold Zertifizierung). Ein qualitativ minderwertiges oder unterdimensioniertes Netzteil kann zu Instabilität führen.
• Separate PCIe-Kabel: Verwenden Sie für die Stromversorgung der Grafikkarte zwei separate PCIe-Stromkabel direkt vom Netzteil, nicht ein einziges Kabel mit zwei Anschlüssen (Daisy Chain). Dies stellt eine stabilere Stromzufuhr sicher.
• Windows-Energieoptionen: Stellen Sie im Windows-Energiesparplan unter „PCI Express” -> „Verbindungszustand-Energieverwaltung” auf „Aus”.

3. BIOS/UEFI-Updates

• Mainboard-BIOS: Ein veraltetes Mainboard-BIOS kann Kompatibilitätsprobleme verursachen. Prüfen Sie auf der Website Ihres Mainboard-Herstellers, ob ein neueres BIOS/UEFI-Update verfügbar ist und installieren Sie es.
• GPU-BIOS (Vorsicht!): In seltenen Fällen kann ein Update des GPU-BIOS (VBIOS) von AMD oder dem Hersteller der Grafikkarte helfen. Dies ist jedoch ein riskanter Schritt, der Ihre Garantie beeinträchtigen kann und nur durchgeführt werden sollte, wenn Sie genau wissen, was Sie tun.

4. Kabel und Monitoreinstellungen

• DisplayPort-Kabel: Minderwertige DisplayPort-Kabel sind eine häufige Ursache für Flickering und keine Signale. Investieren Sie in ein hochwertiges, VESA-zertifiziertes DisplayPort-Kabel.
• FreeSync / Adaptive Sync: Experimentieren Sie mit dem Deaktivieren von FreeSync/Adaptive Sync im Radeon Software und/oder im Monitormenü. Manchmal sind die Implementierungen nicht perfekt synchronisiert.
• HDR: Versuchen Sie, HDR zu deaktivieren, wenn Sie Probleme mit der Bildqualität oder Black Screens haben.
• Bildwiederholrate: Senken Sie testweise die Bildwiederholrate Ihres Monitors (z.B. von 144Hz auf 120Hz oder 60Hz), um festzustellen, ob die Probleme bei niedrigeren Frequenzen verschwinden.

5. Hardware-Beschleunigung und Browser

Deaktivieren Sie testweise die Hardware-Beschleunigung in Browsern (Chrome, Firefox, Edge) und anderen Anwendungen wie Discord oder Spotify. Manchmal können diese Funktionen die GPU unnötig belasten oder zu Konflikten führen.

Spezifische Lösungen für die Probleme

Für Black Screens, Treiber-Timeouts und Abstürze:

• PCIe Gen-Einstellungen: Im BIOS/UEFI Ihres Mainboards finden Sie oft eine Einstellung für den PCIe-Steckplatz der Grafikkarte (meist „PEG” oder „PCIe Slot X”). Setzen Sie diese von „Auto” oder „Gen4” auf „Gen3„. Dies hat sich als eine der effektivsten Lösungen für viele Nutzer erwiesen, da die frühe RX 5700-Serie oft Probleme mit PCIe 4.0-Implementierungen hatte.
• Enhanced Sync deaktivieren: In der Radeon Software unter „Grafik” > „Globale Einstellungen” > „Erweiterte Einstellungen” deaktivieren Sie „Enhanced Sync”. Diese Funktion kann bei einigen Systemen zu Instabilität führen.
• Global WattMan (Undervolting): Ein leichtes Undervolting (Reduzierung der GPU-Spannung) kann Wunder wirken. Dies senkt den Stromverbrauch, die Wärmeentwicklung und erhöht oft die Stabilität. (Details dazu weiter unten).
• Registry-Tweak (TDRDelay): Ein erweiterter Schritt ist das Hinzufügen eines „TdrDelay”-Wertes zur Windows-Registrierung. Dieser Wert erhöht die Zeit, die Windows dem Grafiktreiber zur Wiederherstellung gibt, bevor es einen Timeout meldet. Suchen Sie nach Anleitungen für „TdrDelay Registry” im Netz (Vorsicht bei Änderungen an der Registry!).

Für Stottern und schlechte Leistung:

• Radeon Anti-Lag: Aktivieren Sie diese Funktion in der Radeon Software, sie kann die Eingabeverzögerung reduzieren und zu einem flüssigeren Gefühl beitragen.
• V-Sync / FreeSync: Experimentieren Sie mit der Aktivierung/Deaktivierung von V-Sync oder FreeSync im Spiel und/oder in der Radeon Software.
• AMD Game Mode: Stellen Sie sicher, dass Ihr Spiel im AMD Game Mode erkannt wird und die Profile richtig angewendet werden.
• RAM-Geschwindigkeit: Stellen Sie sicher, dass Ihr Arbeitsspeicher mit der korrekten XMP-Profilgeschwindigkeit läuft. Langsamer RAM kann die Performance der RX 5700 stark beeinträchtigen.
• Hintergrundprozesse: Schließen Sie unnötige Hintergrundanwendungen und Overlays (Steam, Discord, GeForce Experience falls vorhanden) die mit der Radeon Software interferieren könnten.

Für hohe Temperaturen und laute Lüfter:

• Undervolting (sehr empfohlen!): Dies ist die effektivste Methode. Reduzieren Sie die GPU-Spannung über die Radeon Software (Leistung -> Tuning -> Manuell -> GPU Tuning -> Erweitert -> Spannung). Beginnen Sie mit kleinen Schritten (z.B. -50mV) und testen Sie die Stabilität. Viele RX 5700 XT können stabil mit Spannungen von 1100-1150mV betrieben werden, während Standard oft bei 1200mV+ liegt. Dies reduziert die Hotspot-Temperatur erheblich und ermöglicht leisere Lüfter.
• Benutzerdefinierte Lüfterkurve: Erstellen Sie eine eigene Lüfterkurve in der Radeon Software, um die Lüfter nicht so aggressiv anspringen zu lassen. Setzen Sie die Drehzahl bei niedrigeren Temperaturen etwas höher an, um die Temperaturen besser zu kontrollieren, bevor sie zu hoch werden.
• Gehäusebelüftung: Eine gute Gehäusebelüftung ist entscheidend. Stellen Sie sicher, dass ausreichend Luft ins Gehäuse gelangt und warme Luft abgeführt wird.
• Wärmeleitpaste: Wenn alle Stricke reißen und die Karte sehr alt ist, könnte das Erneuern der Wärmeleitpaste auf der GPU helfen, die Temperaturen zu senken. Dies ist jedoch ein fortgeschrittener Schritt und kann die Garantie erlöschen lassen.

Für Probleme mit der Aufnahmefunktion (Relive):

• Overlays deaktivieren: Deaktivieren Sie alle anderen Overlays von Drittanbietern (Discord, Steam, Xbox Game Bar) während der Nutzung der Radeon Software Aufnahme.
• Treiberversionen: Suchen Sie nach Berichten über stabile Treiberversionen für die Aufnahmefunktion. Manchmal funktionieren ältere Treiber hier besser.
• Speicherort: Stellen Sie sicher, dass der Zielordner für Aufnahmen auf einem schnellen Laufwerk (SSD) liegt und ausreichend Speicherplatz vorhanden ist.

Fortgeschrittene Tipps: Undervolting und Custom Fan Curves in der Radeon Software

Das Undervolting und das Anpassen der Lüfterkurve sind die mächtigsten Werkzeuge, um die RX 5700 zu zähmen. Beide Funktionen finden Sie in der AMD Radeon Software unter „Leistung” -> „Tuning”.

Undervolting-Anleitung:
1. Wählen Sie „Manuell” und aktivieren Sie „GPU Tuning”.
2. Gehen Sie zu „Erweitert”.
3. Hier sehen Sie Frequenz-/Spannungskurven. Konzentrieren Sie sich auf die „Spannung” (mV) für die höheren Frequenzstufen (z.B. State 7).
4. Reduzieren Sie die Spannung in kleinen Schritten (z.B. 10-20 mV pro Schritt).
5. Testen Sie die Stabilität mit einem anspruchsvollen Spiel oder einem Benchmark (z.B. FurMark, Heaven Benchmark, 3DMark). Achten Sie auf Black Screens, Abstürze oder Grafikfehler.
6. Wenn es stabil läuft, können Sie weiter reduzieren. Wenn es abstürzt, erhöhen Sie die Spannung wieder leicht. Das Ziel ist die niedrigste stabile Spannung bei einer gegebenen Frequenz. Dies senkt Temperaturen und Stromverbrauch.

Lüfterkurven-Anleitung:
1. Aktivieren Sie unter „Leistung” -> „Tuning” auch das „Lüfter-Tuning” und wählen Sie „Manuell”.
2. Sie sehen eine Kurve, die Lüfterdrehzahl (in %) der Temperatur (in °C) zuordnet.
3. Passen Sie die Punkte so an, dass die Lüfter bei niedrigeren Temperaturen etwas höher drehen, um die Hotspot-Temperatur gar nicht erst zu hoch werden zu lassen. Bei höheren Temperaturen können Sie die Drehzahl anheben, um die Karte kühl zu halten, oder etwas konservativer sein, wenn Ihnen Lautstärke wichtiger ist als die letzte Grad Celsius.
4. Testen Sie Ihre Einstellungen unter Last. Achten Sie darauf, dass die Temperaturen im grünen Bereich bleiben und die Lautstärke für Sie akzeptabel ist.

Fazit: Geduld zahlt sich aus

Die RX 5700 und RX 5700 XT waren bei ihrer Einführung sicherlich keine unkomplizierten Grafikkarten. Doch mit der Zeit und durch die enorme Arbeit der AMD-Ingenieure (und der Community!) wurden die meisten anfänglichen Probleme behoben oder sind heute durch gezielte Einstellungen in den Griff zu bekommen. Wenn Sie mit den genannten Schwierigkeiten kämpfen, versuchen Sie die hier beschriebenen Schritte methodisch durchzugehen.

In den meisten Fällen führt eine saubere Treiberinstallation, die Anpassung der PCIe-Einstellung auf Gen3 und ein leichtes Undervolting der Karte bereits zu einer deutlich stabileren und angenehmeren Erfahrung. Lassen Sie sich nicht entmutigen – die RX 5700 ist immer noch eine leistungsstarke GPU, die mit ein wenig Tuning ihr volles Potenzial entfalten kann. Viel Erfolg!